Im Fan-Dilemma – Wie sich Filme wie Warcraft von ihrer Authentizität zerstören lassen

© Legendary Pictures

Es wird viel magisch gereist in Warcraft. Weltentore transportieren ganze Armeen von A nach B, Greifen tragen Krieger auf ihrem Rücken von Stadt zu Stadt, Teleportationssprüche erlauben Einzelpersonen oder kleinen Gruppen in einem Lidschlag von einem Hotspot zum anderen zu wechseln. Das leuchtet ein, nicht nur weil Fantasy-Narrative generell häufig die Fernreise als Plotmotor nutzen. Sondern auch weil die schnelle Bewegung von Ort zu Ort eine wichtige Mechanik eines Massive Multiplayer Online Roleplaying Games ist.

Die dort bespielten Welten sind so groß, dass sie Millionen von spielenden Menschen Platz bieten und jedem von ihnen eine echte Wahl lassen, was er als nächstes tun will. Wer möchte, kann die immensen Distanzen in Echtzeit laufend zurücklegen (und manch einer tut dies auch), aber für viele Spieler kommt diese Art von langweiliger Freizeitgestaltung nicht in Frage. Ein Greifenritt, ein magisches Portal, das dürfte vielen World of Warcraft-Spielern bekannt vorkommen. Genauso die äußere Form der gewirkten Zaubersprüche oder der exakte Aufbau von Locations wie Stormwind oder Karazhan, die seit Jahren als quasireale Räume im digitalen Äther existieren. Warcraft, der Film, ist durch und durch authentisch. Es ist das Werk eines Fans.

Textual Poachers

Fans stehen im popkulturellen Diskurs zurzeit häufig im Rampenlicht. Waren sie früher als überambitionierte Minderheit verlacht, zu denen man als Schöpfer_in zwar nett sein sollte, die aber für den großen Erfolg eines künstlerischen Produkts nur eingeschränkt wichtig sind, haben Produzenten und Marketingabteilungen heute erkannt, dass Fans im Internetzeitalter einflussreiche Meinungsführer_innen sein können. Wer ihre Unterstützung hat, kann damit im Fluss kultureller Gespräche viel bewegen. Wissenschaftler_innen wie Henry Jenkins haben darüber hinaus in Büchern wie Textual Poachers dargelegt, wie aktiv Fans inzwischen daran teilhaben, den Kosmos des verehrten Werkes positiv mitzugestalten und neu zu interpretieren, oft entlang ungeahnter ideologischer Linien.

Auf der anderen Seite haben gerade die vergangenen Jahre immer wieder die dunkle Seite von Fantum hervorgekehrt. Erst letzte Woche brodelte es wieder in der Popkultur-Filterbubble, als der kontroverse US-Blogger Devin Faraci, bezugnehmend auf einen anderen Artikel, das Fantum mal wieder als “kaputt” bezeichnete, weil es sich kampagnenmäßig organisiert, um Filmemachern die eigene Sichtweise aufzuzwingen. Faraci vergleicht Hashtag-Kampagnen wie #GiveElsaAGirlfriend – Disney soll der Frozen-Heldin ein Coming Out schenken – und die lautstarke Wutwelle gegen das bald startende Ghostbusters-Remake mit der Figur Annie Wilkes aus Stephen Kings Roman Misery. Wilkes kidnappt dort einen Autor, um ihn zu zwingen, eine Geschichte nach ihren Wünschen fortzuschreiben.

Die Linie ist unscharf

Was die Forschung von Autor_innen wie Jenkins zwar andeutet, aber was im allgemeinen Diskurs gerne verloren geht, ist allerdings, dass die Trennlinie zwischen Fans und Schöpfern in den letzten zwanzig Jahren zunehmend unschärfer geworden ist. Seit die Kulturindustrie endgültig dahinter gekommen ist, dass es lukrativer ist, bekannte kreative Marken endlos fortzusetzen, als neue zu erfinden, sind auch immer mehr Menschen, die ihre Beziehung mit diesen Marken als (minderjährige) Fans begonnen haben, heute selbst in einer Position, wo sie schöpfend tätig werden. (Ja, das ist ein Thema, das mich fasziniert – ich habe es schon öfter hier im Blog beleuchtet.)

Dieser Aufstieg vom einstigen Fan zum heutigen Schöpfer ist an sich überhaupt nichts Neues. Die Autoren der Nouvelle Vague waren Fans von Filmemachern wie Alfred Hitchcock, bevor sie selbst zu Filmemachern wurden. Kevin Smith und Quentin Tarantino haben auf ihrer Identität als Fans große Teile ihrer Karriere aufgebaut. In den großen US-Comicverlagen übernahmen bereits in den 1980er Jahren ehemalige Fans das Ruder bei Superheldenserien und schufen einige der ikonischsten Inkarnationen.

Fantum als Rechtfertigung

Der Unterschied zu heute ist, dass diese Identität als Schöpfer-Fan lange Zeit noch kein Qualitätsmerkmal für sich darstellte. Ambitionierte Fans wagten irgendwann den Schritt auf die andere Seite des Schreibtisches und gut. Es gab, zumindest im breiten Diskurs, kein Narrativ, das besagte, dass Fans am besten wissen, wie mit ihren Held_innen umgegangen werden sollte. Es gab noch keine Notwendigkeit, sich gegenüber denjenigen, deren Ränge man verließ, anschließend mit der eigenen Ahnentafel als Fan zu rechtfertigen, als “einer von uns”, der ganz sicher die richtigen Entscheidungen treffen wird. Es gab noch keine Star Wars-Prequels, die einer Nation von Fans scheinbar vor Augen führten, dass ursprüngliche Schöpfer eben nicht wissen, welche Fortschreibung ein geliebter Parakosmos “verdient” hat.

Bei Warcraft wurde sichergestellt, dass nur die richtigen Leute das Sagen hatten. Die Vergangenheit warnt durch absurde Freakprojekte wie Super Mario Brothers zu genüge davor, was passiert, wenn Videospielfirmen ihre Welten in die Hände derer geben, die keinen Gamer-Stammbaum vorweisen können. Duncan Jones, der Regisseur, betont in jedem Interview, wie viel Zeit er selbst mit den verschiedenen Warcraft-Inkarnationen verbracht hat. Die Spielefirma Blizzard war eng an der Produktion des Films beteiligt – vier von zwölf im Abspann genannten Produzenten (Nicholas S. Carpenter, Chris Metzen, Michael Morhaime und Paul W. Sams) sind Blizzard-Funktionäre.

Mythische Authentizität

Marvel Studios hat einen großen Teil seines Images darauf aufgebaut, dass dort die Menschen die Filme machen, die auch schon die Comics gemacht haben. Und diese gleiche mythische Authentizität umgibt auch Warcraft – jedoch mit einem katastrophalen Ergebnis. Dem Film scheint genau jene Distanz zu fehlen, die Fans häufig nicht haben. Er ist nicht nur eine schamlose, reverse-engineerte Hommage an einen Urtext und versucht, dessen Effekt zu replizieren, wie es die verspäteten Fortsetzungen des letzten Jahres – von Jurassic World bis Star Wars VII – taten. Warcraft ist ein Werk, das außerhalb eines Reenactment-Kontextes nicht funktioniert. Seine Locations, Charaktere und Effekte mögen noch so genau ihren Dependancen aus den Videospielen entsprechen, sie besitzen dennoch kaum nachvollziehbaren Motive oder Handlungsbögen. Das Drehbuch beginnt mit einer Geschichte, die ganz am Anfang des Warcraft-Kanons steht, als sei es vor allem darum gegangen, eine bebilderte Enzyklopädie herzustellen und keinen unterhaltenden Film, der für sich stehen kann.

Zum Vergleich lohnt es sich durchaus, einen Blick auf einen anderen Film zu werfen, der dieses Jahr von der Kritik in Grund und Boden geschrieben wurde und um den ebenfalls Fan-Diskurse kreisen. Hinter Batman v Superman: Dawn of Justice (und davor hinter Man of Steel) steckt der bewusste Versuch, einen Film außerhalb der landläufigen Wahrnehmung der Titelcharaktere zu gestalten. Weil das vielen Fans nicht gefiel, hat Regisseur Zack Snyder im Laufe der Zeit einen erstaunlichen Wandel durchgemacht, von einem “Ich wollte gerne mal was anderes probieren” hin zu einem “Ich bin ein viel besserer Fan als ihr alle”. Die Glaubwürdigkeitsdebatte scheint in diesem Bereich irgendwann jeden in die Knie zu zwingen.

