Lev Manovich hatte recht

Ich denke manchmal darüber nach, mit welcher Naivität ich vor zehn Jahren in meiner Magisterarbeit über digitale Bilder geschrieben habe. Indem ich glaubte, dass digitale Bilder eine eigene Ontologie besitzt, die es zu nutzen gilt, habe ich die Möglichkeiten von digitalem Realismus unterschätzt. Was wir im Kino als “real” empfinden, hat sich durch jahrelange Blicke auf Computerbilder – ihre Shader und Texturen – zwar verändert, es ist aber immer noch nah dran an Fotorealismus.

Aktuelle VFX-Reels, wie diese von Fantastic Beasts und Rogue One zeigen jedoch auch, dass in großen Fantasy-Filmen kaum noch etwas von dem wir sehen, tatsächlich abgefilmte Realität ist. Lev Manovichs These, die vor 10 Jahren noch sehr heftig umstritten war, hat sich also völlig bewahrheitet: “Cinema can no longer be clearly distinguished from animation. It is no longer an indexical media technology but, rather, a subgenre of painting.”


Gute und böse Computerbilder: Der Realismus-Mythos von Mad Max: Fury Road

© Warner Bros.

Stuttgart, FMX 2012, eine typische Session. Jeff White, Visual Effects Supervisor bei Industrial Light and Magic (ILM) beschreibt das Arbeiten an The Avengers. Für eine Szene, in der Captain America aus einem Flugzeug springt, zeigt das gefilmte Material ein Flugzeug vor Green Screen. Captain America Chris Evans nimmt Anlauf, springt einen Meter tief und rollt sich ab. Die Kamera folgt ihm und beendet ihre Bewegung auf einer grünen Matte. Im Film fällt Captain America weiter und die Kamera bleibt auf ihm, während er in die endlose Tiefe segelt.

Der Plan war, erklärt Jeff White, Chris Evans an jenem Punkt, wo gefilmte Realität und geplantes Filmbild sich nicht mehr decken, durch ein digitales Double zu ersetzen, eine gescannte Version des Schauspielers, die im Computer animiert werden kann. Doch der Prozess, einen Übergang zwischen Realität und Modell zu schaffen, entpuppte sich als viel zu arbeitsintensiv. “So it was easier to just replace the whole thing”, sagt White. Im fertigen Film agiert nur das Double, anfangs über die Bewegungen Evans’ drüberanimiert und irgendwann autonom gestaltet. Aber Evans selbst ist in der Einstellung nicht mehr zu sehen.

Es ist einfacher, den Rechner anzuwerfen

Ähnliche Geschichten bekommt man in Visual-Effects-Berichten immer wieder erzählt. Bei hanebüchenen Stunts, insbesondere wenn sie im Film von übermenschlichen Wesen wie Superhelden ausgeführt werden, ist es oft einfacher, direkt den Rechner anzuwerfen. Dort werden die Szenen dann entweder aus dutzenden isoliert gedrehten Elementen zusammenkomponiert — Schauspieler, Himmel, Explosionen, Fahrzeuge, Set-Aufnahmen — oder sie werden von null im Computer gebaut und irgendwann herausgerendert.

Das Ergebnis sind Szenen mit ernormem Wow-Faktor und oft sehr wenig Realismus, über die sich Filmfans derzeit mit Vorliebe beschweren. Der Backlash gegen Computer-Generated-Images (CGI) ist in vollem Lauf. Ein unterhaltsamer Artikel auf “Cracked” nennt 6 Reasons Modern Movie CGI Looks Surprisingly Crappy. Gleich der erste Grund lautet sinngemäß “Weil Filmemacher sich visuell nicht zurückhalten können, wird die Schwerkraft regelmäßig ausgehebelt”. Grund 3 nennt das gleiche Argument für Kamerabewegungen. Glaubwürdigkeit und Physik werden auf dem Altar der Awesomeness geopfert. CGI wird zum Standard statt zur Ausnahme. Das Publikum wird für dumm verkauft.

Gegenbeispiel Mad Max

Als Gegenbeispiel feiern Kritiker_innen dieser Tage Mad Max: Fury Road. George Millers Film hat ähnlich viel gekostet wie andere Blockbuster, aber die zweistündige Verfolgungsjagd wirkt anders als das ähnlich intensive Hauen und Stechen bei Avengers: Age of Ultron einen Monat zuvor. “Weil dort alles echt ist”, sagen die Fans, “ein alter Hase wie George Miller weiß eben noch wie es geht – ohne die verdammten Computer.”

Kulturpessimistisch mag das einleuchten, es ist aber leider falsch. Von den 2.400 Einstellungen, aus denen Mad Max: Fury Road besteht, sind fast alle im Computer angefasst worden. Im Fachmagazin “fxguide” erklärt Visual-Effects-Supervisor Andrew Jackson:

“I’ve been joking recently about how the film has been promoted as being a live action stunt driven film – which it is, […] [b]ut also how there’s so little CGI in the film. The reality is that there’s 2000 VFX shots in the film. A very large number of those shots are very simple clean-ups and fixes and wire removals and painting out tire tracks from previous shots, but there are a big number of big VFX shots as well.”

Wenig in Fury Road ist echt. Dieses “Wired”-Video gibt einen guten, schnellen Überblick über die vielen Techniken, die eingesetzt wurden. Ganze Umgebungen wie die Zitadelle am Anfang des Films wurden im Computer gebaut. In einer großen Anzahl der Einstellungen wurde der Himmel ausgetauscht. Charlize Theron wurde digital ein Arm amputiert. Im Sandsturm sind es CGI-Autos, die zerfetzt werden. Und der “Grade”, die Farbgestaltung des Films, ist ebenfalls ein höchst digitales Produkt.

