Stuff I Learned this Week – #47/10

Mind over Meta!

Oh, ich bin öffentlich. Medienkunst und Social Media

In unseren Köpfen existieren nach wie vor verschiedene Konzepte von Öffentlichkeit, die mehr aus einem vagen Bauchgefühl und weniger aus tatsächlicher Zugänglichkeit rühren. Die gesamte Debattensau um Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken, Google Street View und Verpixelungsrecht, die in Deutschland immer wieder durchs Mediendorf getrieben wird, dreht sich letztlich um nichts anderes. Wenn meine Hausfassade in der physischen Welt öffentlich ist, macht es dann einen Unterschied, wenn sie auch im Internet betrachtet werden kann?

Weiterlesen in epd medien 91/10

Real Virtuality Podcast #2 – CYNETART 2010: Jens Wunderling, Default to Public

Gestern gab es schon einen Foto/Video/Audio/Text-Post zur gerade stattfindenden CYNETART in Dresden, heute kommt noch der zweite Real Virtuality Podcast hinzu. Er enthält ein Interview mit dem Berliner Medienkünstler Jens Wunderling über sein Projekt Default to Public.

Die neueste Inkarnation dieses Projekts namens “Audience” lädt sich automatisch öffentliche Selbstporträts aus den Weiten von Flickr, zeigt sie auf einem Bildschirm, fotografiert die Betrachter und sagt den Fotografen bescheid, dass ihre Bilder angesehen wurden.

Zuvor hat Jens schon Tweets an Hauswände projiziert und auf Sticker gedruckt und die Twitterer mit ihrer eigenen Öffentlichkeit konfrontiert. Seine Projekts stellen interessante Fragen über digitale und analoge Öffentlichkeit, den Begriff “default to public” hatte ich vorher nur bei Jeff Jarvis gehört, der ja demnächst ein Buch zum Thema auf den Markt bringen will, und dem Jens’ Projekt vermutlich viel Freude bereiten würde.

Hier ist der Podcast:

[Download]

Das Projekt, das Jens Wunderling im Podcast erwähnt, heißt übrigens Buscando al Sr. Goodbar von Michelle Teran.

Are Magazines Dead or Do They Just Smell Funny?

It’s not every day that you get challenged by Jeff Jarvis. Very well then, I accept. However, I’m not sure that I’ll win. There is more of an olympic spirit posesssing me right now.

A bit of background: Jeff took three tweets (1, 2, 3) to attack a Newsweek article that basically says that the amount of people using the internet to do meaningful interactive things in their free time (Blogging, Wikipedia, News Commenting etc.) is shrinking and gives the reason simply as “sloth”. While I certainly wasn’t fully convinced by the article I think it did make some points that I think might be true, and that scared me.

Like Jeff, I have always been adamant that people love doing things for free and can be just as good as professionals. However, I could imagine with (a) the web becoming more and more mainstream and part of our lives and more and more people using it that don’t want to contribute to it and (b) the web growing larger and larger, becoming ever more differentiated – that the actual amount of peopleactive at any one site goes down.

However, that was not the challenge. The challenge was to convince Jeff that magazines are not dead. Well, I don’t think they are, at least not for a while. While I am a supporter of a lot of the Buzzmachine theories, especially the one that the future of Journalism lies in ecosystems and not monoliths, I just don’t want to go along with the one that in essence says that journalists should stop presenting finished articles to audiences – which is what magazines do.

While I would say that written articles should be open to debate, change, admittance of mistakes and dialogue between author and audience in the wake of their publication, I also believe there should be the right to say “I like this article I have written as it is; I will gladly correct factual errors or supplement interesting addendums but I don’t want to crowdsource the whole thing until it is no longer mine but the crowd’s”. I don’t think that this is arrogance, it is artistic freedom.

But journalism is not art, you say. Indeed, most of it isn’t. I worked in a news agency for a year and I found it fascinating how we produced truly mutable articles that might begin with a quick announcement at the start of the day and end up as a summary with a completely different focus at the end of it. Then, the newspaper journalists would go and change and mold it once again for publication. A kind of b2b-crowdsourcing, if you will. I gladly accept that this process should continue down to a level of mutabilty that is indeed not restricted to journalists but open to everyone. That’s why I think Newspapers are definitely dead. The kind of articles they present us with were made to be changed all the time.

However, magazine articles and indeed a magazine as a whole, are different. They are much closer to an artistic statement than news are. A good magazine’s contents are carefully curated, designed and sometimes even timeless. The articles are long statements about “big pictures”.

I, for one, like being presented with a magazine like this as a finished – or at least mostly finished (see above, factual errors) – product, whose life cycle is a bit slower than that of an online news article. It means that I can also take the time to enjoy it because I know it won’t change for a while and the authors like their articles as artistic statements that might be refuted (or refudiated) and should please spawn debates – but for now they should stand as they are.

And because I think that a lot of people would agree, I believe that magazines are not dead yet.

I do agree that magazines have to change, shouldn’t rely on print, shouldn’t rely on advertising, build a community around their brand etc., but I still can believe that a particular form of curated, bundled journalistic content with a longevity that makes it closer to art/literature than commodity, will persist.

“Guten Morgen, Haiti”

Bei Frederic Dupoux verwandelte sich Twitter innerhalb einer Stunde von einem Spielzeug des sozialen Webs in einen Nachrichtenkanal. Noch um zehn vor vier Uhr Ortszeit alberte er mit Freunden herum, mit denen er über das Mikroblogging-Netzwerk verbunden war. Doch dann, um kurz vor fünf am 12. Januar, drei Minuten nach Beginn des Erdbebens, schrieb er plötzlich: “Oh, Mist. Schweres Erdbeben gerade! In Haiti!” Eine halbe Stunde später: “Der Mist bebt immer noch! Großes Erdbeben in Haiti!”

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Blick in die Kluft

Das Internet ist ein Imperator. Es teilt und herrscht. Der “Digital Divide”, die digitale Kluft, wie Fachleute den Problemkomplex nennen, schlägt sich in vielen Bereichen nieder: Ärmere Länder haben einen schlechteren Zugang zum Internet als reiche. Ältere Menschen tun sich schwerer damit, online zu brillieren als junge. Fraglich ist, ob die Wissenschaft mit der These recht hat, dass irgendwann abgehängt wird, wer sich der Herrschaft des Internets nicht unterwirft.

Immer wieder interessant zu beobachten ist, dass die Kluft zwischen den Liebhabern der digitalen Schönen Neuen Welt und ihren überzeugten Skeptikern auch unter Journalisten so deutlich ausgeprägt ist. Ein besonders gutes Feld für soziale Beobachtungen auf dem Gebiet sind Journalistentagungen wie die DJV-Veranstaltung “Besser Online” am vergangenen Wochenende. Weiterlesen…

Erschienen in epd medien 93/09

Follow Me On Twitter

Nachdem mir auf der DJV-Veranstaltung “Besser Online” wieder einmal so überzeugend von Twitter vorgeschwärmt wurde, kann ich jetzt auch nicht mehr anders. @alexgajic ist ab sofort live.

Ich werde mich noch “reingrooven” müssen, wie Moderator Peter Jebsen das auf dem Podium ausdrückte. Ich weiß noch nicht, wie ich Twitter nutzen will und wie oft, werde aber darüber berichten – und genau wie sich dieses Blog im Laufe von neun Monaten seiner wahren Bestimmung immer noch nur langsam nähert (mehr dazu zu Anfang des nächsten Jahres), wird hoffentlich auch mein Twitteraccount eine Bestimmung finden. Und wenn nicht, dann wird er halt gelöscht.

Bettina Schausten und die ewig alte Leier

Auf der Abschlussrunde des Mainzer Mediendisputs unterhielten sich gestern mal wieder Leute mit vergleichsweise wenig Ahnung aber dafür umso mehr Meinung über das Internet. Erstaunlicherweise kam dabei am sympathischsten (außer dem über allen thronenden Nils Minkmar von der FAS) der einzige Politiker der Runde, SPD-Landesvorsitzender aus Schleswig-Holstein Ralf Stegner, an, der wenigstens ehrlich war mit dem, was er sagte: Twitter mach ich selbst, Facebook mach ich selbst, den restlichen Internet-Kram mache ich ja nicht so regelmäßig aber dafür finde ich auch schon immer die Zeit. Sehr schön auch die Formulierung: “Ich verbringe mit Twittern am Tag etwa so viel Zeit wie mit Händewaschen.”

Von den zwei Polterköppen der Runde, Hugo Müller-Vogg (“Die Politiker twittern doch eh alle nicht selbst” – wenn das Kurt Beck wüsste) und Sascha Langenbach (Berliner Kurier, Twitternde Politiker sind “totaler Kokolores”) hatte ich ehrlich gesagt eh nicht viel erwartet, aber dann war da ja noch Bettina Schausten, die ein wenig öffentlich-rechtliche Kompetenz und Ruhe ausstrahlen sollte (offensichtlich).

Und was sagte Frau Schausten: Erstens, es sei nicht primär Aufgabe eines Fernsehjournalisten, sich im Internet “freizuschreiben” mit den Dingen die er im Fernsehen nicht machen könne (in seiner Freizeit, okay, aber sonst bitte keine multimedialen TV-Journalisten). Zweitens: Im Internet steht ja eine ganze Menge Mist.

Ich kann es nicht mehr hören. Ich kann es wirklich nicht mehr hören. Wenn das noch einmal jemand als Argument gegen das Internet und gegen das Publizieren im Internet vorbringt, ziehe ich in eine einsame Hütte in den Karpaten. Echt jetzt.

Ich erinnere kurz an das Internet-Manifest, so einiges Kluges steht ja doch drin: Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet. Oder wie Peter Kruse letzte Woche auf dem Zukunftsforum der LPR sagte: Ist doch klar, dass im Netz auch die Gauss’sche Normalverteilung gilt. Das Web spiegelt das “echte Leben” wieder. Und im “echten Leben” sagen Leute eine ganze Menge Mist. So viel Mist sogar, dass die Zeitungen und das Fernsehen gar nicht alles berichten, was Leute sagen, man stelle sich das vor. Also “sagen” (d.h. schreiben, denn so funktioniert das Medium nun mal) die Leute auch im Internet eine ganze Menge Mist. Ja, auch in Blogs. Denn nicht jedes Blog sieht sich selbst als journalistische Plattform.

Aber: Erstaunlicherweise ist die Menschheit in der Lage, im echten Leben wie im Netz, aus dem ganzen Blödsinn, der rund um sie geredet wird, die interesssanten Dinge herauszufiltern. Die Dinge, die alle betreffen. Die Dinge, die vielleicht wirklich Bedeutung haben. Wenn zum Beispiel immer mehr Leute in der DDR ihren Unmut über das System äußern, in dem sie leben, fällt irgendwann die Mauer. Wenn immer mehr Leute sich darüber ärgern, dass die Politik sich nicht um Umweltschutz kümmert, entstehen die Grünen und schaffen es irgendwann sogar in Parlamente.

Umgekehrt bleiben die Minderheitenmeinungen eher unter sich: An Stammtischen, in Freundeskreisen und Vereinen – und eben auch in den modernen Äquivalenten davon: In Internet-Foren, Blogs und anderen Social-Web-Formen. Ja, da steht viel Mist, aber das interessiert auch so gut wie keinen.

Also noch mal zum Mitschreiben in Fettdruck für Frau Schausten: Im Internet steht in der Tat viel Blödsinn, aber an eine relevante Oberfläche schafft es in der Regel nur das, was auch interessant ist, genau wie in der Gesellschaft. Gute Blogs (oder: Polarisierende Blogs) lesen viele Leute, weniger gute oder weniger profilierte Blogs lesen wenige Leute.

Ach so, die Schlussfolgerung von Frau Schausten war übrigens, dass es deswegen Journalisten braucht, die das Internet sortieren und bewerten. Zu einem gewissen Grad mag das sogar stimmen, denn Sortierer sind immer gut, sie müssen aber nicht unbedingt klassisch ausgebildete Journalisten sein, die die Meinungshoheit darüber haben, was wichtig ist und was nicht. Im Grunde ist diese ebenfalls schon häufig geäußerte Meinung aber doch nur eine relativ traurige Selbstrechtfertigung der Journalisten, die sich selbst auf einem sinkenden Schiff sehen.

Worte zum Wochenende

Es braucht gar keine homogene Mehrheitsmeinung, es reicht, daß sich genügend Menschen für eine machtvolle Minderheitsmeinung zusammenfinden – und das Web 2.0 gibt diesen Menschen die Werkzeuge an die Hand. In den weiten des Netzes finden sich immer genug thymotische angry young men, um eine Kampagne zu starten, findet sich immer jemand, der betroffen ist und diese Betroffenheit in Empörung ummünzt.

Felix Neumann , fxneumann
// Tyrannei der Masse 2.0?

It’s not as if I couldn’t and shouldn’t also blog about what I talk about on Twitter; tweets can become the trial out of town, the blog Broadway (a book Hollywood). But Twitter competes for my time and attention. It is so much faster and easier. It’s good enough for most of my purposes. So the blog suffers. And I suffer. I discuss less here; I’ll lose some of you as a result and you are the value I get from blogging. I lose memory. And I lose the maypole around which we can gather.

Jeff Jarvis , Buzzmachine
// The Temporary Web

Der Zeitgeist fordert Partizipation

Peter Kruse , auf dem LPR Forum Medienzukunft
// Slides und Video zum Krusevortrag gestern

Keeping cartoon characters trapped in amber is one of the surest routes to irrelevancy.

Brooks Barnes , New York Times
// After Mickey’s Makeover, Less Mr. Nice Guy

Worte zum Wochenende

Twitter ist ja eh nicht gerade als das Medium bekannt, das den Siegeszug der Aufklärung endlich abschließen könnte: 140 Zeichen kann man auch eben schnell tippen, ohne dass man das Gehirn zwischen Galle und Finger schalten müsste. Twittern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflektion, Hauptsache man ist der Schnellste — besonders bei der Eskalation. Heute stehen die Web-2.0er fassungslos vor den rauchenden Trümmern ihres eigenen “Pogroms” (natürlich auch nicht alle) und wirken dabei ein bisschen wie die Schüler am Ende von “Die Welle”, als ihnen gesagt wird, dass sie alle gute Nazis abgegeben hätten.

Lukas Heinser , Coffee and TV
// Ottos Mob kotzt

Leute, kommt schon, macht’s dem Präsidenten nicht so schwer. Ich habe genug am Hals.

Barack Obama , zu off-the-record Aussagen mit CNBC-Reportern
// “Er ist ein Blödmann”

Ich sehe den Tag kommen, an dem mehr Menschen ihre Zeitung auf tragbaren Lesegeräten kaufen als auf zermahlenen Bäumen. (…) Dann gibt es kein Papier mehr, keine Druckereien, keine Gewerkschaften. Das ist großartig!

Rupert Murdoch
// Trendsetter der Digitalisierung

There’s no greater symbol of giving up privacy and embracing publicness, I think, than writing about one’s penis, especially when it malfunctions. But in the hospital, I lost every last vestige of modesty.

Jeff Jarvis , Buzzmachine
// The small c and the big robot