In eigener Sache: Berlin

Ich wohne jetzt in Berlin. Kann das selbst noch gar nicht so richtig glauben, aber der Unglaube ist auf jeden Fall eher ein freudiger als ein ängstlicher. Ich freue mich darauf, der blühenden Film-Community hier beizutreten und mich unauffällig unter die vielen bereits anwesenden HauptstadtbloggerInnen zu mischen (sie sind hier wirklich überall, es ist eine Plage). Liebe Agenturen, ihr dürft mir ab sofort gerne öfter Einladungen zu Berliner Veranstaltungen schicken – die Möglichkeit, dass ich kommen kann, ist gerade exponentiell gestiegen.

Was der Umzug auch bedeutet, ist, dass dieses Blog jetzt eine Weile still war und vermutlich auch noch ein bisschen sein wird, während Frau Matzkeit und ich dafür sorgen, dass wir endlich wieder Internet in der Wohnung haben und die Fernbedienung für den Fernseher suchen.

Was die Weiterentwicklung des Blogs angeht, wird es wohl auf eine Mischung aus mehreren Faktoren rauslaufen. Den Aggregator spare ich mir, mit Ausnahme meiner Nachhaltigkeit, die mal eine neue Ausgabe vertragen könnte. Aber ich werde versuchen, einen Podcast zu machen (und vielleicht in der Zeit etwas weniger bloggen) und ich werde versuchen, Strukturen zu schaffen, um in diesem Blog noch öfter andere Stimmen vorkommen zu lassen (quasi als Ausgleich).

All das dann bald an dieser Stelle, aber erstmal muss ich mich in der neuen Stadt ein bisschen eingewöhnen. Wer jetzt schon Ideen für Gastbeiträge hat, möge mir schreiben.

Michael Bay ist der Meister des Moments

Dies ist ein Gastposting von Sebastian Mattukat.

Zur Einstimmung wird diese Playlist empfohlen.

Es ist wieder soweit, der nächste Transformers kommt morgen in die Kinos und wieder wird jede Menge über Michael Bay geschrieben. Fast einstimmiger Tenor: Michael Bay, der Zerstörer des Kinos. Gleich vorweg: Ja, seine Filme sind immer groß, laut und irgendwie ein bisschen vulgär. Aber trotzdem kann man mit ihnen seine Freude haben. Ein paar meiner Kollegen fragen sich regelmäßig, wieso ich mir noch einen Transformers überhaupt anschaue. Manchmal kommen sie mit ins Kino und sind aufgrund der Story in der Regel frustriert. Ich antworte dann immer, dass sie ja bitte nicht ernsthaft wegen der Geschichte in den Film gegangen sind. Die Gegenfrage lautet dann immer, warum ich in den Film gegangen bin und wie ich mit erhobenen Hauptes den nächsten von Trier gehen kann. Der folgende Text ist der Versuch einer Antwort.

Was ist es also, was mich in die Filme von Michael Bay zieht, wenn es nicht wie sonst die Geschichte ist? In meinen Augen sind seine Filme einer der letzten wahrhaftigen Actionfilme, die den Moment zelebrieren, die so echt wie möglich und Hautnah am Geschehen sind. In einem vor kurzem veröffentlichten Video wird die „Bayhem“ betitelte Ästhetik besprochen, aber tritt meiner Meinung nach, in ihrer Kritik, zu kurz. Denn das Video impliziert, dass man der Geschichte folgen möchte, doch das ist wie Eingangs besprochen der größte Fehler, den man in einem Film von Herrn Bay tun kann.

Beginnt man sich jedoch auf die einzelnen Momente einzulassen, achtet auf die kleinen Details und die berauschende Kameraarbeit, dann stellt man immer wieder fest, „Das war gerade das visuell aufregendste, was ich seit langem gesehen habe!“. Ich stelle hier nun die These auf, dass dies vor allem Zuschauer können, die mit dem Medium Musikvideos, was Bay großmachte, nicht nur vertraut sind, sondern dies auch zu schätzen wissen. Auch wenn man heute nur noch selten daran erinnert wird: Musikvideos waren früher kleine opulente Meisterwerke, die im besten Fall die Stimmung eines Liedes perfekt transportierten. Hier hat Michael Bay sein Handwerk gelernt und es auf seine Art perfektioniert, um Stimmungen und Momente zu transportieren.

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Wie bei einem guten Musikvideo bleiben einzelne Szenen seiner Film im Kopf hängen. Es reicht eine Drehung der Kamera und man ist sofort wieder in Miami. Durch das visuelle Verständnis von Bay und seinen Kameramännern werden kleine Szenen zu wahren Meisterwerken. Sei es die großartige Verfolgungsjagd in The IslandNicolas Cage und das Leuchtfeuer, oder die Szene, die Will Smith zum Filmstar machte. Natürlich sind all dies große Szenen, mit klaren Strukturen und völliger Abwesenheit von Zwischentönen. Doch im Vergleich zu vielen anderen Actionfilmen dieser Tage besitzen sie damit etwas Echtes, etwas Reales, so dass es eine Freude ist, sie in sich aufzusaugen.

Gleichzeitig gibt es noch einen zweiten Punkt, der Michael Bay hervorhebt und besonders macht. Er dreht so viel wie möglich “in camera” und das macht ihn zu einer aussterbenden Art. Früher war es nichts besonderes, aber in der heutigen Welt der Pixel-Avatare ist es eine willkommene Abwechslung. Wenn Stahl auf Beton trifft, merkt das der Zuschauer, er kann es förmlich spüren. Da werden Autos ineinander gefahren, Boote über den Highway geschmissen, ganze Kriegsschiffe aufgefahren und Wüstenoasen gesprengt. Oben drauf kommen dann nicht zu knapp die visuellen Effekte, aber in der Regel gibt es eine reale Grundlage. Und das macht den großen Unterschied für mich als Zuschauer aus. Denn wenn ich weiß, dass etwas physikalisch nicht möglich ist und nur mit Hilfe von CGI entstanden sein kann, reißt es mich aus dem Film raus. Ist die Szene, wie auch immer, geerdet, fällt es mir leichter dem Geschehen zu folgen und die Action macht wieder spaß.

Diese packenden Einzelmomente und handgemachte Action machen natürlich noch keinen Film für die Ewigkeit. Aber das müssen die Filme von Michael Bay auch nicht sein. Viel mehr ist es doch schön, dass es da draußen noch jemanden gibt, der so cool wie kaum jemand auf den Moment inszenieren kann. Bei dessen Filmen eigentlich Szenenapplaus angebracht ist und man für einen kurzen Moment noch einmal kleiner Junge sein kann. Dann ist es wie früher und für zwei Stunden gibt es nichts wichtigeres auf der Welt, als schnelle Autos, Polizisten und Roboter. Warum sollte man das nicht genießen?

Sebastian Mattukat ist Filmemacher und lebt in Berlin. Folgt ihm auf Twitter.

Lieber Nikolaus Röttger, ich sollte für Sie arbeiten [Updated]

Mein kleiner Publicity-Stunt hat erschreckend gut funktioniert. Ich stehe jetzt mit Nikolaus Röttger in E-Mail-Kontakt. Vielen Dank an alle, die mich unterstützt haben.

Den Artikel “Alles auf einmal. Sofort!“, den ich gerade für “epd film” geschrieben habe, hätte ich auch sehr gut für “Wired” schreiben können. Eine kulturelle Technologie (Video on Demand) und eine Dienstleistung (Day-and-Date-Releasing) auf dem Vormarsch, umfassend und belastbar recherchiert, gefiltert durch eine persönliche Geschichte, die von Love Steaks-Regisseur Jakob Lass. Einem, der selbst “wired” ist, und sich wünscht, dass sich was tut in der deutschen Filmlandschaft.

Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie Geschichten für “Wired” aussehen können. Meine Leidenschaft für die Zeitschrift – und meine Kritik an den bisherigen deutschen Ausgaben – ist gut dokumentiert. Ausgabe 1 hatte den richtigen Ansatz, aber zu wenig Biss. Ab Ausgabe 3 entwickelte sich leider vieles eher zum Schlechteren.

Die neue “Wired”, die Sie, lieber Herr Röttger, in Berlin entwickeln, hat einige Vorteile gegenüber ihren Vorgängern. Vor allem: eine richtige Redaktion, mitten in Berlin, und eine regelmäßige Erscheinungsweise, die einen nicht zur Alles-Oder-Nichts-Pilotierung zu einem festen Zeitpunkt zwingt, sondern durch die man Geschichten auch länger entwickeln kann. Daher habe ich Hoffnung, dass sie gut wird und dass diese Marke, die ich so liebe, damit auch in Deutschland Fuß fasst. Weil meine Lebensplanung in den letzten Monaten anders lief, konnte ich mich nicht auf eine Redakteursstelle bewerben. Aber ich würde gerne für Sie schreiben. Dieser Post ist meine Bewerbung, die “epd Film”-Geschichte und dieses Blog ist meine Arbeitsprobe.

Ich bin 31 Jahre alt, zu alt für einen echten Digital Native, aber “wired” aufgewachsen. Mit 14 habe ich meine ersten Webseiten gebaut, mit 20 mein erstes Blog gestartet, mit 28 meine jetzige Frau im Netz kennengelernt. Ich habe Filmwissenschaft (Elfenbeinturm) und Publizistik (Harte Daten) studiert, Vollzeit als Medienjournalist gearbeitet und sämtliche Online-Aktivitäten eines 100.000-Leute-Events koordiniert. Seit fünf Jahren betreibe ich dieses Blog, dass als eins der wenigen privaten Filmblogs in Deutschland in der Mehrzahl keine Filmkritiken, sondern Analysen und Geschichten bietet – und damit auch gut ankommt. Ich schreibe neben meinem momentanen Hauptjob Artikel für “epd film” und “epd medien” und verdinge mich gelegentlich immer noch wissenschaftlich.

Die Kultur-Berichterstattung der US-“Wired”, die ich im Abo habe, ist nicht immer gut und oft ähnlich oberflächlich wie in anderen Illustrierten. Aber zwischendurch hauen sie Geschichten raus, die einfach nirgendwo anders denkbar wären. Adam Rogers’ Analyse des Tron-Reboots 2010, Brian Raftery über David Fincher 2011, die umfassende Begutachtung der neuen, datengetriebenen Fernsehlandschaft im vergangenen Jahr. Solche Geschichten gibt es auch in Deutschland. Und “Wired” sollte sie finden. Mit mir.

Lieber Herr Röttger, wenn Sie bis hierhin gelesen haben, freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme unter kontakt@alexandermatzkeit.de. Wenn Sie lieber anrufen möchten, finden Sie meine Mobilnummer im Impressum dieses Blogs.

Ihr
Alexander Matzkeit

In eigener Sache: Ein neues Zuhause

Seit Jahren rede ich darüber, dass ich “Real Virtuality” dringend auf meinen eigenen Webspace umziehen und volle Kontrolle über Layout, Plugins und Inhalte haben will. Heute habe ich meinen Worten endlich, endlich Taten folgen lassen. Jetzt gehört dieses Blog wahrhaftig mir!

Das Layout lehnt sich bewusst an das alte an, denn das Rad wollte ich nicht neu erfinden. “Real Virtuality” bleibt ein einfaches Blog mit regelmäßigen Texten zu Film und Medien. Über eine Rückmeldung, wie ihr das neue Layout findet, freue ich mich in den Kommentaren. Es ist davon auszugehen, dass sich hier und da in den nächsten Wochen noch Kleinigkeiten ändern während ich die endlosen Weiten von WordPress erkunde.

WordPress macht es einem übrigens wirklich leicht, ein .com-Blog auf den eigenen Webspace umzuziehen. Deswegen funktionieren alle Links und Abonnements für’s erste auch weiterhin. Falls ihr irgendwo auf meine Startseite verlinkt habt, würde ich euch trotzdem bitten, den Link auf die neue Domain realvirtuality.info umzuleiten.

Ich wünsche frohes Lesen.

Happy Birthday, Real Virtuality

Fünf Jahre ist es her, dass in diesem Blog der erste Eintrag verfasst wurde. Und aus einer Sammelstelle für meine Publikationen, einer Art digitaler Visitenkarte, ist etwas geworden, auf das ich inzwischen doch irgendwie stolz bin. Eine Art wöchentliche Kolumne zu Film und Medien. Ein Forum und Vernetzungsort für Filmblogger. Ein Labor für verschiedene Kritik- und Journalismusformen. Dessen Beiträge auch gelesen werden – und das ist das Wichtigste.

