Journalistische Arbeit als Podcast-Plotpunkt

Symbolbild: Mit diesem Mikrofon wird sicher niemand etwas aufnehmen, denn es ist nicht eingesteckt. (Chris Engelsma, CC-BY 3.0)

Der neueste Podcast aus dem Hause Serial/New York Times heißt The Trojan Horse Affair. Darin spüren zwei Journalisten einem Brief nach, der Anfang der 2010er Jahre erst in Birmingham und anschließend in ganz Großbritannien für Debatten und später sogar politische Maßnahmen sorgte, weil er angebliche Pläne aufzeigte, Schulen in der Stadt gezielt zu islamisieren. In The Trojan Horse Affair geht es darum, wer diesen Brief geschrieben hat, und warum.

Doch es geht noch um mehr. Der Podcast hat einen richtiggehenden B-Plot, der nicht nach außen, sondern nach innen gekehrt ist. The Trojan Horse Affair ist auch eine Art Buddy Movie über zwei Journalisten – der eine älter, weiß, erfahren (Brian Reed, S-Town), der andere, Hamza Syed, jünger, frisch auf der Journalistenschule und brown. (Hier reden die beiden darüber.) Gemeinsam loten sie aus, was Journalismus leisten sollte und darf, wann das Ergebnis einer Recherche befriedigend ist und wann nicht. Die Gespräche darüber machen einen erheblichen Teil des Podcasts aus. Sie lassen gleichzeitig die Arbeit transparent werden und sie sorgen für einen zweiten, inneren Konflikt zusätzlich zum äußeren, wie aus dem Drehbuch-Lehrbuch. (Wie Willa Paskin im Slate Culture Gabfest festgestellt hat, endet er wie viele Podcasts dieser Art außerdem auf einer Art konstruktivistischer “Was ist eigentlich Wahrheit?”-Note, aber das nur am Rande.)

The Trojan Horse Affair ist nicht der erste Serial-Podcast, der seine eigene Arbeit zum Thema macht. Schon im ursprünglichen Serial ging es genauso um die Arbeit von Sarah Koenig und ihrer Producerin Julie Snyder wie um den Mord, in dem die beiden herumwühlten. Und schon damals machte diese Transparenz einen Teil des Appeals aus. Das Problem bei Trojan Horse: Es werden gerade Vorwürfe laut, dass die Journalisten eben nicht transparent genug gewesen seien. Die Darstellung ihrer Recherche stütze einseitig ihre Thesen, lasse manche Interviewpartner zu leicht davonkommen und gehe mit anderen zu hart ins Gericht. Dieser Artikel in “Vulture” fasst die ganze Debatte ganz gut zusammen, gibt den Autoren Raum für Reaktion und vermutet vor allem einen konservativen Backlash, aber eine kritische Frage finde ich berechtigt: Hätte es diese Debatte überhaupt gegeben, wenn Syed und Reed ihre eigene Arbeit nicht so plotdienlich thematisiert (und dadurch auch erzählerisch sortiert) hätten?

Ich finde es grundsätzlich gut, wenn Podcasts auch von ihrer Recherche erzählen, denn ich bin Medienjournalist und Journalismus-Nerd und manchmal interessiert mich fast mehr, wie ein Medium entsteht als was es enthält. Die Art, wie diese Entstehung erzählt wird, macht aber viel aus. In 11 Leben berichtet Max-Jacob Ost, dass er erst nach dem Treffen mit einem Dramaturgen auf die Idee kam, seine eigene Arbeit am Podcast und die Frage “Gelingt es mir, ein Interview mit Uli Hoeneß zu ergattern?” zum B-Plot des Projekts zu machen, der aber durchaus zur Unterhaltung und zum Spannungsbogen beiträgt. Er sorgt für Ereignis-Highlights wie einem zufälligen Treffen an der Kühltheke im Supermarkt und er lässt das Ende deutlich befriedigender erscheinen. Aber es ist schwer zu sagen, ob diese eigene Reise vollständig oder nur plotdientlich erzählt wurde.