Der entscheidende Unterschied

Die Stunts sind aber echt, und anscheinend ist das der entscheidende Unterschied. War Boys und Pole Cats, Tom Hardy und der Doof Warrior mit seiner feuerspeienden Gitarre waren zwar mit Drahtseilkonstruktionen abgesichert, die hinterher im Computer “rausgemalt” wurden, aber sie haben sich tatsächlich bei hoher Geschwindigkeit in der Wüste bekämpft. Der Kamerawagen fuhr mit bis zu 160 Stundenkilometern mitten zwischen den aufgemotzten Autos hindurch, auf denen Stunt-Chef Guy Norris und sein Team aus Akrobat_innen und Stuntpersonen ihr makabres Ballett aufführten.

Mad Max, obwohl fantastisch und grotesk in seiner Gestaltung, bleibt diesseits des Uncanny Valley, in dem beinahe-echte Sachen irgendwie fake wirken. Die Zuschauer_innen scheinen zu spüren, dass sich hier echte Menschen in Gefahr begeben, auch wenn um sie herum fast nichts so aussieht, wie in der Realität. Sie scheinen unbewusst zu unterscheiden zwischen “bösen” Computerbildern, die Realismus ersetzen, und “guten” Computerbildern, die Realismus erweitern.

Digital erschaffene Bilder im Kino sind nichts Besonderes mehr. Sie sind Teil des Werkzeugkastens aller Filmemacher, egal in welchem Genre. Obwohl über drei Jahre alt, dürfte etwa dieses Virtual Backlot-Video vielen Menschen, die sich nicht regelmäßig mit digitalem Filmemachen beschäftigen, die Tränen in die Augen treiben. Ja, auch in ganz einfachen Fernsehserien ist fast nichts mehr echt.

Nicht jeder ist George Miller

Doch dieses zweite Zeitalter der Computerbilder wird es Regisseur_innen, Kameramenschen und VFX-Supervisors daher auch abverlangen, ein Gespür dafür zu entwickeln, wo die Linie zwischen Akzeptanz und Ablehnung beim Publikum verläuft. Wieviel CGI ist zu viel CGI und wo lohnt es sich, Effekte “in camera” zu drehen (was nicht unbedingt teurer sein muss), um diesseits der Linie zu bleiben?

Gleichzeitig müssen aber auch weiterhin Filme einen Platz finden, die dem Realismus ganz bewusst den Stinkefinger zeigen und den Computer und seine Möglichkeiten nutzen, um die Grenze zwischen Echt und Falsch, zwischen Animation und Realfilm verschwimmen zu lassen. Das Problem vieler aktueller Blockbuster ist – besonders in Superheldenfilmen – dass ihre Plots und Geschichtenwelten so fantastisch sind, dass sie wohl manchmal selbst nicht wissen, ob sie realistisch und awesome oder comichaft und awesome sein wollen. Schließlich ist nicht jeder ein Christopher Nolan oder George Miller, der trotz allen Feuerwerks mit beiden Beinen auf der Erde stehen will. Techniken wie die Splash Pages in Age of Ultron zeigen, dass manche Regisseur_innen mit Absicht eine Annäherung an nicht-realistische Bild-Traditionen suchen. Es scheint nur, als müsste man sich für eine der beiden Optionen entscheiden.

Danke an Sascha für den Hinweis auf den Zach-Braff-Tweet.

Quotes of Quotes (XVIII) – Die digitale Design-Evolution von Mittelerde

We realized that by only doing minimally what we needed physically on set and adding in the digital effects later on, we could actually just bring a lot more richness to the film, and I think that became one of the big sea changes that we saw in the way The Hobbit was done from when we started shooting till the time we were finished.
– Joe Letteri, Senior Visual Effects Supervisor, The Hobbit: An Unexpected Journey

Meine Liebe zu den “Anhängen” von Peter Jacksons Tolkien-Filmen habe ich ja bereits im Adventskalender zum Ausdruck gebracht. Heute habe ich endlich die zweite Disc zu Ende geschaut und wieder einmal genossen, welch detaillierte Einblicke man doch in die Prozesse der Filme bekommt – auch in die Fehlschläge.

Die Geschichte des Bösewichts des ersten Films, man könnte ihn auch so eine Art Levelboss nennen, ist so ein Fehlschlag. Azog the Defiler ist ein Ork, gegen den Thorin Oakenshield in der Schlacht von Moria gekämpft hat, den er aber (im Film) nicht töten konnte und der ihn seitdem verfolgt. Das entsprechende Segment auf der Blu-ray zeigt, dass Azog einen besonders schwierigen Designprozess durchlaufen musste. (Davon, dass er überhaupt erst so wichtig wurde, nachdem sich Jackson sehr kontrovers dazu entschieden hatte, aus zwei Filmen drei zu machen, ist nicht die Rede.)

Azog sollte ursprünglich, wie fast alle Orks in Lord of the Rings, von einem Schauspieler im Kostüm gespielt werden. Doch die erste Designstrategie – Azog als massiv großer, barbarischer Schlächter – ging nach Jacksons Meinung nicht auf. Der Schauspieler wurde gefeuert und eine neue Strategie ins Feld geführt: Azog als ein sehr alter, zerfurchter Kämpe, der unter anderem einen Rock aus Zwergenhaut trägt. Die Bilder, die man im Film zu sehen bekommt, sind erstaunlich. Mit diesem Schauspieler im Kostüm wurde gedreht, obwohl Jackson immer noch nicht ganz glücklich war.