Eigentlich wollte ich dieses Jubiläum irgendwie begehen – mit einer Artikelserie, einer Verlosung oder irgendwelchen sonstigen Festivitäten. Aber leider fehlt mir dazu im Moment die Zeit und ich werde wohl nachfeiern müssen. Immerhin: Am vergangenen Sonntag habe ich endlich Webspace gekauft, warte jetzt darauf, dass meine Domain umzieht, und werde dann hoffentlich bald auf mein eigenes WordPress-Blogsystem umsteigen, statt weiter am Tropf von wordpress.com zu hängen. Und vielleicht gibt es dann auch ein kleines Redesign.

Und als hätte mein Lieblings-“Kunde” Marvel Studios geahnt, dass heute ein besonderer Tag ist, haben sie mir das bestmögliche Geschenk gemacht. Einen wunderbaren Trailer für Guardians of the Galaxy. Dankeschön.

In den Kommentaren hättet ihr jetzt die einmalige Gelegenheit, Kritik an “Real Virtuality” zu äußern. Was würdet ihr ändern? Woran hakt’s noch? Wovon wünscht ihr euch mehr? Ich bin doch ein willenloser Spielball und mache gerne, was ihr sagt.

Bild: Flickr Commons

Met the Bloggers (III)

Rein zahlenmäßig waren wir wohl insgesamt weniger Menschen auf dem diesjährigen Filmbloggertreffen auf der Berlinale. Positiv und vernetzend war es aber allemal. Nicht zuletzt weil sich ein Kollege von MUBI Deutschland dazugesellt hatte, der explizit mit Bloggern Kontakt aufnehmen wollte und auf jede Menge Gegenliebe stieß. Auch zwei internationale Gäste waren anwesend, Marian Williams aus Österreich und Vince Mancini von “FilmDrunk”, der auch ein paar interessante Beobachtungen über die US-Filmblogosphäre teilte. Für ihre Social Media Recherche setzte sich außerdem Katja von Time CodeMedia zu uns an den Tisch.

Danke an Patrick und Björn von “Kontroversum”, Bernd von “Ansichtssache”, Joachim von “Kino-Zeit.de”, Doreen von “Fang den Film” und Jan von “CineCouch“, dass sie sich Zeit genommen haben. Extra-Dankeschön an Gerold von “DigitaleLeinwand”, der mich außerdem an meinem Berlinale-Wochenende beherbergt hat. Das ist wahre Blogger-Solidarität.

Podgast (IV)

Ich habe mich sehr gefreut, dass mich Sidney mal wieder gefragt hat, ob ich bei einem seiner Podcasts mitmachen möchte. Das Ergebnis, anderthalb Stunden Diskussion zu den Oscar-Nominierungen mit Antje von “Buy a Movie” und Stephan von “Die Academy”, ist jetzt online.

CONTINUITY – So etwas wie eine persönliche Herleitung

Ich habe den bekloppten Plan gefasst, 2014 ein Buchprojekt anzugehen, das den Arbeitstitel “Continuity” trägt. Da ich den Arbeitsprozess relativ offen angehen will, werde ich immer wieder versuchen, meine Gedanken zum Projekt in diesem Blog niederzuschreiben. Diskussion jeder Art dazu ist mir hochwillkommen.

Vor knappen zwei Stunden habe ich folgenden Tweet abgesendet.

Das Zitat, das ich eingebunden habe stammt aus dem Artikel (in dem es darum geht, dass der Kurzfilm, welcher auf der Thor: The Dark World-DVD enthalten sein wird eventuell auf die Netflix-Serien, die Marvel 2015 produzieren wird, vorausdeutet) und es fasst perfekt die Faszination zusammen, die ich in meinem Buch – das ja perfekterweise sogar auch den Titel “Continuity” trägt – beschreiben will. Der Autor des Artikels fühlt sich anscheinend, genau wie ich, dadurch wohlig durchströmt, dass da draußen jemand ist, dem erzählerische Einheitlichkeit sehr wichtig ist.

