Erst durch Godzilla werdet ihr merken, was ihr an Pacific Rim hattet

© Warner Bros.

Andreas Busche nennt in der aktuellen Ausgabe von “epd film” Godzilla als das jüngste Beispiel für einen schon länger anhaltenden Trend: “In Hollywood ist es Mode geworden, Newcomern und Autorenfilmern Multimillionen-Budgets in die Hand zu drücken. In der Hoffnung, die würden dem durchkalkulierten Blockbusterkino neue Impulse geben.” Und in der Tat schien im Vorfeld alles dafür zu sprechen, dass die Neuauflage des Monster-Franchises, das Roland Emmerich in den 90ern schon einmal richtig in den Dreck gefahren hatte, diesmal eine gute Balance zwischen Blockbuster und Kunst-Sensibilität finden würde.

Die Marketing-Kampagne für Godzilla – Poster, Trailer und veröffentlichte Bilder – jedenfalls sprach genau diese Sprache: Gareth Edwards, Regisseur von Monsters, Leute! Der wird’s richten. Ich habe dem Ganzen nicht vertraut, weil ich Hollywood nicht vertraue. Insofern waren meine Erwartungen niedrig, als ich ins Kino ging. Ich war mehr bereit, positiv überrascht zu werden. Ich saß aufrecht im Sessel, als ich sah, dass der Film einen richtigen Vorspann hatte, in dem sehr clever Backstory erzählt und grafische Elemente etabliert werden. Und dann wurde ich dennoch enttäuscht.

Man muss dazu sagen, dass ich im Gegensatz zu anderen Kritikern kein Kenner des Genres bin. Den Originalfilm von 1954 habe ich (leider) bis heute nicht gesehen. Ich vergleiche Godzilla also mit dem letzten Film, den ich im Kino gesehen habe, der irgendwas mit Japan und Monstern gemacht hat: Guillermo del Toros Pacific Rim.

Awesome Dumb Movies

Die Screen Junkies konnten sich in ihrem Honest Trailer passenderweise nicht entscheiden, ob Pacific Rim “The most awesome dumb movie ever made” oder “The dumbest awesome movie ever made” sein sollte. Godzilla jedenfalls will in diesem Wettbewerb gar nicht mitbieten. Es geht einen anderen, derzeit durchaus beliebten Weg und gibt sich erdig, ehrlich und – was auch immer das bei einem Monsterfilm bedeuten soll – “realistisch”. Vielleicht ist das schon der Punkt, wo die Frage des Gefallens oder Nicht-Gefallens zur Glaubensfrage wird, aber nehmen wir das Biest doch mal auseinander.

Von hier an ist Spoilerfreiheit nicht mehr garantiert.

Pacific Rim‘s erste Sätze geben vor, wie der Film wahrgenommen werden möchte. Die Kaijus sind Aliens. Ihre Bedrohung ist unter anderem dadurch so groß, dass man sie nicht verstehen kann – nur bekämpfen. Einer der größten Subplots des Films dreht sich darum, dass ein Wissenschaftler bereit ist, sich geistig in ein Kaiju hineinzuversetzen, um dessen Ursprung zu erfahren. Wie Menschen auf gottgleiche Wesen reagieren – auch wenn sie zerstörerisch sind – ist eines der Themen, die Pacific Rim im Hintergrund immer wieder aufwirft. Es gibt Kulte, die den Kaijus huldigen und diejenigen, die sie erfolgreich besiegen, werden wie Rockstars gefeiert. Aus dem Unbegreiflichen strickt Drehbuchautor Travis Beacham eine Mythologie, die dem Film Leben und Tiefe gibt. Das Gefühl einer Welt, in der zwar solch hanebüchene Konzepte wie “drift compatibility” existieren, die dafür aber atmet und in der noch andere Geschichten spielen könnten, ist eine der großen Stärken des Films.

