Hyperantrieb

Andy Newman, der Autor des “About”-Artikels bei “The Local”, nennt sein Projekt liebevoll “unser großes kleines Experiment”. Er schreibt: “The Local wird ein ruhmreicher, wenn auch kakophoner Chor eurer Stimmen sein, die das Lied des Lebens in diesen erstaunlich abwechslungsreichen und lebhaften Vierteln singen.”

Eine großspurig anmutende Prophezeiung, die man aber nicht vollständig als Spinnerei abtun sollte. Mit den “Local”-Blogs, eins für die kulturell vielfältigen Bezirke Fort Greene und Clinton Hill im New Yorker Stadtteil Brooklyn und eins für die drei Bezirke Maplewood, Millburn und South Orange auf der anderen Seite des Hudson River in New Jersey, hat die altehrwürdige “New York Times” zwei mutige Schritte gleichzeitig in die vernetzte Zukunft gemacht. Weiterlesen…

erschienen in epd medien 92/09

Kreative Zeichensetzung mit Radio Energy

Eben erreicht mich eine Pressemitteilung mit der Überschrift “Detlef D! Soost äußert sich erstmals zu Sidos Anschuldigungen im ENERGY Berlin Interview”. Hui, hab ich mir gedacht. Da geht’s heiß her bei den Topjurys der Republik.

Nach dem Lesen der ganzen Meldung weiß ich auch, was vorgefallen ist. Sido hat in der “Bravo” über D! gesagt: “Er ist ein Vollidiot und privat genauso abgebrüht wie in der Sendung”. Hammer!

Interessant ist, was D! laut dem Radiosender Energy dem entgegnet:

“Also das ist jetzt das einzige Mal, wo ich sarkastisch werde, wenn mir 20 Jahre nach dem Mauerfall zum Jubiläum, erst einfällt, nur weil meine Single vom Osten handelt, das ich ja eigentlich aus dem Osten bin und erst später ins Märkische Viertel gekommen bin, spätestens mal dann muss ich sagen wie hoch ist die Glaubwürdigkeit Sido”, so Detlef D! Soost gegenüber ENERGY Berlin.

Ja, sprechen Sie ruhig mit: WAS?! Lesen Sie es nochmal. Jetzt klar? Mhm, das kommt dabei raus, wenn man wörtliche Äußerungen im Radio transkribiert und alle Zeichen außer dem Komma klemmen.

An anderen Stellen hätte dann vielleicht auch ein Komma ganz gut getan. Wobei, “die Glaubwürdigkeit Sido” ist vielleicht analog gebildet zu “das Leiden Jesu” – klingt ja auch ähnlich.

Worte zum Wochenende

Wenn nicht mehr die Inhalte, sondern die Links die Grundlage der Medienökonomie bilden (wie Jeff Jarvis behauptet), dann werden die Verlage in Zukunft Geld für Links verlangen. Und am Ende schickt jeder, der mit uns kommuniziert, eine Rechnung.

Wolfgang Michal , Carta
// Die innere Logik der Link-Ökonomie

Vielleicht ist das die gravierendste Veränderung, die der Journalismus in den letzten zehn Jahren mitgemacht hat: Seine Grundhaltung ist inzwischen eine andere, oder sagen wir besser, sie sollte es sein. Wenn man sich nicht gerade verzweifelt an die Überreste und Relikte analoger Tage klammert, dann sollte es inzwischen selbstverständlich sein, Journalismus nicht einfach nur als eine künftig irgendwie mehrkanalige Veranstaltung zu begreifen, bei der es auch dazu gehört zu twittern oder ein Edelprofil bei Facebook zu pflegen. Im Journalismus von heute hat sich nicht nur die Zahl der Kanäle verändert bzw. vervielfacht, sondern auch die Art und Weise, wie wir als Journalisten und Medienmacher mit unserem Publikum kommunizieren.

Christian Jakubetz , Jakblog
// 1999 – 2009

Das klingt nicht unmöglich zu wuppen, werte Herren!

Markus Beckedahl , Netzpolitik
// Warum die Verleger zum Internet einfach schweigen sollten

Es ist wie bei Hypochondern – kaum hustet ein Blogger, ziehen sich die anderen schon Schals um den Hals und legen sich zum Sterben hin.