Man entschied sich schließlich, Azog einfach doch im Computer zu erzeugen. Sechs Wochen vor Fertigstellung des Films wurden die abgesegneten Designs an das Digitalteam übergeben, dass die entsprechenden Szenen mit dem Hauptantagonisten des Films in einem gewaltigen Kraftakt aus Motion Capture und Animation irgendwie über und auf die Bühne brachte. Ich will nicht wissen, welche Extrakosten das verursacht hat.

Zum Abschluss des Azog-Segments auf der Blu-ray sagt VFX-Chef Letteri den oben stehenden Satz, der gemeinsam mit der ganzen Azog-Episode emblematisch für vieles stehen, was am ersten Hobbit-Film schiefgelaufen ist – und das sage ich, obwohl ich den Film mag. Die Lord of the Rings-Filme wurden unter anderem so sehr dafür geliebt, dass es Peter Jackson mit seinem Indie-B-Movie-Hintergrund gelang, physische Effekte und Computerzauberei zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.

Im Hobbit sind nicht nur die Miniaturen-Sets verschwunden, die verständlicherweise der Stereoskopie geopfert wurden, sondern Jackson scheint allgemein so vom digitalen Virus infiziert zu sein, dass er viele genau der Mechanismen geopfert hat, die seine letzte Mittelerde-Trilogie so besonders gemacht haben (und von der ich den ersten Film auch am liebsten mag, weil zu diesem Zeitpunkt die VFX-Technologie noch am wenigsten fortgeschritten war): Lasst uns real machen, was immer geht, und mit den Einschränkungen, die das beinhaltet, arbeiten, statt sie zu verteufeln.

The Hobbit ist voll von Entscheidungen, die dieses Prinzip über den Haufen werfen (auch die Goblins sollten ursprünglich zu großen Teilen praktisch realisiert werden) und Jackson sagt in den Anhängen tatsächlich Sachen wie: “Als Filmemacher ist es für mich großartig, dass ich jetzt die Kamera in digitalen Sets bewegen kann, wie immer ich will.” – Aussagen, für die zuvor George Lucas bei seinen Star Wars-Prequels berüchtigt wurde.

Genau diese Philosophie der totalen Wunscherfüllung ist es, die dem Hobbit einen oftmals so luftigen, ungeerdeten, und manchmal – wie im Fall von Azog – auch beliebigen Look verleiht, denn der finale, hastig generierte Computer-Ork ist um ein vielfaches langweiliger als seine Vorgänger-Versionen. Eine stark immaterielle, CGI-lastige Ästhetik ist ja eine visuelle Entscheidung, die man treffen kann und die in manchen Filmen (etwa 300) schon beeindruckende Ergebnisse erbracht hat – für Mittelerde finde ich persönlich, dass sie in die falsche Richtung führt. The Desolation of Smaug werde ich leider erst nach Weihnachten sehen können – aber ich hoffe, dass er eine kleine Kurskorrektur vornimmt.

Snyderwatch: Sucker Punch

    Snyders Filme folgen einer so persönlichen ästhetischen Logik, (…) dass er zu den wenigen wirklichen Autoren des gegenwärtigen amerikanischen Mainstream-Kinos zählen dürfte.
    – Jet Strajker, Die fünf Filmfreunde

Ich verfolge das Schaffen von Zack Snyder seit einer Weile mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Seine ureigene Ästhetik, die er seit 300 konsequent verfolgt, ist revolutionär und gehört für mich zu einer der bestimmendsten Leitlinien des neuen digitalen Kinos. Sie hybridisiert Live-Action und digitale Animation auf allen Ebenen in einer Weise, die die konsequente Fortführung dessen ist, was 1999 mit The Matrix begann. Auf der anderen Seite hat mich sein Hang zu Bildern und Geschichten, die sich ebenso konsequent wie selbstverständlich an den Vorlagen des Faschismus abarbeiten und die Snyder sogar in einem Kinderfilm über Eulen unterbringt, immer abgestoßen.

Sucker Punch, Snyders erster Film nach eigenem Drehbuch, bringt diese Entwicklung nun an einen vorläufigen Endpunkt. Beinahe universell von der Kritik verachtet, schwurbelt sich Snyder darin eine Geschichte zurecht, in der es angeblich um Empowerment geht. Darum, dass man lernt, seine eigene Geschichte zu erzählen (die Feministen sehen das anders), in Wirklichkeit aber darum, leicht bekleidete Frauen in diversen Fantasy-Szenarios beim Kämpfen zuzusehen.

Die Zuhälterfigur des Films spricht in einem seiner Monologe davon, dass er das Gefühl hätte, jemand anders spiele im Sandkasten mit seinem Spielzeug, den Mädchen – und man meint, es wäre Zack Snyder, den er meint. Und trotzdem: Auf irgendeine perfide Weise habe ich den Eindruck, Snyder glaubt sogar, was er erzählt. Er sieht die an einen Endpunkt getriebene sexualisierte Gewalt in Sucker Punch in seiner eigenen merkwürdigen Logik tatsächlich als einen weiblichen Befreiungsschlag, genau wie er die auf die Spitze getriebene männliche Gewalt in 300 als eine Dekonstruktion von Männlichkeit sieht. “Hey”, scheint er sich zu denken. “Warum kann man nicht etwas dekonstruieren und dabei trotzdem verdammt cool aussehen.”