Von der Werktreue erdrückt

Batman v Superman ist aus diversen Gründen ein ähnlich schlechter Film wie Warcraft, aber man kann ihm immerhin nicht vorwerfen, keine eigene Persönlichkeit zu haben. Der Stilwille von Snyder und seinem Drehbuchautor David Goyer ist in jedem seiner über-epischen Bilder und Plotwendungen erkennbar. Batman v Superman läuft sehenden Auges in das Fan-Fegefeuer, aber er nimmt dabei jeden seiner titanischen Schritte mit stolzgeschwellter Brust.

Warcraft hingegen wirkt wie das Bauprojekt eines Fürsten, der sich auf seinen Reisen in einem fernen Land in ein wunderschönes Schloss verliebt hat. Nachdem er wieder zu Hause ist, befiehlt er seinem Hofstaat, den Steinbruch ausfindig zu machen, aus dem die Steine des geliebten Schlosses stammten. Er lässt Straßen bauen, damit Arbeiter von dort zu ihm reisen können. Er liest alles, was er finden kann über die Geschichte und Kultur des Landes, in dem er zu Gast war. Doch als er mit dem Bau beginnen will, hat er nicht nur vergessen, wie das Schloss aussah. Er hat auch vergessen, warum es ihm eigentlich gefiel. Mich lässt der Eindruck nicht los, dass in Warcraft irgendwo ein interessanter Film verborgen liegt, der allerdings vom Wunsch seiner Fans nach Werktreue zerdrückt wurde.

Der sichere Kern

Disney scheint in diesem Wechselspiel aus Fan-Authentizität und Umformung für ein neues Medium und ein anderes Publikum den Dreh raus zu haben. Die Marvel Studios-Filme, zuletzt Civil War, gefallen en gros sowohl Hardcore Fans als auch der breiten Zuschauerschaft. Sie scheinen das aber vor allem dadurch zu tun, dass sie eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden haben, der weder auf stilistischer noch auf Plot-Ebene große Risiken eingeht. Auf keinen Fall darf der sichere “Kern” verloren gehen, der das Franchise groß gemacht hat: ein leichtfüßiger Ton und ein Reigen gut identifizierbarer Helden. Bei der frisch wieder aufgenommenen Star Wars-Serie sieht es genauso aus. Die größte Meldung, die in der vergangenen Woche durch die Geek-Blogosphäre geisterte, lautete, dass größere Teile von Rogue One, den ersten für sich stehenden Star Wars-Film von Regisseur Gareth Edwards, neu gedreht werden sollen. Angeblich sollte der Film dadurch stärker an die gewohnte Star Wars-Gußform angepasst werden, aus der sich ja auch J. J. Abrams mit The Force Awakens nur sehr wenig gelöst hatte. (Diverse Quellen haben diese Lesart dementiert.)

Die Frage ist, wie lange ein solcher Selbstbezug noch aufrechterhalten werden kann. Zynische Menschen könnten an dieser Stelle sicher sagen, dass es doch genau unserer Natur entspricht, immer wieder den gleichen, anspruchslose Brei vorgesetzt zu bekommen. Und in der Tat hat Warcraft zum Beispiel in China, wo das MMORPG besonders beliebt ist, diverse Rekorde gebrochen (vielleicht nicht ganz selbstverschuldet). Aber langfristig kann das nicht die gesamte Zukunft des populären Kinos sein. Es scheint sie ja zu geben, jene Filmemacher_innen, die genug Distanz zu ihrem eigenen Fantum besitzen, um zu wissen, dass Authentizität alleine nicht reicht, um einen Film gut zu machen. Wenn von denen jetzt noch ein oder zwei ihren bisherigen Erfolg nutzen würden, um auch mal ein paar mutigere Schritte zu wagen, wäre das ja schon ein Anfang.

Die Welt ist nicht genug – Man of Steel und Hollywoods episches Problem

© Warner Bros. Pictures

Richard Lesters Film Superman II von 1980 hat in Sachen Plot eine ganze Menge mit Man of Steel gemeinsam. Der kryptonische General Zod, der die Zerstörung Kryptons übelebt hat, weil er in einem außerplanetarischen Gefängnis saß, gelangt mit seinen Spießgesellen zur Erde, die er – in gewohnt zodscher Überheblichkeit – übernehmen will. Clark “Superman” Kent kann das natürlich nicht zulassen. Im Finale des Films (Spoiler) lockt er Lex Luthor, Zod und Co in seine Festung der Einsamkeit am Nordpol und besiegt sie, indem er ihre Arroganz geschickt gegen sie einsetzt.