Malte Welding , Netzeitung
// Das deutsche Problem

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004)

Ich weiß noch, dass ich aus dem Kino kam, nachdem ich Eternal Sunshine of the Spotless Mind gesehen habe, und wusste, dass ich gerade Zeuge der Vorführung eines perfekten Films gewesen war. Es gibt diese Filme, bei denen einfach alles stimmt, bei denen alle Aspekte des Filmemachens perfekt ineinander greifen — auf der visuellen, der schauspielerischen und der Story-Ebene. Diese Perfektion muss nicht unbedingt bedeuten, dass der Film einem auch gefällt, aber man kann nicht anders, als sich vor einer Meisterleistung zu verbeugen.

Eternal Sunshine kombiniert die Vorstellungskraft von zwei erstaunlichen Individuen der Noughties, Drehbuchautor Charlie Kaufmann und Regisseur Michel Gondry. Die zwei hatten vorher schon einen Film gemacht (den vergessbaren Human Nature) und sie haben später alleine Filme gemacht, aber bei Eternal Sunshine schien einfach alles zu klappen: Jim Carrey spielt seine beste ernste Rolle, Kate Winslet scheint wie ein Stern, in den Nebenrollen brillieren Kirsten Dunst, Tom Wilkinson und Mark Ruffalo, die Visuellen Effekte sind einfallsreich und nahtlos, die Musik von Jon Brion traumhaft.

Dazu kommt eine Geschichte, die jeden Menschen, der schon einmal über Liebe und Schicksal nachgedacht hat, packen muss. Können zwei Menschen füreinander geschaffen sein, gar zum ewigen Scheitern geschaffen?
Wachsen oder zerbrechen wir an unseren Erinnerungen? Und wieviel ist “wahre” Liebe wirklich wert? Solange diese Fragen weiter gestellt werden, wird Eternal Sunshine of the Spotless Mind seine Wirkung behalten.

Über Gondry-Kaufmann hinaus war 2004 vor allem ein gutes Jahr für erstaunlich gute Fortsetzungen. Spider-Man 2, mit Alfred Molina als Doc Ock, ist mit Abstand der Beste der Reihe (und The Incredibles nahm das ganze Genre gut auf die Schippe). Kill Bill Vol. 2 gab dem wahnwitzigen Schlachtfest aus Folge 1 plötzlich einen psychologischen Sinn und gefiel mir sehr gut. The Bourne Supremacy prägte deutlicher als sein Vorgänger einen neuen Typ von Actionfilm — die Häcksel-Action mit gebrochenem Held.

Phantastik mit guten Bildern würde ich als einen weiteren Trend des Jahres nennen, das definitiv zu meinen Lieblingsfilmjahren der Noughties gehört. Mit Hellboy und Harry Potter and the Prisoner of Azkaban adaptierten zwei mexikanische Regisseure, Guillermo del Toro und Alfonso Cuaron, fantastische Welten mit einem faszinierenden Gespür für Bild und Herz. Und Brad Silberling kochte in Lemony Snicket’s A Series of Unfortunate Events eine Suppe, die Tim Burton sicher auch gefallen hätte. Einer meiner Lieblingsfilme des Jahres wird allerdings wohl kaum in die Geschichte eingehen: Sky Captain and the World of Tomorrow gefiel mir mit seiner Pulp-Attitüde dennoch sehr gut.

Shaun of the Dead ist vielleicht die beste Komödie des Jahrzehnts, gerade weil sie ihr Parodieobjekt so ernst nimmt. Aber 2004 war auch das Jahr von Team America: World Police, dem wohl besten und bösesten Film über den neuen amerikanischen Post-9/11-Imperialismus-Traum. I Heart Huckabees hingegen geht von seiner Stimmung eher in eine ähnliche Richtung wie Eternal Sunshine.

Die Tatsache, dass ich die großen Oscar-Filme des Jahres, Million Dollar Baby und Finding Neverland beispielsweise, jetzt erst erwähne, zeigt, dass 2004 einfach ein verdammt gutes Jahr für Mainstream-Kino war, abseits der großen Gefühle. Der Oscar für Million Dollar Baby ist verdient — der Film war sehr gut — aber ich bezweifle, dass er in den Köpfen so lange überleben wird. Den Auslandsoscar gewann Alexandro Amenabars Mar Adentro, ebenfalls verdient (vor allem gegen den Untergang).