Alles natürlich

Godzilla hat dafür – wie erwähnt – diesen tollen Vorspann und bemüht sich sehr, seine Geschehnisse in der Realität zu verankern. Godzilla selbst, wie auch die Wesen, gegen die er kämpfen muss, bekommen eine wissenschaftliche Erklärung verordnet und genau wie Pacific Rim von Anfang an seine phantastische Komponente etabliert, pocht Godzilla in beinahe jeder seiner 123 Minuten auf seine wissenschaftliche Erdung. Die Monster greifen an, weil sie sich “von Strahlung ernähren”, sie haben sich “auf den Meeresgrund zurückgezogen, um dort die Strahlung des Erdkerns aufzusaugen”. Sie haben elektromagnetische Pulse als Verteidigungsmechanismus, sie wollen sich eigentlich nur paaren, Godzilla ist ihr natürlicher Raubtier-Feind und überhaupt: eigentlich steht der Mensch nur im Weg bei einer ganz normalen Entfaltung der Natur. Darum geht es immer und immer wieder in Godzilla. Der Satz fällt sogar im Trailer.

Doch wie so häufig, wenn man versucht, das irgendwie Absurde (Riesenmonster) durch pseudo-realistische Wissenschaft zu erklären und es nicht als große Metapher zu begreifen (wie, so mein Verständnis, der Originalfilm aus den 50ern), muss man die zuständigen Wissenschaftler oft sehr runterdummen, um den Plot am Laufen zu halten. In diesem Fall sind es Sally Hawkins und Ken Watanabe, die diese undankbare Rolle ausfüllen müssen und immer erst dann zu eigentlich sehr naheliegenden Schlüssen kommen, wenn es plotmäßig relevant ist und es auch der dümmste Zuschauer im Publikum vor ihnen begriffen hat. Hier noch ein Tweet von Sebastian Moitzheim dazu

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Morgen lachen wir drüber

Eine Möglichkeit, die viele Filme ergreifen, um dem Absurd-unbegreiflichen Herr zu werden, ist Humor. Pacific Rim besitzt eine gesunde Dosis Frotzelei und Übertreibung, mit der dem Publikum unter der Hand signalisiert wird, dass sich die Filmemacher durchaus bewusst sind, dass sie eine gewisse “suspension of disbelief” verlangen. Alternativ besitzt etwa Jurassic Park eine Figur wie Jeff Goldblums Ian Malcolm, der als Anwalt des Publikums immer wieder eine Portion Zynismus über dem sich entfaltenden Szenario ausgießt und so einfach die allgemeine Stimmung auflockert.

Nicht so Godzilla. Ein paar Mal arbeitet der Film mit dramatischer Ironie, etwa wenn die Spielsüchtigen von Las Vegas zu beschäftigt sind, um das herannahende Monster in der Live-Fernsehübertragung direkt über ihren Köpfen auf die Stadt zustapfen zu sehen. Aber darüberhinaus darf niemand die Absurdität des Geschehenden anerkennen. Alle sind zu sehr damit beschäftigt, entweder grimmig darüber nachzudenken, wie sie die Bedrohung am besten bekämpfen oder ehrfürchtig ihre eigene Position im Kosmos zu reflektieren. “Awesome” wird hier nur im ursprünglichen Wortsinn bemüht, nicht als modernen Allzweckwort.

Die Fallhöhe mal wieder

Das Problem dabei ist ähnlich, wie bei den Wissenschaftlern: Humor entspannt, Ernsthaftigkeit schafft zusätzliche Fallhöhe. Mit anderen Worten: Ein Film, der sich selbst und seine Geschichte sehr ernst nimmt ist anfälliger dafür, logisch hinterfragt zu werden. Einem Film wie Pacific Rim kann man es gerade noch so verzeihen, dass ihm die Power einer bestimmten Waffe erst zehn Minuten vor Schluss, im dramatisch günstigen Moment, auffällt. Godzilla hingegen muss sich ein paar ernsthafte Fragen gefallen lassen – zum Beispiel: Wenn Godzilla ein Raubtier sein soll, warum frisst er dann seine Beute nicht?

Viel von Godzillas Dramaturgie ist darauf ausgerichtet, maximale Wirkung mit Bildern zu erzielen, die Zerstörung zeigen – und das gelingt ihm teilweise sehr gut. Godzilla und seine Kumpanen sind Naturgewalten und sie hinterlassen entsprechende Spuren. Doch die Regie des Films ordnet sich diesem Regime teilweise so sklavisch unter, dass es lächerlich wird. Da kann ein 50 Meter hohes Gigantum von einem auf den anderen Moment muxmäuschenstill werden, wann immer es opportun ist. Da schaffen es Menschen immer wieder, nur von der dramaturgisch günstigen Seite an einen Ort zu kommen – so dass erst mit einem enthüllenden Umschnitt für Charaktere und Publikum plötzlich das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar wird. Und jedes Mal fragt man sich: Leute, ihr hattet Hubschrauber! Habt ihr das gigantische Loch im Berg, aus dem ein Koloss hervorpoltert, nicht vorher gesehen?!

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Charakterköpfe

Es wird an allerlei Orten angemerkt werden, dass es etwas besonderes ist, dass sich Godzilla Zeit lässt, um seinen Plot zu entfalten. Dem stimme ich zu. Es ist alles andere als schlecht, dass er sich die Mühe macht, eine ausführliche Chronologie aufzubauen, um die Spannung für die unweigerlich folgende Zerstörungsorgie zu steigern. Pacific Rim ging damals den umgekehrten Weg, frühstückte die Hintergrundgeschichte in einer Montagesequenz ab und ging direkt zum Gerumpel über – und ja, am Ende war man dann auch etwas ermüdet.

Aber nutzt Gareth Edwards die gewonnene Zeit, um Charaktere zu erschaffen, um deren Schicksal man sich sorgt? Die Art und Weise, wie ich diese Frage stelle, verrät schon, dass sie rhetorisch ist. Nein, tut er nicht! Die Figuren in Pacific Rim mögen alberne Namen haben, aber sie sind alle zu verschiedenen Graden individuell und definiert genug (vom typischen blonden weißen Haupthelden abgesehen), um interessant zu wirken. Godzilla enthält genau eine interessante Figur, Bryan Cranstons Wissenschaftler-der-zum-Verschwörungstheroretiker-wird, und tötet sie nach 20 Minuten. Das ist zwar mutig, aber in diesem Fall wenig sinnvoll, weil niemand da ist, der ihren Platz einnehmen kann.

Wir waren schon mal weiter

Oder interessiert ernsthaft jemand Aaron Taylor-Johnsons jammerig-besserwisserischer Waffenexperte, dessen blaue Augen von der Muskelmasse, die er sich für den Film antrainiert hat, beinahe erdrückt werden? Oder Ken Watanabes bereits erwähnter vollkommen generischer Uiuiui-Wissenschaftler? Von den Frauenrollen will ich lieber gar nicht anfangen. Gerade von einem Film, der sich den Anstrich gibt, ein kleines bisschen anders zu sein, hätte ich mehr erwartet als Sally Hawkins’ Forscherin mit dem Gestus einer Zahnarzthelferin oder Indie-Darling Elizabeth Olsen, die als Aaron Taylor-Johnsons Frau (und als Krankenschwester!) auch wenig mehr tun darf als hilflos in der Gegend herum zu stehen. Juliette Binoche schließlich spielt eine liebende Mutter und liebende Ehefrau, die innerhalb kürzester Zeit stirbt und nur noch als Idealbild vergöttert werden darf. Da waren wir doch schon mal weiter.

Godzilla hat seine Stärken. Die bereits erwähnten Bilder der Zerstörung wecken tief sitzende Assoziationen und funktionieren in ihrer Schreckenswirkung dadurch entsprechend gut. Doch darüber hinaus hält sich der Film für viel cleverer und innovativer als er tatsächlich ist, denn er kann nicht einmal in seinem Design Akzente setzen, die einem irgendwie im Gedächtnis bleiben (im Vergleich etwa zu Pacific Rims neon-cyberpunkigen Farbspielereien). Und so wird Godzilla genau das werden, was er gerade nicht sein wollte: ein vergessbarer Blockbuster, der einen kurz unterhält und dann auf dem Komposthaufen der Filmgeschichte verrottet. So läuft das nunmal, wenn die Natur ihren Lauf nimmt.

Gareth Edwards’ Godzilla wird euch enttäuschen

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Als gestern mal wieder ein neuer Trailer für das Godzilla-Remake veröffentlicht wurde, das im Frühsommer unsere Kinoleinwände besuchen wird, konnte man Teile des Internets regelrecht vor Freude quietschen hören. “If there’s anything better than the new international trailer for ‘Godzilla,’ we don’t wanna know about it”, schreibt “The Wrap”. “This is the kind of tentpole we can get behind”, meint sogar “IndieWire”. Auch Sascha von “PewPewPew” ist vorsichtig optimistisch, trifft aber vor allem mit diesem Satz den Nagel auf den Kopf: “Ich muss wirklich sagen, dass Godzilla die seit Langem beste Marketing-Kampagne für einen Hollywood-Film hat.”

Was macht der Godzilla-Trailer richtig? Vor allem zeigt er natürlich nicht sehr viel vom Titelstar des Films. Stattdessen arbeitet er mit einem Gefühl der Bedrohung, das im Blockbuster-Zeitalter schon dutzende Monster- und SF-Filme, von Independence Day bis Cloverfield für sich nutzen konnten. Cinephile erkennen darin natürlich ein Echo von Monsters, dem ersten Kinofilm des Godzilla-Regisseurs Gareth Edwards, der seinem Titel zum Trotz erst ganz zum Schluss vollständige Aliens zeigt. Es ist auch interessant, wie das Szenen- und Kostümdesign von Godzilla subtil Anklänge an die SF- und Action-Welten der 70er und 80er sucht, jene Dekaden, die inzwischen von Generation X-ern endlos zum golden Zeitalter des Krachbummkinos mythologisiert wurden. Und Edwards füttert dieses Gefühl natürlich, wenn er in Interviews zum Beispiel davon spricht, dass er Akira von 1986 für einen der visuell eindrucksvollsten Filme überhaupt hält. Drittens ist Bryan Cranston quasi der Erzähler des Trailers – und wenn es eins gab, was Geeks aller Couleur in den vergangenen paar Jahren dazu gebracht hat, ihre Fehden hinter sich zu lassen, dann war es Breaking Bad.

Eine Pause vom Overkill

Mit anderen Worten: Der Trailer verspricht etwas anderes, als das, was uns in den vergangenen Jahren endlos serviert wurde. Er verspricht, genau wie sein Regisseur, irgendwie eine Pause vom Overkill. Und weil es nach dem letzten Sommer en vogue ist, Overkill nicht mehr gut zu finden, fressen die Fans der Kampagne natürlich aus der Hand.

Sam Adams hat im Blog “Criticwire” im vergangen Jahr einen kleinen Artikel geschrieben über die Vorab-Hype-Kultur, die uns das Comic-Kino gebracht hat. Auch Matt Singer hatte ein Jahr zuvor schon mal die “perpetual Sneak Preview Culture” bemerkt. Da ein Film heute nicht mehr die Zeit hat, seine Einnahmen über einen längeren Zeitraum durch einen guten Leumund zu sammeln, sondern möglichst am Eröffnungswochenende die Kassen füllen muss, ist das Geschäft mit der Antizipation zum bestimmenden Element modernen Filmmarketings geworden. Post-Credits-Stingers, Comic-Con-Ankündigungen und die Trailer-Hype-Kultur des Internets führen unweigerlich zu dem zentralen Satz aus einem Tweet von Scott Renshaw, den Adams in seinem Artikel zitiert: “Potential is always more interesting than what’s actually happening right now.”

Hollywood steht im Weg

Und genau deswegen gehe ich fest davon aus, dass Godzilla die Zuschauer, die sich jetzt am meisten darauf freuen, enttäuschen wird. Warum? Hollywood. Nach den neuen Regeln des Blockbusters kann er gar keine erdige Reminiszenz an die 80er sein, und erst recht kein Arthaus-SF wie Monsters – nicht mit einem Budget von 160 Millionen Dollar. Noch dazu ist Gareth Edwards nicht gerade ein Regisseur mit etabliertem Standing, der seine eigene Vision kompromisslos durchdrücken kann. Und schaut man sich die Plot-Synopsis an, geht es ja wohl schon in diesem Film gleich mit einem Battle of Awesome los, in dem Godzilla direkt gegen diverse andere Viecher antreten darf. Mag sein, dass ich mich völlig irre, aber im Moment höre ich eher den Overkill trapsen als die vorsichtigen Schritte eines Charakterdramas mit Monsterbeilage.