Auch Man of Steel (Noch mehr Spoler) endet mit einer Konfrontation zwischen Kal-El und Zod. Die beiden smashen und crashen sich durch Metropolis, um schließlich in einem Bahnhof zu landen, wo Superman Zod mit einem Ruck das Genick bricht, um zu verhindern, dass dieser einer unschuldigen Familie schadet. Ein persönlicher Kampf, könnte man meinen. Doch um an diesen Punkt zu gelangen, braucht Man of Steel zuvor eine andere Szene, in der Zod und seine Kryptonier begonnen haben, die Erde mit ihrem Raumschiff zu terraformen. Metropolis wird von Erdstößen erschüttert. Superman muss das Gegenstück des Raumschiffs am anderen Ende der Welt zerstören. Lois Lane versucht in einem Bomber ein schwarzes Loch zu erzeugen. Zod verfolgt sie in einem 20.000 Jahre alten kryptonischen Raumschiff, das eine Brutkammer enthält, mit deren Hilfe – gemeinsam mit dem in Supermans Zellen enthaltenen Informationen – Krypton auf der Erde wieder auferstehen kann.

Hektische Dringlichkeit

Es ist bereits einiges geschrieben worden über Man of Steels Zerstörungsorgie in der letzten halben Stunde. Über das PG-13-Problem und die nicht enden wollende Referenzierung von 9/11. Thomas Groh bringt den Stein des Anstoßes (oder des Jubels) für viele Kritiker in seinem Text (in dem sich noch mehr gute Links finden) auf den Punkt, wenn er schreibt

[J]ene Inseln, in denen Superman eins mit sich (oder allein bei sich) ist und die man aus früheren Superman-Adaptionen kennt, weichen einem allumfassenden Modus hektischer Dringlichkeit, der sich auch an der unstet verwackelten Kameraführung ablesen lässt.

Doch es ist gar nicht unbedingt nur die Zerstörungswut und der “Let’s get Loud”-Gestus, an dem Man of Steel meiner Ansicht nach krankt. Das viel größere Problem ist, dass er einfach insgesamt zu gigantisch ist. Auch in Superman II gibt es eine Schlacht um Metropolis, und wären Computer 1980 zu den gleichen Leistungen in der Lage gewesen, wie heute, hätte diese sicherlich auch anders ausgesehen. Der Clou ist aber vielmehr, dass Superman II am Ende eigentlich eine kleine, persönliche Geschichte erzählt, obwohl Zod die Welt bedroht. Man of Steel versucht das gleiche, er will im Kern die Coming-of-Age-Geschichte von Superman erzählen, doch dabei schleppt er zahllose Expositionssequenzen und endlose Massen an Mythologie mit sich herum, die ihn wie ein tonnenschweres Gewicht hinunterziehen. Dort wollen ihn Zack Snyder und Christopher Nolan natürlich auch haben. Schließlich sind beide dafür bekannt, Gewicht mit Gravitas zu verwechseln.

Das Einkaufszentrum reicht nicht mehr

Die Geschichte von Man of Steel ist sehr einfach. Doch Snyder, Nolan und Drehbuchautor David Goyer brauchen einen langen, feurigen Prolog auf Krypton, eine beliebig wirkende Reihe von expositorischen Flashbacks, ein Hologramm von Russell Crowe, eine Entführung auf das kryptonische Raumschiff, jede Menge kryptisch (pun intended) erklärendes Kauderwelsch (“Wir konnten den Phantomgenerator in einen Hyperantrieb umbauen.”) und den oben beschriebenen Dreifach-Showdown, um sie zu erzählen. Und man beginnt trotzdem immer nur dann, tatsächlich etwas zu fühlen, wenn sich Zod und Kal-El wieder persönlich gegenüberstehen.

Ende vergangenen Jahres habe ich das neo-barocke Hollywoodkino am Beispiel des Hobbit noch gelobt. Doch dieser Blockbuster-Sommer ist drauf und dran, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Hollywood ist einfach zu episch geworden. Filme – selbst effektlastige Blockbuster – waren mal gut darin, große Geschichten in kleinen Kosmen zu erzählen. Derzeit passiert genau das Gegenteil: Nicht nur Superman muss verhindern, dass die ganze Welt zerstört wird. Wo Zombiefilmen früher ein Einkaufszentrum reichte, um ihre Parabel zu errichten, muss es heute schon ein ganzer World War Z sein. Und Guillermo del Toros Pacific Rim folgt der Logik: Wir werden von gigantischen Monstern angegriffen? Dann müssen wir wohl selbst gigantische Monster bauen.

