In eigener Sache: Eingebackene Veränderung

Von 1991 bis 1996 hat mein Vater in Den Haag gearbeitet und wir, meine Mutter, meine Schwester und ich, haben dort gemeinsam mit ihm gelebt. Dass die Stelle eine temporäre sein würde, stand von Anfang an fest, wie bei vielen Menschen, die von ihren Arbeitgebern ins Ausland geschickt werden. Auf meiner Deutschen Schule merkte ich das ebenfalls. Als ich neu in die 4. Klasse kam, war das für meine Klassenkameraden kein großes Ding und in den kommenden fünf Jahren merkte ich, wie das an Auslandsschulen so ist: Jedes Jahr zum Anfang des Schuljahres (manchmal auch mittendrin) kamen neue Menschen in die Klasse, am Ende des Schuljahres verließen uns einige.

Für uns Schülerinnen und Schüler war das normal. Es war normal, dass sich die Klasse veränderte, dass man am Anfang des Schuljahres schnell neue Freundschaften schloss und am Ende auch lernte damit umzugehen, dass nicht alle Klassenkameraden für immer bei einem bleiben würden. Die Veränderung war Teil des Systems. Ganz anders an dem Gymnasium, in das ich nach meiner Den Haager Zeit eingeschult wurde: hier kannten sich viele schon seit der Grundschule, mindestens aber seit der 5. Klasse. Die Rollen standen fest, Veränderung war frühestens wieder zum Studienbeginn zu erwarten.

Inzwischen weiß ich, dass es im Beruf manchmal ähnlich sein kann. Festgefahrene Rollen, eiserne ungeschriebene Regeln, von denen keiner mehr weiß, wer sie aufgestellt hat, sind wahrscheinlich in mehr Büros Alltag als man denkt. Nicht zuletzt deswegen habe ich den Deutschen Evangelischen Kirchentag immer bewundert. Die Geschäftsstelle, die die Veranstaltung organisatorisch plant, zieht alle zwei Jahre von Stadt zu Stadt, mit einem kleinen Kernteam aus 20 bis 30 Leuten. Im Laufe der nächsten zwei Jahre wächst dieses Team auf über 100 Menschen kurz vor der “Durchführung”, den eigentlichen Veranstaltungstagen im Frühsommer jedes ungeraden Jahres.

Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten nur ein knappes Jahr beim Kirchentag und springen auf einen Zug auf, der längst mit hoher Geschwindigkeit fährt. Sie werden in zwei Wochen ins Thema geholt und müssen sofort loslegen. Das funktioniert nur, weil auch hier die Veränderung und das neue Team für jeden Kirchentag Teil des Systems ist. Weil selbst die, die schon länger dabei sind, die vielleicht schon ein oder zwei Kirchentage mitorganisiert haben, bereit sind, sich sehr schnell auf die neuen Gesichter, Arbeitsweisen, Spezialisierungen einzustellen. Doch nicht nur deswegen kann man nicht alles machen wie immer. Man ist außerdem in einer neuen Stadt, in einer neuen Region, in einer neuen Landeskirche. Konzepte werden laufend überholt und verändert. Die Fähigkeit, sich anzupassen und auf allen Ebenen offen für Neues zu sein, ist in den Prozess fest eingebacken. Anders geht es nicht. Jeder Kirchentag, um es mit Dirk von Gehlen zu sagen, drückt aus: Eine neue Version ist verfügbar. Nicht umsonst sind Kirchentage nummeriert.

Vor fast acht Jahren habe ich mich entschieden, das Rhein-Main-Gebiet, in dem ich Abitur gemacht, studiert und meine erste Arbeitsstelle angetreten hatte, zu verlassen und beim Kirchentag in Dresden die Internetredaktion zu übernehmen, aus dem gleichen Grund: mein Leben brauchte eine Veränderung. Ich wusste nicht, was mich erwartet, ich war nie auf einem Kirchentag gewesen, und ich hätte nicht ahnen können, wie gut es mir gefallen würde. Innerhalb kürzester Zeit wurde mir dort sehr viel zugetraut. Ich durfte alle Social-Media-Kanäle starten und mir eine Strategie dazu überlegen. Und im Juni 2011 durfte ich eine 40-köpfige Redaktion leiten.

Die Erinnerung an die dynamische Arbeitsweise und die Möglichkeit, Veränderung zu gestalten, hat mich so beeindruckt, dass ich zweieinhalb Jahre später zum Kirchentag zurückkehrte, diesmal als Abteilungsleiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit (soviel zum Thema “Zutrauen”). Diesmal blieb ich einen ganzen Zyklus an Bord. Nach dem Kirchentag in Stuttgart 2015 zog ich mit nach Berlin und war dort Abteilungsleiter Presse und Marketing – bis heute.

Heute hatte ich meinen letzten Arbeitstag beim 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen möchte ich gerne in Berlin wohnen bleiben, wenn meine Kolleginnen und Kollegen nach Dortmund ziehen. Aber zum anderen war es nach siebeneinhalb Jahren (brutto) auch wieder Zeit für etwas Neues. Denn so dankbar ich für all die Impulse, Erfahrungen und Begegnungen bin, die ich in dieser Zeit mitnehmen durfte: Das System Kirchentag kann nur funktionieren, wenn es auch die Möglichkeit bekommt, seine eingebackene Veränderung auszuleben. Genau wie das System Alex. 

