Aus dem Giftschrank. Sonnborn und Mohn dürfen doch ins TV.

Gleich zweimal kamen die Fernsehzuschauer in der vergangenen Woche in den Genuss von Sendungen, die sie eigentlich gar nicht sehen sollten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So strahlte der WDR am Dienstag auf Druck des Publikums hin die ungeliebte “Zimmer frei”-Sendung mit dem ehemaligen “Titanic”-Chefredakteur Martin Sonneborn aus. Offizieller Grund für das vorherige Verstecken der Talkshow-Folge war, dass sie “einfach nicht lustig” war, wie WDR-Sprecherin Kristina Bausch erklärte.

Dieser Eindruck des WDR kann es nicht nur an Sonneborn gelegen haben. Er sagte Dinge wie “,Titanic’ ist ein Magazin ohne Anzeigen. Wir sind da in einer Vorreiterrolle – die anderen ziehen jetzt nach”, die man durchaus als komisch empfinden mag. Freilich ist das ein sehr trockener Humor, mit dem nicht jeder umgehen kann. Vor allem Christine Westermann, die sich im Laufe der Sendung selbst demontierte und damit vielleicht der Hauptgrund für die ursprüngliche Vergiftschrankung gewesen sein könnte, konnte es nicht. Weiterlesen…

erschienen in epd medien 84/09

Worte zum Wochenende

Wie viele deutsche Blogger sind auch die, die sich hinter “muentefering” verbargen, medienkritische Menschen. Ganz klar: Das ist gut so, sowas braucht die Mediengesellschaft. Dass aber immer mehr Menschen auf die Idee kommen, Journalisten mehr oder weniger gezielt an der Nase herum zu führen, und das dann als großes medienkritisches Experiment verkaufen, ist ein schlechter Witz.

Johannes Boie , Schaltzentrale
// Falsche Fälscher
[via BildBlog]

Ich liebe die Freiheit, das Nachdenken mit anderen, das Fremde, das Querverbinden. Frau Schwarzer findet, ich sollte Journalistin sein. Und nun?

Meike Winnemuth , SZ-Magazin
// Projekt Neustart
[via BildBlog]

Unfortunately, a chief executive only a few years from retirement is hardly motivated to sack loyal colleagues to bring on board lots of teenagers to turn their company upside down.

Luke Johnson , Financial Times
// Generation game redefines business
[via Buzzmachine]

“There is a whitewashed, idealised version of childhood that is popular in movies. It has the kids sitting neatly in their chairs, talking with some adult, in a sarcastic, overly sophisticated but polite way – a concoction that bears no resemblance to an actual kid”

Dave Eggers , im Interview mit dem Guardian
// New film Where the Wild Things Are sends parents into a ‘rumpus’

Worte zum Wochenende

October is rubbish. It’s not summer. It’s not Christmas. It’s dark all the time. Nothing happens for 30 days, and then some brat wearing a Scream mask threatens to pelt you with eggs unless you give him a fun-sized Milky Way. October can shut up.

Stuart Heritage , guardian.co.uk
// German techno rap? It’s time for a summer-holiday music amnesty

Die Gesamtbilanz seit 1995 ist damit reichlich bizarr: Durch Gratiszeitungen und -internet hat die Verlagsbranche die Leser ihrer traditionellen Tageszeitungen verloren. Mit Gratiszeitungen und Gratisinternet hat die Verlagsbranche jedoch kein Geld verdient. Dafür verliert sie nun bei ihren traditionellen Tageszeitungen viel Geld. Selbstkastration nennt sich dieser Prozess.

Kurt W. Zimmermann , NZZ Folio
// War’s das?

Al-Qaida is harder to reach than most groups of its ilk. Its last official spokesman, Sulaiman Abu Ghaith, sought sanctuary in Iran in 2003, and the organization hasn’t had a communications officer since.

Christopher Beam , Slate
// How Do I Get in Touch With a Terrorist?

Man hat nämlich schon das Original nicht gebraucht. Dieses hat sich jedoch durch Alkohol und Verklärung zum Kult entwickelt, was dem Remake nicht passieren wird.

Michael Reufsteck , Fernsehlexikon
// Bloß kein Knight!

Alles Schwindel. Die Fiktionalen sind mitten unter uns.

Sie schreiben Drehbücher und geben Qualitätszeitungen Interviews. Sie veranstalten im Internet Pressekonferenzen und könnten den nächsten deutschen Bundeskanzler stellen, wenn sie dürften: Fiktionale Personen übernehmen unsere Welt. Weiterlesen

erschienen in epd medien 76/09

Hinweis: Im Rahmen von SEO und generellem Sinn-Ergeben werde ich meine “Netzartikel” in Zukunft nicht mehr einfach nur durchnummerieren, sondern wie hier anteasern.

Worte zum Wochenende

Twitter ist ja eh nicht gerade als das Medium bekannt, das den Siegeszug der Aufklärung endlich abschließen könnte: 140 Zeichen kann man auch eben schnell tippen, ohne dass man das Gehirn zwischen Galle und Finger schalten müsste. Twittern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflektion, Hauptsache man ist der Schnellste — besonders bei der Eskalation. Heute stehen die Web-2.0er fassungslos vor den rauchenden Trümmern ihres eigenen “Pogroms” (natürlich auch nicht alle) und wirken dabei ein bisschen wie die Schüler am Ende von “Die Welle”, als ihnen gesagt wird, dass sie alle gute Nazis abgegeben hätten.

