Ein gutes Serienfinale führt Pfade an einem Ort zusammen und lässt aus dieser Zusammenkunft etwas Neues entstehen, ein bisschen wie in dem alten Spruch zu Werra, Fulda und Weser. “What they become” trägt dieses Merkmal schon im Titel und man kann, denke ich, problemlos sagen, dass die Folge dem Label Midseason-Finale schon ziemlich gerecht wird. Sonst hätte ich wohl kaum am Ende meines Notizblocks ein großes “WTF” stehen gehabt.
Ein paar große Wörter werden in dieser Folge in den Raum geworfen. “DESTINY” – das ist das, was sich für Skye angeblich erfüllen soll. Und “LOVE” – Wards Antrieb, Skye zu helfen und leider die wenig hinterfragte und immer sehr abstraktromantisch angewandte “geheime” Zutat in jedem verdammten fantastischen Film da draußen – von Harry Potter über Matrix bis Interstellar. Insofern: Angenehm, dass das Wort nur eine kurze Weile bleiern in der Luft hängt und dann durch eine spontane Feuerwaffen-Aktion von Skye perfekt konterkariert wird. (Auch wenn Ward anschließend noch erstaunlich fit zu sein scheint.)
Schicksal im großen Stil
Schicksal allerdings wird in diesem Semifinale im großen Stil erfüllt und dazu passt die Parallelstruktur der Folge, in der mehrere Handlungsstränge einander immer wieder kreuzen um am Ende in einem einzigen großen Slo-Mo-Moment zu konvergieren. Und obwohl der Moment selbst spektakulär genug inszeniert ist, ist es beinahe der Weg dorthin, der inszenatorisch interessanter ist. Die vielen kleinen Teams und Standoffs, die sich im Minutentakt ergeben. May und Tripplet, Bobbi und Lance, Fitz, Simmons und Tripplet, May und Coulson, Cal und Skye, Cal vs. Whitehall, Cal vs. Coulson, Skye, Raina und Tripplet.
Am Ende dieses Weges wissen wir bereits so viel mehr, als am Anfang. Bobbi verheimlicht etwas vor Lance. Cal heißt Cal (Calvin Zabo alias Dr. Hyde, verrät mir das Internet, das mehr Marvel-Comics gelesen hat als ich). Skye heißt eigentlich Daisy (Daisy Johnson, dito). Whitehall ist tot (falls er tot bleibt). Tripplet ist tot (We hardly knew thee). Und verdammt noch eins, Skye ist Inhuman. Die Serie sagt das nicht explizit, aber das Internet hat ja sowieso seit Wochen nichts anderes vermutet.
Universumsöffnung
Es gibt einiges, was man noch an dieser Folge loben könnte. Kyle MacLachlan ist wieder voll im Grand Guignol-Modus und spielt sich die Seele aus dem Leib. Reed Diamond als Daniel Whitehall ist wunderbar dämonisch, bevor er sein unspektakuläres Ende erreicht (ich könnte mir gut vorstellen, dass er bei Agent Carter wieder dabei sein wird). Die Lichtsetzung fällt angenehm auf in der stimmigen letzten Szene in den Tiefen der unterirdischen Stadt. Das alles verblasst aber natürlich im Vergleich zu der großen Universumsöffnung, die die Serie mit ihrem Ende vornimmt.
Was in “What they become” passiert, wird große Auswirkungen auf das Marvel Cinematic Universe haben. Die Serie wird Setup, wird Hintergrund, statt immer nur Lumpensammler zu sein. Der Inhumans-Film wird erst 2019 in die Kinos kommen, bis dahin kann Agents of SHIELD noch viel Spaß mit dem Konzept haben. Zudem ist die Serie sozusagen der Grundstock für das Zwischenspiel von Agent Carter nach dem Jahreswechsel, das sicherlich mit SHIELD-Hintergrundwissen auch besser funktionieren wird (nicht umsonst fällt in dieser Folge erneut ein Hinweis auf die “Howling Commandos”). Diese Art des multipel vernetzten und langfristig geplante Erzählens ist nach wie vor ein Unikum in der weltweiten Medienlandschaft. Hoffen wir mal, dass das große Versprechen, dass diese Folge macht, in den kommenden Jahren eingelöst wird.
Beste Szene: Skye trifft ihren Vater. Ein ungleicher Dialog.
Bester Satz: “When this is all over, I’ll cry for like a week” (Bobbi Morse)
Note: 1-
Anmerkung: Die SHIELD-Recaps waren als Test für mich gedacht und ich habe das Gefühl, dass der Test vorbei ist. Ich habe mir bewiesen, dass ich immer noch lieber in großen Bögen als in kleinen Folgen denke, aber einen Zugang auch zu einzelnen Folgen finden kann. Mein Blog soll mir Spaß machen und das Recappen fühlte sich fast von Anfang an immer eher wie eine lästige Pflicht an. Wenn sie dafür wenigstens viele Leser hätten, wäre das auch noch ein Anreiz, aber da die Serie nicht im deutschen Fernsehen läuft, sind die Klickzahlen erschreckend vernachlässigbar, der Zusammenarbeit mit “Serien.Ninja” zum trotz. Nächstes Jahr habe ich aus beruflichen Gründen wahrscheinlich noch weniger Zeit. Ich denke, dass ich deshalb mit dem wöchentlichen Recappen aufhören und nur am Ende der Staffel noch einmal meine Gedanken aufschreiben werde. Nicht einverstanden? Schreib es in die Kommentare.