Am 15. September beginnt mein neuer Job als Referent für Digitale Kommunikation beim Service-Portal Integration der Stiftung Haus der kleinen Forscher. Ich freue mich auf jede Menge neue Klassenkameraden.

360 Grad Luther

Die Panoramen von Yadegar Asisi, denen ich erstmals 2010 in Dresden begegnet bin, finde ich ja eine sehr abgefahrene Verschmelzung alter und neuer Immersions-Techniken. Sie finden im analogen Raum statt, werden aber mit digitalen Mitteln erstellt, zusammenkomponiert aus tausenden Fotos, Texturen und CG-Strukturen. Insofern habe ich mich darum gerissen, die Chance zu bekommen, Asisi in Kreuzberg zu besuchen und mit ihm über seinen Prozess und seine Philosophie zu reden. Das Ergebnis musste ich vom Nerdfaktor natürlich etwas runterschrauben, aber ich bin trotzdem ganz zufrieden damit. Wenigstens mal ein Schnittpunkt zwischen meinem Brotjob und meinen Privatinteressen.

Ein Blitzschlag wie bei Martin Luther war es nicht, der Yadegar Asisi dazu bewog, sich mit der Reformation zu beschäftigen. Aber einen inspirativen „Impuls“ habe er vor rund zehn Jahren doch gespürt, als er auf die Tür der Schlosskirche in Wittenberg blickte. Vor seinem inneren Auge sei die Idee für ein „Gesellschaftsbild“ aus der Lutherstadt entstanden, das anhand des Lebens des Reformators und seiner Zeitgenossen zeigt, „wie die Gesellschaft zusammenspielt“. Zehn Jahre später sitzt der 61-Jährige in seinem Atelier in einem Kreuzberger Hinterhaus und denkt zurück an das, was alles passieren musste, damit das Panorama „Luther 1517“ im Oktober in Wittenberg feierliche Eröffnung feiern kann. Kontakte, Reisen, Gespräche über Finanzierung, Beratung, Ideen und schließlich sehr viel Arbeit. Dabei hielt der mit sanfter Stimme und leicht sächsischem Dialekt erzählende Künstler zu jeder Zeit selbst die Fäden in der Hand. „Ich verwirkliche nur noch Herzensprojekte“, sagt er. „Es ist ein großes Glück, dass ich inzwischen so selbstbestimmt arbeiten kann.“

Begehbare Kunst

Das war nicht immer so. Zwar gewann der 1955 als Sohn iranischer Immigranten in Wien geborene Asisi schon wenige Jahre nach seinem Architektur- und Malereistudium in Berlin und Dresden erste Preise, doch erst 1995 stieß er auf das Panorama – ein fast verlorenes Kunstund Unterhaltungsformat aus dem 19. Jahrhundert, das vom Kino schnell verdrängt wurde. Innerhalb weniger Jahre wurde er zum Meister des begehbaren 360-GradKunstwerks, das Besucherinnen und Besucher in eine fremde Welt oder Zeit eintauchen lässt. Auf erste Auftragsarbeiten folgten irgendwann eigene Ideen. Inzwischen betreibt die Asisi GmbH selbstständig zwei Panoramen in Dresden und Leipzig, weitere Bilder von historischen Städten und beeindruckenden Landschaften hängen derzeit in Berlin, Pforzheim und Rouen. Dabei variiert Asisi trotz einer gewissen Routine immer wieder seine Form. So habe er für „Luther 1517“ seinen gewohnten Prozess umgedreht, erzählt er: „Bei anderen Stadtpanoramen erschließt sich der Bildinhalt zuerst über die Architektur, dieses Mal wird die Geschichte zuerst durch die Menschen erzählt.“ Das bedeutet: Wenn Besucherinnen und Besucher ab Oktober das Panorama in Wittenberg betreten, sehen sie sich an den Wänden Figuren gegenüber, die mit ihnen auf Augenhöhe stehen. Sie müssen nicht erst auf eine Plattform in der Mitte des Raums steigen, um die richtige Perspektive einzunehmen.

Reformatorischer Prozess

Und noch etwas ist anders: Statt einen bestimmten Moment in der Zeit festzuhalten, zeigt Asisis Rundgemälde gewissermaßen einen reformatorischen Prozess. Luther kommt nicht nur einmal, sondern mehrfach im Bild vor, in symbolischen Szenen aus verschiedenen Zeitaltern seines Lebens: beim Diskutieren mit Mönchen vor den Toren der Schlosskirche, beim Streit mit Thomas Müntzer, beim Predigen in der Kirche, beim Feiern mit Katharina von Bora. „Diese Momente sollen einander die Hand geben, ohne sich aus den Angeln zu heben“, hofft der Künstler. Yadegar Asisi, das merkt man im Gespräch, ist jemand, der sehr stark von innen nach außen arbeitet. Bilder und Ideen entstehen in seinem Kopf in beinahe finaler Form, bevor er sie aufs Papier bringt. Die erste, zweieinhalb Jahre alte Bleistiftskizze des Panoramas enthält schon alle wesentlichen Elemente der 12,5 Gigabyte großen Photoshop-Datei, an der er zurzeit letzte Hand anlegt: im Zentrum des Bildes die imposante Wittenberger Schlosskirche, links davon die mittelalterliche Stadt mit einer Mühle als weiterem visuellen Ankerpunkt, rechts der Neubau der Stadtmauer und der Blick auf die Elbwiesen. Das Licht fällt durch die Fenster der Kirche auf den Schlossplatz, sodass das Bild im Rund einen Weg von der Dunkelheit ins Licht beschreibt – nicht ohne am Horizont auch die Kriege anzudeuten, die folgten.

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Das Panorama ist seit dem letzten Wochenende in Wittenberg für Besucher geöffnet. Es gibt auch ein Video der Eröffnung auf Facebook.

Der Kirchentag der Netzgemeinde

Blogger und Filmjournalist bin ich ja nur bei Nacht. In meiner Bruce-Wayne-Identität bereite ich in Berlin ein Großereignis für 140.000 Menschen vor und steuere dafür Pressearbeit und Marketing. Ich bin nicht der erste, dem aufgefallen ist, dass der Deutsche Evangelische Kirchentag und mein persönliches Jahreshighlight, die re:publica, Gemeinsamkeiten haben, aber ich glaube, ich war der erste der Markus Beckedahl darauf angesprochen hat. Aus unserem Gespräch und meinen Erlebnissen in drei Jahren re:publica habe ich für das Magazin des Kirchentages einen Artikel geschrieben, der jetzt online steht.

„Is this the real life? Is this just fantasy?“ Plötzlich hallt die ganze Stage 1 am Berliner Gleisdreieck wider mit den Anfangsworten aus Queens Rockklassiker „Bohemian Rhapsody”. Wenn mehrere tausend Menschen hier gleichzeitig dieses Lied singen, kann das nur eins bedeuten: die re:publica ist vorbei. Rund 8.000 Menschen haben drei Tage im Veranstaltungszentrum „Station“ über Themen der digitalen Gesellschaft miteinander diskutiert, genetzwerkt und gefeiert. Die traditionelle Abschlusszeremonie mit Gesangseinlage ist kein Schlussgottesdienst – sie könnte aber genauso gut einer sein.

„Kirchentag der Netzgemeinde“ ist die re:publica nicht nur einmal genannt worden. Die früheste Quelle, die das Internet für den Begriff findet, stammt von 2010, aber das Begriffspaar scheint so gut zu passen, dass es jedes Jahr von Medien und Besuchern gleichermaßen gerne wieder aufgegriffen wird. Mitbegründer Markus Beckedahl, Betreiber des Blogs „Netzpolitik.org“, stört das nicht. Er sieht durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Veranstaltungen, erzählt er am Telefon: „Der Kirchentag ist ein Zusammenkommen verschiedener Communities, die der Glaube eint. Die re:publica ist ein Zusammenkommen verschiedener Communities, die verbunden sind durch eine Faszination für das Digitale“, sagt er.

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Change I Can Believe In

© 35. DEKT/Jens Schulze

Seit einiger Zeit habe ich mir einen persönlichen Gradmesser dafür gesetzt, wieviel Konstanz in meinem Leben herrscht.* Ich prüfe, ob ich am Ende des Jahres immer noch den gleichen Wohnort, den gleichen Job und die gleiche Partnerin habe, wie am Anfang des Jahres. Zuletzt war das vor 13 Jahren, anno 2000 (Heidenrod, Schüler, niemand) der Fall. Eine der drei Variablen in meinem Triptychon hat sich seitdem immer verändert. In diesem Jahr war ich mir ziemlich sicher, dass ich es schaffen würde, alle drei konstant zu halten – schließlich habe ich unter anderem geheiratet. Aber dann kam doch alles anders.

Ich mache es kurz: ich wechsle den Job. Ab dem 1. Januar bin ich nicht länger Redakteur in der Filmredaktion 3sat/ZDFkultur, sondern Abteilungsleiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit beim 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Neben der Abteilungsleitung werde ich dort vor allem, wie damals, als ich das letzte Mal da war, für alles zuständig sein, was mit Internet und Digitalen Medien zu tun hat. Bei allen bisherigen Kirchentagen war es so, dass der Pressereferent der Abteilungsleiter war. Der Kirchentag zeigt also auch, wie wichtig ihm der ganze digitale Kram geworden ist. Ich freue mich sehr darauf, im Januar in Stuttgart anzufangen und mich mit meinen Kollegen, von denen ich einige seit damals in Dresden kenne und sehr mag, den Aufgaben zu widmen, die vor uns liegen!

Allen, die mich vielleicht weniger gut kennen und skeptisch werden bei allem, wo “Kirche” draufsteht, sei folgendes versichert: Erstens ist der Kirchentag – besonders bei denen, die ihn organisieren – wahrscheinlich eine der progressivsten Ecken des deutschen Christentums, in der insbesondere die zurecht kritisierten Diskriminierungen von Frauen und Minderheiten keinen Platz haben (im Gegenteil). Zweitens ist Kirchentag so viel mehr, als das, was man auf den ersten Blick vielleicht damit assoziiert. Er ist eben nicht Kirche, sondern Kongress, Treffen, Festival, Messe und Ort des Dialogs – auch für Nichtchristen. Ja, es wird auch gebetet, aber warum auch nicht.

Dass ich mit diesem Schritt dem Film zumindest zu einem gewissen Grad den Rücken kehre, schmerzt mich am meisten, und die Entscheidung ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Mit “Close up” und mit der Gestaltung des 3sat- und ZDFkultur-Filmprogramms habe ich viel großartige Zeit verbracht. Ich habe spannende Festivals besucht, persönliche Helden interviewt und einfach sehr viele tolle (und schlechte, aber auch aus denen lernt man) Filme gesehen, die ich ohne diesen Job, der für einen studierten Filmwissenschaftler wirklich ein absoluter Traumjob ist, nie zu Gesicht bekommen hätte.

Aber ich habe auch noch nie im Leben eine Chance ausgeschlagen, mich weiterzuentwickeln und neue Herauforderungen anzunehmen. In diesem Fall ist das erstmals eine Vorgesetztenposition und die einmalige Gelegenheit, einen großen Dampfer wie den Kirchentag endgültig auf die richtigen digitalen Schienen zu setzen. Mit anderen Worten: Ich werfe mich wieder mitten ins digitale Getümmel und bereite mich jetzt schon darauf vor, sehr vielen Leuten zu erzählen, warum das Internet toll ist, selbst im Zeitalter von PRISM.

Meine Leidenschaft für Film bleibt natürlich ebenfalls bestehen. Ich werde hier weiter jede Woche über Filmthemen bloggen so gut ich kann. Ich werde hoffentlich zur Berlinale fahren und mit Sicherheit aufs Trickfilmfestival in Stuttgart. Ich werde weiter gelegentlich für epd Film schreiben und die Kontakte in die Branche, die ich besitze, pflegen. Schließlich dauert so eine Kirchentagsvorbereitung ja auch nur anderthalb Jahre – und wer kann schon sagen, was dann passiert.

Ich hoffe, ihr bleibt mir gewogen. Wir sehen uns.


* Ich meine nicht die Stadt. Das war ein anderes Mal, als ich an einem Tag zu einem Freund sagte, ich wünschte mir mehr Konstanz in meinem Leben und am nächsten Abend ein Mädchen aus Konstanz kennenlernte. Ist leider nichts draus geworden, wäre aber eine super Geschichte gewesen.

In eigener Sache: Multimediaredaktion des Kirchentages

Wie schon vor zwei Jahren, als ich noch hauptamtlich für den Deutschen Evangelischen Kirchentag gearbeitet habe, habe ich auch dieses Jahr wieder eine der Leitungspositionen in der Multimediaredaktion des Kirchentages. Mit über 50 Studierenden von vier verschiedenen Journalistenschulen bieten wir ab sofort bis Sonntagmittag auf kirchentag.de umfangreiche und natürlich multimediale Berichterstattung über das Hamburger Großereignis. Vorbeischauen lohnt sich.

I like evangelisch – Angebote der Kirche im Bereich Social Media

Das Abschlusspanel des 2. Ev. Medienkongresses. (Quelle)

Beim 2. Evangelischen Medienkongress am 26. und 27. September in Mainz habe ich einen Einführungsvortrag zum Thema Kirche und Social Media gehalten, den ich auf mehrfachen Wunsch hier dokumentiere. Dies ist die leicht veränderte und mit Hyperlinks versehene Form meiner Vortragsnotizen, die Originalfolien verschicke ich bei Interesse gerne per Mail (meine E-Mail-Adresse steht im Impressum).

Der Grund, warum ich hier oben stehe, ist wohl, dass ich bis vor einem guten Jahr der Internetredakteur des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden war und dort auch die Social Media Präsenz aufgebaut habe, aber dazu kommen wir später noch. Ich hoffe, dass ich Ihnen für den Einstieg hier einen kleinen Überblick bieten kann, den Sie dann später in den angebotenen Workshops vertiefen können.

Ich habe mir gedacht, ich fange mit nackten Zahlen an und das heißt: Welche Angebote gibt es überhaupt? Also: Wo ist die evangelische Kirche in dem, was man Social Media nennt, überhaupt präsent? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat 20 Gliedkirchen und ich habe überprüft, ob die EKD selbst und jede der Gliedkirchen auf den großen sozialen Plattformen vertreten sind. Diese großen Plattformen, das sind Facebook, Twitter, YouTube und GooglePlus. Ich habe diese vier genommen, weil es nun mal die Platzhirsche sind und weil dort die Zahlen am ehesten vergleichbar sind.

Die Zahlen im Vergleich

Ich weiß auch, dass das nicht die einzigen Social-Media-Kanäle sind, die es gibt. Es tut mir auch wirklich leid, wenn ich durch diese Reduktion jetzt zum Beispiel übersehen habe, dass die Sachsen bei Instagram ganz groß sind oder die Bremer bei Foursquare. Aus den großen vier jedenfalls kann man folgende Tabelle bauen:

Sie sehen, da gibt es einige Zahlen, die meisten nicht sehr groß, aber auch viele Leerstellen. Das soll jetzt erstmal überhaupt nicht wertend sein, nur eine Übersicht geben: Manche Teile der evangelischen Kirche in Deutschland machen etwas im Social Web, andere nicht. Das hängt sicher zum Teil auch mit der Größe der Kirche zusammen und damit, ob sie sich die Mitarbeiter leisten möchte, die so etwas betreuen. Aber es hängt eben auch mit der grundsätzlichen Einstellung zum Thema zusammen. Das wird dann auch deutlich, wenn man sich die kirchlichen Werke anschaut.

Da gibt es nämlich überall ganz gute Zahlen, und soweit mir bekannt ist nutzt etwa “Brot für die Welt” das Social Web auch sehr aktiv. Allerdings ist “Brot für die Welt” auch eine national und international agierende Institution – damit ist das Publikum größer und es gibt vielleicht teilweise auch mehr Inhalte, die in diesen sozialen Netzwerken geteilt werden können oder die für mehr Menschen interessant sind – auch wenn sie nicht direkt mit der Amtskirche zu tun haben. Zum Beispiel Nachrichten aus Krisengebieten und Informationen über die Verwendung der Mitgliederspenden.

Und dann gibt es natürlich noch die Speerspitze der evangelischen sozial-medialen Institutionen, evangelisch.de, die ja auch mal der Ort sein sollte, an dem die evangelischen Christen Deutschlands im Netz zusammen kommen sollen. Hat entsprechend auch – im Vergleich – ganz gute Zahlen aufzuweisen, vor allem auf Twitter.

Es gibt natürlich noch einige mehr, die ich jetzt hier nicht aufgeführt habe. „Chrismon“, etwa, oder „Evangelische Häuser“, die zu dem evangelisch.de-Netzwerk gehören. Und es gibt einzelne Personen, z. B. der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die auch Facebookseiten haben und nutzen! Auf die Zahlen kommen wir später noch einmal zurück. Ich wollte mir jetzt aber erst einmal ein paar dieser gerade gesehenen Angebote – eine relativ willkürliche Stichprobe – genauer mit ihnen anschauen.

Diese Seite ist ein Platzhalter

Wir beginnen mit dem Social-Media-Angebot der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst, also der EKD. Die ist überall vertreten. Es gibt eine Facebookseite, einen Twitter-Account und einen YouTube-Channel und die Zahlen sind dort für deutsche Kirchenverhältnisse auch okay – bei Facebook fast 2000 Fans und über 2.500 Follower bei Twitter. Aber es fällt auf, dass es eigentlich keine Interaktion gibt. Also: Der wirklich „soziale“ Aspekt des Social Web wird nicht genutzt.

Die Seiten sind hauptsächlich automatisierte Kanäle, in die Pressemeldungen einlaufen. Der YouTube-Kanal wird auch nur für Videos von Pressekonferenzen und Synoden genutzt.
Aber das ist auch so gewollt, sagt Sven Waske, der Leiter der EKD-Online-Redaktion: “Diese Seiten sind Platzhalter, da die Rechtslage derzeit noch unklar ist. Sie werden künftig in einer Gesamtstrategie neu gefasst.” Man wollte diese Seiten erst einmal besetzen, damit sie kein anderer nutzt, aber es gibt eben noch keinen Konsens darüber, ob und wie man hier ins soziale Netz vorstoßen sollte – und daher gibt es eben erstmal nur diese einseitigen Präsenzen. Immerhin gar nicht verkehrt, dass man auch auf diesem Weg die Pressemitteilungen der EKD abonnieren kann.

Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur

Zum Vergleich: Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat ihren gesamten Social Media Auftritt diesen Sommer neu gelauncht. Hier wird redaktionell gearbeitet. Man bemüht sich, auch Verlinkungen auf außen stehende Angebote einzubauen, die die Follower interessieren könnten. Bilder einzubinden. Auf Twitter sieht man, dass auch Retweets und Hashtags benutzt werden. Einige andere Landeskirchen haben übrigens auch Seiten, die redaktionell betreut werden.

Hier kommt es auch zum Dialog. Natürlich wahrscheinlich nie so viel, wie man möchte und auch nicht immer mit den Leuten, mit denen man gerne reden möchte, aber das Medium wird genutzt. Und wenn dann kontroverse Themen behandelt werden, wie jüngst das Thema Beschneidung, kommt es eben auch zu kontroversen Diskussionen – auch mal mit im Netz bekannten Leuten, wie Mario Sixtus, mit dem sich dann aber auch immerhin ein Dialog entspann.

EKiR-Internetbeauftragter Ralf Peter Reimann sagt dazu: “Der Dialog auf Facebook muss auch solche Provokationen aushalten. Unser Ziel ist auch der Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur!” Es ist natürlich Spekulation, aber das könnte das sein, was andere vielleicht noch davon abhält, diesen Schritt ins soziale Netz zu machen. Denn all das halst man sich natürlich auch auf, wenn man Social Media macht, und ich habe selbst schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Leute wirkliche Probleme mit dieser gewissen Kontrollaufgabe im Kommunikationsprozess haben, die das soziale Netz mit sich bringt.

Ein Tweet-Gebet in der Essensschlange

Dann möchte ich noch kurz ein kleines Sonderprojekt vorstellen, weil es auch dieses Jahr den Webfish-Innovationspreis (Offenlegung: Dort saß ich in der Jury) gewonnen hat: das “Twittagsgebet”, das – wie man am Logo sieht – der Badischen Landeskirche entspringt. Dahinter stand die Frage, wie man ein spirituelles Angebot in einem Twitterkanal unterbringen kann. Entstanden ist ein Twitterkanal auf dem jeden Mittag um 12 Uhr ein Tweet-Gebet gesendet wird, das zum Innehalten einlädt und oft auch auf aktuelle Ereignisse bezug nimmt.

Das ist auch nicht unbedingt interaktiv – hier findet kein Dialog statt – aber das wissen die Macher auch und das ist auch ganz bewusst. “Wir wünschen uns den Nutzer, der mittags in der Essensschlange steht und seine Timeline checkt und sich dann über unseren Tweet freut”, sagt Oliver Weidermann, der Gründer und Koordinator des Twittagsgebets. Das soziale entsteht dann eher dadurch, dass ein Twittagsgebet retweeted werden kann und die Follower es so mit ihren Followern teilen.

Also auch wenn es keine direkte Interaktion gibt, hat man sich hier zumindest wirklich Gedanken darüber gemacht, wie man das Medium auf spezielle Weise einsetzen kann – indem man eben solche Tagesgedanken auf 140 Zeichen eindampft – und das funktioniert ja auch.

Mitten im Hype-Cycle

Der letzte Kandidat, evangelisch.de, hat diesen Herbst seinen dritten Geburtstag gefeiert. Ich habe damals selbst noch im GEP in Frankfurt gearbeitet als evangelisch.de an den Start ging und ich erinnere mich noch gut an die Aufbruchsstimmung die damals dort herrschte. Der Plan war, etwas auf die Beine zu stellen, was die evangelische Kirche endgültig im Internetzeitalter ankommen lässt. Eine Nachrichtenseite mit angeschlossener Community, die aber anders, persönlicher und spiritueller, funktioniert als die weltlichen Medien und damit alle evangelischen Christen in Deutschland anspricht.

Heute sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Die Community ist vor ein paar Monaten geschlossen worden. Die wenigen Nutzer die es dort gab, fanden das natürlich sehr schade. Aber im Rückblick konnte evangelisch.de als eigenes soziales Netzwerk einfach nicht bestehen. Die Dinge, die funktioniert haben, etwa eine universelle Anlaufstelle für geistliche Fragen, hat man behalten und sie werden jetzt unabhängig weitergeführt.

Es hat also alles nicht ganz so geklappt wie man sich das vorgestellt hat – und ich finde die Seite jetzt auch optisch nicht mehr so schön und ein bisschen labyrinthisch – aber die Konsequenz ist eben, dass die Redaktion jetzt mit etwas weniger Hype im Rücken weitermacht. Portalleiter Hanno Terbuyken: “evangelisch.de ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir sind ein Teil des Angebots, ein Knotenpunkt im Verbund christlicher Websites im Netz. Und wir haben einen klaren publizistischen Auftrag und daran hat sich nichts geändert.”

Ich mochte diesen Gedanken eigentlich: Dass man jetzt vernetzter denkt und auch auf der Leitungsebene nicht mehr so stark wie am Anfang der Meinung ist, man hätte jetzt den endgültigen Schlüssel dazu gefunden, wie evangelische Kirche im Netz funktioniert. Und Hanno Terbuyken hat mir dennoch glaubhaft versichert, dass er mit dem, was evangelisch.de im Moment produziert, sehr zufrieden ist.

Ich musste da ein bisschen an den “Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies” denken, ein Index, auf dem jedes Jahr aufgezeichnet wird, wo sich entstehende Technologien gerade auf ihrem Erwartungshorizont befinden – und der beginnt eben immer mit einem großen Hype voller zu großer Erwartungen, stürzt dann ab in ein Tal der Desillusionierung (das hatte evangelisch.de vielleicht letztes Jahr) und bewegt sich dann aber stetig auf ein produktives Plateau zu. Es bleibt zu hoffen, das evangelisch.de jetzt auf dem besten Weg dahin ist.

Wenn man jetzt die Zahlen vom Anfang alle mal addiert – ich nehme jetzt mal die Facebook-Zahlen aller Landeskirchen, der EKD und von evangelisch.de – dann kommt dabei eine Zahl knapp unter 8000 heraus. Das ist also die Zahl der Leute, die die offiziellen Facebookseiten der evangelischen Kirche erreicht. Die eigentliche Zahl ist natürlich niedriger, da davon auszugehen ist, dass viele Leute mehrere dieser Seiten geliket haben. Auch die Werke fehlen jetzt in dieser Summe, aber zu denen passt das Motto “I like evangelisch” auch nicht besonders gut, denn ich möchte wetten, das ein Großteil der Bevölkerung weder “Brot für die Welt” noch die “Diakonie” direkt mit der evangelischen Kirche in Verbindung setzt.

Auf Augenhöhe

Vergleichen wir dazu eine Seite namens „evangelisch im Facebook“. Die hat fast halb so viele Fans wie alle anderen zusammen, stammt aber nicht aus einem offiziellen Kanal. Andererseits hat sie die Kurz-URL facebook.com/evangelisch – dort passt also das Vortragsthema am besten. Und dort, soweit ich das beobachten kann, passiert, was auf den meisten anderen Seiten nicht passiert. Bis zu sechs mal am Tag wird ein Impuls gepostet, manchmal ernst, manchmal witzig, und dann wird das weitergegeben und diskutiert – natürlich auch nicht immer nur gut und auch hier treiben sich viele von den Menschen herum, die für die Kirche nach außen hin natürlich nicht gerade das beste Bild abgeben. Aber – hier ist ein echtes soziales Medium am Start. Hier findet so etwas ähnliches wie Gemeinde statt.

Gemacht wird das ganze – das hat im StudiVZ (der ein oder andere erinnert sich noch) angefangen und ist dann auf Facebook umgezogen – von drei Mitgliedern der Evangelischen Studierendengemeinde Stuttgart, Stefan Hartelt, Contanze Borchert und Astrid Lowien. Die drei investieren ehrenamtlich jeder etwa 90 Minuten am Tag, um diese Seite zu pflegen und sich neue Impulse einfallen zu lassen. Und obwohl Stefan Hartelt auch in der Web 2.0-AG der Württembergischen Landeskirche sitzt, bekommen die drei nur ganz verhaltenen Rückhalt von offizieller Seite.

Ich habe sie gefragt, ob sie sich in Konkurrenz zu evangelisch.de sehen. Und als Antwort habe ich von Stefan Harrtest bekommen: “Wir fragen uns immer: wie können wir so professionell sein wie evangelisch.de?” Die drei sind also auch sehr bescheiden, sehen die Profis eher als Vorbild – obwohl sie als Amateure eigentlich viel erfolgreicher sind – und, wie sie erzählen, auch sehr wenig Probleme mit Pöblern haben, und noch nie jemanden sperren oder einen Beitrag löschen mussten, also weitgehend in Frieden gelassen werden.

Ich habe mich gefragt – das ist nur eine These – dass es vielleicht gerade dieses amateurhafte auf Augenhöhe ist, was die Leute zu dieser Seite zieht. Dass sie eben hier nicht Informationen von Profis durchgereicht bekommen. Vielleicht funktionieren Social Networks – zumindest in solchen so privaten und emotionalen Bereichen wie Kirche und Glauben – einfach so, oder zumindest: auch so.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag hat natürlich auch noch eine sehr erfolgreiche Facebookseite (und auch einen Twitterkanal mit 1200 Followern, da ist evangelisch.de erfolgreicher). Die betreue ich inzwischen natürlich nicht mehr, das macht jetzt meine Nachfolgerin Silke Roß. Wir hatten den Vorteil, dass dort scheinbar eine Meute von Leuten auf uns wartete, die nur noch abgeholt werden musste. Denn im Gegensatz zu den Kirchen, wo ja viele Leute Mitglied sind, aber nur wenige wirklich aktive Mitglieder, sind die Kirchentags-Teilnehmer ja fast alle sehr involvierte Menschen.

Das Nicht-Geheimnis des Kirchentages

Das interessante ist, dass ich seitdem, also seit diese Facebookseite und auch der Twitterkanal für evangelische Verhältnisse so erfolgreich ist, das heißt: seit Frühjahr 2011, schon mehrmals zu ähnlichen Veranstaltungen wie dieser hier eingeladen worden bin, um darüber zu reden, wie wir das gemacht haben. Und ich erzähle dann immer, was wir, dass wir versucht haben, uns auf die Vorfreude zu konzentrieren, damit wir die zwei Jahre zwischen den Kirchentagen überbrücken können. Dass wir einen lockeren, persönlichen, aber nicht flapsigen Ton gewählt haben. Und dass wir versucht haben, auf alles zu reagieren, was uns an Fragen und Kommentaren entgegen kam. Und irgendwie hat das geklappt.

Das heißt: die einzige Social-Media-Expertise, die da eigentlich reingegangen ist, ist meine private Erfahrung im Social Web vor diesem Job, die Berichterstattung darüber, die ich als Medienjournalist leisten durfte, und die Bereitschaft, das Medium und seine Nutzer ernst zu nehmen, nicht nur als Verbreitungskanal, sondern als Plattform. Und kurz nach dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden hatten wir dann plötzlich die 10.000er-Marke überschritten.

Ich habe auch Gespräche geführt mit Werbern und anderen Medienmenschen, denen das alles viel zu konservativ war: zu wenig Provokation, zu wenig viral, nicht spektakulär genug. Aber ich habe immer gedacht, dass die Internetweisheiten, die für Unternehmen gelten, in diesem speziellen Umfeld nicht immer das Richtige sind. Und ob das stimmt oder nicht, dafür sind Sie ja hier, um das zu diskutieren.

In eigener Sache: Onlineredaktion des Katholikentags in Mannheim

Die kommende Woche werde ich zu großen Teilen in Mannheim verbringen. Basierend auf meiner Erfahrung als Leiter der Onlineredaktion des evangelischen Kirchentags in Dresden letztes Jahr hat mich die kleinere (dafür aber ältere) Schwesterveranstaltung der Katholiken gefragt, ob ich nicht auch dieses Jahr in der Onlineredaktion mithelfen möchte. Ich habe gerne zugesagt.

Seit dem evangelischen Kirchentag in Bremen 2009 und erst recht seit dem ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat sich in den Onlineredaktionen der Veranstaltungen eine angenehme, ökumenische Kontinuität ergeben, von denen alle Beteiligten profitieren. Stipendiaten und Volontäre des katholischen IFP waren, nach den guten Erfahrungen in München, im vergangenen Jahr Teil der Redaktion des evangelischen Kirchentages. Und dieses Jahr in Mannheim halten ich und meine Kollegin vom nächsten Kirchentag in Hamburg in Mannheim die ökumenische Flagge hoch. Der traditionelle Kooperationspartner des Kirchentages, die evangelische Journalistenschule in Berlin, hat es leider nicht nach Mannheim geschafft. Dafür ist das Medienkolleg Innsbruck wieder mit von der Partie.

Ich freue mich darauf, wieder in einer multimedialen Desk-Redaktion mit netten Kollegen zu arbeiten und bin gespannt auf die Ergebnisse. Die kann man dann ab Mittwoch auf katholikentag.de sehen.

In eigener Sache: Onlineredaktion von kirchentag.de

Heute mittag um 12 Uhr beginnt das bisher größte journalistische Projekt meiner beruflichen Laufbahn. Ich leite die Onlineredaktion, die über den 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden berichten wird. Diese besteht aus rund 30 Schülern von drei verschiedenen Journalistenschulen und acht ehrenamtlichen Redakteuren, die das ganze im Griff halten sollen. Wir haben eine eigene Agentur, die Nachrichtenredaktion des Kirchentages, mit der wir auch direkt zusammenarbeiten, und wir haben die Möglichkeit, in unserer Online-Berichterstattung alles zu machen, was wir wollen.

Das Ergebnis kann man ab heute Nachmittag auf www.kirchentag.de studieren.

P.S.: Und wie es sich anfühlt, zitiert zu werden, ohne ein Interview gegeben zu haben, zeigte mir der Artikel von DNN online gestern, in dem einer meiner Tweets zitiert wurde.

Nachtrag, 6. Juni: Hier stellt sich die Redaktion vor.

Auf der Datenautobahn

Blogger sein ist ja mehr so meine Superhelden-Identität. Im Hauptberuf bin ich derzeit Internetredakteur für den 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. In dieser Funktion wurde ich gestern in einem Artikel von dpa, den die “Dresdner Neuesten Nachrichten” in ihr Online-Angebot übernahmen erwähnt. Dort heißt es:

Je näher der Kirchentag rückt, umso präsenter wird er auch in der Öffentlichkeit. „Das deutsche und internationale Interesse wächst“, sagt [Pressereferent Hubertus] Grass. Dies zeige sich auch im Internet . „Mehr als 2300 Freunde bei Facebook , fast 500 Follower bei Twitter und zahlreiche Freunde bei VZ “, zeigt Alexander Gajic (27) auf den großen Bildschirm auf seinem Schreibtisch. Dafür zwitschert und bloggt der „Mann auf der Datenautobahn“.

Als ich diese Titulierung meines Berufs las, musste ich doch deutlich schlucken. “Datenautobahn” – dass man diesen Begriff im heutigen Zeitalter als Journalist noch ungestraft verwenden darf, verwunderte mich doch sehr.

Selbst der dazugehörige Wikipedia-Eintrag führt auf, dass der Begriff immer schon, auch in den 1990ern, als er geprägt wurde, als “falsche Metapher” kritisiert wurde, weil er Ordnung statt Freiheit suggerierte. Inzwischen aber könnte doch das Bild des Internets als “Autobahn” gar nicht mehr falscher sein. In einer Zeit, in der das Netz so groß geworden ist, dass man sich kaum einigen kann, wie man es quantifizieren soll, lässt mich das Wort Datenautobahn eigentlich nur noch an Neal Stephensons frühe Vision des “Metaverse” als kreisförmige Straße mit Gebäuden am Straßenrand in Snow Crash denken.

Ich finde, dass hier immer wieder klar wird, dass der gesamte Ursprungsgeist des World Wide Web im Hypertext – eine kaum überschaubare Anzahl von einzelnen Elementen, die unendlich verstrickt sind, weil sie beliebig aufeinander verweisen können und bei denen der Weg von A nach B immer nur einen Link-Klick entfernt ist – bei ziemlich vielen Menschen immer noch nicht angekommen ist. Schade eigentlich.