Andere, insbesondere investigative Podcasts, erzählen ebenfalls von ihrer Arbeit, schaffen es aber nicht immer, diese als Teil des Spannungsbogens zu verkaufen, sondern sie einfach nur wie ein bisschen Flexing um die Recherche aufregender erscheinen zu lassen. In meiner Kritik zum Podcast Just Love für epd medien habe ich das so beschrieben:

Wir haben das aufgedeckt, heißt es, und dafür haben wir einen enormen Aufwand betrieben. Es folgt (…) eine Aufzählung dieses Aufwandes – Recherchen, Interviews, Akteneinsichten – als müsse man ganz zu Anfang nicht nur die Zuhörenden von der Qualität der Ergebnisse überzeugen (über die dieser Aufwand natürlich wenig aussagt (…)), sondern auch den Verantwortlichen im Verlag oder Sender erklären, wo ihr Geld geblieben ist.

Trommeln gehört zum Handwerk und Konventionen zum Genre, aber es wäre schon manchmal angenehm, wenn Reportagen ohne dieses Gebelle auskommen würden. Das gilt vor allem, wenn sie wie „Just Love“ (…) gar nicht so schrecklich viel Neues aufdecken. Was nicht schlimm ist. Enthüllung muss nicht immer das Ziel einer guten Podcast-Reportage sein. Es kann ein großer oder sogar größerer Wert sein, existierende oder bekannte Fäden zusammenzuführen und zu einem Gesamtnarrativ zu verdichten. „Just Love“ gelingt das am Ende sogar, aber bis die Hörenden sich dahin vorgekämpft haben, müssen sie sehr viel performative Recherchearbeit über sich ergehen lassen.

Diese Art von “performativer Recherchearbeit” finde ich die Kehrseite der inzwischen anscheinend etablierten Weisheit, das man den Journalismus auch zum Thema machen sollte. Als Hörende erfahren wir dabei wenig bis nichts über die Menschen, die den Podcast machen, über ihre Motivationen oder über die Sackgassen, die ihre Recherche genommen hat. Es bleibt nur die, wie es Carina und Sandro Schroeder in ihrem neuen Podcast Ohrensessel ausdrücken, “Breitbeinigkeit”. Die Schroeders nennen als weiteres Positivbeispiel den Podcast Narcoland der “Aachener Zeitung”, in dem der Journalist sich ebenfalls zur Hauptfigur macht, den ich aber noch nicht gehört habe.

Bei der FYEO-SZ-Koproduktion Going to Ibiza – Österreich und die Korruption war ich im Herbst 2020 auch ganz angetan von der Aufbereitung der eigenen Recherche. Von den zwei Hosts qualifiziert sich die eine, Leila Al-Serori, dadurch, dass sie selbst Teil des Rechercheteams war, und der andere, Vinzent-Vitus Leitgeb, dadurch, dass er wie Al-Serori österreichische Staatsbürgerschaft hat. Wie wichtig diese Beziehung der Hosts zum Thema sein kann beschreiben die Schroeders in Ohrensessel wenn sie über die neuere SZ-Produktion Suisse Secrets sprechen – dort hostet ebenfalls Leitgeb, er hat aber mit der Recherche nichts mehr zu tun und wird zum unbeteiligten Erzähler.

Etwas unentschieden war ich in meiner Betrachtung von Sneakerjagd, dem Podcast zu einer Recherche des Startups Flip. Hier hat die Recherchemethode, GPS-Sender in gebrauchten Turnschuhen, um nachzuvollziehen, ob diese recycelt werden, fast schon Gimmick-Charakter. Sie visualisiert Erkenntnisse, die Branchen-Insidern vermutlich zu großen Teilen bekannt waren, erlaubt den Journalist*innen aber, daran eine Verfolgungsjagd-Erzählung aufzuhängen.

Wie gut ihnen diese Erzählung gelingt, ist dann aber trotzdem noch einmal eine andere Frage. Sneakerjagd wurde für mich deutlich besser, als er zum Schluss in einen relativ klassischen Feature-Modus zurückkehrte und nicht mehr seinen Autoren um die Welt folgt. Eventuell muss man sich halt doch entscheiden: Was brauchen die Hörenden in diesem Moment? Will ich Informationen vermitteln oder will ich etwas erzählen? Und wenn Letzteres der Fall ist, habe ich überhaupt etwas Interessantes zu erzählen?

2 thoughts on “Journalistische Arbeit als Podcast-Plotpunkt”

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *