eDIT 2009 – Berichte von zwei Panels

Wie ja schon aus dem letzten Eintrag ersichtlich, war gerade wieder eDIT in Frankfurt – ein Filmfestival/Kongress, zu dem ich seit vielen Jahren immer wieder gerne gehe, um mir etwas über die neuesten Entwicklungen vor allem im Bereich vbisuelle Effekte erzählen zu lassen. Dieses Jahr hatte ich leider keine Zeit, um vollständig hinzugehen, aber ich habe immerhin zwei Präsentationen mitnehmen können – zufällig beide von Mitarbeitern von Industrial Light and Magic (ILM).

Die Präsentation von Roger Guyett über die Effekte des neuen Star Trek-Films war erstklassig und hat einen weiteren Teil des Puzzles dazu beigetragen, warum der Film so gut funktioniert (das sehr gut durchdachte Drehbuch ist ein weiterer Faktor). Guyett war auch Second Unit Director bei Star Trek und diese Gesamterfahrung von Dreh und Postproduktion schlug sich wohl in seiner Arbeitsweise, auf jedem Fall aber in seinem Vortrag nieder. Guyett war integraler Teil des Designprozesses und schilderte die Schwierigkeiten, die das Team beim Anpassen und Modernisieren des Looks hatte: Die Enterprise und alle ihrer Schwesterschiffe mussten ein bisschen aussehen wie damals, aber trotzdem neu und cool sein. Guyett erzählte auch von den Farbthemen, die der Film sich für verschiedene Schauplätze – auch im All – gab und von Techie-Details wie realistischen Weltraum-Explosionen im Vakuum. Am interessantesten war aber sicherlich der Teil des Panels, in dem er zeigte, wie JJ Abrams und sein Team möglichst oft reale Drehorte gewählt hatten, die dann im Anschluss von der CG-Fabrik aufgepimpt wurden – ähnlich wie die Original Star Wars-Filme. Ich denke, dass das hervorragend funktioniert hat. Gerade im Gegensatz zu den neuen Folgen jener anderen großen Weltraumsaga wirkt Star Trek angenehm echt.

Ben Snows Präsentation zu Terminator Salvation war insgesamt kaum weniger erhellend, aber wesentlich technischer und weniger auf ästhetische Aspekte bedacht als die seines Kollegen. Snow präsentierte vor allem, wie ILM bei Terminator mit einem neuen System von ressourcensparender Beleuchtung gearbeitet hat – dessen technische Einzelheiten leider ein wenig meine Kenntnisse überstiegen. Snow zeigte viel Vorher-Nachher-Clips, die sich hauptsächlich auf die Modell-Arbeit und die Integration von Drehmaterial und CG konzentrierte, wobei vor allem der Aspekt der “Post-Viz” für mich ein neues und interessantes Werkzeug darstellte. Spannend und auch amüsant wurde es dann wieder, als Snow von der Arbeit erzählte, die es bedeutete, einen virtuellen Arnie zu bauen. Dabei gab es auch einige “geheime” Aufnahmen zu sehen, die die unglaubliche Detailarbeit zeigten, die in der Szene steckt.

Ich fand es interessant, zu sehen, dass die Balance zwischen Simulationsarbeit und Animation/Handbemalung inzwischen ganz gut in der Mitte liegt. Der Computer scheint inzwischen in der Lage zu sein, viele Dinge tatsächlich automatisch zu machen, die vor ein paar Jahren noch händisch erledigt werden mussten. Der Rückschlag ist dafür dann aber, dass die Aufgaben immer komplizierter werden und dann muss eben doch wieder die Handarbeit und Animation ran.

Ein lehrreicher Kommentar war auch der von Ben Snow, der ein wenig zerknirscht darüber wirkte, dass McG mit seinem harten Colour Grading bei Terminator Salvation Teile der CG-Arbeit fast in Gefahr brachte, weil plötzlich wieder Dinge zum Vorschein kommen könnten, die die Ursprungsfarben sonst überdeckten. Mich würde interessieren, inwiefern Colour Grading sich nicht inzwischen auch etwas in eine Extrem-Sackgasse bugsiert hat und langsam mal wieder locker machen sollte. Harry Potter and the Half-Blood-Prince fand ich wegen seines harten Grades manchmal schon sehr anstrengend.