Dieser Beitrag ist Teil 5 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

FILMZ 09 – Planlos in der Wüste

Etwa dreiviertelvoll war das Kino am Mittwoch, als Kronos gezeigt wurde. Kronos ist Olav F. Wehlings Diplomfilm von der Filmakademie Baden-Württemberg, laut Etikett eine Reflektion über den griechischen Mythos des Titanen Kronos, der seine Schwester heiratete, seinen Vater kastrierte und seine Kinder fraß, in Wirklichkeit aber ein Film über Menschen, die durch die Wüste gehen und versuchen, dabei möglichst wenig zu reden und möglichst wirr zu handeln.

Kronos ist europäisch-prätentiöser Kunstblödsinn in Reinform. Das an sich ist noch kein wertendes Urteil, denn es gibt jede Menge ziemlich guten prätentiösen Kunstblödsinn aus Europa – l’Art pour l’Art ist durchaus ein erlaubtes Kriterium auch für Filmemacher. Bei Kronos sind dabei aber gerade noch Armin Franzens gut geschossenen Bilder der marokkanischen Wüste positiv erwähnenswert, leider erscheint aber der Rest des Films genauso flach wie die unwirklichen Hintergründe. Ein bisschen so, als hätte Lars von Trier sich eine Überdosis Pasolini gespritzt und wäre als Zombie wieder dem Grab entstiegen.

Um tiefgründig wirken zu wollen reicht es einfach nicht, Dialoge in Wackelkamera-Closeups mit einem „Was ist?“ beginnen zu lassen und darauf zehn Minuten Schweigen folgen zu lassen, und eine gutaussehende dunkelhaarige Hauptdarstellerin zu casten. Mit Kronos lässt sich vielmehr Kunstblödsinn-Bullshit-Bingo spielen: Tötungsszene mit Industrial-Soundtrack, check. Unangenehme Vergewaltigung, check. Bedeutungsschwangeres Cello-Solostück, check. Ein metaphorisch-verheißungsvoll gegrabener Brunnen wird zum Grab, check. Kronos fehlt die ansprechende Reflektionsebene, er stellt nur dar und so läuft alles irgendwie ins Leere und es bleibt am Ende nur Langeweile und ein arg verhaltener Pflichtapplaus des Publikums übrig. Dass der Film eine Koproduktion mit dem ZDF Theaterkanal und also entsprechend theatralisch ist, ist leider auch nur eine mangelhafte Erklärung dafür, dass die Figuren losgelöst von ihrem mythologischen Kontext seltsam motivations- und aussagelos bleiben.

Alexander Pohls Vorfilm Trickster, in dem ein Clown versucht, seinem kulturindustriellen Gefängnis zu entfliehen, war insofern vom FILMZ-Team gut programmiert: Der Film bietet schöne, eindrucksvolle, unheimliche Bilder, ist aber in seinen drei Permutationen doch irgendwie planlos. Das gab der sympathische Regisseur im Nachfilm-Gespräch mit den typischen Ausführungen eines Animationsstudenten eigentlich auch offen zu, als er von seinen vagen Inspirationen zwischen Beckett und der tragischen Figur des Clowns berichtete. Trickster lässt immerhin eine der Prätention des Films durchaus gerecht werdende „Cinema will eat itself“-Interpretation zu: Wenn ambitionierte Schauspieler für das gaffende Publikum zunehmend in kargen Motion-Capture und Green Screen Bühnen ins Leere agieren müssen und hinterher von der Traumfabrik zur Unkenntlichkeit aufgehübscht werden, bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als zum Gegenangriff überzugehen.

Derzeit findet in Mainz das FILMZ-Festival des deutschen Kinos statt. Dieser Beitrag erschien zuerst im FILMZ-Blog von Screenshot Online

Blick in die Kluft

Das Internet ist ein Imperator. Es teilt und herrscht. Der “Digital Divide”, die digitale Kluft, wie Fachleute den Problemkomplex nennen, schlägt sich in vielen Bereichen nieder: Ärmere Länder haben einen schlechteren Zugang zum Internet als reiche. Ältere Menschen tun sich schwerer damit, online zu brillieren als junge. Fraglich ist, ob die Wissenschaft mit der These recht hat, dass irgendwann abgehängt wird, wer sich der Herrschaft des Internets nicht unterwirft.

