Film Blog Adventskalender – 4 – Karsten von “Red Herring”

Wenn mich meine Kindheit eins gelehrt hat, ist es, dass lange Ansprachen vor der Vergabe von Geschenken selten auf großen Beifall treffen. In diesem Sinne versuche ich diese Vorstellung kurz zu halten:

Was wir auf unserem YouTube-Kanal veranstalten, könnte man als „Pauline Kael trifft Beavis & Butthead“ bezeichnen. Mit anderen Worten: extrem subjektive Filmkritik in Form von kleinen Videos mit ein wenig Fachwissen und einem Hang zur Albernheit. Das Projekt steckt noch in seiner Adoleszenzphase, wird aber im Laufe der Zeit über den Horizont der Filmkritik hinausblicken und versuchen auch Unterhaltsames und Wissenswertes aus der Filmgeschichte mit bewegten Strichmännchen zu illustrieren.

Aber jetzt zum wichtigen Teil: Wer nichts Selbstkreiertes zu verschenken hat, dem sei Jane Campions Miniserie Top of the Lake als Geschenkidee ans Herz gelegt. Und natürlich Herring-Kopf Lollipops! You know, for Kids! Frohe Feiertage wünschen David, Rune und Karsten.

(Karsten Munt)

Film Blog Adventskalender – 3 – Marco von “Filmforum Bremen”

Ich bin Marco aus Bremen, Filmenthusiast und Zwillingspapa, Blogger und Berufspendler. Gerade letztere Kombination kommt mir in letzter Zeit sehr zu Gute, da nach der Geburt unserer Kinder mein Zeitbudget empfindlich geschrumpft ist. Im Zug von Bremen nach Hamburg und zurück finde ich aber immer noch etwas Zeit, um meine Artikel ins Notebook zu hacken. Neben der Bloggerei kuratiere ich noch zusammen mit einem Bekannten im Bremer Kommunalkino City 46 die Filmreihe “Weird Xperience“, in der wir jeden Monat einen etwas abseitigeren Film zeigen, immer im Wechsel einen aktuellen und einen Klassiker auf 35mm. Meine persönliche Highlights waren dabei zwei wunderschöne Kopien von Woodoo – Schreckensinsel der Zombies und erst kürzlich Sie tötete in Ekstase. Ferner bin ich noch im Orga-Team des Bremer Phantastivals, welches einmal im Jahr stattfindet. Und wenn es mir meine knappe Zeit noch erlaubt, treibe ich mich gerne im Forum Deliria Italiano herum, welches mir zur zweiten Heimat geworden ist.

Meinen Blog “Filmforum Bremen” führe ich nun schon seit fünf Jahren. Wie der Name „Filmforum“ schon andeutet, war das zunächst alles ganz anders geplant, als es dann gekommen ist. Meine ursprüngliche Intention war es, eine Plattform für Filmfans aus Bremen und Umzu anzubieten, wo man sich über Filme, aber auch Veranstaltungen oder Ereignisse austauschen kann, sowie die Möglichkeit hat, sich auch mal in einer größeren Gruppe zum gemeinsamen Filme gucken oder Klönen zu treffen. Der an das Forum angeschlossene Blog war zunächst nur dazu da, das Forum vorzustellen. Leider war die Resonanz mehr als spärlich. Daraufhin habe ich das Forum geschlossen und mich ab November 2008 ganz auf den Blog konzentriert. Auch da war mir zunächst der regionale Aspekt wichtig, denn ich wollte gerne Bremer Filmfans zusammenbringen. Doch leider scheint es in Bremen tatsächlich keine wirkliche Filmfanszene – wie ich sie z.B. aus Hamburg kenne – zu geben, was ich sehr schade finde.

In der Folgezeit kamen neben den regionalen, auch noch überregionale Themen dazu. Da sind an erster Stelle natürlich die Filmrezensionen zu nennen, aber auch Berichte von Festivals, die ich besucht habe, Interviews mit Leuten, deren Arbeit ich schätze, oder aber das sehr populäre „Das Bloggen der Anderen“. Ich versuche zwar die Wurzeln des Blogs nicht ganz aus den Augen zu verlieren, gestalte meinen Blog aber seit geraumer Zeit viel globaler und weitaus offener. Seit ich das tue, bekomme auch mehr Feedback von meinen Lesern (was mir wichtig ist) und bin mit anderen Bloggern in Kontakt gekommen.

Damit ist der Vorstellungsteil jetzt abgeschlossen, aber Alexander bat ja auch darum, ein Weihnachtsgeschenk zu empfehlen. Da würde ich den Bremern raten, eine Fördermitgliedschaft im Kommunalkino City 46 zu verschenken, da man dann für 100 Euro im Jahr freien Eintritt zu allen Filmen und sonstigen Veranstaltungen hat, sowie im Januar zur Verleihung des Bremer Filmpreises ins Rathaus eingeladen wird. Wer nicht aus Bremen oder Umzu kommt, für den wäre vielleicht ein Abo der wunderbaren, kleinen Publikation “SigiGötz Entertainment” genau das Richtige.

(Marco Koch)

Film Blog Adventskalender – 2 – Sonja von “Zeilenkino”

Im August dieses Jahres ist Elmore Leonard gestorben, einer der besten und einflussreichsten Kriminalschriftsteller der USA. Ohne ihn (und George Higgings) gäbe es womöglich die Dialogkaskaden in Tarantinos Filmen und ganz bestimmt seinen Jackie Brown nicht. Ohne ihn gäbe es vielleicht nicht den George Clooney, den wir heute kennen.

Es war die Verfilmung von Elmore Leonards „Out of Sight“, die den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Steven Soderbergh und George Clooney markierte und in dessen Folge dann Ocean’s Eleven entstand. Das Buch ist eine spannende, amüsante und bittere Räubergeschichte, der Film ist eine elegante und stilsichere Krimikomödie – und die nahezu perfekte Adaption eines Romans, die Eigenständigkeit und Nähe zum Autor vereint. Noch dazu gibt es kaum einen Autor, der besser zu mir und meinem Zeilenkino passt, in dem sich alles um die Schnittmengen von Filmen und Büchern sowie Kriminalliteratur dreht. Mein Geschenktipp in diesem Jahr ist daher „Out of Sight“ – das Buch und der Film.

(Sonja Hartl)

Drei Gedanken zu Guillermo del Toros Pacific Rim

Courtesy of Warner Bros. Pictures

Dies ist ein Gastbeitrag von meinem persönlichen Guillermo-del-Toro-Experten Martin Urschel. Ich mochte Pacific Rim aber auch.

Als ich den ersten Trailer zu Pacific Rim gesehen habe, war ich mir nicht sicher, ob das Experiment funktionieren würde, so eine Geschichte für ein internationales Massenpublikum zu erzählen: Riesige Mecha-Kampfmaschinen werden von Menschen aus allen Ecken der Welt in den Kampf gegen außerirdische Riesenungeheuer aus einer pazifischen Tiefseespalte geführt. Im Angesicht der Monster haben die Menschen in Pacific Rim ihre nationalen Zwistigkeiten beiseitegelegt. Ein friedvoller Schulterschluss der Nationen, um die gemeinsamen Probleme mit gebündelter Kraft anzugehen. Hier kämpfen die Menschen einmal zusammen gegen Monster, statt gegeneinander.

Diese enthusiastische und sympathische Grundidee liegt Guillermo del Toros neuem Film zugrunde. An den Kinokassen hatte der Film es schwer, nicht zuletzt weil er mutig war, wo die meisten großen Studio-Filme der letzten Jahre sich darauf verlegt haben, bereits etablierte Marken immer neu zu verwursten oder bekannte Bücher zu adaptieren. Stattdessen wählte del Toros Drehbuchautor Travis Beacham ein im Westen kaum bekanntes asiatisches Genre, um seine Geschichte zu erzählen.

1. Monster sind immer gut

Riesen-Monster gegen Riesen-Roboter – heißt das Godzilla gegen Transformers? Nein. Mit Transformers hat der Film nichts zu tun. Weder geht es um Autos, die sich in Robotor verwandeln, noch hat der Film visuell irgendeine Ähnlichkeit zu Michael Bays hyperventilierender Kinderspielzeug-Trilogie. Die Mechas in Pacific Rim werden von Piloten gesteuert, sind also eigentlich nicht mal Roboter. Und mit Godzilla teilt der Film nur seine Nähe zum japanischen Kaiju-Filmgenre. Godzilla ist das berühmteste dieser japanischen Riesenviecher, die Städte zertrampeln, aber es gibt zahlreiche Varianten. Das „Kaiju vs. Mecha“-Genre ist sogar noch einmal etwas eigenes. Dazu zählen solche Kult-Zeichentrickserien wie “Gundam” oder das kultig-abstrakte Genre-Endspiel “Neon Genesis Evangelion”. Wenn del Toro und Beacham dieses Genre als amerikanischen Live-Action-Blockbuster neuerfinden, dann ist das zumindest mutig.

Guillermo del Toros Liebe für Monster ist hinlänglich bekannt. Jeder seiner Filme ist voller höchst sonderbarer Kreaturen und oft benehmen sich die Menschen weit monströser als die Monster. Seine Monster zeichnen sich aus durch ungewöhnliche Anatomie – selbst für Monster, und häufig sind sie, wie Hellboy, menschlicher als alle Menschen. Von den Farbpaletten bis zu der symbolistischen Erzählweise sind die Filme sorgfältig durchdacht. So ist es auch bei Pacific Rim. Die Kaijus ähneln nicht bloß Tieren oder Karikaturen von hässlichen Menschen, sie sind majestätische Wesen, die aussehen wie bislang unbekannte Tiefseeungeheuer.

Das Schöne an Monstern im Film ist, dass sie den Filmemachern so viele Möglichkeiten bieten. Visuell ist fast alles möglich und oft genug sind die Monster zu Ikonen gerworden – man denke nur an Boris Karloffs Monster in Frankenstein. Zudem bieten Monster eine Gelegenheit eine Abstraktion in den Film einzuführen. Ohne den Zuschauer von vorneherin zu verschrecken, können Filmemacher – und Schriftsteller – durch Monstergeschichten über das Verdrängte einer Gesellschaft sprechen und so subversive Argumentationen in die Mitte der Gesellschaft bringen. In Pacific Rim stehen die Riesenmonster in Verbindung mit dem Ozonloch. Die Monster „symbolisieren“ sicher nicht direkt oder eindeutig die globale Erwärmung, aber sie stehen innerhalb der Filmwelt ein für genau die Art von Herausforderung, der wir als Menschen in der Umwelt begegnen. Die Monster haben hier die Kraft und die Reichweite einer Umweltkatastrophe, eines Tsunamis oder eines atomaren GAUs. Wesentliche Durchbrüche in der Handlung werden konsequenterweise von Wissenschaftlern und nicht von den kämpferischen Hauptfiguren gemacht.

Dass ein mexikanischer Regisseur ein ur-japanisches Filmgenre für ein Weltpublikum entdeckt, passt insofern, als es auf der Erzählebene genau die Art von internationaler Zusammenarbeit verkörpert, um die es im Film geht. Allerdings macht das Genre den Film auch schwer vermarktbar. Anders als die Transformers, die als Plastikspielzeuge schon lange weithin bekannt sind, musste Pacific Rim zunächst ein neues Genre etablieren – freilich mit Action-, Science Fiction- und Horror-Elementen durchsetzt. Ohne wirkliche Stars ist diese Aufgabe doppelt schwierig, trotz zahlreicher bekannter Gesichter aus Kult-Fernsehserien wie “The Wire” oder “Sons of Anarchy”.

Courtesy of Warner Bros. Pictures

2. „Awesome“ reicht nicht.

So sympathisch die Friedensbotschaft von Pacific Rim ist, so überwältigend gigantomanisch ist das Monster- und Mecha-Design geraten. Wir bewegen uns durch spektakuläre Ruinen der menschlichen Zivilisation, sehen riesige Maschinen im Nebel am Strand zusammenbrechen. Einmal, das sieht man schon im Trailer, schleift ein Mecha ein langes Schiff als Keule in den Kampf. „2500 tons of awesome“, nennt ein Techniker den amerikanischen Mecha die gigantischen Kaijus [Danke an JMK in den Kommentaren -AG]. Zurecht, „awesome“ sind die Maschinen, die Monster und ihre Zusammenstöße allermal.

Aber die schönste Actionszene, die wunderbarsten Designs und Bilder bedeuten nichts, wenn sie nicht eingebunden sind in eine menschliche Bezugsebene. Darin war del Toro immer gut: Das Gespenst in The Devil’s Backbone ist das Zentrum einer Geschichte über Jungs im Waisenhaus, die den Tod eines Freundes aufklären, gleichzeitig ist es Teil einer traurigen Liebesgeschichte und bietet eine poetische Metapher auf die Opfer des spanischen Faschismus. Zum Ende des Films wissen wir, wie tief das Gespenst in die Beziehungen zwischen den Menschen verstrickt ist, darum wirkt die letzte Szene des Films, in der alle Geschichten durch eine einzelne Tat zueinander finden, emotional so stark.

Pacific Rim ist anders. Der Held des Films ist ganz typisch: blond, männlich, heterosexuell – aber eigentlich scheint sich der Film kaum für ihn zu interessieren. Wir erfahren wenig über seine Vergangenheit und über die Good Looks hinaus erhält seine Figur kaum Tiefe oder Kontrast. Viel interessanter und sympathischer ist Mako Mori, die japanische Co-Pilotin des Helden. Ihre Kindheits-Erinnerungen werden im Lauf des Films schrittweise enthüllt. Die zwischenmenschlichen Konflikte des Films laufen hauptsächlich zwischen ihr und ihrem Retter und Ziehvater Stacker Pentecost (Idris Elba). Allerdings reichen die Rückblenden, in denen die kleine Mako in den Ruinen ihrer Heimatstadt steht und weint, nicht, um uns das Trauma des Mädchens in der Seele der Frau zu erschließen. Hat sie ihre Eltern sterben sehen? Das wäre ein emotional starker Grund, gegen die Kaiju kämpfen zu wollen. Wir sehen es jedoch nicht, obwohl sonst selbst Disneyfilme gerne eine herzzerreißende Todesszene der Eltern als emotionalen Anker einbauen.

In jedem Fall leidet die Dramaturgie darunter, dass die menschlichen Geschichten vergraben werden unter lauter Exposition, die die erste Hälfte von Pacific Rim dominiert. Eine lange Voice-Over-Erklärszene eröffnet den Film, danach geht es ohne Pausen weiter bis weit in den zweiten Akt. Szenen, in denen eine Figur zur Ruhe kommt und über ihre Situation nachdenkt und so dem Zuschauer die Gelegenheit gibt, Mitgefühl zu entwickeln, fehlen. Der Film bis dahin wirkt überladen, holprig und in die Länge gezogen. Durch eine bessere Balance aus Charakter- und Actionszenen, sowie unauffälliger verarbeitete Exposition hätte sich das vermeiden lassen.

Schließlich schafft Pacific Rim es aber doch noch, bis zum Finale genug emotionale Bindungen zwischen den Figuren zu etablieren und die Situation hinreichend gefährlich zu machen. Die letzte spektakuläre Unterwasser-Prügelszene baut große Spannung auf, reißt endlich emotional mit und liefert ein befriedigendes Ende. Wie viel schöner hätte das alles noch sein können, wenn die Handlung des Films einfach etwas später eingesetzt hätte und wir uns so manches vom Beginn des Films hätten sparen können.

