Am vergangenen Wochenende ist die vierte Staffel von Game of Thrones gestartet. Die Serie ist bis heute insofern ein Meilenstein, als dass sie gezeigt hat, dass die Dicke eines zu adaptierenden Buches nicht unbedingt etwas über die Größe des Ausgabemediums aussagen muss. Im immer noch andauernden Neuen Goldenen Zeitalter der Dramaserie kann eine Fernsehadaption für einen epischen Fantasyroman eine deutlich bessere Adresse sein als ein Kinofilm. Eben weil sie Zeit hat für Charakterentwicklung, Mythologie und Weltenbau – Faktoren, die im effekthascherischen Blockbusterkino gerne zu kurz kommen. Nach einer Reihe von Adaptionsflops im Kino wie The Golden Compass, Eragon und Tintenherz hat Game of Thrones bewiesen, dass klassische Fantasy jenseits von Tolkien durchaus weiterhin ihren Reiz hat – wenn sie das richtige Medium findet.
Das Kino schaut sich derzeit eine Menge vom Fernsehen ab. Das Aufsplitten von Stoffen in mehrere, nicht abgeschlossene Folgen etwa wird zur akzeptierten Tatsache – bei Twilight, The Hunger Games und jetzt auch Divergent. In den Superheld-Kosmen bilden sich sogar Konstruktionen, die an die “Showrunners” und “Writer’s Rooms” der US-Fernsehindustrie erinnern. Gleichzeitig erarbeitet sich das Fernsehen immer mehr Freiheiten und löst sich in den USA Stück für Stück von den klassischen Network-Formaten mit ihren festen Vorgaben für Längen, Staffeln und Werbepausen-Dramaturgie.
Warum also nicht gleich ins Fernsehen? Von monetären Gründen jetzt mal abgesehen: hier sind vier Kinoereignisse, die sich meiner Meinung nach auf dem kleinen Bildschirm genauso wohl gefühlt hätten – wenn nicht wohler.
1. Harry Potter
Die Harry-Potter-Filme bilden – nach dem Marvel Cinematic Universe – die erfolgreichste Filmserie aller Zeiten, aber man muss nicht lange bohren, um zu der Meinung zu kommen, dass einige von ihnen als Filme im Vergleich zu den Büchern wirklich abstinken. Die Deathly Hallows wurden in zwei Teile geteilt, aber gerade die Bücher vier bis sechs leiden doch sehr darunter, dass viele hundert Seiten mit Mühe und Not in zweieinhalb Stunden gepresst werden mussten.
Dabei ist purer Plot mit Sicherheit nicht Joanne K. Rowlings starke Seite. Immer und immer wieder jagen Harry und seine Kumpanen diversen MacGuffins hinterher. Dabei sind der eigentliche Star der Bücher die Beziehungen der Figuren zueinander, zu der Welt um sie herum und besonders zu ihrer Vergangenheit. Dazu folgen die Romane noch bis Buch sechs den regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen eines Schuljahres, das sich nicht ganz zufällig gut mit dem Zeitplan einer Fernsehsaison deckt. Harry Potter als Internatsserie, mit einem großen Cast aus Lehrern und Schülern, die alle echte Persönlichkeiten sind und nicht nur Stichwortgeber für die Hauptfigur. Und dazu der Season-übergreifende Plot rund um Voldemort und Co. Ich glaube, das könnte richtig gut werden.
2. The Godfather – Part II
Aus irgendeinem Grund muss The Godfather – Part II immer in der “Sequels, die besser sind als der erste Teil”-Diskussion als Beweisstück herhalten. Dabei gewinnt dieser zweite Teil hauptsächlich dadurch, dass er MEHR Handlung in einem Film bietet, als Teil eins. Ganz hinterhältig baut er eine zweite Zeitebene ein, die keinerlei direkte Auswirkungen auf die Handlung in der Jetztzeit hat.
Dennoch erinnert die Struktur von The Godfather – Part II in gewisser Weise enorm an die so genannten A- und B-Plots von Fernsehserien. Und darin steckt sein Potenzial: Statt einem über-überlangen Film erschafft man eine Serie, in welcher der A-Plot in der Gegenwart und der B-Plot in der Vergangenheit spielt. Die beiden spiegeln und beeinflussen einander mal mehr, mal weniger und die komplizierten Familienverhältnisse der Corleones bekommen allen Raum, den sie brauchen. Verdammt, ich glaube abgesehen von der Zeitebene haben die Sopranos diese Aufgabe wahrscheinlich schon erfüllt.
3. The Hobbit
Ja, ihr lacht. Mit jedem neuen Film aus Peter Jacksons zweiter Mittelerde-Saga bricht das Gejammere darüber wieder los, dass hier ein kurzes Buch auf viel zu viel Zeit ausgedehnt wird. Ich halte dagegen, dass die Geschehnisse des Buches im Gegenteil noch viel mehr Zeit verdient hätten. Derzeit befindet sich der Hobbit in einem merkwürdigen Limbus: Er muss einerseits auf drei Kinofilme gestreckt werden, hat aber trotzdem nicht die Zeit, um seinen Charakteren (13 Zwerge!) und Schauplätzen ausreichend Tiefe zu verleihen. Das Ergebnis sind hauptsächlich überflüssig lange und komplizierte Actionszenen, die einen nach einer gewissen Zeit zu langweilen beginnen. (Das ist auch der Grund, warum zumindest bei An Unexpected Journey die 20 Minuten längere Extended Edition einen wesentlich besseren Fluss entwickelt).
Wieviel schöner wäre ein Hobbit in 19 jeweils 45-minütigen Fernsehepisoden (eine für jedes Kapitel)? Mittelerde in all seiner Pracht entdecken. Genug Zeit für ausführliche Gesangseinlagen, Slapstickszenen und Geschichten. Und im Hintergrund der unterhaltsamen Episoden langsam aber unaufhaltsam den düsteren “Erwachsenen”-Plot aufbauen, den Jackson mehr schlecht als recht in seinen Film hineinzufriemeln versucht. Das wäre ein Hobbit der Fans und Neulinge gleichermaßen zufriedenstellen könnte.
4. Slumdog Millionaire
Danny Boyles erfolgreichster Film ist zugleich der, über dessen Enttäuschung ich nie hinwegkommen werde, weil er eins der zentralen Elemente seiner Vorlage unter den Tisch fallen lässt. Vikas Swarups Roman Q & A folgt dem gleichen Prinzip wie Boyles Film: Er entdeckt die Lebensgeschichte eines Menschen in den Antworten auf 15 Quizfragen. Doch weder sind die Fragen so einfach und eindeutig mit den Lebensereignissen verknüpft, noch folgen sie im Buch der Lebenschronologie der Hauptfigur.
Die emotionale Bindung an den Hauptcharakter wird in 120 Minuten stärker, wenn das Drumherum überschaubar bleibt, insofern sind die Entscheidungen von Simon Beaufoys Drehbuch nachvollziehbar. Doch meine ideale Adaption von Q & A wäre nach wie vor eine Art indische Variante von Lost, in der in 15 Episoden das Leben eines Menschen wie ein Puzzle aus einer Reihe von nicht-chronologischen Flashbacks zusammengesetzt wird. Und das Konzept ließe sich durchaus über mehrere Staffeln ausdehen, in denen der Quizmaster und die Quizshow das verbindende Element bleibt, aber jedes Jahr das Leben und das zentrale Mysterium einer neuen Persönlichkeit zusammengesetzt wird.
Ursprünglich sollte dieser Artikel mal fünf Vorschläge enthalten, doch mir wollte einfach kein gutes fünftes Beispiel einfallen. Habt ihr noch Beispiele für Filme, die ihr lieber in Serienlänge erleben würdet, liebe Leser_innen?