Immer wieder interessant zu beobachten ist, dass die Kluft zwischen den Liebhabern der digitalen Schönen Neuen Welt und ihren überzeugten Skeptikern auch unter Journalisten so deutlich ausgeprägt ist. Ein besonders gutes Feld für soziale Beobachtungen auf dem Gebiet sind Journalistentagungen wie die DJV-Veranstaltung “Besser Online” am vergangenen Wochenende. Weiterlesen…

Erschienen in epd medien 93/09

“A Wiki Approach to News” – Mary Ann Giordano about “The Local”

The “New York Times” started two local neighbourhood-blogs for Brooklyn and New Jersey in March, a project that made Jeff Jarvis proclaim that “a wall just fell”, because it openly includes and actively promotes citizen journalism. Eight months after the launch, I interviewed editor Mary Ann Giordano for an article about hyperlocal blogs I wrote for German journal epd medien. The full article is not online and it is in German, but this is the full (English) interview, which I thought might also be of interest.

How has The Local been received?

The Local has been very well received, by all journalistic measures. Our readership is high, our repeat readership is very healthy, we draw many comments on our posts and we seem to have a loyal following of readers who see us — rightly — as a prime source for community news. But a better way to measure our success is to see how many posts are written, reported or tipped off by readers — community members who volunteer to write, report, shoot video, take photos or all of the above, because they are excited about The Local and they are interested in their communities. By our recent assessment, a solid 40 percent (and more) of our first 1,000 posts (we reached that milestone for both blogs around early October) were contributed wholly by members of the community. By my loose calculation, another 30 to 40 percent of the posts that our reporters or interns reported and wrote were inspired by readers’ tips or conversations in the comments. So we are well on our way to our goal to create community blogs, “covered by you and for you,” though there is much more that we can, and will, do.

What is the feedback from the people and the possible advertisers from the communities the two blogs cover?

The feedback from readers is largely good. We heard some criticism before we actually started the blogs, from people who were resentful that their communities were being “invaded” by the “mainstream media” institution of The New York Times. But that virtually disappeared. Readers sometimes don’t like what we write, or ask for some different things — more news seems to be the message we are getting in both Brooklyn and New Jersey — but they are largely complimentary of the sites. And, particularly in Brooklyn, they seem to turn to us immediately after the whiff of hard news in their neighborhoods (crime, a building collapse, the election).

However, we have garnered virtually no local advertising, mostly because we have not made much effort to get it. The business side of The New York Times has a wait-and-see attitude toward hyperlocal, which is probably very wise in this depressed economy when it takes effort just maintaining the advertising we already have. Some local businesses have reached out to us to place ads, and perhaps in the new year there will be more efforts to tap into this source of revenue. But for now, that has not been one of our measures of success.

Do people regularly become citizen journalists for you now? Or do they mostly point you towards important issues?

Both — see above. We have no shortage of content from the communities, much of it quite good. But we also get a lot of people pointing our staff reporters and interns towards stories and waiting to be delivered the news. Our response, more and more lately, is — “you tell US. What is going on outside your window? What do the police on the ground say? What happened at that community meeting?” And more and more they are coming back to us with quotes or photos or tips that find their way into posts.

What does your daily work look like? How does it differ from the work of classic print journalists? What were/are the reactions from the rest of the NYT?

The Local consists of two reporters: Tina Kelley, in Millburn, South Orange and Maplewood (where she lives), New Jersey; and Andy Newman in Fort Greene-Clinton Hill, Brooklyn. They start early in the morning, covering news, reporting stories, aggregating and curating content from other sites, supervising interns and recruiting local contributors who they then work with to produce posts. I supervise, direct, edit and read every single post before it is published, and also work directly with contributors and interns on their posts. The day is long — we are often up late, publishing breaking news or getting up late posts or using the relative quiet to plan and organize. And we are “on deadline” all the time. But we publish very sparingly on weekends, so do have those two days of rest. We communicate almost exclusively by e-mail or G-chat; except when we have meetings, we rarely talk. Since we each work independently, in different places, we miss out on the camaraderie and sociability of the newsroom, but such is the life of the lonely blogger! I think the greater newsroom has curiosity and interest in what we are doing, and we hope to include them more as the endeavor goes forward. The top management of the news organization is solidly behind our efforts. Eventually, the lessons we learn about collaborative journalism can be — and will be — incorporated into the greater newsroom, but first we will continue to test them in the laboratory we call “The Local.”