Courtesy of Warner Bros. Pictures

3. Das Ende eines langen Weges und vielleicht ein Neuanfang für del Toro

Guillermo del Toros Filmographie hat zwei deutliche Tendenzen. Zum einen die persönlicheren, kleinen Filme, die er häufig in spanisch dreht – von The Devil’s Backbone bis Pans Labyrinth, zum anderen die amerikanischen Blockbuster, beginnend mit Mimic und Blade II. Mit den Hellboy-Filmen hat er zwei Filme vorgelegt, die diese beiden Tendenzen mal mehr, mal weniger gelungen zusammenführen. Doch alle Filme waren vergleichsweise kleine Produktionen. Mit Pacific Rim steht del Toro erstmals ein Blockbuster-Budget zur Verfügung. Der Druck dürfte sehr hoch sein, das Budget wieder einzuspielen, selbst wenn das produzierende Studio Legendary sich anscheinend in einer glücklichen finanziellen Lage befindet.

Der Druck ist umso größer, als del Toros Vorgeschichte zu Pacific Rim voller unrealisierter Projekte ist. Nachdem seine Adaption von Tolkiens The Hobbit aufgrund der Pleite von MGM monatelang auf Eis lag, verließ der Mexikaner das prestigereiche Projekt, an dem er mehrere Jahre lang gearbeitet hatte. Als schließlich Peter Jackson als Regisseur übernahm, war del Toro bereits über beide Ohren ins nächste Herzensprojekt verstrickt: Die Lovecraft-Adaption At the Mountains of Madness über eine Expedition, die am Südpol gigantische Tentakelmonster entdeckt. Zehn Jahre lang hatte del Toro das Drehbuch bereits entwickelt. Die Monsterdesigns stammten von einigen der avantgardistischsten Monsterdesigner. Wiederum zerfiel das Projekt kurz vor Drehbeginn. Universal war das Risiko zu groß, einen Horrorfilm ohne Lovestory oder Happy End mit 150 Millionen Dollar zu finanzieren. Del Toro hatte nun seit fast fünf Jahren keinen Film mehr herausgebracht, obwohl er ständig neue Projekte angekündigt hatte.

Wäre Pacific Rim ein gigantischer Erfolg geworden, so unwahrscheinlich das ob des Genres und der Besetzung erscheint, dann hätten sich für del Toro zahlreiche Türen geöffnet. Einige lange schon ausstehende Projekte wie The Left Hand of Darkness, eine Adaption des “Grafen von Monte Christo” in einem surrealen Western-Setting, oder auch eine auf die Literaturvorlage fixierte Adaption von “Frankenstein” wären möglich geworden. Aber auch die beiden Fortsetzungen von Pacific Rim oder der dritte apokalyptische Hellboy waren denkbare Möglichkeiten. Der Film hat nun, wie erwartet, international größeren Erfolg als in den USA gehabt und dürfte wohl auch sein Produktionsbudget wieder einspielen. Ob das jedoch reicht, um del Toro als Regisseur zu festigen, der aus großen Budgets auch große Erfolge machen kann, erscheint fraglich.

In Pacific Rim zeigt sich das größere Budget in den imposanten, liebevoll ausgestalteter Sets, den zahlreichen detaillierten und beeindruckenden CGI-Effekten und der Vielzahl verschiedener Orte. Allerdings, auch wenn Mako Moris gebrochenes Herz sich symbolistisch in dem roten Schuh spiegelt, den Stacker für sie aufbewahrt hat, auch wenn viele Orte unterbrochene Kreisformen enthalten – der Film hat deutlich weniger „poetische“ Momente als noch del Toros letzter Film Hellboy II. Die kleinen, verzauberten Alltagsmomente, wenn Abe und Hellboy zusammen Bier trinken, weil sie beide Liebeskummer haben, vermisst man in Pacific Rim. Es fehlt die Leichtigkeit, auch der Humor.

