Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 10 “What they become”

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Ein gutes Serienfinale führt Pfade an einem Ort zusammen und lässt aus dieser Zusammenkunft etwas Neues entstehen, ein bisschen wie in dem alten Spruch zu Werra, Fulda und Weser. “What they become” trägt dieses Merkmal schon im Titel und man kann, denke ich, problemlos sagen, dass die Folge dem Label Midseason-Finale schon ziemlich gerecht wird. Sonst hätte ich wohl kaum am Ende meines Notizblocks ein großes “WTF” stehen gehabt.

Ein paar große Wörter werden in dieser Folge in den Raum geworfen. “DESTINY” – das ist das, was sich für Skye angeblich erfüllen soll. Und “LOVE” – Wards Antrieb, Skye zu helfen und leider die wenig hinterfragte und immer sehr abstraktromantisch angewandte “geheime” Zutat in jedem verdammten fantastischen Film da draußen – von Harry Potter über Matrix bis Interstellar. Insofern: Angenehm, dass das Wort nur eine kurze Weile bleiern in der Luft hängt und dann durch eine spontane Feuerwaffen-Aktion von Skye perfekt konterkariert wird. (Auch wenn Ward anschließend noch erstaunlich fit zu sein scheint.)

Schicksal im großen Stil

Schicksal allerdings wird in diesem Semifinale im großen Stil erfüllt und dazu passt die Parallelstruktur der Folge, in der mehrere Handlungsstränge einander immer wieder kreuzen um am Ende in einem einzigen großen Slo-Mo-Moment zu konvergieren. Und obwohl der Moment selbst spektakulär genug inszeniert ist, ist es beinahe der Weg dorthin, der inszenatorisch interessanter ist. Die vielen kleinen Teams und Standoffs, die sich im Minutentakt ergeben. May und Tripplet, Bobbi und Lance, Fitz, Simmons und Tripplet, May und Coulson, Cal und Skye, Cal vs. Whitehall, Cal vs. Coulson, Skye, Raina und Tripplet.

Am Ende dieses Weges wissen wir bereits so viel mehr, als am Anfang. Bobbi verheimlicht etwas vor Lance. Cal heißt Cal (Calvin Zabo alias Dr. Hyde, verrät mir das Internet, das mehr Marvel-Comics gelesen hat als ich). Skye heißt eigentlich Daisy (Daisy Johnson, dito). Whitehall ist tot (falls er tot bleibt). Tripplet ist tot (We hardly knew thee). Und verdammt noch eins, Skye ist Inhuman. Die Serie sagt das nicht explizit, aber das Internet hat ja sowieso seit Wochen nichts anderes vermutet.

Universumsöffnung

Es gibt einiges, was man noch an dieser Folge loben könnte. Kyle MacLachlan ist wieder voll im Grand Guignol-Modus und spielt sich die Seele aus dem Leib. Reed Diamond als Daniel Whitehall ist wunderbar dämonisch, bevor er sein unspektakuläres Ende erreicht (ich könnte mir gut vorstellen, dass er bei Agent Carter wieder dabei sein wird). Die Lichtsetzung fällt angenehm auf in der stimmigen letzten Szene in den Tiefen der unterirdischen Stadt. Das alles verblasst aber natürlich im Vergleich zu der großen Universumsöffnung, die die Serie mit ihrem Ende vornimmt.

Was in “What they become” passiert, wird große Auswirkungen auf das Marvel Cinematic Universe haben. Die Serie wird Setup, wird Hintergrund, statt immer nur Lumpensammler zu sein. Der Inhumans-Film wird erst 2019 in die Kinos kommen, bis dahin kann Agents of SHIELD noch viel Spaß mit dem Konzept haben. Zudem ist die Serie sozusagen der Grundstock für das Zwischenspiel von Agent Carter nach dem Jahreswechsel, das sicherlich mit SHIELD-Hintergrundwissen auch besser funktionieren wird (nicht umsonst fällt in dieser Folge erneut ein Hinweis auf die “Howling Commandos”). Diese Art des multipel vernetzten und langfristig geplante Erzählens ist nach wie vor ein Unikum in der weltweiten Medienlandschaft. Hoffen wir mal, dass das große Versprechen, dass diese Folge macht, in den kommenden Jahren eingelöst wird.

Beste Szene: Skye trifft ihren Vater. Ein ungleicher Dialog.

Bester Satz: “When this is all over, I’ll cry for like a week” (Bobbi Morse)

Note: 1-

Anmerkung: Die SHIELD-Recaps waren als Test für mich gedacht und ich habe das Gefühl, dass der Test vorbei ist. Ich habe mir bewiesen, dass ich immer noch lieber in großen Bögen als in kleinen Folgen denke, aber einen Zugang auch zu einzelnen Folgen finden kann. Mein Blog soll mir Spaß machen und das Recappen fühlte sich fast von Anfang an immer eher wie eine lästige Pflicht an. Wenn sie dafür wenigstens viele Leser hätten, wäre das auch noch ein Anreiz, aber da die Serie nicht im deutschen Fernsehen läuft, sind die Klickzahlen erschreckend vernachlässigbar, der Zusammenarbeit mit “Serien.Ninja” zum trotz. Nächstes Jahr habe ich aus beruflichen Gründen wahrscheinlich noch weniger Zeit. Ich denke, dass ich deshalb mit dem wöchentlichen Recappen aufhören und nur am Ende der Staffel noch einmal meine Gedanken aufschreiben werde. Nicht einverstanden? Schreib es in die Kommentare.

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 9 “Ye who enter here”

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Ich glaube, es war in Folge 16 der ersten Staffel, “The End of the Beginning”, in der Skye offiziell eine SHIELD-Agentin wird, dass Agents of SHIELD das alte Whedon-Prinzip des Teams als Familie (das wiederum auf dem alten Stan-Lee-Prinzip des Teams als Familie beruht) zum ersten Mal so richtig raushängen ließ. Skye, so glaubten wir damals noch, ist Waise, also ist es klar, dass sie sich in Fitz, Simmons, May, Ward und Coulson eine Ersatzfamilie sucht.

Folge neun der zweiten Staffel von Agents of SHIELD beginnt mit einer Albtraumsequenz, in der Skye durch die SHIELD-Bunker läuft, in einem Kleid, dass diese Kleines-Mädchen-Große-Welt-Rolle noch einmal in Erinnerung ruft. Und das, wo sich Skye doch in den letzten Folgen so angestrengt hat, erwachsen, taff und verantwortlich zu sein.

Erweiterte Familie

Inzwischen ist nicht nur klar, dass Skye keine Waise ist, die Serie hat auch vor allem der Familie immer mehr Mitglieder hinzugefügt. Das war auch dringend nötig, denn die dünne Dynamik der Mama-Papa-großer-Bruder-und-die-Zwillinge-Konstellation bewies mehr als einmal, dass sie nicht sonderlich gut trägt und einfach zu viele Klischees auf zu wenig Figuren vereint. Zur Ursprungsmannschaft ist mit Tripplet, dem ehemaligen Ziehsohn des Verräters Garret, eine Art cooler Pflegebruder hinzugekommen; außerdem hat sich die Großfamilie mit dem Team von Lance, Bobbi und Mack (mit ihrer verstorbenen “Mutter” Isabelle Hartley) um eine Runde Cousins und Cousinen erweitert.

Was das Erzählerische angeht, trägt diese Auswahl an Familienmitgliedern einen großen Teil dazu bei, dass die Serie endlich ihren Rhythmus gefunden zu haben scheint. Auch in “… Ye who enter here” (Dantes Inferno, anyone?), der wahrscheinlich vorletzten Folge in diesem Jahr, gibt es genügend Raum für Gespräche in vielen verschiedenen Konstellationen, die in Sachen Interaktionsdynamik eine große Bandbreite zulassen, von albern bis todernst und überall dazwischen.

Kein Fremdschäm-Museum

Endlich scheint die Serie genug Atemluft zu haben, um sowohl richtig kindische Comic-Szenen wie die Verfolgungsjagd von Raina – Agent 33 mit einer kaputten Maske, Koenig mit einem Tarn-Regenschirm – als auch wichtige Charaktermomente wie die erste richtige Aussprache zwischen Fitz, der Simmons liebt, und Simmons, die Tripplet toll findet, zu beherbergen. Und das, ohne dabei zum Fremdschäm-Museum zu werden. Wenn Skye Coulson verlegen umarmt, bevor die beiden auf unterschiedliche Missionen gehen, wirkt das zum ersten Mal nicht mehr wie vom Drehbuch diktiert, sondern von den Charakteren verdient.

So gut sich die Charakterdynamik auch entwickelt, die Production Value-Logik sinkt teilweise sogar wieder unter das Niveau von Staffel eins. Die Folge braucht zwei externe Lokalitäten und entscheidet sich für Vancouver, wo ein Großteil von Hollywood sowieso seine “Runaway Productions” dreht und Puerto Rico, anscheinend das Exotischste, was mit dem Staffelbudget machbar war.

Showdown wie immer drinnen

An beiden Orten gönnt man sich ein paar kleine Außenszenen, kehrt aber möglichst bald wieder in sicheres Backlot- und Soundstage-Territorium zurück. Der Showdown dieser Folge, die plotmäßig im Grunde nicht mehr ist als ein einziger großer Aufbau für das Herbstfinale kommende Woche, findet praktischerweise zum x-ten Mal in einem geschlossenen Raum statt. Okay, es ist eine Höhle, die den Eingang zu einer mystischen unterirdischen Stadt darstellt, aber das wissen wir auch nur, weil sie es uns gesagt haben.

Ach ja, und Raina enthüllt, dass die außerirdische Rasse, die den “Diviner” gebaut hat und deren Blut der Grundstoff für Projekt T.A.H.I.T.I. war, die Kree sind. Jene Kree, die auch in Guardians of the Galaxy auftauchen, am prominentesten in der Person von Ronan the Accuser, dem Levelboss des Blockbusters. Aber was sagt uns das, ohne dass wir bisher irgendetwas von ihrer Stadt zu sehen bekommen oder von ihren Plänen erfahren haben, wirklich? Sie wollen die Erde in Schutt und Asche legen und nur die, die es wert sind, am Leben lassen? Das sagt Raina, aber es könnte auch nur eine Legende sein. Warten wir es ab.

Bester Moment: Schwarzer Bus von links nietet überraschend zwei Hydranten um, die gerade Raina einsacken wollten.

Beste Dialogzeile: “That’s not wood, is it?”

Note: 2

Dieser Recap erscheint auch auf “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 4 “Face My Enemy”

Ming-Na Wen spielt in dieser Folge von Agents of SHIELD gleich drei Rollen. Da ist ihre reguläre Figur Melinda May, eine verschlossene SHIELD-Agentin mit unbestimmter Vergangenheit, die in Phil Coulsons Team für Arschtreterei zuständig ist. Dann gibt es “Heidi Martin”, eine Tarnidentität, die Agent May annimmt, um sich mit Coulson auf ein Charity-Event zu schleichen, wo sie ein mysteriöses Gemälde stehlen wollen. Und schließlich ist da “Melinda May”, die aber eigentlich Agent Q (Maya Stojan) mit Gesichtsmaske ist und sich Coulsons Vertrauen erschleichen will. (Den Konventionen des Spionagegenres im Film zufolge verändern Gesichtsmasken ja sofort auch den kompletten Körperbau des Trägers und werden somit auch von dem Schauspieler gespielt, den sie imitieren sollen.)

Wen gelingt es gut, die Unterschiede der drei Rollen herauszuarbeiten. Wenn sie als Heidi (Heidi!) Martin plötzlich zur Charme sprühenden Lächelmaschine wird, sind nicht nur die daheim gebliebenen restlichen Teammitglieder aus dem Häuschen über die Metamorphose der ansonsten finster blickenden, schmallippigen May. Und keiner kann mir erzählen, dass Coulson auf der gemeinsamen Reise mit Q-May nicht schon von Anfang an misstrauisch war – denn die falsche Melinda hat eine ganz andere Sprachmelodie und -farbe.

Grob behauene Felsbrocken

An Ming-Na Wen kann es also nicht liegen, dass die vierte Folge der zweiten Staffel, deren Titel ein Kalauer auf die eben erwähnte Gesichtsmaske ist, wieder mal arg holprig daher kommt. Auf jedes ernsthaft locker und natürlich wirkende Gespräch kommt mindestens ein weiteres, in dem die Expositions-Sätze wie massige, grob behauene Felsbrocken in die Szene poltern, um dann noch eine Weile unangenehm im Hintergrund liegen zu bleiben. Die Tanzszene zwischen May und Coulson etwa, in der die beiden zwischen Nostalgie und Raum-Auskundschaften hin- und herwechseln, ist zwar als Idee nicht neu, hätte aber in den richtigen Händen trotzdem amüsant werden können. Drehbuch (Drew Greenberg) und Inszenierung (Kevin Tancharoen) jedoch arbeiten geschickt zusammen, um die Situation so steril und plump wie möglich zu gestalten. Es ist zum Mäusemelken.

Ansonsten zeigt “Face Your Enemy” endgültig, dass Agents of SHIELD wohl wirklich danach trachtet, weniger eine Superhelden-Saga als so etwas wie “Joss Whedon’s X-Files” zu sein. Auf der einen Seite vertieft die Folge die Bedeutsamkeit der merkwürdigen Zeichen, die aus Coulson herausbrechen und die sich auch auf der Rückseite des schon erwähnten Gemäldes finden. Diese werden auch erstmals definitiv als “Alien Writing” benannt und könnten sowohl vom Look als auch vom Mystery-Faktor auch direkt aus Chris Carters Erfolgsserie herübergerettet worden sein. Andererseits ist der Whedon’sche “Team als Familie”-Gedanke schon lange nicht mehr so ausgestellt worden wie diese Woche. Papa und Mama sind auf geheimer Mission und die Kids stehen zu Hause und beobachten, ob alles gut geht. Übrigens eine der besseren Szenen der Folge, bis die imaginäre Simmons wieder explizit erklärt, worum es gerade gehen soll: “Fitz, go join them, they’re bonding.”

Satin-Unterkleider in Action

Höhepunkt des ganzen Tohuwabohus ist – wie so oft – ein Mano-a-mano Kampf von Melinda May, diesmal allerdings mit sich selbst, einmal im Abendkleid und einmal in einem hübschen Satin-Unterkleid mit interessantem Schnittmuster. Zumindest der finale “Sprung über den Tisch”-Move erhebt diese Prügelszene dann auch über vorhergehende. Parallel dazu im Bus: Fitz muss Lance Hunters völlig technik-unfähigen Hände “benutzen”, um eine Sabotageaktion aufzuhalten. Eine schöne Idee, die in der Charakterdynamik auch gut ausgespielt wird. Allerdings hätte ich von den Hydranten schon etwas bessere Technik erwartet, die sich nicht durch zwei Kabel-Umsteckungen aus dem Verkehr ziehen lässt.

Punkten können in dieser Folge schließlich auch die Gegenspieler. Adrian Pasdar spielt Glenn Talbot ebenfalls in doppelter Ausführung. Am Ende mit seiner üblichen angenervten Steifheit, zu der auch die indignierte Aussage passt, dass Coulson ja wohl schon bei dem Gedanken, dass ihn, Talbot, ein Gemälde interessieren könnte, hätte misstrauisch werden müssen. Und im Stinger ist schließlich Reed Diamond wieder als “Big Bad” Daniel Whitehall dabei, der echte Bedrohung ausstrahlt und in einem Nebensatz bestätigt, dass er anscheinend seit dem 2. Weltkrieg am Leben ist. Noch ein Mysterium, das es zu lösen gilt.

Beste Szene: Fitz und Hunter beim Kabelstecken.

Bester Dialogsatz: “Yo!” (Phil Coulson)

Note: 2

Meine Recaps erscheinen auch auf “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 2 “Heavy is the Head”

Recaps verraten per Definition die gesamte Handlung der Episode. SPOILERWARNUNG.

Eine der Stärken der Marvel-Kinofilme ist, dass sie mit Iron Man von Anfang an den richtigen Ton getroffen haben. Nicht dunkel und brütend, wie Christopher Nolan den “erwachsenen” Superheldenfilm ein paar Jahre zuvor etabliert hatte, sondern abenteuerlustig und voller Humor, aber mit einem irgendwie moralischen Kern. Wie man das eben von Marvel seit den Sechzigern irgendwie gewöhnt ist, als Stan Lee vielen der heute bekanntesten Charaktere seine Stimme gab.

“Agents of SHIELD” versucht jede Woche das gleiche und scheitert. “Heavy is the head”, die zweite Folge der zweiten Staffel, ist leider keine Ausnhame. Es ist nicht das “Was” des Erzählens, das mir bereits dieses zweite Recap zur Strafarbeit werden lässt, es ist das “Wie”. Nachdem sie Serie schon in ihrem Auftakt letzte Woche einige Büchsen geöffnet hat – Obelisk, Talbots Verfolgungsjagd, Wards Gefangenschaft, Fitz’ Wahnvorstellungen und schließlich HYDRAs neuen Obermufti – kommen diese Woche noch ein paar mehr Dinge hinzu, die uns Zuschauer der nächsten Folge entgegenfiebern lassen sollten: Welche Rolle spielt Raina? Wie ist es um Coulsons Geist bestellt? Kann man auf Lance Hunter zählen? Und was steckt hinter dem Mysterium mit Skyes Vater?

Kyle MacLachlan FTW

Und doch will ich irgendwie höchstens mehr von Kyle MacLachlan sehen, der eben erwähnten Vater spielt und dessen schattenhaft-bedrohliches Auftreten eindeutig der Höhepunkt dieser Folge ist. Und nicht eine abgebrochene Motorrad-Verfolgung aus zwei Kameraperspektiven oder eine an Terminator II erinnernde Erstarrungsszene von Carl Creel in einer beliebigen Hotel-Lobby, in der eine Waffe benutzt wird, die wie in einem Toys R Us gekauft wirkt. Auch nicht eine mit dramatischer Musik unterlegte Szene, in der Coulson merkwürdige Zeichen in die Wand ritzt, übrigens. Mein einziger Gedanke war zu diesem Zeitpunkt nur noch: Ist das der Grund, dass er ständig solche Glückskekssprüche von sich gibt wie “I need people to do the wrong thing, but for the right reasons.”

“It’s like sometimes he’s the same old Fitz and sometimes … he’s not”, bemerkt Skye einmal sehr aufmerksam über ihren verwirrten Kollegen. (Einer von diversen Sätzen, mit denen Chloe Bennett einfachste thematische Punkte für ganz doofe Zuschauer noch einmal zusammenfassen darf, siehe auch “We all have changed”). Das gleiche Prinzip könnte auch für “Agents of SHIELD” gelten. Immer wieder sieht man der Serie an, dass sie sich dem Ideal des Marvel-Geists tatsächlich nähern könnte, doch nur wenige Momente später versinkt sie wieder in deklamatorischem Schauspiel, One-Linern aus der Witze-Vorhölle (“Why did you leave? Bad dental plan?”) und jenem allgemeinen Gefühl von Belanglosigkeit, das am Ende der ersten Staffel endlich überwunden schien.

Grundsatzfragen

Die Frage, wie klassisch comic-haft Bewegtbilder, die auf Comics basieren, sein sollten, ist ja eine grundsätzliche – und das Spektrum reicht eben von buntem Popart-Quatsch wie der 60er-Jahre-Batman-Serie bis zu pseudo-bedeutungsvollen Gesellschaftsparabeln wie The Dark Knight Rises. Im Laufe der Jahrzehnte haben Comics es endlich geschafft, sich einen gewissen Respekt zu erstreiten und der Welt zu beweisen, dass sie mehr sind als billiger Budenzauber zur Belustigung von Zehnjährigen. Nicht unbedingt Dostojewski, aber zumindest Unterhaltung mit einer gewissen Reflektiertheit. Die Marvel-Filme haben diesen Anspruch gehalten, aber “Agents of SHIELD” tut sich nach wie vor verflucht schwer damit. Und das kann doch nicht nur am Budget liegen.

Bester Moment: Kyle MacLachlan taucht Colonel-Kurtz-Style aus den Schatten auf.

Bester Dialog: “It worked” – “No, it let you live. There’s a difference.”

Note: 3-

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 1 “Shadows”

Dieses Blog hatte von Anfang an auch die Aufgabe, mir die Möglichkeit zu geben, neue Formate auszuprobieren. Für diese Fernsehsaison möchte ich mich erstmals an wöchentlichen “Recaps” probieren – der launigen Besprechung von Fernsehserien, die von Seiten wie “TV without Pity” und “The A.V. Club” groß gemacht wurden. Ich habe mir als Partner die neu gestartete deutsche Seite “Serien.Ninja” ausgesucht, welche die Recaps neben meinem Blog veröffentlichen wird.

Als Anschauungsobjekt dient mir (natürlich) das Marvel Cinematic Universe, also die Serie “Agents of SHIELD”, die auf ABC läuft und in Deutschland auf iTunes erhältlich ist. Die Recaps spoilen übrigens absichtlich die komplette Folge und sind für den Danach-Konsum gedacht. Viel Spaß beim Lesen.

© ABC

“Agents of SHIELD” hatte im vergangenen Jahr keinen einfachen Start. Vielleicht waren die Erwartungen an eine Joss-Whedon-Serie im äußerst erfolgreichen Marvel-Universum zu hoch, vielleicht aber auch die Figuren und die Folgenplots ein wenig zu farblos. Mit ein bisschen Hilfe vom ungewöhnlichsten Kino/TV-Crossover neuerer Zeit – der Auflösung von SHIELD in Captain America: The Winter Soldier, die gleichzeitig und danach auch in der Serie spüren war – gelang es “Agents of SHIELD” aber, am Ende der letzten Staffel doch Lust auf mehr zu machen. ABC gab eine neue Staffel in Auftrag.

Eine Season 2 Premiere ist wie ein zweites Album. Die Showrunner Jed Whedon und Maurissa Tancharoen müssen auf dem Niveau weitermachen, auf dem sie aufgehört haben und dennoch zeigen, dass noch mehr geht. Entsprechend ist “Shadows”, so der Titel der ersten neuen SHIELD-Folge, voll bis zum Rand mit Charakteren, Schauwerten und Enthüllungen.

Als wir unsere Helden im Frühjahr zurückgelassen haben, hatten sie gerade entschieden, SHIELD aus den Trümmern – aber im Geheimen – neu aufzubauen, mit Phil Coulson (Clark Gregg) als Direktor. Dass seitdem etwas Zeit vergangen ist und Charaktere sich verändert haben, wird vor allem über die bewährte Methode des Frisurenwechsels kommuniziert. So trägt Hacker-Queen Skye (Chloe Bennett) jetzt Pony und sieht auch sonst ein bisschen mehr aus wie Katniss Everdeen – denn sie ist nicht länger das Küken sondern eine durchaus etwas erfahrene Kämpferin. Technikgenie Fitz (Iain De Caestecker), der im Finale der ersten Staffel schwer verletzt wurde, hat in der Zwischenzeit nicht nur an Haarlänge, sondern auch an Verstand verloren. Und Agent Ward (Brett Dalton), der sich zuletzt als fieser Hydra-Spion entpuppte, trägt inzwischen Bart – und angeblich ist er geläutert. Sagt er zumindest.

Die Premiere beginnt allerdings mit keinem dieser Charaktere, sondern mit einer Art Preview auf “Agent Carter”, die Miniserie die Marvel wahrscheinlich für den “Christmas Break” von SHIELD geplant hat. So wird gleich klar, dass wir uns in einem größeren Universum befinden – vielleicht denken wir sogar kurz darüber nach, dass diese Staffel wohl die Aufgabe haben wird, uns auf die Ereignisse in Avengers: Age of Ultron vorzubereiten, der im nächsten Mai die Kinoleinwände schmücken wird.

Infinity-Stein?

Es folgt ein vielschichtiger Plot, indem es vordergründig darum geht, einen Quinjet aus den einkassierten SHIELD-Beständen zu klauen. Eigentlich aber werden vor allem dutzende neue Charaktere und ein erster MacGuffin eingeführt. Der “Obelisk” lässt den, der ihn berührt nicht mehr los und beginnt dann langsam, ihn zu töten. Das wird doch wohl kein neuer Infinity-Stein sein? Dafür ist SHIELD eigentlich zu weit unten im Prioritäten-Regal.

Die neuen Gesichter sollte man vielleicht einmal zusammenfassen: Isabelle Hartley (Gaststar “Xena” Lucy Lawless – ist sie wirklich tot am Ende der Folge?) und ihre Söldner Lance Hunter (Nick Blood, bekannt aus der Selbsthilfegruppe “Mein echter Name klingt mehr nach Comic, als die Figur, die ich spiele”) und Idaho (Wilmer Calderon, ebenfalls “tot”) helfen den bekannten SHIELDs so gut sie können. Dagegen steht Bösewicht Carl “Crusher” Creel (Brian Patrick Wade), der die Fähigkeit hat, seine Haut in Substanzen zu verwandeln, die er berührt. Comic-Fans erkennen den “Absorbing Man” (für alle, die im Chemieunterricht nicht aufgepasst haben: nicht zu verwechseln mit dem “Adsorbing Man”, bei dem sich die Substanzen nur an der Oberfläche anreichern würden). Und ein HYDRA-Nazi der Kategorie Heinrich Himmler (grausam und kalkulierend, aber gebildet mit Brille), den das Internet bereits als Daniel Whitehall identifiziert hat und der merkwürdigerweise seit seinem Zusammenstoß mit Peggy Carter nicht gealtert ist.

Alte Bekannte, die als Gaststars ebenfalls auftauchen: Brigadegeneral Glenn Talbot (Adrian Pasdar), der die konfiszierten SHIELD-Materialien verwaltet und hoffentlich mit seiner Offiziösität noch für einigen Comic Relief sorgen wird. Patton Oswalt als Billy Koenig, der fröhlichste Gadget-Presenter seit Q. Und B. J. Britt als Agent Triplett, von dem man eigentlich erwartet hätte, dass er in den Hauptcast aufsteigt, vor allem, da die Romanze mit Skye und das resultierende Liebesdreieck mit dem immer noch verführerischen Ward sich schon anbahnt.

Das Ende des Phlegmatismus

“Shadows” ist hauptsächlich damit beschäftigt, alle Anwesenden wieder auf Kurs zu bringen, was rund 40 Minuten lang auch gut funktioniert. Der Phlegmatismus der ersten Staffel scheint beseitigt, es passiert ständig was und die Hauptfiguren befinden sich spürbar in echter Gefahr. Clark Gregg, der als Mann der Tat immer ein wenig fehl am Platz wirkte, fügt sich wunderbar in seine neue Rolle als SHIELD-Chef ein, den fast ein Hauch von Jean-Luc Picard umweht. Und sind nicht auch die Effekte ein kleines bisschen besser geworden? Jedenfalls kann man wohl problemlos davon ausgehen, dass uns eine gute Staffel bevorsteht.

Ein bisschen viel wirkte für mein Verständnis dafür die cliffhangerige Enthüllung, dass Fitz seine Partnerin nur halluziniert. Da hätte man doch ruhig noch ein paar Folgen mit den Zuschauern spielen können. Mit ähnlich breitem Pinsel gemalt: Die pathetische “Rede-über-einer-Montage” im Jeff-Winger-Stil von Coulson am Schluss. Aber vielleicht muss das Publikum auch noch einmal daran erinnern, wer die Guten sind und wofür sie stehen. Noch sind wir schließlich nicht bei Netflix, das kommt erst nächstes Jahr mit “Daredevil”.

Bester Moment: John Creel verwandelt sich in Straße und lässt dadurch einen von Chevrolet gesponserten SUV durch die Luft segeln.

Bester Dialogsatz: “John Garrett, isn’t that your mate who went to the dark side?” knapp gefolgt von “I’ll have you so deep in horse manure, you’ll need a damn snorkel!”

Note: 2+

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