Diese Überlegung ist natürlich nicht neu, und mich hat immer schon gestört, wie Quentin Tarantino in Filmen wie Kill Bill nach einer ähnlichen Logik vorgeht. Wenn alles ohnehin nur ein Zitat, eine Hommage ist, scheint es, ist alles erlaubt. Auch der Sieg der Form über den Inhalt. Doch Tarantino kriegt die Kurve. Im zweiten Teil von Kill Bill beispielsweise verpasst er seiner Hauptfigur retrospektiv eine Entwicklungskurve und Tiefe, die alles vorhergegangene legitimiert und alles Folgende nachvollziehbar macht.

Snyder hingegen dreht in Sucker Punch die Streckbank noch eine Raste weiter. Ähnlich wie die Kampfsequenzen nur Phantasien innerhalb der Phantasie innerhalb der Phantasie, die der Film ist, sind, besteht ihr Inhalt auch nicht länger aus Zitaten, sondern aus Zitaten von Zitaten.

Denn die Mädchen kämpfen ihre imaginären Befreiungskämpfe keinesfalls im Imaginären eines Samuraifilms, eines Weltkrieg-Films, eines Fantasy-Films und eines Cyberpunk-Films, sondern bereits in deren übersteigerten Zitaten. Nicht in Pulp-Heften der Dreißiger, sondern in ihren postmodernen Wiedergängern, den Graphic Novels der Achtziger und Neunziger und den Computerspielen der Noughties. Deswegen sind alle Gegner lediglich gesichtslose Automata, gibt es Mechas im Krieg und Maschinengewehre im Kampf um die Burg. Und deswegen ist Sucker Punch genau so hohl wie die Körper der golemhaften Gegner – seine Figuren haben keinen Inhalt, sie haben keinen Grund, in irgendeiner Version dieser Welt zu existieren.

Wenn die Postmoderne an ihre Grenzen und darüber hinaus getrieben wird, kehrt das Archaische mit stampfenden Schritten zurück, wie ein Titan auf den Olymp. Und das ist es, was Sucker Punch doch irgendwie wieder faszinierend macht. Die haltlose Naivität, mit der der Film vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist. Die Geschichtsvergessenheit, mit der er seinen Zitatenzyklus ohne einen Funken Anstand oder wenigstens Ironie ausschlachtet, hat etwas enorm urtümliches. Und also findet sich in ihm auch ein Widerhall von Filmen wie Birth of a Nation, die auch in Ihren Grundfesten verachtenswert sind, die aber gleichzeitig zu den Gründungsmythen des amerikanischen Kinos gehören.

Es fällt mir schwer, mir ein abschließendes Urteil über Sucker Punch bilden. Ich fand den Film zu langweilig, um mich darüber aufzuregen und in seiner unfassbaren Maßlosigkeit zu faszinierend, um mich wirklich zu langweilen. Und somit ist wahrscheinlich damit das Urteil erreicht: Sucker Punch ist einfach vollkommen belanglos. Er ist es nicht wert, dass man ihn in irgendeiner Weise näher betrachtet. Und da ich – und mit mir viele andere Kritiker – dies gerade doch getan haben, weil sie irgendwie das Gefühl hatten, sie mussten sich mit dem Film auseinandersetzen, hat Snyder sein Ziel im Endeffekt wahrscheinlich doch erreicht: Er hat seinem persönlichen Sandkasten irgendwie Relevanz verliehen.

[Ergänzung:]

Zusätzlich zur im Text verlinkten “Girls on Film”-Kolumne empfehle ich Angie Hans Artikel auf /film.

Außerdem: “Sucker Punch and the Fetishized Image” von Oscar Moralde ist sehr gut geschrieben und argumentiert, wirft aber die Frage auf: Wenn keiner merkt, dass etwas Satire ist, ist es dann noch Satire?

Tron:Legacy – My favourite Quote (so far)

I am fascinated, if not obsessed with the idea that we live in the future now. Adam Rogers’s behind-the-scenes article on Tron: Legacy for “Wired” recently demonstrated this point in a way I never really thought about. But it’s true.

All those artists at Digital Domain know they’re creating Tron’s reality by creating it in reality. “We’ve achieved what the first film predicted,” [Director Joseph] Kosinski says. Jeff Bridges had to get a full-body laser scan during preproduction, an eerie hearkening to his digitization in the first movie. When he shot his scenes as Clu, the motion-capture rig he wore to translate his facial movements to Rev 4 included a visor that looked uncannily like the helmet he wore in the original. And the prospect of an unimpeachable, photorealistic avatar for Bridges ought to make the Screen Actors Guild freak out.
(read the whole Article)

It’s really a shame that the new Tron doesn’t arrive in German theaters until the end of January. It’s a film I will hopefully be blogging a lot more about soon.

Tron Night: Something to Feast Your Eyes On

Geek Buzz has really become important for movie marketing. Last year’s Avatar was the first film to actually preview around twenty minutes of footage for audiences several months before the film’s release in the hope of building up a positive word-of-mouth vibe for the film’s release (a strategy that seemed to have worked; even though audiences on the whole weren’t too thrilled about the preview footage). The maker’s of Tron Legacy, a late sequel to 1982’s Tron, tried the same tonight.

They did a good job. Even though the storyline for Legacy looks as preposterous as that of its predecessor, the preview footage shows that the new film will definitely be something to look forward to for lovers of excellent imagery. As could be glimpsed in the trailer, Tron Legacy stays true to Tron‘s original backlit, “black theatre” look while adding some more CGI-cool. This world of dark grey tones, nerved by fluorescent lights, is really something you haven’t seen for a while. It manages to conjure up 80s nostalgia while still looking pretty nifty by today’s standards.

In addition, director Joseph Kosinski and his team really seem to get 3D and use it in the narrative way Alice in Wonderland inexplicably didn’t. The non-computer-world is 2D, making the 3D world of the computer system (ironically, the “simulated” world, of course) exquisitely hyperreal. However, they go beyond that: The preview footage included the scene in which Sam (Garrett Hedlund) discovers the old lab of his father Flynn (Jeff Bridges) but left out the actual transition scene from Earth to Grid. However, when Sam discovers the secret door behind the “Tron” video game and descends into the lab, i.e. gets closer to the computer world, the image slowly but steadily gained depth while staying 2D, cleverly anticipating and foreshadowing what’s to come. The only other movie that used 3D in this psychological way so far, was the amazing Coraline.

The verdict: “Tron Night” worked for me. I am definitely looking forward to Tron Legacy, at least for a good two hours of fun in the cinema.

Five Ways in which 3D Will Change the Face of Cinema

I’m an advocate of 3D, always have been, and I firmly believe it will take over the way colour once did. But especially after speaking to Ludger Pfanz for my last article about 3D-TV, I have thought a lot more about how I believe 3D might actually change the way moving pictures will look in the future.

It basically comes down to this: You will get to see less shots and they will be more beautiful – until, that is, 3D has become so accepted that visionaries come along and turn it on its head again in maybe ten to 15 years. Here is how I would break it up:

1. Editing: Less and more Deliberate Cuts

I’m sure David Bordwell has numbers instead of a gut feeling about how fast films have become. Intensified continuity has taken over almost every genre now and action scenes in particular have become muddled and confusing (I just watched The Expendables and man was that anti-climactic and devoid of any money shots). 3D, which wants our minds to sink into the picture, will return to longer shots and more of an overview of what is happening on the scene, maybe souped up with slow-mos and time compression the way Zack Snyder tried in 300 and Watchmen.

2. Cinematography: Goodbye, Shaky-Cam

What was still pretty radical when it was boosted by the Dogme film makers in the nineties has now become a staple of every film that wants to look in any way “gritty”: hand-held, shaky cameras that appear to be right in the thick of it, thereby (like the fast cutting) often hiding what is actually going on. I expect more swooping, elegant camera moves in the future, especially because digital compositing allows the marriage of many shorter shots into one impressive one so well nowadays.

3. Mise-en-scène: The Return of Staging

3D means z-axis information, cultivated for our viewing pleasure. How better to make use of this than by going back to arranging actors on screen – their position sometimes telling us a lot more about their relationships than the words they say. In the last twenty years, talkative situations were solved mostly either by cutting or by static shots that made an artistic statement through their very immobility. The future might bring back moving actors again – a more theatrical way of movie-making, certainly, but not for the worse.

4. Composition: Artistry triumphs

Since its Grand Return, 3D has mostly been associated with fantasy, horror, dance and animated films. For good reason. These paradigms of cinema offer the broadest canvas on which to paint that otherworldy, uncanny feeling that stereoscopy (rather than holography) spreads throughout the cinema, where the viewer can experience space without being able to move within it as he pleases. Designed, precisely choreographed images allow for a much greater control of this feeling than captured, “realistic” images do. This applies even to documentaries, who, while photographing “real life” might just take more time to set up their images in the future than they did in the past.

5. And Finally: The Power of the Close-Up

This will be the big selling point of bringing 3D to genres that few can imagine in 3D at the moment: romantic comedies, melodramas, movies about people rather than images. The close-up, carefully and glamourously lit, was what put the stars right in our grasp. 3D can rely heavily on that idea. Watching the latest star-studded love film with your favourite poster boys and girls larger-than-life in 3D will make you want to sink into their baby blue eyes, their weather-lined faces, their luscious lips more than ever before. Better get the smelling salt ready for the faint of heart.

Do you agree? Let me know in the comments.

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Die Renaissance des Animationsfilms

Der digitale Animationsfilm konnte in den Noughties so richtig zeigen, was er drauf hat. Der daraus entstehende Boom dieser Art Film nach dem Rezept, das Pixar in den Neunzigern entwickelt hatte, übertrug sich dann bis zum Ende der Dekade schließlich auch auf die anderen Spielarten der Animation, so dass 2009 nach Meinung einiger sogar das beste Jahr aller Zeiten für Animationsfilme wurde.

Diese letzte Behauptung kann man gut und gerne als überhöht vom Tisch wischen, aber fest steht, dass in den Jahren 2000 bis 2009 vermutlich so viele qualitativ hochwertige und weltweit Eindruck schindende animierte Langfilme entstanden wie seit den Vierzigern nicht mehr. Die Oscar-Academy würdigte diesen aufkommenden Trend bereits 2001, als sie einen neuen Award für “Best Animated Feature Film” auslobte.

Zu diesem Zeitpunkt (Shrek gewann den ersten Award gegen Monsters Inc.) war das Feld der animierten Filme noch relativ übersichtlich. Es gab Disney, den Disney-Kooperationspartner Pixar und DreamWorks PDI, die bereits seit Mitte der Neunziger Jahre versucht hatten, beiden Firmen auf ihrem Home Turf Konkurrenz zu machen. Im Konkurrenzkampf mit Pixar ging das sogar so weit, dass beide Firmen irgendwann immer scheinbar direkt vergleichbare Filme über Insekten (Antz/A Bug’s Life), Monster (Shrek/Monster’s Inc.), Fische (Finding Nemo/Shark Tale) und Roboter (Robots/WALL*E) produzierten – einen Kampf den DreamWorks außer bei Shrek immer verlor.

In den darauffolgenden Jahren strömten jedoch immer mehr Player, beauftragt von den großen Studios, ins Feld, mit denen man rechnen musste. 2002 traten die Blue Sky Studios (20th Century Fox) von Chris Wedge mit dem phänomenal erfolgreichen Ice Age auf den Plan, Imageworks (Sony) versuchte sich (nicht sehr erfolgreich) an Hunting Season, Animal Logic (Warner) (erfolgreich) an Happy Feet. Hinzu kamen die bereits 2001 für Jimmy Neutron: Boy Genius nominierten Nickelodeon Pictures (The Barnyard) sowie einzelne Player, die auf der neuen Woge in den internationalen Markt zurückströmten, wie Hayao Miyazaki, Aardman (Wallace and Gromit), die sogar einen Deal mit DreamWorks schlossen, und Henry Selick (Coraline).

Nicht zu vergessen ist auch das Feld “Performance Capturing”, in dem vor allem Robert Zemeckis die Speerspitze bildete, meist als Regisseur (Polar Express, Beowulf, Christmas Carol) aber auch als Executive Producer (Monster House). Als 2006 Monster House und Happy Feet, die beide zu (unterschiedlich großen) Teilen auf Performance Capturing zurückgegriffen hatten, neben Pixars Cars nominiert waren und Happy Feet auch noch gewann, ging ein Raunen durch die Branche. Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion interessant, ob Avatar theoretisch einen solchen Oscar gewinnen könnte.

Doch nicht nur im Oscar-Rennen machte sich der Animationsfilm in den Noughties wieder breit. So wählten die LA Film Critics WALL*E, der ohne berühmte Stimmen und generell mit sehr wenig Dialog auskommt, 2008 zum Film des Jahres und 2009 eröffnete mit Pixars Up erstmals ein Animationsfilm die Filmfestspiele von Cannes, nachdem im Jahren zuvor mit Waltz with Bashir schon ein Animationsfilm im Rennen ganz vorne gelegen hatte.

Woher stammt dieser neuerliche Erfolg einer Gattung, die selbst im großen Family-Entertainment-Land USA in den Achtzigern und Neunzigern in Fernseh-Cartoons für Kids einerseits und Erwachsene (Simpsons, Beavis and Butthead) anderseits und Disney-Geputzel zu Weihnachten zerfallen war? Abgesehen davon, dass wegen des immer höheren Bedarfs an Special Effects computergenerierte Bilder generell akzeptierter geworden sind?

Ende der Neunziger hatten Pixar und DreamWorks eine Formel entwickelt, die einzuschlagen schien. Sie entwickelten originäre Stories, die nicht auf bekannten Vorlagen basierten, besetzten die Hauptrollen mit bekannten Hollywood-Darstellern – was die Publicity für den Film deutlich erleichterte – kickten das über Jahre bewährte Musical-Konzept über Bord, und wurden wieder etwas “edgier”, indem sie den Erwachsenen genauso etwas zu lachen gaben wie den Kids. Außerdem trieben sie mit jedem Film den technischen “sense of wonder” wieder ein Stück voran – waren die Menschlichen Charaktere in Toy Story (1995) noch sehr krude geformt, sah das in Toy Story 2 (1999) schon viel besser aus.

In den Noughties drifteten die Studios in ihrem Grundverständnis wieder weiter auseinander, aber der Rest von Hollywood hatte Blut geleckt (und Geld gerochen) und sich längst in eigene Produktionen gestürzt. Pixar setzte weiterhin auf künstlerische Konzepte, definierte sich als Director’s Studio (z. B. indem sie Brad Bird zu sich holten) und nahm sich bald auch schon wieder den Mut zur Abstraktion im Design heraus. DreamWorks prügelte, zumal nach dem Erfolg von Shrek das Prominenten-Stimmen-Konzept zu Tode und versuchte, mit jedem Film noch ein bisschen hipper und zeitgemäßer zu sein (trauriger Tiefpunkt dieser Entwicklung war Shark Tale) – Sony und Nickelodeon gingen in die gleiche Richtung.

Nachdem die erste Welle an Wahnsinn aber vorbei war (2005/06 war so ziemlich das übelste Jahr in der Hinsicht) kam die ganze Branche in Schwung und traute sich richtig was; merkte, dass Animationsfilm die Ideale Form für filmische Experimente ist. Surf’s Up, zum Beispiel, ist ein Mockumentary über surfende Pinguine, das bei allen Schwächen, die der Film hat, zumindest ein paar Märkchen für Originalität verdient hat. Und ob für Persepolis, Marjane Sartrapis persönlichen Memoiren über ihre Kindheit im Iran, und Waltz with Bashir, Ari Folmans unheimliche Rekonstruktion seiner Kriegserfahrungen, vorher überhaupt Geld dagewesen wäre, ist fraglich.

Auch Regisseure, die aus dem Live-Action-Fach kamen, sahen in Animation plötzlich neue Chancen. George Miller (Babe) machte Happy Feet, Wes Anderson “drehte” Fantastic Mr. Fox – die Herkunft aus einer anderen Gattung ist in beiden Fällen durchaus zu sehen. Auch die Abenteuer von Tintin werden derzeit per Motion-Capture verfilmt, Regisseure/Produzenten sind Steven Spielberg und Peter Jackson. Und umgekehrt funktioniert es auch: Pixar-Regisseur Andrew Stanton (Nemo, WALL*E) dreht jetzt John Carter of Mars.

Selbst Disneys Stern geht langsam, nach dem Kauf von Pixar und John Lasseters Verpflichtung als Chefkreativem, wieder auf. 2009 kam fünf Jahre nach dem abgrundtief furchtbaren Home on the Range wieder ein 2D-animierter Film (The Princess and the Frog) in die Kinos, der zumindest manchen Kritikern auch gefiel.

Last but not least waren animierte Filme ein wichtiger Triebmotor für die langsame Etablierung von 3D, was sich besonders in Deutschland sehr gut daran festmachen lässt, dass die CineStar-Kette sich erst mit dem Start von Ice Age 3 entschied, eine größere Menge Säle auf 3D umzurüsten. Und nach wie vor sind es computeranimierte Filme, die sich eben am einfachsten in 3D umsetzen lassen.

Der Animationsfilm, besonders der computeranimierte Animationsfilm aber auch seine handanimierten Geschwister, hat sich in den Noughties als eine neue feste Größe etabliert, mit der man auf jeden Fall auch weiterhin rechnen muss. Das Medium Animationsfilm wird von immer mehr Seiten wirklich als Medium und nicht als Genre wahrgenommen, mit dem man auch andere Geschichten als Märchen für Kinder erzählen kann. Mit dem zusehenden Verschwimmen von Live-Action und Animation kann man also erwarten, dass es in den Zehner Jahren noch von viel mehr Regisseuren für sich entdeckt wird und eventuell noch wesentlich mehr Erfolg haben wird.

Dieser Beitrag ist Teil 13 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Das digitale Kino trumpft auf

Ich widme mich in der zweiten Staffel von “Zehn zu Null” zuerst meinem Lieblingsthema, dem digitalen Kino. Zurecht, wie ich finde, denn nicht umsonst wurden die Noughties auch die digitale Dekade genannt. Natürlich trifft das nicht nur auf unseren Lebensalltag und unsere Mediennutzung zu, sondern eben auch auf das Kino.

Rekapitulieren wir kurz: Dass das Kino auf dem Weg in die Digitalität war, ist vermutlich bereits seit Ende der achtziger Jahre klar, als die New Age Adventisten vom Cyberspace zu schwärmen begannen. Nonlinearer Schnitt machte seine ersten Schritte ebenso wie digitale Effekte und digitale Animationsfilme. In den Neunzigern nahm diese Tendenz zu: Dogma95-Filme wurden auf digitalem Material gedreht, der digitale nonlineare Schnitt führte zu Intensified Continuity und die fantastischen und/oder bildgewaltigen Genres erlebten eine erste kleine Renaissance durch digitale Effekte.

Doch so richtig gut, groß und regelmäßig trat das digitale Kino erst in den Noughties auf und zeigte deutlich, dass es die Hauptgrundlage des Kinos der Zukunft sein wird. Weil das Thema sehr umfangreich und komplex ist, versuche ich mal, es hier ein wenig aufzudröseln und gehe dabei in der Reihenfolge der Produktionsschritte eines typischen Films vor.

Pre-Production: Sicherlich eins der wichtigsten Werkzeuge, dass sich für Regisseure großer Effektfilme in den Noughties entwickelt hat und immer genauer wird ist die Vor-visualisierung (“Pre-Viz”), die nächste Stufe des Storyboards und des Animatics/Pencil Tests. Zu den größten Fans gehören Peter Jackson und George Lucas, die in ihren respektiven Trilogien (und natürlich auch in King Kong) auf diese Art Sequenzen, die später viel Rechenpower beanspruchen werden, sehr präzise vorplanen können. Aber auch bei kleineren Projekten ist diese Art der Vorplanung zum neuen Storyboard geworden, mit dem sich problemlos Kamerapositionen, Linsen und Co ausprobieren lassen.

Produktion: Wie oben schon erwähnt gab es auch vor 2000 schon Filme, die auf Digitalkameras gedreht wurden und trotzdem ins Kino kamen. Aber erstens waren es nicht so viele und zweitens sahen sie nicht so gut aus. Mit Kameras wie der Genesis oder der Red entstehen Bilder, die – vor allem wenn sie nochmal durch einen Digital Intermediate laufen (s.u.) – eigentlich nicht mehr von normalen 35mm-Bildern zu unterscheiden sind (achtet mal in Abspännen drauf). Aber auch die nicht auf 35mm getrimmte Ästhetik ist in den Nullern salonfähig geworden, weshalb Filme wie Land of Plenty oder Michael Manns Miami Vice und Public Enemies digital gedreht werden und später mitsamt ihrem Look ins Kino kommen können. Für die Wiedergeburt des Dokumentarfilms in den Noughties ist digitale Produktionstechnik ebenfalls ein entscheidender Faktor: Man kann einfach viel problemloser Stunden um Stunden an Material filmen (was man ja manchmal braucht), weil es billiger und leichter zu transportieren ist. Digitales Filmen bedeutet außerdem ein einfacheres und präziseres Video Assist und eine schnellere Koordination mit den Leuten in der Postproduktion, die die Daten direkt weiterverarbeiten können.

Postproduktion: Das ist natürlich der Bereich, in dem sich die digitale Technik am deutlichsten niedergeschlagen hat. Ich versuche, kurz, aber umfassend zu bleiben.

  • Nonlinearer digitaler Schnitt führt zu höheren Schnittfrequenzen, einer neuen Vorliebe für nichtlineares erzählen (Memento, 21 Grams, City of God, (500) Days of Summer) und einer neuen Form der Raumaufspaltung, beispielsweise in Actionsequenzen wie bei The Bourne Supremacy oder Batman Begins.
  • Der Digital Intermediate Process, bei dem Farben, Töne und Körnung des Films digital nachbearbeitet werden (der Film wird eingescannt, bearbeitet und wieder “ausgedruckt”), wird zu einem der wichtigsten Werkzeuge für jede Art von Film. So erscheinen Himmel blauer, vergangene Szenen älter, trostlose Tage deprimierender. Dinge wie Dunkelheit werden völlig neu definiert. Anschlussfehler und Beleuchtungsprobleme können leichter ausgeglichen werden. Die Möglichkeiten sind endlos – und in SF- und anderen Effektfilmen werden sie irgendwann auch gerne übertrieben.
  • Visuelle Effekte werden ein Standard, je mehr der Film wummst umso mehr, aber auch in weniger krachigen Filmen, gehören digitale Set Extensions oder komplett virtuelle Sets, Wire Removal und andere digitale Bildretuschen und das Einfügen von digitalen Objekten (Autos, Häuser, Explosionen, Komparsen) einfach zum Handwerk. Die Königsklasse sind natürlich digitale Charaktere, die immer realistischer werden und schließlich sogar tragende Rollen übernehmen können (Lord of the Rings: The Two Towers, Avatar).
  • Auch im Sound Design und Mixing bringen digitale Pulte und vor allem riesengroße Archive mit Soundfiles das Handwerk zu neuer Größe (WALL*E).

Am wichtigsten ist aber – um damit das Feld der Filmproduktion abzuschließen – dass viele dieser Schritte (Kamera, Schnitt, Effekte) immer mehr zusammenfließen und parallel passieren. In den Noughties wird immer unklarer, wo eine Kamerafahrt, ein Schnitt, eine Ausleuchtung, gar eine Perfomance (Motion Capturing) aufhört und ein digitaler Effekt anfängt.

Vorführung: Der “digitale Roll-Out” ist immer noch weit von seinen “Filme werden per Satellit in die Kinos gebeamt”-Visionen entfernt, aber digitale Projektoren setzen sich immer weiter durch und werden in Deutschland sogar staatlich gefördert. Das Ergebnis: Schärfere Bilder, Opern im Kino und die vermutlich wichtigste Entwicklung: Eine neue Chance für 3D. Die Teens könnten die 3D-Dekade werden.

Ästhetik: Einiges habe ich oben bereits erwähnt, beispielsweise zum Schnitt, aber ich möchte hier doch nochmal etwas genauer werden. Das Kino der Noughties zeichnet sich ästhetisch durch einen Hang zur Hybridität aus. Formate (Film, HDV) werden häufiger gemischt und kombiniert, manchmal sichtbarer manchmal unsichtbarer (Collateral liegt irgendwo dazwischen, um mal ein Beispiel zu nennen). Die Grenzen zwischen digitalen und realen Bildern verschwimmen durch Effekte und virtuelle Sets: Reale Bilder werden unwirklicher (Colour Grading, DI), “falsche” Bilder werden realer (immer bessere Simulationsalgorithmen, Motion Capturing, 3D). Ist man ein Anhänger von Lev Manovich heißt das, dass das Kino zu einer neuen Form von Animation zurückfindet, in der Realfilm nur eins der Materialien ist: Bewusst hybride Experimente wie Waking Life oder Sin City führen das am stärksten vor Augen.

Fakt ist, dass das Kino sich in den Noughties mit seinen digitalen Aspekten versöhnt und verschränkt hat. Sie sind zwar immer noch ein großer Schauwert, aber gleichzeitig auch einfach ein integraler Teil jedes Prozesses. Die Jahre 2000 bis 2009 sind die Zeit der Emanzipation des digitalen Films.

Gegen Ende der Dekade habe ich allerdings das Gefühl, das bei manchen Trends auch schon wieder gegengesteuert wird. So ist (nicht zuletzt durch 3D) beispielsweise wieder ein Hang zu längeren Einstellungen und Innerer Montage zu bemerken (dazu vielleicht demnächst mal mehr).

Ich habe bestimmt Aspekte vergessen. Auf Ergänzungen gehe ich gerne ein

Dieser Beitrag ist Teil 12 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Greenscreen Video: Pimp my Virtual Set

Eine beeindruckende kleine Videomontage der Firma Stargate Studios (“Heroes”) (via Fünf Filmfreunde, YouTube-Video ist aber inzwischen offline) zeigt deutlich auf, wie unglaublich omnipräsent virtuelle Set Extensions in Film- und Fernsehproduktionen heute geworden sind.

Nicht nur bei effektbeladenen Fantasy-Filmen und anderen Werken mit unwirklichen Szenarien, sondern auch bei “ganz normalen” typischen Backlot-Szenen, die vor allem in Stadt-Szenerien spielen, helfen Green Screens dabei, das ganze etwas netter aussehen zu lassen. Das dürfte es unter anderem sein, was vor allem vielen Fernsehserien inzwischen einen größeren High Concept Look verleiht. Man kann alles an den üblichen Studio-Sets drehen und hat volle Kontrolle, und per Computer wird das ganze dann ein bisschen aufgehübscht. (Wer einen Vergleich will, kann sich mal ein paar typische 90er-Sitcoms oder Serien wie “Friends” anschauen, wo die immer gleichen Establishing Shots und die schrecklich fake aussehenden “Außen”-Sets das Bild prägen)

Dazu passt auch die Selbstbeschreibung des Virtual Backlots auf der Stargate-Seite

Stargate Digital’s Virtual Backlot™ is a proprietary technology that gives filmmakers unparalleled access to any location through a variety of techniques. […] The common thread between all the variations of the Virtual Backlot™ is that it has been designed as a seamless and unobtrusive addition to the first unit. The goal is to enhance the story as well as solve production issues.
(Hervorhebung von mir)

Das Video bestätigt außerdem meinen Eindruck von der eDIT: Roto und Compositing sind inzwischen zu einer lästigen Nebenaufgabe geworden, die zwar immer noch Zeit kostet aber längst nicht mehr so kompliziert ist, wie noch vor sagen wir zehn Jahren, da der Computer doch inzwischen mehr selber machen kann.