Preis und Wert – für welche digitalen Abos zahle ich und warum?

Pieter Breughel der Jüngere – Die Zahlung des Zehnten (Ausschnitt) – Quelle: Wikimedia Commons

Abo-Modelle gelten für Inhalte-Erschaffer*innen im Internet oft als große Hoffnung. Wenn es gelingt, in der persönlichen Nische einen Kundenstamm aufzubauen, der groß genug ist, dass sich zumindest (im ersten Schritt) ein bestimmtes Produkt refinanziert oder (im zweiten Schritt) der Grund-Lebensunterhalt bestreiten lässt, entsteht gemeinsam mit anderen Einkünften durch Werbung, Anschlussaufträge o.ä. Sicherheit und Ruhe für ambitioniertere Projekte, größere Gedanken und bessere Arbeit. So lautet stark vereinfacht die Maxime.

Ich finde dieses Modell gut und unterstütze es gerne, allerdings auch nicht immer und überall, deswegen habe ich mich entschieden, mein eigenes – vermutlich höchst erratisches – Online-Abo-Verhalten mal unter die Lupe zu nehmen. Ich hoffe dadurch auf Reaktionen – handeln andere Menschen ähnlich? Anders? Warum?

Bevor ich auf die Realität gucke, sind hier meine theoretischen Gedanken: Bevor ich mich entscheide, ein Crowdfunding-Abo abzuschließen, überlege ich meistens:

1. Signifikanz Wie wichtig sind mir diese Inhalte in meinem Leben? Wäre ich unglücklich, wenn die Schöpfer*innen dahinter sie nicht mehr produzieren könnten, oder ist es nur ein “nice to have”?

2. Nutzen Was habe ich davon? Bietet mir eine Abo-Unterstützung einen spürbaren Vorteil, zum Beispiel gegenüber den oft ebenfalls existierenden kostenlosen Angeboten? Damit meine ich nicht unbedingt ein mehr an Inhalt – die Vorteile können ganz unterschiedlicher Natur sein.

3. Wohltätigkeit Möchte ich die Schöpfer*innen unabhängig vom persönlichen Wert für mich unterstützen? Habe ich das Gefühl, dass meine Unterstützung einen Unterschied macht? Dieser Punkt ist nicht unerheblich, er ist aber – bei aller Liebe – nicht der wichtigste für mich, und er kann sich auch im Laufe der Zeit ändern.

Also, wofür zahle ich, wieviel und warum?

Patreon

Judith Holofernes (Künstlerin) / $5 im Monat / exklusiver Zugang zu Kapiteln der Post-Wir-sind-Helden-Autobiografie, an der Judith gerade arbeitet, exklusiver Zugang zu Fragen-Podcasts, frühzeitiger Zugang zu Interview-Podcasts, Möglichkeit direkt mit einer Künstlerin zu interagieren, die ich sehr schätze

65daysofstatic (Band) / $6 im Monat / exklusiver Zugang zu Blogposts und Musikreleases, Unterstützung einer Lieblingsband, die derzeit nicht auf Tour gehen kann

The Command Zone (Magic Podcast) / $1 im Monat / früherer, werbefreier Zugang zu Videos, Unterstützung von hochwertigen Inhalten

Limited Resources (Magic Podcast) / $1 im Monat / Unterstützung der Moderatoren, Möglichkeit, Fragen zu stellen und On Air beantwortet zu bekommen

Rhystic Studies (Magic YouTube Channel) / $1 im Monat / Unterstützung des Schöpfers, Nachbesprechung der Videos per Podcast

Steady

Wochendämmerung (Podcast) / €1 im Monat / Unterstützung der Schöpferin und ihres Podcast-Labels

Filmlöwin (Website) / €2,50 im Monat / Unterstützung der Schöpferin, die ich persönlich kenne, und der Sache (feministische Filmkritik)

Cuts – der kritische Filmpodcast / €1 im Monat / Unterstützung des Formats

Übermedien (Website) / €5 im Monat / Zugang zu Artikeln und Abonnenten-Newsletter, wichtige berufliche Ressource

Außerdem

Slate Plus (Website und Podcasts) / $35 im Jahr (einmalig, auf dem Prüfstand) / Zusätzliche Segmente in und früherer Zugang zu Podcasts, gut kuratierter Newsletter

Letterboxd Pro (App/Datenbank) / $12 im Jahr / Möglichkeit, mein externes Archiv zu importieren, Unterstützung der Plattform

Bilanz

Wenn man alles zusammenrechnet komme ich somit auf rund 25 Euro, die ich jeden Monat für Online-Abos ausgebe, also etwa 300 Euro im Jahr. Damit ist auch meine Grenze dafür erreicht, was ich grundsätzlich auszugeben bereit bin. Zusätzliche Kosten müsste ich mit einem hohen (zum Beispiel beruflichen) Nutzen für mich persönlich rechtfertigen.

Ich würde gerne mehr Formate auch nur deswegen unterstützen, weil ich sie gut finde oder sie mich bereichern. Die Zusatzangebote, die dann häufig mit einem Abo verbunden sind, seien es weitere Inhalte oder das Versprechen einer Online-Community, etwa auf einem Discord-Server, kann ich in der Regel überhaupt nicht nutzen. Mir würde es meist völlig reichen, das sieht man auch an der Übersicht oben, guten Zugang zu haben – zu den Inhalten und manchmal zu den Schöpfer*innen, zum Beispiel durch Interaktion in Kommentaren.

Wieviel bekomme ich für 5 Dollar im Monat?

Deswegen ärgert es mich allerdings, dass bei vielen Newslettern oder Podcasts die niedrigste Unterstützungsstufe häufig bei 4,50 Euro/5 Dollar angesetzt ist. Bei dem Preis kann ich einfach nicht so viele Schöpfer*innen unterstützen, wie ich gerne würde. Newsletter wie Anne Helen Petersens Culture Study oder Berit Glanz’ Phoneurie finde ich eigentlich bereichernd genug, dass ich gerne einen Beitrag leisten würde, ähnlich der Podcast The Commander Sphere, aber wenn ich für jedes Angebot 5 Dollar im Monat zahle, müsste ich dafür wieder einem anderen Creator die Finanzierung entziehen. (Im Fall von Berit habe ich daher einen kleinen Betrag per Paypal am Ende des Jahres überwiesen.)

Ich würde mir wünschen, dass es noch öfter die Möglichkeit gibt, kleine Beiträge zu leisten, für die es eigentlich keine Perks geben muss außer dem erwähnten Zugang. Schöpfungen wie die drei Magic-Podcasts würde ich nicht unterstützen, wenn es nicht die Möglichkeit gäbe, nur 1 Dollar im Monat zu zahlen. Gäbe es diese Option öfter, könnte ich mein Abo-Budget breiter streuen, mehr Schöpfer*innen unterstützen. Aus diesem Grund habe ich auch ein Abo bereits wieder beendet. Den vor einem Jahr gestarteten Newsletter Zwischenzeit_en von Teresa Bücker fand ich manchmal sehr gut, aber insgesamt eher durchwachsen. Bei einem geringeren monatlichen Betrag hätte ich ihn vielleicht weiter bezahlt.

An meiner Aufstellung sieht man: Mehr Geld zahle ich vor allem für Dinge, die ich nur auf diese Art bekomme und die für mich einen nachhaltigen Wert haben, etwa Musik oder die Teilhabe an einem kreativen Prozess. Gerade bei Schöpfungen, die auch kostenlos angeboten werden, möchte ich mit einem Abo weniger die Arbeit der Schöpfer*innen oder den Nutzen für mich direkt entlohnen (dafür wäre der Betrag in der Tat zu niedrig und den Nutzen bekomme ich ja ohnehin), als meine Wertschätzung zeigen. Ich weiß nicht, ob andere Menschen ähnlich handeln würden wie ich. Aber wenn die Gründe für die Zahlungsbereitschaft verwechselt werden, kommt es zu einem Unterschied in Wahrnehmung zwischen Preis und Wert. Das ist zumindest mein Eindruck.

Their Names Escape Me

Ausschnitt aus dem Backcover von X – Ⓒ Mascot Records

Im Jahr 2009 hatte die Band Spock’s Beard eine harte Zeit. Ihr Frontmann, Visionär und einziger Songschreiber hatte einige Jahre zuvor eine Solokarriere gestartet, weil er Born-Again Christ geworden war. Die letzten zwei Alben, in denen die Band versucht hatte, zu zeigen, was das restliche Personal so produzieren kann, hatten sich nur mäßig verkauft. Spock’s Beard entschieden sich also, einen damals noch recht neuen, aber von anderen Bands mit hartem Fan-Kern wie Marillion vorgelebten, Weg zu gehen, und die Studiozeit für das neue Album X per Crowdfunding vorzufinanzieren.

Wie damals auch schon üblich gab es verschiedene Stufen, auf denen man die Band unterstützen konnte. Nur das Album, das Album und ein T-Shirt, diverse Deluxe-Ausstattungen. Das “Ultra Package” aber enthielt etwas noch Krasseres:

your name written into the lyrics of a new Spock’s Beard song. This track will include a vocal section where your name (or somone you choose) will be sung by the band. This will be a full band, fully-produced song that requires a long list of names be sung as part of the lyric.

Die Diskussionen in den Fan-Foren liefen heiß. War das eine gute Idee? Ging das nicht eine Spur zu weit in Sachen Gimmickiness? Es war ja eine Sache, Namen von Unterstützern in den Credits aufzulisten (wie es inzwischen jeder zweite Patreon macht), aber ein Lied mit 100 oder mehr Namen drin? Das konnte ja nur schief gehen.

Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich finde “Their Names Escape Me” ist vielleicht der beste Song, den Spock’s Beard in dieser Bandkonstellation geschrieben haben. (Und er ist nicht einmal auf der regulären Verkaufsversion des Albums enthalten.)

Im Text geht es um jemand (vielleicht einen Priester oder einen Seher), der vor ein Orakel geschleift wird. Die göttliche Kraft, die hinter dem Orakel steht, herrscht ihn an, er möge die Namen aller Verräter nennen, die “arms against the nation” führen würden. Der Priester bittet um Vergebung, dass er die Namen gegenüber seinem Gott nicht geheimhalten kann – und zählt auf. Erst ganz leise, dann immer lauter und wilder steigert er sich in den Verrat hinein, während die Musik hinter ihm anschwillt. (Wer nur mal reinhören will, dieser Teil beginnt bei 3:39 Minuten.)

“Their Names Escape Me” profitiert natürlich davon, dass 9-minütige Songs, in denen es minutenlange, langsame Steigerungen gibt, im Progrock, in dem sich Spock’s Beard bewegen, keine Seltenheit sind. Seine ernsthafte Stimmung wird an einigen Stellen dadurch gebrochen, dass Sänger Nick D’Virgilio Quatschnamen wie “Simon D’Progcat” singen muss. Aber ein Gimmick ist er auf keinen Fall. Er besitzt dafür, dass er im Endeffekt eine Crowdfunding-Belohnung war, eine erstaunliche Gravitas. Mir schaudert es heute noch wohlig an einigen Stellen, gerade in dem Wissen, das hinter den Namen echte Fans stehen, die bereit waren, ihre Band großzügig zu unterstützen (mein Name ist übrigens nicht dabei).

Crowdfunding Rewards auf Plattformen wie Steady, Patreon oder Kickstarter haben eine gewisse Routine erreicht. Auf den unteren Levels gibt es einfachen Zugang, auf den höheren besseren Zugang, persönliche Grüße, Credits, Autogramme und Merch. Das ist vollkommen in Ordnung so. Diese Plattformen sollen Künstler*innnen ja in erster Linie dazu dienen, ihnen Freiheit für ihre Kunst zu gewähren. Aber wenn es mal, wie in diesem Fall, dazu kommt, dass die Fans in der Kunst selbst verewigt werden können, gehört das zusätzlich gefeiert.

Kennt ihr dafür noch weitere Beispiele?