Worte zum Wochenende

Twitter ist ja eh nicht gerade als das Medium bekannt, das den Siegeszug der Aufklärung endlich abschließen könnte: 140 Zeichen kann man auch eben schnell tippen, ohne dass man das Gehirn zwischen Galle und Finger schalten müsste. Twittern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflektion, Hauptsache man ist der Schnellste — besonders bei der Eskalation. Heute stehen die Web-2.0er fassungslos vor den rauchenden Trümmern ihres eigenen “Pogroms” (natürlich auch nicht alle) und wirken dabei ein bisschen wie die Schüler am Ende von “Die Welle”, als ihnen gesagt wird, dass sie alle gute Nazis abgegeben hätten.

Lukas Heinser , Coffee and TV
// Ottos Mob kotzt

Leute, kommt schon, macht’s dem Präsidenten nicht so schwer. Ich habe genug am Hals.

Barack Obama , zu off-the-record Aussagen mit CNBC-Reportern
// “Er ist ein Blödmann”

Ich sehe den Tag kommen, an dem mehr Menschen ihre Zeitung auf tragbaren Lesegeräten kaufen als auf zermahlenen Bäumen. (…) Dann gibt es kein Papier mehr, keine Druckereien, keine Gewerkschaften. Das ist großartig!

Rupert Murdoch
// Trendsetter der Digitalisierung

There’s no greater symbol of giving up privacy and embracing publicness, I think, than writing about one’s penis, especially when it malfunctions. But in the hospital, I lost every last vestige of modesty.

Jeff Jarvis , Buzzmachine
// The small c and the big robot

Internet-Manifest – die Rechtfertigung

Ich bin zeitlich nicht dazu gekommen, das Internet-Manifest zu kommentieren. Ich stimme mit vielen Punkten überein, würde aber jederzeit auch zugeben, dass sie mir teilweise dennoch Angst einjagen.

Denn wie man an diesem (nicht oft genug Neues entwickelnden) Blog sieht: Ich übe das (nicht private) Bloggen noch (Neil Gaiman sagt übers Schreiben, dass man seine Stimme finden muss. Im Print habe ich sie gefunden, im Blog noch nicht). Obwohl ich jung an Jahren bin, das Internet toll finde und mich geschätzte 80 Prozent meines wachen Lebens dort aufhalte, habe ich manchmal das Gefühl, dass mir die etablierten, “sicheren” Institutionen des Printjournalismus mehr liegen als die Hauruck-Welt des Netzes bzw. des Netzjournalismus. Vielleicht hat es auch andere Gründe, aber das ist auch egal.

Das Internet-Manifest ist tatsächlich ein bisschen großspurig und ein bisschen banal und ein bisschen “State the Obvious”. Ich würde es trotzdem unterschreiben, weil ich jemand bin der an Fortschritt und an Neues glaubt – auch im Journalismus – und weil ich jemand bin, der glaubt, dass revolutionäre Entwicklungen nicht aufgehalten werden können und nicht aufgehalten werden sollten. (Früher oder später werde ich mich auch Twitter beugen müssen, auch wenn ich zurzeit noch ein bisschen anstänkere – aber fröhlich Facebook-Updates benutze).

Noch viel schneller allerdings würde ich Stefan Niggemeiers überlange Rechtfertigung und Erklärung des Manifests unterschreiben. Darin stehen so viele kluge und gleichzeitig sympathische Gedanken, die wieder einmal beweisen, dass Niggemeier einer der klügsten Kommentatoren der deutschen Medienlandschaft ist – auch wenn er manchmal über die Stränge schlägt.

Worte zum Wochenende

For all the reassuring hype surrounding this week’s release of the remastered back catalogue – all the gruff bellows of solidarity stating that anyone who claims not to like the Beatles is either “a fool or a liar” – I’ve found that being a Beatles fan in 2009 is decidedly uncool.

Mark Beaumont , guardian.co.uk
// Help! The Beatles are my favourite band!

Der erste World Hoop Day fand übrigens am 7.7.07 statt, seitdem wandert das Datum und wird es auch weiterhin tun – bis 2013 das böse Erwachen kommt, manche Leute scheinen wirklich nichts aus dem Jahr-2000-Problem gelernt zu haben.

Michael Brake , Riesenmaschine
// WHD mit geringem MHD

This was and still is annoying to sports writers, but as a strategy it made sense. Jocks may not all be geniuses, but they realize that boasting can lead to little good and a lot of bad:

Ben Yagoda , Slate
// A Modesty Proposal

Nimmt man die Aufführung von “24h Berlin” als Stadt-Event, so war es offenbar nur ein mäßiger Erfolg. Glücklicherweise wurde der Film nicht, wie man befürchten konnte, zu einer Unterform von Stadtmarketing. Ohnehin verschluckt eine Großstadt noch ganz andere Events, ohne dass die meisten davon etwas bemerken, an diesem Tag etwa die Demonstration von 35.000 Atomkraftgegnern. Oder den weltgrößten Elektronikspielplatz, die Internationale Funkausstellung, die eigentlich in der gleichen Branche spielt, wo aber eine ganz andere Vorstellung von Realität in den Medien regiert. Wirklichkeit wird hier als etwas definiert, das man jetzt superscharf sehen und in jeder Lebenslage empfangen kann. Der Rest ist Content.

Fritz Wolf , epd medien
// Begegnungen und Bündnisse, epd medien 71/09, S. 3

Internet-Manifest

Deutsche Blogger und Journalisten haben sich (für mich überraschend) zusammen getan und ein Manifest veröffentlicht, das in 17 Thesen formuliert, wie Journalismus im Internet-Zeitalter funktioniert. Ich verlinke erstmal (Dieser Link ist etwas schneller als die offizielle Seite, die sich derzeit ziemlich abmüht) und kommentiere (vielleicht, wahrscheinlich) später.

Worte zum Wochenende

Wir haben uns an die Zeichenzahl 140 gehalten.

Gregor Koall , Trendopfer
// Wenn Unternehmen Twittern

Der Amateurfunker aus Nettetal/Germany wird damit zum Star im Warhol’schen Sinne – deutlich länger als 15 Minuten.

Christian Lindner , Rhein-Zeitung
// „Ich bin Presse“, „Maul zu“, „geh sterben“
[via Medienlese]

Der Günther vermittelt dem Publikum seit Jahrzehnten den Eindruck, dass er eigentlich gar nicht ins Fernsehen gehört. Aber weil er schon mal da ist, nimmt er das Kreuz halt auf sich.

Thomas Gottschalk über Günther Jauch, im Zeit Magazin Leben
// Gibt es ein Leben nach dem Fernsehen?

Ein besonders drastisches Beispiel für augenscheinlich kostenlose Übernahme und Vermarktung der Inhalte, die andere teuer erstellt haben, bietet wieder einmal die Bild.

Robin Meyer-Lucht , Carta
// Jauch-Berichterstattung: Enteignet Bild hier das Zeit-Magazin?

Printartikel II

Wie viele andere habe auch ich jetzt einen Artikel zum Bundestagswahlkampf im Internet geschrieben. Die zentrale Frage:

Die Schriftzüge der großen Online-Knotenpunkte prangen auf den Webseiten der Parteien wie die Kreditkartenlogos an der Tür eines großen Kaufhauses. „Wir machen Politik auf allen Kanälen“, wollen sie sagen. Damit ist allerdings noch lange nicht garantiert, dass diese Politik auch überall wirkt, vor allem bei den so begehrten Jungwählern.

Ich habe mich nicht nur mit den Aktionen der Parteien beschäftigt, sondern auch mit der Auswertung dieser Aktionen durch das Netz, ARD und ZDF.

Und in der Tat hat sich über den Aktionen der Parteien im Netz längst eine Art übergeordnete Decke aus Aggregation und Kommentierung ausgebreitet.