Der perfekte Sturm

Die gleiche schwanzbeißende Logik scheint Hollywoods Studiobossen durch die Hirne zu kreisen. Wenn Filme schon 200 Millionen Dollar pro Stück kosten müssen, dann müssen die Geschichten und Setpieces, auch größer sein, als alles bisher dagewesene. Mindestens Global. Besser noch Galaktisch. Sicher, Schauwerte sind einer der größten Spaßspender im Sommerkino. Und Worldbuilding kann in unserer transmedialen Welt eine Menge Spaß machen. (Einschub: Ich mochte den Einfall eigentlich, aus Man of Steel einen Science-Fiction-Film zu machen, statt immer nur die bekannten Superheldenkühe zu melken.) Aber hinter allem muss etwas stehen, zu dem man als Zuschauer einen Bezug aufbauen kann. Sonst bleibt selbst der perfekte Sturm in seinem Wasserglas gefangen.

Edgar Wrights Film Scott Pilgrim vs the World wurde damals mit der wunderschönen Tagline “An Epic of epic Epicness” beworben. In dem Film geht es darum, dass ein junger Mann sich damit abfinden muss, dass seine Freundin eine sexuelle Vergangenheit hat. Aber auch eine so banal wirkende Prämisse kann eben manchmal zum epischen Kampf werden. Dafür muss nicht immer gleich die ganze Welt vor der Zerstörung stehen.

Snyderwatch: Sucker Punch

    Snyders Filme folgen einer so persönlichen ästhetischen Logik, (…) dass er zu den wenigen wirklichen Autoren des gegenwärtigen amerikanischen Mainstream-Kinos zählen dürfte.
    – Jet Strajker, Die fünf Filmfreunde

Ich verfolge das Schaffen von Zack Snyder seit einer Weile mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Seine ureigene Ästhetik, die er seit 300 konsequent verfolgt, ist revolutionär und gehört für mich zu einer der bestimmendsten Leitlinien des neuen digitalen Kinos. Sie hybridisiert Live-Action und digitale Animation auf allen Ebenen in einer Weise, die die konsequente Fortführung dessen ist, was 1999 mit The Matrix begann. Auf der anderen Seite hat mich sein Hang zu Bildern und Geschichten, die sich ebenso konsequent wie selbstverständlich an den Vorlagen des Faschismus abarbeiten und die Snyder sogar in einem Kinderfilm über Eulen unterbringt, immer abgestoßen.

Sucker Punch, Snyders erster Film nach eigenem Drehbuch, bringt diese Entwicklung nun an einen vorläufigen Endpunkt. Beinahe universell von der Kritik verachtet, schwurbelt sich Snyder darin eine Geschichte zurecht, in der es angeblich um Empowerment geht. Darum, dass man lernt, seine eigene Geschichte zu erzählen (die Feministen sehen das anders), in Wirklichkeit aber darum, leicht bekleidete Frauen in diversen Fantasy-Szenarios beim Kämpfen zuzusehen.

Die Zuhälterfigur des Films spricht in einem seiner Monologe davon, dass er das Gefühl hätte, jemand anders spiele im Sandkasten mit seinem Spielzeug, den Mädchen – und man meint, es wäre Zack Snyder, den er meint. Und trotzdem: Auf irgendeine perfide Weise habe ich den Eindruck, Snyder glaubt sogar, was er erzählt. Er sieht die an einen Endpunkt getriebene sexualisierte Gewalt in Sucker Punch in seiner eigenen merkwürdigen Logik tatsächlich als einen weiblichen Befreiungsschlag, genau wie er die auf die Spitze getriebene männliche Gewalt in 300 als eine Dekonstruktion von Männlichkeit sieht. “Hey”, scheint er sich zu denken. “Warum kann man nicht etwas dekonstruieren und dabei trotzdem verdammt cool aussehen.”

Diese Überlegung ist natürlich nicht neu, und mich hat immer schon gestört, wie Quentin Tarantino in Filmen wie Kill Bill nach einer ähnlichen Logik vorgeht. Wenn alles ohnehin nur ein Zitat, eine Hommage ist, scheint es, ist alles erlaubt. Auch der Sieg der Form über den Inhalt. Doch Tarantino kriegt die Kurve. Im zweiten Teil von Kill Bill beispielsweise verpasst er seiner Hauptfigur retrospektiv eine Entwicklungskurve und Tiefe, die alles vorhergegangene legitimiert und alles Folgende nachvollziehbar macht.

Snyder hingegen dreht in Sucker Punch die Streckbank noch eine Raste weiter. Ähnlich wie die Kampfsequenzen nur Phantasien innerhalb der Phantasie innerhalb der Phantasie, die der Film ist, sind, besteht ihr Inhalt auch nicht länger aus Zitaten, sondern aus Zitaten von Zitaten.

Denn die Mädchen kämpfen ihre imaginären Befreiungskämpfe keinesfalls im Imaginären eines Samuraifilms, eines Weltkrieg-Films, eines Fantasy-Films und eines Cyberpunk-Films, sondern bereits in deren übersteigerten Zitaten. Nicht in Pulp-Heften der Dreißiger, sondern in ihren postmodernen Wiedergängern, den Graphic Novels der Achtziger und Neunziger und den Computerspielen der Noughties. Deswegen sind alle Gegner lediglich gesichtslose Automata, gibt es Mechas im Krieg und Maschinengewehre im Kampf um die Burg. Und deswegen ist Sucker Punch genau so hohl wie die Körper der golemhaften Gegner – seine Figuren haben keinen Inhalt, sie haben keinen Grund, in irgendeiner Version dieser Welt zu existieren.

Wenn die Postmoderne an ihre Grenzen und darüber hinaus getrieben wird, kehrt das Archaische mit stampfenden Schritten zurück, wie ein Titan auf den Olymp. Und das ist es, was Sucker Punch doch irgendwie wieder faszinierend macht. Die haltlose Naivität, mit der der Film vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist. Die Geschichtsvergessenheit, mit der er seinen Zitatenzyklus ohne einen Funken Anstand oder wenigstens Ironie ausschlachtet, hat etwas enorm urtümliches. Und also findet sich in ihm auch ein Widerhall von Filmen wie Birth of a Nation, die auch in Ihren Grundfesten verachtenswert sind, die aber gleichzeitig zu den Gründungsmythen des amerikanischen Kinos gehören.

Es fällt mir schwer, mir ein abschließendes Urteil über Sucker Punch bilden. Ich fand den Film zu langweilig, um mich darüber aufzuregen und in seiner unfassbaren Maßlosigkeit zu faszinierend, um mich wirklich zu langweilen. Und somit ist wahrscheinlich damit das Urteil erreicht: Sucker Punch ist einfach vollkommen belanglos. Er ist es nicht wert, dass man ihn in irgendeiner Weise näher betrachtet. Und da ich – und mit mir viele andere Kritiker – dies gerade doch getan haben, weil sie irgendwie das Gefühl hatten, sie mussten sich mit dem Film auseinandersetzen, hat Snyder sein Ziel im Endeffekt wahrscheinlich doch erreicht: Er hat seinem persönlichen Sandkasten irgendwie Relevanz verliehen.

[Ergänzung:]

Zusätzlich zur im Text verlinkten “Girls on Film”-Kolumne empfehle ich Angie Hans Artikel auf /film.

Außerdem: “Sucker Punch and the Fetishized Image” von Oscar Moralde ist sehr gut geschrieben und argumentiert, wirft aber die Frage auf: Wenn keiner merkt, dass etwas Satire ist, ist es dann noch Satire?

Rango – and new ways of directing animated films

A behind the scenes featurette for Gore Verbinskis upcoming animated movie Rango has been floating around the web for over six weeks now.

Verbinski is the fourth live action director who, in recent times, tried his hand at directing an animated feature – if you leave out folks like Robert Zemeckis and James Cameron who worked with Perfomance Capturing. Like his three predecessors, George Miller (Happy Feet), Wes Anderson (Fantastic Mr Fox) and Zack Snyder (The Legend of the Guardians), who also weren’t raised in an animation environment, Verbinski brought an interesting new directing style to the table.

As the featurette shows, he actually gathered the actors together on a small sound stage and let them act out the movie with a few basic props. This, apparently, made it easier both for the actors, because they could interact with each other (while usually vocal recordings are done with one actor at a time alone in a booth), and for Verbinski himself, who could actually direct a cast rather than keep the complete puzzle of recordings in his head and stitch it together afterwards.

The featurette also mentions that the material created during the shoot served as a reference for the animators. The question that arises in this context is, how much of that is true. Pierre Coffin, one of the directors of Despicable Me recently debunked the featurette myth that video footage from actors recording voices in a booth is important for the animators’ work.

Live action reference footage has been used in animation since the early Disney days (for some great insights into the process, watch the bonus material on the latest DVD edition of Pinocchio), but even Frank Thomas and Ollie Johnston, in their Disney Animation Bible “The Illusion of Life”, explain that

Animators always had the feeling they were nailed to the floor when their whole sequences were shot ahead of time in live action. Everyone’s imagination as to how a scene might be staged was limited by the placement of the camera (…).(p. 331)

At the beginning of the chapter on live action footage they note that

Live action could dominate the animator, or it could teach him. It could stifle imagination, or inspire great new ideas. It all depended on how the live action was conceived and shot and used.(p. 319)

I had the rare pleasure of seeing storyboard artist Christian De Vita give his talk on the development process of Fantastic Mr Fox at eDIT Frankfurt last year. He explained that the “direction” of the film consisted mostly of Wes Anderson, De Vita (who would sketch out Anderson’s ideas) and a film editor holed up in a hotel room in Paris. Anderson would act out every character in every scene and the editor would stitch the footage together in order to create reference footage for the animation studio in Britain, who had to animate from that footage and wasn’t always too happy about it.

In a way, this did create a similar situation to the one that Verbinski used on Rango – with the difference that all actions were staged and performed by one person, the director.

What all of this shows is, once again, how the field of feature animation has changed in its second coming of the last decade. Live action actors have pretty much replaced trained voice actors for principal roles. The Pixar process has put a lot more emphasis on animation as a director’s medium – whereas in the Golden Age of Disney and Warners, the industry stars were basically the animators and animation supervisors (e. g. the Nine Old Men). And now live action directors bring approaches from their background into the game that diminish the recognition of animators as the true artists behind animated films even further. On top of all this, there is the ongoing hybridisation of live action and animation through visual effects and performance capturing.

It will be interesting to see what the animation industry will make of this and if there will at some point be an oversaturation of live action elements in animation that will result in a return to more pre-Disney, i.e. liberated, animation techniques in the future – or if the two approaches will just continue to co-exist like they do now.

5 3D directors – and what we can expect from them

3D is coming at us from several angles at the moment, but has yet to prove that the medium is not the message. I take a look at five directors who drive 3D forward and try to predict what role they will play in the future of stereoscopic filmmaking.


Rise to Power: Made two of the best, action packed Science-Fiction Sequels and created some of the most memorable effects scenes in cinema history with Aliens, the Terminator films and The Abyss. Then went off and realized the highest-grossing film ever. Twice.

Claim to Fame: Almost single-handedly convinced the movie industry that 3D is worth pursuing.

Defining Characteristics: Epic epicness coupled with sentimentality of the highest degree.

Lined up: Two sequels to Avatar that will continue to explore the world he created.

The Verdict: Cameron is a force of nature. What his films lack in artistic merit, they make up for in sheer, inescapable, gripping bombast. There are no signs of this changing in the near future.


Rise to Power: Married effects, character drama and the manipulation of the space-time continuum in classics like the Back to the Future trilogy and Forrest Gump.

Claim to Fame: Pioneered and developed “perfomance capturing”, and with it digital 3D, in a series of films that were really not great but succesful enough to keep him going.

Defining Characteristics: Creates settings that eerily sit between animation and live action aesthetics with few cuts and sweeping camera moves to explore 3D.

Lined up: As producer, Mars needs Moms for Disney in which Seth Green plays his inner child. As director, Yellow Submarine, the remake of a film about a band whose latest achievement is making it onto iTunes.

The Verdict: Zemeckis has left his mark in the development of 3D but his style has become a bit predictable and even seems slightly old-fashioned compared to the general zeitgeist.


Rise to Power: After directing several commercials, he revived the American zombie film and brought a new quality of aestheticized violence to Hollywood cinema with 300 and Watchmen.

Claim to Fame: Directed an animated fantasy film about, of all things, owls, which looked stunning but suffered from an overcrowded story.

Defining Characteristics: Applies 3D to both space and time with his signature slow motion fight scenes. Seems to like the grandiose iconography of fascism.

Lined up: His first original screenplay, Sucker Punch, will be converted to 3D, while he tackles the next reboot of the most boring of all superheroes, Superman: Man of Steel.

The Verdict: One of the most challenging visual directors around, to whom 3D seems to come naturally. However, the quality of his films seems to be very dependent on that of the source material.


Rise to Power: Gave stop-motion animation its mainstream groove back by directing Tim Burton’s phantasmagoria The Nightmare before Christmas.

Claim to Fame: Coraline, a film that reads like the book on how 3D should work, especially in animation.

Defining Characteristics: Builds worlds that are slightly askew, both visually and storywise.

Lined up: Has returned to Disney/Pixar to work on more stop motion films.

The Verdict: Might produce the first film for Pixar that actually embraces 3D in its mise-en-scene.


Rise to Power: Made films about maniacs of all colours as part of Germany’s new wave in the 70s, then became one of the most leftfield directors around, creating motion pictures in every genre, form and country.

Claim to Fame: Got exclusive access to ancient French caves to film them in 3D in Cave of Forgotten Dreams.

Defining Characteristics: Embraces everything that fascinates him and turns it into something strange … and good.

Lined up: No word yet if there’s more 3D to come.

The Verdict: Herzog, with his oddball mentality and his talent for tearing down cinematic borders, might be one of those who leads 3D from childhood to maturity.

Photos by Steve Jurvetson, David Shankbone, rwoan, Thomas Crenshaw and erinc salor, used under a Creative Commons 2.0 licence.

Legend of the Guardians: Five Notes on the Owls of Ga’Hoole

1. This is what 3D is supposed to feel like. Zack Snyders trademark style, which basically lets the camera rule the space-time continuum it inhabits, lends itself perfectly to the new way of telling stories. While Snyder hardly makes use of z-axis space to convey information he couldn’t bring across in 2D, his great advantage in Legend of the Guardians is that he actually has three dimensions to move in. Almost all of the film is spent either in flight or in trees (which also means movement in three dimensions) and this is where 3D really shines. Add to that Snyders famous slo-mo-shots and some sweeping vistas and your eyes can’t stop ogling the beauty you are presented with on screen. Watching Legend of the Guardians really makes you wish, 300 and Watchmen had been in 3D. 300, especially, a film without a plot to speak of that lives purely by its visuals, could have been enhanced no end by stereoscopy. If he carries on like this with the movies he has lined up (Sucker Punch and Superman), Snyder might become one of the most prolific 3D directors around.

2. Snyders treatment of Kathryn Lasky’s novels confirms my earlier thesis that we have a lot to look forward to, if more live action directors with a clear thematic profile take to animation. Legend of the Guardians overtly reflects Snyders preoccupation with the fascist imagery and ideology of grandeur and fights of the weak against the self-styled strong. It is probably owed to the fact that Legends is aimed at kids that the lines of good and evil are drawn in an extremely simplistic way here.

3. Kudos to Animal Logic for their pitch-perfect creature and effects animation. They got to practice beaks and feathers in Happy Feet and really make the most of it in Legends. Owls, with their round faces and crooked beaks, probably topped the list of animals least likely to be anthropomorphised as heroes until this point, but the animators really did a superb job in making them believable, likeable and distinguishable. Much of this can be attributed to the realistic fluffiness of the feathers, which really serve their purpose to give every owl its individual character.

4. I have not read Kathryn Lasky’s book that the film is based on, but it wasn’t difficult to glimpse the detailed and imaginative world that Lasky has probably created in her series of novels through the bric-a-brac script that strives to cram every bit of Ga’Hoole mythology into 100 minutes of film while still leaving enough time for action sequences. The result is a desaster: The film jumps from one scene to another with hardly any transition, introduces new characters and plot twists by the minute and leaves no time at all for contemplation in much the same way that The Golden Compass or Inkheart did two or three years earlier. When will Hollywood finally stop turning fantasy novels that live by their worldbuilding into movies that pale in comparison? Hasn’t film history proven over and over again that – when it comes to fantasy genre films – short stories, novellas and graphic novels make much better source material? TV minseries are a much better medium to capture the intricacies of novels as this one, even if it means sacrificing some visual kablooie.

5. Even Rocky had a montage. But the training/getting to know their new home montage of Legends is an incredibly weak piece of filmmaking the film could have totally done without. It adds almost nothing to the exposition monologue which one of the characters, who is probably important in the novel but extremely flat here, just gave a few minutes earlier. The montage is also accompanied by a pop song which breaks with the whole atmosphere of the movie, but had to be included because it makes tie-in money and because it fits perfectly with this artist called Owl city. Get it? Because they are in a city of owls. Mercy! Please!

Addendum: Zack Snyder talks quite detailed about his 3D-ideas here and there is an extensive series of interviews with the key creatives of the film here.