Einzig der wunderbare Ron Perlman, del Toro-Veteran der ersten Stunde, lässt den Esprit früherer Filme in seiner Figur aufleben, einem schrägen Dealer in Hongkong. Hier finden sich typische Motive früherer Filme wieder – Perlmans extravagante, barocke Kleider, Käfer und tote Tiere in bernsteinfarbener Konservierflüssigkeit.

Kommerz, Kitsch und Kunst fließen in Pacific Rim fortwährend ineinander. Es wird interessant sein, zu beobachten, in welche Richtung del Toro seine immer wiederkehrenden Themen und Motivketten nun entwickelt. Als nächstes stehen ein Geisterhaus-Film, Crimson Peak und die Vampir-Fernsehserie “The Strain” an, basierend auf del Toros eigenem Roman.

Sicherlich wird es auch weiterhin um Monster gehen und um die Ursachen von Gewalt zwischen Menschen, um die Chancen von Vergebung und die Suche nach einer friedvollen Art zu leben, wie wir sie bei Hellboy gesehen haben, bei Pans Labyrinth und inmitten von Regen und Donner auch im ersten westlichen Kaiju-vs.-Mechas-Realfilm.

Martin Urschel ist Diplom-Mediendramaturg und Filmwissenschaftler.

Hat Oblivion von euch geklaut?

© Universal Pictures International

Dieser Gastbeitrag von Sebastian Mattukat enthält Spoiler für Oblivion. Ich habe den Film nicht gesehen, aber durch Zufall gelesen, wie er endet. Danach habe ich Sebastian, dem Regisseur des Kurzfilms The Rising, leicht ironisch die Frage der Überschrift gestellt. An seiner Reaktion war abzulesen, dass ich nicht der erste war. In unserem anschließenden IM-Gespräch habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hat, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Entstanden ist der erste Gastbeitrag dieses Blogs. Viel Spaß!

Oblivion schon gesehen?“ Diese Frage wurde mir in den letzten Tagen immer wieder gestellt. Meistens schauen mich die Freunde und Kollegen dann mit einer Mischung aus Entrüstung und verschmitztem Grinsen an. Denn sie wollen eigentlich keinen Filmtipp bekommen, sondern mir eine ganz bestimmte Reaktion entlocken.

JA, ich habe Oblivion gesehen und JA, auch mir ist aufgefallen, dass dieser 120-Millionen-Dollar-Film fast die gleiche Handlung wie mein Kurzfilm The Rising hat. Das Gefühl, im Kino zu sitzen und aufgrund einer kleinen Ähnlichkeit zu schmunzeln ist amüsant. Aber während des Films ein Déja-Vu nach dem anderen zu haben, ist für mich in dieser Form neu. Hier geht es nicht nur um die gleiche Art von Film (Transformers vs. Battleship oder A Bugs Life vs. Antz), sondern um eine verblüffend ähnliche Handlung. Im Grunde könnte man mit The Risings und Oblivions Synopsis das Avatar/Pocahontas-Spiel betreiben.

Denn The Rising lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Unser einsamer Held zieht über die zerstörte Erdoberfläche, sammelt Daten und muss sich immer wieder per Funk bei der Obrigkeit im Bunker melden. Sonst gibt es Ärger. Doch wie das in Filmen so ist, kommt unser Held eines Tages von seiner normalen Route ab und erfährt, dass er ein Klon ist. Doch nicht nur das, er findet ebenfalls heraus, dass es einen Widerstand gibt, der sich gegen die Herrscher im Bunker auflehnt. Nach kurzem Zögern schließt er sich diesem an und beginnt gegen das System und die Unterdrückung zu kämpfen.

Zieht man bei Oblivion die beiden Frauenrollen und ein paar Schauwerte ab, sitzt man vor der Spielfilmversion meines Kurzfilms. Wie kann das passieren? Haben wir geklaut? Nein. Hat sich Joseph Kosinski etwa bei uns bedient? Immerhin tourt The Rising schon seit Oktober 2012 durch die Welt der Festivals. Brauchen wir einen Anwalt? Wohl eher nicht.

Gehen wir noch einmal zurück zu Avatar. Beim Schreiben des Drehbuches hat James Cameron sich bestimmt nicht gedacht, dass ein wilder Mix aus Der mit dem Wolf tanzt und Pocahontas genau das Richtige für ihn ist. Viel eher wird er sich überlegt haben, was für eine Art von Geschichte er erzählen möchte. Er wird sich überlegt haben, was ihm an Subtext wichtig ist und wie er diesen am sinnvollsten vermitteln kann.

Genau das war unsere Vorgehensweise bei The Rising. Als Tobias Voigt und ich das Drehbuch schrieben, war für uns von Anfang an klar, dass wir einen düsteren Endzeitfilm machen wollten. Nach einer kurzen Überlegung, den Tag der Katastrophe zu zeigen, entschieden wir uns schnell, dass Leben in der zerstörten Welt in den Fokus der Geschichte zu rücken. Wir entwickelten die Hintergrundgeschichte akribisch, um unsere Welt zu kennen und logisch zu gestalten. Unser Gedanke war, dass — wenn die große Katastrophe von Menschenhand herbeigeführt wurde — größtenteils nicht die Unschuldigen überlebt hätten, sondern die Verantwortlichen. Doch eine böse Hauptfigur würde unseren Film nicht tragen. Genauso wenig wollten wir, dass unser Protagonist von vornherein auf der Seite der Guten steht. Uns interessierten die Zwischentöne. Die logisch Konsequenz war daher der Wandel von einem einfachen Menschen, einem Arbeiter, zum Revoluzzer.

Doch wie erklärt man, dass ein Arbeiter erst beim Einsetzen des Films urplötzlich seine Welt hinterfragt? Wir mussten mit ihm auf Entdeckungsreise gehen und hinter die Fassade des Bunkers schauen. Wenn Protagonist und Zuschauer zur gleichen Zeit die Welt zum ersten Mal erleben, wird man in diese hineingezogen. Filmisch bleiben einem hier nur eine Handvoll Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel die Geschichte aus der Sicht eines kleinen Kindes erzählen, was für unseren sehr physischen Film schwierig geworden wäre. Oder aber man spart sich knapp 30 Jahre Leben und erschafft einen Klon. Dieser Klon kann Kindesgleich über die Erdoberfläche ziehen und wir können mit ihm den Alltag, die Angst und die Wut hautnah mitempfinden. Somit folgt die Handlung ihrem eigenen, inneren Kompass.

Aufgrund solcher dramaturgischen Schlussfolgerungen ähneln sind sich bestimmte Erzählstrukturen immer. Beim Schreiben wird die Umwelt absorbiert und auf ihre Essenz herunter gebrochen. Wir überlegen uns die schlimmsten Katastrophen, die schönstmöglichen Momente und packen diese in unsere Geschichten. Deshalb ist es weniger spannend zu sehen, welche Filme die gleiche Handlung haben. Es ist viel interessanter und erkenntnisreicher zu schauen, welche Themen sich gleichen. Es gibt in diesem Jahr so viele Endzeitfilme wie schon lange nicht mehr. Sie erzählen von Zombies, Utopien im Orbit und von der verlassenen Erde. Augenscheinlich gibt es ein tiefes, inneres Bedürfnis beim Publikum, solche Geschichten zu sehen. Selbst im Mainstreamkino.

Die Schönheit des Kinos und des Filmemachens liegt doch darin, dieses Verlangen zu erkennen und für den Zuschauer erlebar zu machen. Und wenn mich jemand fragt, ob ich Oblivion schon gesehen habe, dann kann ich mich natürlich einen kurzen Moment ärgern. Aber im nächsten Augenblick ist die Freude größer, dass wir eine Geschichte erzählt haben die anscheinend nicht nur uns interessiert.

Sebastian Mattukat ist Filmemacher aus Berlin. Sein Kurzfilm The Rising ist nach wie vor auf verschiedenen Kurzfilmfestivals zu sehen. Folgt ihm auf Twitter.