Der Ursprung für “Continuity” liegt, glaube ich, darin, dass ich immer auf der Suche nach meiner persönlichen Weltformel bin. Das heißt: Ich versuche eigentlich immer, mein eigenes Interessen-Genom zu entschlüsseln. Wenn mich ein neuer kultureller Aspekt zu faszinieren beginnt, leuchtet mir häufig erst nach einiger Zeit ein, dass dieser Aspekt auf gewisse Weise doch sehr gut zu vielen anderen Dingen passt, die mich früher fasziniert haben.

Während ich im Dezember in meiner Hautklinik in Thüringen saß (ich versuche derzeit, meine Neurodermitis in den Griff zu bekommen), Grant Morrisons “Supergods” über die Geschichte des Superheldencomics las und zum wiederholten Mal über das Marvel Cinematic Universe und die neuen Aspekte filmischen Storytellings nachdachte, die ich dieses Jahr so erforscht hatte, fiel mir irgendwann auf, dass ich schon immer Respekt vor in sich geschlossenen Systemen hatte.

Im Zweifel: Mathematik

Ich versuche mal, ein Beispiel zu bringen, dass nichts mit Erzählen zu tun hat und mit dem ich plane, das Buch zu eröffnen: die Mathematik. Die einzige Naturwissenschaft, in der ich es in der Schule zu etwas gebracht habe, weil sie so schön abstrakt ist. Jedes Mal, wenn ich einem Mathematiker oder eine Mathematikerin begegne, bringe ich wieder zum Ausdruck, wie enorm ich es finde, dass der Mensch hier ein in sich geschlossenes System geschaffen hat, in dem jedes Element fugenlos in alle anderen passt. Und wenn nicht, wird es passend gemacht.

So geschehen mit den komplexen Zahlen. Als in der Mathematik irgendwann das Problem auftauchte, dass für einige Gleichungen eigentlich das Ziehen einer Wurzel aus negativen Zahlen notwendig sein müsste, erfand der Italiener Geronimo Cardano einfach eine neue Zahleneinheit, die imaginäre Zahl i. Diese neue Einheit ermöglichte es ihm, und allen seinen Nachfolgern, weiterzurechnen und das Gesamtsystem der Mathematik intakt zu lassen, also keine “Ausnahme” nach dem Motto “1 plus 1 ist immer zwei, außer montags” einführen zu müssen, wie man sie ja zum Beispiel leider in einem so lebendigen und nicht-abstrakten Gebilde wie einer Sprache mit starken und schwachen Verben etc. hat. (Falls übrigens jemand eine anschaulich und für Mathelaien wie mich verständlich geschriebene Geschichte dieser Entdeckung kennt, danach suche ich noch!)

Und genau wie mich in der Mathematik diese Geschlossenheit und Einheitlichkeit fasziniert, tut sie es auch in erzählerischen Kontexten – und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich der einzige bin, dem das so geht, denn sonst würden sich nicht so viele andere Menschen damit beschäftigen.

Symptome, nicht Ursachen

Mit anderen Worten: Der Grundgedanke hinter “Continuity” lautet: All die Buzzthemen, die im Moment die Medienlandschaft durchstreifen, und die mich an diesen Punkt geführt haben – Worldbuilding und Transmedial Storytelling, die Verbeugung vor komplex strukturierten und erzählten TV-Serien, Medien-Franchises und Markenuniversen – aber auch andere Phänomene neuerer Zeit wie die oft angebetete Verschmelzung von Design und Leistung bei Apple oder Konzepte wie Corporate Design und Corporate Identity sind eigentlich nur Symptome für eine Art von Einheitlichkeit im Gesamtbild, der wir alle entgegenstreben..

Ich werde mich diesem vermuteten Bedürfnis nicht vollständig widmen können, sonst müsste ich eigentlich ein Psychologie-Buch schreiben und dafür habe ich weder die Ressourcen noch das Wissen, aber ich möchte erforschen, wie sich das ganze im erzählerischen und medialen Bereich niederschlägt. Vorsichtiges Anklopfen bei Menschen, die sich, im Gegensatz zu mir, mit Sozialpsychologie auskennen haben mich auf den Pfad von Leon Festingers Kognitiven Dissonanz geführt, mit dem ich mich dann bald etwas näher beschäftigen werde. Ich suche folgerichtig nach kognitiver Konsonanz: Es macht uns glücklich, wenn alles irgendwie zusammenpasst. (Auch in diesem Bereich bin ich für jede weitere Idee/Studie/Forschungsfeld aus Psychologie oder Medizin dankbar, die in mein Konzept passen könnte.)

Narrative Special Effects

Der nächste Schritt, meine zweite These, die sozusagen auf dieser ersten aufbaut, ist: Wenn wir einmal Blut geleckt haben, wird die Suche nach dem Zusammenpassen zu einem integralen Teil des Genusses des Erzählten. Das ist es, wofür ich im Mai mit der operationellen Ästhetik endlich ein Wort gefunden habe. Jason Mittell nennt es in seinem “Complex TV”-Buch den “narrativen Special Effect”. So, wie man einen Film mit vielen Effekten auch eventuell nur wegen dieser Effekte genießen kann (selbst wenn die Story mau ist) kann man eine Geschichte auch genießen, weil sie sich so nahtlos in alles andere einfügt (selbst wenn das Erzählte einen eigentlich nicht befriedigt).

Zwei Beispiele dafür. Ich habe nun schon mehrfach ausgesagt, dass ich Richard Linklaters Before-Trilogie inhaltlich nicht viel abgewinnen kann. Ich empfinde Celine und Jesse als grundsätzlich sehr unsympathische Charaktere, die mitnichten große Weiheiten über Liebe und Leben von sich geben, sondern viel eher lebendige Beweise dafür sind, wie verknorzt und auf dem Niveau von Teenagern stehen geblieben das Konzept von romantischer Liebe in unserer Gesellschaft nach wie vor ist. Trotzdem fasziniert mich natürlich das Konzept, die Beziehung zweier Menschen über einen sehr langen Zeitraum zu beobachten und dabei die Wechselwirkungen zwischen den Charakteren und den Schauspielern, die sie verkörpern, einzufaktorieren. Dafür liebe ich die Serie trotz ihrer xanthippigen Charaktere.

Genauso habe ich (ebenfalls im Dezember) endlich angefangen, “Lost” zu gucken, und muss zugeben, dass ich insgesamt, nach dem Ende der ersten Staffel, nicht besonders begeistert bin. Das Mysterium der Insel, auf der die Passagiere des Fluges gestrandet sind, interessiert mich natürlich auch – ich will wissen, was die Auflösung ist – aber die doch manchmal recht holzschnittartigen Charaktere, ihre Beziehungen zueinander und die riesige Menge an Episoden, die nur dazu dienen, Sendezeit zu füllen, ließen mich doch eher gähnen. Trotzdem bin ich mit “Lost” noch nicht fertig, es interessiert mich zu sehr, wie Abrams, Lindelof und Co die Spannung über sechs Staffeln halten und am Ende eine Lösung präsentieren, die, so habe ich es zumindest empfunden, viele der Rätselrater im Publikum enttäuscht hat. Die operationelle Ästhetik der Serie trumpft den inhaltlichen Gehalt. (Bei “Agents of S.H.I.E.L.D.” geht es mir derzeit ähnlich).

Hilfe ist willkommen

Auf diesen beiden Thesen möchte ich das Buch aufbauen. Ich möchte die Faszination am Erzählen innerhalb einer Kontinuität (daher der Titel) zurückverfolgen (beispielsweise zur Kanonisierung der Bibel) und heraufinden, welche Faktoren wichtig sind, damit das Prinzip erfolgreich funktioniert (etwa autoriale Kontrolle bzw. Vorausplanung). Ich will Theorien darüber aufstellen, welche Aspekte der menschlichen Psyche hineinspielen und auf welche Art sie sich alle in unserem modernen Erzählzeitalter äußern. Schließlich soll es eine große Fallstudie geben, an der ich alle Thesen überprüfe und ein Erzählkontinuum detailliert beleuchte. Natürlich wird das das Marvel Cinematic Universe sein. Das Schlusskapitel soll den Titel tragen, der unten auf dem Bild zu sehen ist.

Könnt ihr meine Gedankengänge nachvollziehen? Was fällt euch dazu ein? Wo sind euch solche Phänomene begegnet? Ich bin für jede Idee, jeden Kommentar, jede Anregung – und sei sie noch so trivial – dankbar.

Quelle: tumblr, The A-Team © Universal Pictures

Film Blog Adventskalender – 21 – Sascha von “PewPewPew”

An JJ Abrams – lasst mich ausreden! – scheiden sich ja die Geister. Für die einen ist er der crossmediale Geekmessias-Workaholic des Blockbusterkinos, der endlich die Prequelwunden heilen und für das Gleichgewicht in der Macht sorgen wird. Für die anderen ein Spielbergtreuer Mainstreamboyscout, der mit Lens Flares Star Trek zerstörte. Aber Angehörige beider Lager sind sich sicher: Der Mann versteht was von Mystery. Die einen lieben dies und lassen sich verzaubern. Die anderen sind genervt und führen stichelnd seinen legendären TED Talk über seine Faszination für die Mystery Box seines Großvaters in Argumenten an. Für die Abrams-Jünger empfehle ich dieses Jahr zu Weihnachten JJs erstes Buch, das er zusammen mit Autor Doug Dorst geschrieben hat. Wer auch nur irgendwie entfernt etwas an Mystery à la Abrams hat, wird “S.” lieben. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber alleine die Aufmachung und der wunderschön aufbereitete Inhalt sowie die Beilagen sind eine Mystery Box für sich, die jeder Lost-Fan im Regal stehen haben sollte.

Sascha Brittner kann sein Blog PewPewPew selbst schwer zusammenfassen, denn auch für ihn ist es eine tägliche Mystery Box, in der er alles mögliche von Film über Fernsehen und Games bis hin zu Pizza und Katzenvideos sammelt.

(Sascha Brittner)

Film Blog Adventskalender – 14 – Christian Fahrenbach

Keine Filmtipps und DVD-Boxen von mir, dafür aber zwei Tipps für Bücher, die ein Film werden und dringend einer sein sollten. Das eine liefert über einen grandiosen Kniff eine witzige, mitreißende und rührende Beschreibung der USA als verunsichertem Patriotismus-Hort zwischen zwei Kriegen, das andere bietet grandiose Gedanken über den Wunsch der Um-die-Dreißiger, auf alles im Leben sofort die passend-lakonisch-sympathisch-gebildete Instant-Reaktion bereit zu halten.

In “Die irre Heldentour des Billy Lynn” schickt Ben Fountain den Kriegsveteran Billy als mutmaßlichen Helden auf Militär-PR-Tour durch die Football-Stadien der USA mit einem Auftritt beim Superbowl als Höhepunkt. Das Buch war in den USA gefühlte 1000 Wochen in der Bestsellerliste der New York Times aber tut sich in Deutschland etwas schwer. Zu Unrecht, denn auch hiesige Leser könnten durch die saugeschickt gewählte Erzählperspektive einen sehr intelligenten Zugang in die us-amerikanische Volksseele erleben, fernab von Hurra-Patriotismus und dumpf-deutschem Anti-Amerikanismus liefert Personal und Story eine feine Balance zwischen Humor und Tiefgang. Mehr zum Buch gibt’s bei NPR. Kauf und lest, bevor “Slumdog”-Macher Simon Beaufoy 2014 einen Film daraus macht.

Tipp 2, “Schimmernder Dunst über CobyCounty“, spielt im gelangweilten Endzwanziger-Kunst-Literatur-Milieu eines fiktiven Küstenstädtchens. Es passiert nicht wahnsinnig viel, aber die Sprache von Autor Leif Randt ist so großartig, dass sie auch bei Viellesern ein frisches Gefühl auslöst. Liebe mitlesenden Mover & Shaker aus dem Movie-Biz: Ich hätte das gerne von dem Finsterworld-Team und mit Robert Gwisdek in einer der Hauptrollen, aber ohne Tom Schilling als Protagonisten (obwohl der natürlich sonst stets super ist). “CobyCounty” gibt es in einer sehr passenden und schönen Hardcover-Ausgabe und als okay gestaltetes Taschenbuch. Knausert nicht, kauft das Hardcover, es ist Weihnachten!

Warum Ihr meinem anmaßenden Urteil vertrauen solltet? Ich schmeiße mal großes Buchinteresse in den Raum, kombiniert mit gelegentlichen Kritik-Schreiberein für die dpa. (Speichern unter: “Ich bin nur ein Junge, der vor dem Internet steht und es darum bittet, ihn zu lieben.”)