Hollywoods Mundgeruch. Die Eröffnungsgala der eDIT

Die eDIT ist einer der interessantesten Treffpunkte der Rhein-Main-Region für visuelle Medienschaffende. Inzwischen im zwölften Jahr, hat sich die dreitägige Frankfurter Konferenz von einer kleinen Insiderveranstaltung zu einem mittelgroßen Kreativevent gemausert und dabei nichts von ihrer lockeren Atmosphäre verloren. Weiterlesen

erschienen in epd medien 79/09

Alles Schwindel. Die Fiktionalen sind mitten unter uns.

Sie schreiben Drehbücher und geben Qualitätszeitungen Interviews. Sie veranstalten im Internet Pressekonferenzen und könnten den nächsten deutschen Bundeskanzler stellen, wenn sie dürften: Fiktionale Personen übernehmen unsere Welt. Weiterlesen

erschienen in epd medien 76/09

Hinweis: Im Rahmen von SEO und generellem Sinn-Ergeben werde ich meine “Netzartikel” in Zukunft nicht mehr einfach nur durchnummerieren, sondern wie hier anteasern.

Worte zum Wochenende

Wir werden schon ‘ne rechtliche Backpfeife kriegen. Aber mittlerweile ist mir das egal. Mir war es einfach wichtig, endlich mal zu erzählen, dass das alles Fake ist.

Martin Kesici im Interview mit jetzt.de
// „Ich hatte 20.000 Mittelfinger vor mir“

Man wünschte sich, die Fernsehmacher würden morgens nicht vor den Spiegel treten, um sich zu pudern oder glattzurasieren, sondern um sich selbst zu erkennen. Denn sie sind die Langweiler, nicht die Politiker. Die Langweiler, die sich selbst inszenieren, die aufgehört haben, Fragen zu stellen, die nichts wissen wollen, selbst von der Kanzlerin und ihrem Stellvertreter beim „Duell“ nicht, sondern sich anschließend selbst kommentieren wie Maybrit Illner im ZDF.

Michael Hanfeld , FAZ
// Ihr seid die Langweiler!

The Wonderful Wizard of Oz is a traditional fairy tale to which Baum added a peculiarly American twist: the humbug.

Meghan O’Rourke , Slate
// The Man Who Made Oz

Members of the Featured Artists Coalition show their support for … well, no one is quite sure

Helienne Lindvall , guardian.co.uk
// Behind the music: Is the music industry at war?

Reitzende Schnittchen

Ich war gestern abend auf der Eröffnungsgala der Edgar-Reitz-Filmwoche in Mainz. Das Ergebnis war eine sympathische Atmosphäre, ein saunamäßig warmes Kino und ein ziemlich guter (und verdammt gut restaurierter) Film – Die Reise nach Wien von 1973, der mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass er in seiner Farbdramaturgie mal einen etwas anderen Blick auf die Nazizeit erlaubte, als die Standardfarbpalette von entsättigten Braun- und Grün-Orgien deutscher NS-Filme der letzten 15 Jahre.

Am liebsten will ich aber hervorkommentieren, dass es beim Sekt-und-Schnittchen-Teil des Abends tatsächlich mal wieder echte Schnittchen gab. Da ich wirklich Hunger hatte habe ich mich sehr über einfache Baguette-Scheiben mit Wurst, Schinken und Käse – allesamt sehr lecker hergerichtet – gefreut. Nirgendwo Rote-Bete-Sorbets oder Currywurst im Glas – oder was man heute sonst so alles von Catering-Firmen als Zwischenmahlzeit kredenzt bekommt – in Sicht. Gäste glücklich machen kann so einfach sein.

Thomas Gottschalk muss bei “Wetten, dass..?” nichts mehr machen

Die BILD-Zeitung hat es gemeldet, die Agenturen haben es bestätigt bekommen. Michelle Hunziker moderiert künftig gemeinsam mit Thomas Gottschalk die letzte erfolgreiche ZDF-Sendung “Wetten, dass..?”

Die offizielle Begründung: Die Sendung soll “spontaner” werden. Gottschalk darf vor der Sendung nichts über die Wetten wissen und bekommt dann immer erst kurz vorher von Hunziker die Buchstaben umgedreht. Hui.

