Alles auf einmal. Sofort! [Update: Mit Reaktion auf die “Creative Europe”-Zahlen]

Jakob Lass hatte Love Steaks, seinen »Mitte des Studiums«-Film an der HFF Potsdam, nicht zuletzt deshalb ohne Fördergelder gedreht, weil ihn der Bewilligungsprozess zu viel Zeit gekostet hätte. Nach dem Filmfest München im Sommer 2013, wo Love Steaks vier Preise gewann, war der Regisseur damit in der einmaligen Position, einen potenziell erfolgreichen deutschen Film in der Tasche zu haben, der in der Distribution an keine gesetzlichen Vorgaben gebunden war. »Es haben sich einige große Verleiher für den Film interessiert«, sagt Lass, »aber wir haben gedacht: Wir nutzen die Gelegenheit und bringen den Film selbst raus.« Love Steaks startete im März 2014 deutschlandweit mit 33 (digitalen) Kopien im Kino. Ursprünglich wollte Jakob Lass aber viel weiter gehen. Sein Plan war es, den Film mit dem Kinostart im Internet abrufbar zu machen.

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Update: In einem Eintrag auf Programmkino.de weist die Redaktion darauf hin, dass die Zahlen der “Creative Europe”-Studie, die sie “europe creative” nennt und die auch ich in meinem Artikel zitiere, mit Vorsicht zu genießen sind. Die Prozentzahlen aus der Pressemitteilung wirken nämlich nicht mehr so beeindruckend, wenn man die absoluten Zahlen dagegenhält. Speziell der zitierte Zugewinn von bis zu 181 Prozent bedeutet lediglich, dass ein Film 488 Kinobesucher hatte und 881 Downloads dazukamen. Als Zahl natürlich alles andere als repräsentativ. Ich gehe davon aus, dass folgendes Zitat aus der Meldung auch an mich gerichtet ist:

Diese außerordentlich positive Einschätzung aus Brüssel wird mittlerweile von zahlreichen Journalisten zitiert, verbunden mit Kritik an traditionellen Vertretern der Filmwirtschaft. Dabei machen sich diese Journalisten nicht einmal die Mühe, die Studie selbst zu lesen.

Ich muss mich in diesem Fall zu einem Bruch journalistischer Sorgfalt bekennen. Da die Studie erst sehr knapp vor Abgabe des Artikels erschien, habe ich sie tatsächlich nicht ganz gelesen und mich stattdessen auf die Zahlen der Pressemitteilung verlassen. Das war, wie ich jetzt einsehe, ein Fehler.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Zahlen natürlich auch für andere Auslegungen kaum repräsentativ sind, ändern sie meiner Ansicht aber nichts an den anderen Sachverhalten, die der Artikel schildert und in dem die “Creative Europe”-Zahlen nur ein Rausschmeißer am Schluss sind. Von den Ereignissen rund um Love Steaks mal abgesehen, bei denen ich wirklich außer Sturköpfigkeit keine andere Motivation dafür feststellen konnte, dass hier ein interessantes Experiment mit merkwürdigen Methoden verhindert wurde (zumindest ist das meine Meinung nach den Gesprächen, die ich geführt habe): Wenn programmkino.de am Ende schreibt,

Bei allen Filmstarts waren die VoD-Downloads also tatsächlich so gering, dass man sich fragt, was die am Modellversuch beteiligten Filmverleiher und VoD-Portale mit der finanziellen Unterstützung in Höhe von 2 Mio. EUR angestellt haben. Mit dem Betrag hätten in Europa 20 Kinos mit einer Anschubhilfe von je 100.000 EUR wiederbelebt oder neu gegründet werden können.

zeigt sich eben doch nur wieder, dass auf Seite mancher Kinobetreiber einfach kein Wille dafür vorhanden ist, irgendetwas zu ändern. Sich hinterher hinzustellen und zu sagen: Haben wir doch eh gesagt, das Geld hättet ihr auch uns geben können, ist die wohlfeilste Methode unter den billigen Kritiken. Ich habe mich im Artikel bemüht, darzustellen, dass “Day-and-date”-Releasing weit davon entfernt ist, ein Allheilmittel zu sein, dem wir alle in die Arme rennen müssen. Aber es existiert und einige Menschen haben gute Erfahrungen damit gemacht, also muss man sich doch als Branche damit auseinandersetzen, vor allem, wenn man gegen die mächtigen Medienkonzerne aus den USA sowieso kaum eine Lobby hat.

Davon abgesehen kaufe ich die reine “Kinos sind wichtig, ohne Kinos wird Film dahinsiechen”-Argumentation, die gebetsmühlenartig in diesen Kontexten wiederholt wird, niemandem mehr ab. Und keine Branche hat einen Anspruch darauf, unverändert durch alle Zeitenwenden hindurch bestehen zu dürfen. Wie so oft empfehle ich ergänzend Rajko Burchardt.