Lukas Heinser , Coffee and TV
// Ottos Mob kotzt

Leute, kommt schon, macht’s dem Präsidenten nicht so schwer. Ich habe genug am Hals.

Barack Obama , zu off-the-record Aussagen mit CNBC-Reportern
// “Er ist ein Blödmann”

Ich sehe den Tag kommen, an dem mehr Menschen ihre Zeitung auf tragbaren Lesegeräten kaufen als auf zermahlenen Bäumen. (…) Dann gibt es kein Papier mehr, keine Druckereien, keine Gewerkschaften. Das ist großartig!

Rupert Murdoch
// Trendsetter der Digitalisierung

There’s no greater symbol of giving up privacy and embracing publicness, I think, than writing about one’s penis, especially when it malfunctions. But in the hospital, I lost every last vestige of modesty.

Jeff Jarvis , Buzzmachine
// The small c and the big robot

Worte zum Wochenende

[I]ch habe noch nie so viel Gejammere gehört wie in der letzten Zeit: Was alles nicht mehr geht, wie schlimm die Verlage sind und so weiter. Und nicht selten von Leuten, die immer noch die selbe Stelle haben wie vor einem, zwei oder auch acht Jahren. Und jetzt ist plötzlich alles anstrengender als früher, schwieriger oder sogar unmöglich.

Michalis Pantelouris , Print Würgt
// Wir machen es uns zu einfach

Die meisten übrigens sind gar nicht über Twitter auf die frühe Prognose aufmerksam geworden – sondern über Phoenix. Der TV-Sender hatte über die Tweets berichtet – und die Zuschauer haben sich das einfach mal angeschaut.

Thomas Knüwer , Indiskretion Ehrensache
// Twitter, die Wahlen und der mediale Resonanzboden

Wenn man immer über die 3,4 Milliarden Euro redet, tut man so, als sei der ideale Schuldenstand null.

Thomas Ebeling im Interview mit der FAZ
// Wir laufen besser als der Markt

Anm. d. Bloggers: Ich möchte wirklich gerne wissen, was tatsächlich der ideale Schuldenstand eines Unternehmens ist.

There should be room for four guys to pee without Awkwardness, but because the third guy followed the protocol and chose the middle urinal, there are no options left for the fourth guy (he presumably pees in a stall or the sink).

Randall Munroe , xkcd blag
// Urinal Protocol Vulnerability

Wie ich vergaß, wer FR-Chefredakteur ist

Joachim Frank ist seit Mitte Mai – seit Uwe Vorkötters Wechsel zur “Berliner Zeitung” – Chefredakteur der “Frankfurter Rundschau”, gemeinsam mit Rouven Schellenberger, der vorher auch schon Chefredakteur war.

Blogger plädieren immer dafür, zu seinen Fehlern zu stehen. Ich habe noch nicht ganz begriffen, ob das auch bedeutet, Fehler zu erzählen, die sonst keiner mitbekommt. Aber weil ich mich dieser Peinlichkeit gerade irgendwie entledigen muss, mache ich das jetzt gerade mal.

Ich habe mir angewöhnt, wenn mich Leute anrufen oder ich mit Leuten verbunden werde, die ich nicht sofort kenne, die ich aber dann später in einem Artikel zitieren will, am Ende des Gesprächs noch einmal sicherheitshalber nach ihrem Namen zu fragen. Das ist zwar immer ein bisschen doof, weil man damit zugibt, den Namen am Anfang nicht richtig verstanden zu haben, aber dafür ist man auf der sicheren Seite, denn wenn man den Namen manchmal nur ein bisschen falsch verstanden hat, ist es manchmal sehr schwer, noch die richtige Schreibweise und dann dazu beispielsweise den Vornamen herauszufinden (mit einem Nachnamen wie meinem kenne ich das Problem umgekehrt nur zu gut).

Man ahnt, worauf dieses Posting hinausläuft: Man gibt mit so einer Nachfrage gelegentlich natürlich auch zu, dass man nicht genau weiß, mit wem man eigentlich gerade geredet hat.

Das ist mir heute passiert. Der Chefredakteur der FR, Joachim Frank, rief mich an und am Ende eines Gesprächs, was ich bis dahin (wie ich meinte) ganz gut gehändelt hatte, fragte ich dann natürlich nach: “Sagen Sie mir bitte nochmal ihren vollen Namen…” Das tat er dann auch pflichtschuldig und fügte mit einem hörbaren Lächeln in der Stimme hinzu: “Ich bin einer der beiden Chefredakteure.”

Ich dankte und legte gelassen auf, aber innerlich dachte ich natürlich etwa das hier. Wie peinlich. Und das ausgerechnet bei der FR, wo ich früher selbst mal geschrieben habe und der ich mich immer noch durchaus verbunden fühle.

Ich hoffe ein drei Monate alter Chefredakteur kann einem jungen Journalisten eine solche Unverfrorenheit vergeben.