Auf die Nachfrage bei der ZDF-Pressestelle, ob das nicht eigentlich einfach nur eine fröhliche Formulierung dafür sei, dass Gottschalk, der gerade erst seinen Vertrag per Handschlag bis 2012 verlängert hat, sich dann in Zukunft einfach nicht mehr auf die Sendungen vorbereiten muss sondern ankommt und losmoderieren kann, war erstmal ein paar Sekunden Pause am anderen Ende. Dann antwortete die Kollegin freundlich: Nein, im Gegenteil, es würde ja sogar alles anstrengender für Gottschalk. Er müsse sich ja jetzt viel mehr konzentrieren, weil er ja vorher nichts weiß.

Mhm. Eins jedenfalls ist klar: Hunziker passt perfekt zum Altherrenwitze-Humor von Gottschalk. Das Fremdschämen darf weitergehen.

Worte zum Wochenende

Twitter ist ja eh nicht gerade als das Medium bekannt, das den Siegeszug der Aufklärung endlich abschließen könnte: 140 Zeichen kann man auch eben schnell tippen, ohne dass man das Gehirn zwischen Galle und Finger schalten müsste. Twittern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflektion, Hauptsache man ist der Schnellste — besonders bei der Eskalation. Heute stehen die Web-2.0er fassungslos vor den rauchenden Trümmern ihres eigenen “Pogroms” (natürlich auch nicht alle) und wirken dabei ein bisschen wie die Schüler am Ende von “Die Welle”, als ihnen gesagt wird, dass sie alle gute Nazis abgegeben hätten.

Lukas Heinser , Coffee and TV
// Ottos Mob kotzt

Leute, kommt schon, macht’s dem Präsidenten nicht so schwer. Ich habe genug am Hals.

Barack Obama , zu off-the-record Aussagen mit CNBC-Reportern
// “Er ist ein Blödmann”

Ich sehe den Tag kommen, an dem mehr Menschen ihre Zeitung auf tragbaren Lesegeräten kaufen als auf zermahlenen Bäumen. (…) Dann gibt es kein Papier mehr, keine Druckereien, keine Gewerkschaften. Das ist großartig!

Rupert Murdoch
// Trendsetter der Digitalisierung

There’s no greater symbol of giving up privacy and embracing publicness, I think, than writing about one’s penis, especially when it malfunctions. But in the hospital, I lost every last vestige of modesty.

Jeff Jarvis , Buzzmachine
// The small c and the big robot

Die Zukunft von 3D ist die Gegenwart des Farbfilms

Angeregt wurde diese vage Grundsatzbetrachtung über 3D durch einen schon etwas älteren Artikel von Kristin Thompson, über dessen Thesen sich anschließend mit Freunden bei Facebook eine interessante Diskussion entspann.

Thompsons Artikel hat zwei Schwerpunkte. Der eine ist, ob sich 3D langfristig wirtschaftlich lohnen wird. Die Beantwortung dieser Frage würde ich gerne dem Markt überlassen. Da der Output an 3D-Filmen inzwischen dank Computeranimation ein relativ stetiges Maß erreicht hat, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass 3D “here to stay” ist. Bleibt es trotzdem ein Event-Randmarkt? Das wird sich zeigen und es hängt eng mit dem zusammen, was ich weiter unten diskutiere:

Interessanter ist dieser zweite Aspekt von Thompson:

More interesting, though, is that fact that although I saw Coraline and Up in 3-D, I remember them in 2-D. Those films didn’t throw spears at the spectator or otherwise seek to pierce that fourth wall with their props. Of course as I was watching, I noticed that the mise-en-scene had layers of depth and the figures a rounded look, but apparently my life-long movie habits filtered those aspects out as the films entered my memory.

An diesem Beispiel entspinnt sich eine interessante Spannung bei 3D-Filmen: Viele Kritiker beschweren sich darüber, wenn die 3D-Filme zu sehr auf ihre 3D-Effekte setzen und dem Zuschauer ständig Speere ins Gesicht stoßen, wie bei Beowulf. Andererseits scheint es aber so zu sein, dass wenn die Filme 3D zu subtil einsetzen, der Mehrwert der neuen Technik in der Erinnerung verpufft.

Für mich ist bisher bei keinem der Filme, die ich gesehen habe, 3D mehr als ein Gimmick geblieben. Bei Bolt hatte ich schon beim Sehen das Gefühl, das 3D dem Film nichts hinzufügt. Monsters vs. Aliens versuchte, die Technik durch das Gegenüberstellen von Größenunterschieden auszuschlachten, was nach kurzer Zeit langweilig wurde. Ice Age 3 und Coraline waren in ihrer 3D-Anwendung beide sehr gut, aber gerade Coraline überzeugte schon wesentlich stärker durch sein Gesamtdesign und Drehbuch als durch die 3D-Effekte, obwohl mir diese noch am stärksten in Erinnerung blieben. Der Film ist bisher mit Sicherheit die Krönung der Technik.

Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die meisten neuen Techniken, als sie sich im Kino jeweils etablierten, erstmal eine Art Exploitation-Kino hervorriefen: Der Tonfilm propagierte Musikfilme, Technicolor ließ sich besonders gut in Ausstattungsspektakeln und “unwirklichen” Filmen vorführen. Danach folgte immer eine Phase der Gewöhnung und erst danach waren meist Künstler in einer Art filmischen Moderne in der Lage, aus den technischen Möglichkeiten wirklich mal was cleveres rauszuholen (beipielsweise mit Filmen wie The Red Shoes für Farbe oder The Conversation für Sound).

Der Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm ist kein guter Vergleich, aber der von Schwarzweiß- zu Farbe hält dem ganzen durchaus stand. Noch bis Mitte der Sechziger, dreißig Jahre nach seiner Marktreife, waren Schwarzweißfilme durchaus normal, a) weil sie billiger zu produzieren waren und b) wegen des exakt gleichen Arguments, das jetzt bei 3D vorgebracht wird: “Wer will schon Nicht-Effektfilme in Farbe sehen, lohnt sich doch gar nicht”. Bis das Verhältnis irgendwann umkehrte, als auch Hollywood seine Moderne erlebte.

Ich denke, dass uns etwas Ähnliches jetzt mit 3D erwartet: Uns stehen noch viele Jahre ins Haus, in denen 3D für Prestige-Knallbumm-Produktionen und Trickfilme ausgeschlachtet wird, aber sobald immer mehr Leinwände umgerüstet sind, die Produktionskosten dank cleverer digitaler Entwicklungen sinken und die Brillen vielleicht sogar noch ein bisschen bequemer werden und 3D einfach ein etablierter Teil der Kinolandschaft geworden ist, könnte sich das Verhältnis umkehren.

Was bedeutet das künstlerisch? Die wahrhaft neue Informationsspur, die 3D ermöglicht ist die Z-Achse. Der Regisseur kann nicht nur links-rechts-oben-unten inszenieren, sondern auch vorne-hinten. Mit den 2 1/2 Dimensionen die regulärer Film kraft unserer Vorstellung sowieso hat (wir denken uns den Raum dazu, auch wenn wir ihn nicht sehen) ging das zwar vorher auch schon, jetzt geht es noch besser. Poke-in-the-Eye-Effekte sind halt nur eine Möglichkeit, diese Informationen auszunutzen, Coraline hat sich vor allem an Tunneln und schiefen Perspektiven versucht.

Sind wir doch mal ehrlich: Erinnern wir uns an Farbfilme wirklich in Farbe – wenn Farbe nicht gerade eine wichtige Rolle spielt? Könnten Sie mir sagen, welche Farbe der Anzug eines x-beliebigen Darstellers in einer x-beliebigen Romantic Comedy hatte? Eher nicht, aber wahrscheinlich erinnern wir uns an die Farbwelten beim Space Gate in 2001, an den surrealistischen Hauch von Filmen wie Amélie oder Moulin Rouge, an farbliche Akzente wie Kim Novaks grünes Kleid in Vertigo.

Und das steht uns mit 3D bevor: Wir werden uns an die meisten dreidimensionalen Szenen nicht unbedingt en detail erinnern, aber wann immer ein Regisseur ans Ruder gelassen wird, der seine Kunstform beherrscht und damit zu spielen weiß, wird man an “die gute 3D-Dramaturgie” gerne zurückdenken.

Die erste Meßlatte in dieser Hinsicht wird wohl Avatar werden. Obwohl ich von der Preview nicht so recht überzeugt war, wird Cameron zeigen müssen, ob er 3D wirklich beherrscht. Mein bestes 3D-Erlebnis hatte ich zumindest bisher mit einem seiner Filme: T2 3D – Battle across time. Durch die Verschmelzung mit echten Darstellern hat das 3D hier wirklich Laune gemacht.

Mit Dank an Carsten und Bernd