Diese beiden Teaser-Quotes und mehr in epd medien 65/09.

Worte zum Wochenende

Der Glaube, dass es sich beim digitalen Wandel um ein Nullsummenspiel handelt, ist weit verbreitet: Wir bekommen Macht, also müssen die Großen Macht verlieren. Es ist aber genau umgekehrt: Die Massen bekommen Macht, aber Konzerne und Regierungen werden mit den neuen Medien proportional noch viel mächtiger.

David Golumbia im Interview mit der Süddeutschen Zeitung
// Die Allianz von Internet und Kapital

Dass ein Sender mit so einer Pseudoenthüllung über den eigenen Moderator und Kollegen aufwartet, das möchte ich mir beim ZDF lieber nicht vorstellen… Der Bericht wirkte ja so, als hätte Tom Buhrow Plutonium an Nordkorea verkauft.

Steffen Seibert im Interview mit kress.de
// “Tom Buhrow hat kein Plutonium verkauft”

Ich do not like to talk about politics. Ze last time an Austrian got involved in politics it caused ein horrific var, which resulted in ze annihilation of all major European fashion shows for six years. Ich know it’s controversial – but in my opinion – Hitler vas a bit of a bitch. I know someone who vas ze grandson of his personal assistant – apparently behind ze scenes he vas a real tyrant. Vorse zan Elton!

Sacha Baron Cohen als Brüno im Interview mit der Süddeutschen Zeitung
// “Hitler vas a bit of a bitch”

Sascha Lobo ist damit auf dem besten Weg, in Sachen Selbstvermarktung die Heidi Klum des Online-Business zu werden. Ein Vorteil des Deals mit den Roten: Sein Iro kann bleiben, wie er ist. Bei T-Mobile hätte Lobo wohl oder übel seine Haare in Magenta färben müssen. Ob Lobo nun auch sein iPhone gegen ein Vodafone-Handy austauscht – unklar.

Kristina Judith, turi2
// Vodafone wirbt zweinullig mit Sascha Lobo und Co.

Generation #

Ich glaube es war dieser Beitrag bei Carta, bei dem mir zum ersten mal deutlich auffiel, wie sehr ein neues typografisches Zeichen vom Internet Besitz ergriffen hat. Dank Twitter ist der “Hashtag” plötzlich überall – die Diskussion heißt nicht “Zensursula-Debatte” sondern “#zensursula-Debatte”.

Mit dem # – englisch: hash (“Gatter”), früher auch gerne “Raute”, “Doppelkreuz” oder “Lattenzaun” genannt – markieren und verschlagworten Twitter-User ihre Tweets, wenn sie damit Stellung zu bestimmten Themenkomplexen nehmen wollen. Damit vereinen sich alle Tweets unter einem Banner, was dann über die Twitter Search leichter zu finden ist.

Wenn Twitter und seine Epigonen (wer weiß, was Google da mit “Wave” zusammenkocht) noch an Popularität gewinnen, könnte das # das typografische Erkennungszeichen der twitternden Generation werden, so wie das @ (oder “at” – zu dem heute wohl kaum noch jemand “Klammeraffe” oder “Affenschwanz” sagt) Zeichen der ersten Internet-Generation wurde (Wikipedia zu den auch mir bisher unbekannten Ursprüngen des Symbols).

Mit der Verortung des @ als fester Bestandteil von E-Mail-Adressen und der steigenden Hipness des Netzes, tauchte der Klammeraffe nämlich plötzlich auch in den abstrusesten anderen Techno-Kontexten auf. Vom einfachen Ersetzen des Buchstaben A in technologischen Wörtern (“E-M@il”) bis hin zu der Aufschrift auf einem Internet-Café in der nähe meiner alten Bushaltestelle, das “Call @ home” und “Surf @ here” versprach, beides natürlich grammatikalisch völliger Blödsinn.

Ich warte nur darauf, dass in Berlin die erste Bar namens #alkohol aufmacht.