Do you think you will be making money eventually?

I sure hope so. A lot of people smarter than me think there will eventually be a pot of gold at the end of the hyperlocal rainbow — by some estimates $100 billion to be shared by local news sites/bloggers (by the way, we are best described as a news blog, because our main purpose is to impart real information and news, not opinion or ruminations). But for now our prime benefits are journalistic, as we explore this type of coverage and hone the techniques that go into it.

Is this an experiment, or is it the future of journalism? What do you think?

I think — and I only feel comfortable speaking for myself — that it is the future of journalism. Nothing will replace trained, professional journalists; although critics won’t admit it, I think that has been proven over and over again, with the best blog fodder still coming from news organizations that employ paid journalists and produce classic investigative and news reports. We believe the reason that our sites rise above many others is that we have experienced and talented journalists at the helm. But, overall, the old pull-up-the-drawbridge-and-issue-edicts approach is largely past. Instead, I believe that there will be a wiki approach to news, where we invite people into every aspect of the process while we supervise, guide and enhance the coverage. In the end, we think this will build a better report — and it already does: a published post with comments, corrections, updates and overall reader/community involvement can result in more precise journalism. That, in turn, builds reader trust. And that will, in the long run, save journalism, rather than kill it, I believe.

Follow Me On Twitter

Nachdem mir auf der DJV-Veranstaltung “Besser Online” wieder einmal so überzeugend von Twitter vorgeschwärmt wurde, kann ich jetzt auch nicht mehr anders. @alexgajic ist ab sofort live.

Ich werde mich noch “reingrooven” müssen, wie Moderator Peter Jebsen das auf dem Podium ausdrückte. Ich weiß noch nicht, wie ich Twitter nutzen will und wie oft, werde aber darüber berichten – und genau wie sich dieses Blog im Laufe von neun Monaten seiner wahren Bestimmung immer noch nur langsam nähert (mehr dazu zu Anfang des nächsten Jahres), wird hoffentlich auch mein Twitteraccount eine Bestimmung finden. Und wenn nicht, dann wird er halt gelöscht.

Worte zum Wochenende

Google trägt einen erheblichen Anteil daran, dass Medien die Klammer um ihre Inhalte verlieren. (…) In einer Zeitung kann ja auch mal ein schwacher Artikel stehen, der schadet nicht unmittelbar dem Gesamtprodukt. Im Netz müssen Medien mit jedem Stück, das dort draußen weitergereicht wird oder über Suchmaschinen zu finden ist, ihr Markenversprechen einlösen.

Björn Sievers , Carta
// Google und die Medien – ein paar Gedanken und Thesen

Ich gebe zu, es gibt nur wenig Schönes dieser Tage. Aber ich mache das einfach wie Tom Buhrow, der, egal welche Hiobsbotschaft er verbreiten muss, breit grinst wie ein bekifftes Milchbrötchen.

Silke Burmester , taz
// Wenn Kinder quengeln, verbünden sich die Papis

At its heart, in a chair, is NERO, a ruthless baddy who not only indirectly killed KIRK’s dad, but also dragged SPOCK through a time portal and made him look like Leonard Nimoy.

Paul McInnes , The Guardian
// Star Trek: boldly going where no hot young body has gone before

Wenn ich heute irgendwo einkaufen gehe, schaue ich mir zwar gerne die Dekoration des Ladens an, rechne aber jetzt nicht gleich nach, was sie gekostet haben könnte, um danach sofort zu beginnen, den armen Inhaber zu bedauern. Natürlich ist Journalismus kein Süßigkeitenladen, dennoch: der ökonomische Vorgang ist erst einmal der gleiche, spätestens dann, wenn es ums Bezahlen geht.

Christian Jakubetz , JakBlog
// Denken hilft zwar…

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Finding Nemo (2003)

2003 schaffte es zum ersten Mal in diesem Jahrzehnt ein Animationsfilm an die Spitze meiner Jahrescharts. Und vermutlich würde ich ihn jederzeit wieder dorthin setzen, denn Finding Nemo gehört bis heute zu den Filmen, die ich am häufigsten gesehen habe – nicht ohne Grund. Der Film ist ein Powerhouse an Witz, Design und Story, wie es auch unter den besten Unterhaltungsfilmen selten ist.

Das war keinesfalls Liebe auf den ersten Blick. Ich glaube, erst beim dritten Sehdurchgang hatte ich den Film so richtig ins Herz geschlossen. Weil ich immer noch, oder sogar noch mehr, über die Gags lachen konnte und weil ich immer noch narrative Details entdeckte, die mich beim ersten Sehen einfach erschlagen hatten. Die ganzen Anspielungen auf australische Stereotypen beispielsweise; die Ansammlung von psychischen Problemfällen im Aquarium von P. Sherman (42 Wallaby Way, Sydney); die vielen kleinen brillanten Ideen in der Gestaltung von Nebencharakteren und in der Ausschöpfung der Unterwasserwelt.

Die einfache Geschichte von einem kleinen Clownfisch, der entführt wird und von seinem überängstlichen Vater gesucht wird, springt dabei über so viele Steine, dass es eine reine Freude ist. Im klassischer Questenmanier bekommt Vater Marlin einen Helfer zur Seite und roadmoviet sich von Station zu Station: Scharadige Schwarmfische, Quallenwald, Schildkröten, Wal, Pelikane. Währenddessen hat der im Aquarium gelandete Nemo ganz andere Probleme: Er muss verantwortliches Handeln lernen und einem tödlichen Schicksal entrinnen. Das ganze kulminiert im vielleicht einzigen etwas zu kitschigen Moment des ganzen Films – wenn dann eigentlich alle vereint sind, es aber noch eine letzte Hürde zu nehmen gilt und das gelernte angewendet werden muss. Zum Glück folgt dann kurz darauf der Epilog, der zur alten Leichtigkeit zurückfindet.

Finding Nemo hat als erster Pixar-Oscarpreisträger bisher seinen Fisch gestanden. Trotz seiner vielen Abschweifungen in der Story, hält alles zusammen – ist nicht so zerfasert wie die beiden Brad Bird-Werke The Incredibles und Ratatouille. Und ebenso wie das spätere Stanton-Werk Wall*E kommt Nemo eigentlich ohne Bösewicht aus. Der Antrieb der Figuren, den Plot voran zu treiben, stammt aus ihnen selbst.

2003 war natürlich auch das Jahr in dem ein Film, zumindest in der Award Season, alles überschattete. Der Abschluss der Lord of the Rings-Trilogie, The Return of the King hat zwar von den drei Filmen den meisten emotionalen Oomph, besteht aber gleichzeitig zu großen Teilen (wie schon The Two Towers) aus Kampfspektakel und FrodoSamGollum, die sich durch die Wüstenei schleppen. Das kann auf drei Stunden gesehen dann auch irgendwann ein bisschen anstrengen.

Und 2003 war auch ein gutes Jahr für kleinere Filme, die immer noch in meinem Gedächtnis sitzen. Elephant zum Beispiel, von Gus van Sant. Oder Herr Lehmann, mit Detlev Buck und Christian Ulmen wohl die perfekte Bebilderung von Sven Regeners kratzigem Roman. Lost in Translation, allerdings, der Indie-Hit des Jahres ist auch bei wiederholtem Sehen nicht wirklich an mich gegangen. Im Gegensatz zu 21 Grams – denn damals war das Inarritu-Prinzip noch nicht so ausgelutscht. Auch Dogville gehört mit seiner Zerstörung der Illusionskunst des Films zu den besten Filmen des Jahres. Kill Bill Volume 1 wiederum nicht – hier ist die Gewalt noch zu sinnlos und gewinnt erst durch die Vollendung der Saga einen Sinn.

Außerdem gab es noch die Fortzsetzungen der Matrix. Aber sich darüber zu beschweren, könnte ein eigenes Blog füllen.

Dieser Beitrag ist Teil 4 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme