Die Zukunft

“Everyone and their mum” äußert dieser Tage seine Meinung zum wogenden Kampf um die Zukunft der Zeitung, die Konkurrenz durch das Internet, Urheberschutz, Qualitätsjournalismus und und und… (nicht zuletzt angestoßen durch das schon einmal verlinkte SZ-Magazin der vergangenen Woche. Natürlich habe ich mir auch eine Meinung dazu gebildet. Ich will aber hier keine Gesamtanalyse des Problems und der Selbstüberschätzung der Printjournalisten abgeben (das hat Stefan Niggemeier, wie immer bravourös, schon erledigt), sondern einfach nur mal eine Prognose abgeben, was ich meine, wie sich das ganze weiterentwickeln wird. Für diese Prognose in fünf Thesen kann ich weder einen Zeithorizont nennen, noch irgendwelche Statistiken oder sonstige untermauernden Fakten. Sie beruht auf einem informierten Bauchgefühl.

1. Aktuelle Information wird des Mediums Print nicht mehr bedürfen. Das Internet ist schon jetzt der Ort, wo man sich am aktuellsten und gezieltesten informieren kann, nicht die Zeitung, die nur einmal am Tag erscheint und von den meisten Leuten nur überflogen wird. Irgendwann werden auch die Verlagsleute einsehen, dass sie mit dem Verzicht auf eine gedruckte Zeitung nicht nur dem Zeitgeist folgen und die Umwelt schonen, sondern auch Geld sparen (harte Zeiten für Drucker und Vertrieb brechen an). Wenn Lesegeräte wie der Kindle noch ein bisschen billiger und noch ein bisschen handlicher (faltbar?) werden, muss irgendwann der Umschwung zur digitalen Zeitung kommen – denn dann kann man die Zeitung lesen wie bisher: Beim Frühstück, im Bus, in der Mittagspause. Zwanzig Minuten pro Tag, wie der durchschnittliche Deutsche: Die Titelseite, ein paar zusätzliche lokale Artikel, den ein oder anderen Kommentar, die ein oder andere Hintergrundgeschichte und gut ist. Und man genießt zusätzlich alle Vorteile: Aktuelle Geschichten aktualisieren sich selbstständig, Artikel, die man gerne noch einmal oder später lesen will, kann man abspeichern. Und wer gar keine Zeitung will, sondern nur harte News, kann ein reduziertes Abo nur mit den Nachrichtenmeldungen bestellen. Überhaupt lässt sich das Abo prima individuell auswählen. Wer braucht da noch Papier? Und wenn “nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern”, muss man sie nicht wegwerfen, sondern kann sie einfach löschen.

2. Print wird deswegen noch lange nicht verschwinden. Die Tatsache, dass das Modell papierne Zeitung ausgedient hat, heißt nicht, dass das gedruckte Wort verschwindet. Publikationen, deren Look und Haptik mindestens ebenso sehr Teil ihres Reizes ist wie ihr Inhalt, bleiben natürlich bestehen. Filmzeitschriften oder Magazine wie “Geo” will ich beim Lesen in der Hand haben und hinterher ins Regal stellen. Sie sind echte Dinge, keine Gebrauchswaren wie Zeitungen. Und viel handlicher. Sascha Lobo hat es im aktuellen Medium Magazin gut ausgedrückt: “Papier ist das neue Vinyl”. Es hat seine Daseinsberechtigung, aber hauptsächlich für Liebhaber.

3. Inhalte werden sich ergänzen. “Das Internet” ist nur als Medium eine Konkurrenz für den traditionellen Journalismus, nicht als Inhaltsgenerator – dort ist es eine Ergänzung. Aus den abwatschenden Kommentaren der Traditionalisten gegen Blogger und das Web 2.0 spricht nur eine Angst vor der Abgrabung eigenen Bodens. Den Blogs haben nunmal eine andere Aufgabe und Tradition als klassischer Printjournalismus. Niggemeier schreibt in einem Kommentar zu seinem eigenen Blogeintrag, dort könne er “Dinge machen […], die ich in Zeitungen nicht tun könnte. Mich an Details abarbeiten oder endlose persönliche Texte über den Grand-Prix verfassen, zum Beispiel.” Eben. Blogs sind Outlets für Leute, die sowieso gerne schreiben aber eben nicht all ihr Geschriebenes überall unterbringen können. Diejenigen, die den Platz in den Medien verwalten, können dort Ideen finden, sich Anregungen holen, oder selbst etwas beitragen. Trotzdem werden Blogs, die Leute in der Regel aus persönlichem Antrieb führen, nicht den Journalismus ersetzen, warum auch? Wenn die Journalisten sich von den Bloggern bedroht fühlen, haben sie nur eine Wahl: Sie müssen besser sein als die Blogger. Sonst haben sie ihr Gehalt nicht verdient. Meckern und pauschales Beschimpfen ist keine Lösung. Wie gesagt: Im utopischsten aller Fälle ergänzen sich die beiden Sphären, respektieren und nutzen einander, verschmelzen vielleicht auch an der ein oder anderen Stelle durch die Möglichkeit zu unmittelbarem Feedback, bilden aber jedenfalls eine machtvolle Symbiose.

4. Professionalität wird wieder kostenpflichtig. Irgendwann ist das Internet der Lebensraum der Zukunft, also werden dort auch wieder “normale” Zustände eintreten. Dazu gehört, dass man für professionelle Arbeit Geld bezahlt. Und Journalismus, wenn er gut ist, ist professionelle Arbeit. Wenn sich also die Micropayment-Systeme endlich so weit vereinfachen, dass man zum Online-Lesen eines Artikels nur einen (!) Button anklicken muss, um einen Betrag etwa im Bereich von 5 Cent dafür zu bezahlen, den man dann am Ende des Monats abgerechnet bekommt, dann muss professionell erstellter Content wieder Geld kosten. Klar wird es auch weiter Gratiszeitungen geben, diese werden auch eine starke Konkurrenz sein. Aber hier gilt das gleiche Argument wie beim Bloggen: Wenn man dieser Konkurrenz die Stirn bieten will, gibt es nur eine Möglichkeit: Besser sein. Vielleicht auch nicht nur für die Bildungselite, sondern besser für alle.

5. Alles bleibt beim Alten. Selbst wenn sich, wie in dieser Utopie beschrieben, die Journalismuslandschaft irgendwann konsolidieren sollte und Digital und Print, unendliches Netz und destillierte Zeitung ihren Frieden miteinander geschlossen haben, werden sich Journalisten nicht ändern. Viele von ihnen werden genau so faul, jammerig oder zynisch bleiben, wie sie es heute schon sind (wohlgemerkt, ich bin selber einer). Sie werden Pressemitteilungen ungeprüft übernehmen, Sachverhalte so lange zuspitzen, bis sie nicht mehr stimmen, jammern dass früher noch alles besser war, weil Pluto da noch ein Planet war, und ihre “Die Welt ist schlecht”-Sicht zwischen den Zeilen breitreten. Wohlgemerkt: Nicht alle, und nicht alles gleichzeitig und nicht alles extrem. Aber manche, mehrere, nicht zu wenige – und nicht nur schwach ausgeprägt. Die digitale Welt ist die Zukunft des Journalismus. Sie ist nicht seine Rettung.

Worte zum Osterwochenende

If you’re serious about staying in competition with the internet, why don’t newspapers have a huge porn section?

Stephen Colbert, The Colbert Report, in einem Interview mit dem Präsidenten der Newspaper Association of America, John Sturm
// Better Know a Lobby: Newspaper Lobby

Wir alle werden dank des Web 2.0 wieder lernen müssen, MIT unseren Biographien zu leben statt GEGEN sie. Auch deshalb, weil wir sie ja gar nicht mehr ändern können. Jede Biographie ist dabei notwendigerweise fleckig.

Klaus Jarchow, medienlese.com
// Niemand ist ein unbeschriebenes Blatt

Aber von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen, da hat Herr Bellut schon Recht, lassen sich wirklich die wenigsten Formate einfach vom Privatfernsehen auf öffentlich-rechtliches Fernsehen übertragen.

Stefan Niggemeier, Das Fernsehblog
// Was sich alles nicht vom Privatfernsehen auf ARD und ZDF übertragen lässt

It does raise questions about the expectations of parameters that people ostensibly think that they put on us as arts, culture and entertainment journalists.

Radiojournalist Jian Ghomeshi, CBC Radio, über ein merkwürdiges Interview mit Billy Bob Thornton
// Joaquin Phoenix II? Billy Bob gives odd interview
// Billy Bob Thornton ‘Blow Up’ on Q TV
[via Language Log]

Fans versuchen GIGA zu retten

Zurzeit arbeite ich an einer Meldung über die Bemühungen der Community von giga.de, das Fortbestehen ihres Senders zu sichern. Konkret geht es vor allem darum, doch einfach die ARD zu fragen, ob sie das Format nicht in irgendeiner Weise fortführen will. Die Meldung erscheint erst morgen, doch ich habe für die Recherche ein E-Mail-Interview mit einem besonders aktiven Mitglied im Rettungskampf geführt. Und da habe ich mir gedacht: Wofür sollte dieses Blog hier denn besser geeignet sein, wenn nicht, um solche durchaus interessanten Dokumente auszuwerten, die in der knappen Berichterstattung sonst untergehen würden.

Mein Interviewpartner war Dirk, der im Forum als “TheTool” auftritt. Er hat dort den konkreten Vorschlag gemacht, GIGA der ARD anzubieten, weil die sich schließlich keine Sorgen um Werbeeinnahmen machen muss. Sein Thread ist inzwischen über 200 Seiten lang, der Enthusiasmus der Community nimmt kein Ende.

Wie kamst du auf die Idee?

Als ich von der Einstellung Gigas gehört habe, war ich erst einmal ein bisschen deprimiert. Von Freitag bis Sonntag las ich die verzweifelten Rettungsversuche einiger Personen im Giga-Forum. Ich dachte mir aber da bereits dass solch eine Aktion, wenn sie Erfolg haben sollte, sehr durchdacht sein müsste. Ausserdem müsste eine Idee hinter ihr stehen, die langfristig für Erfolg sorgt.

Da die öffentlich-rechtlichen Sender nunmal durch unsere GEZ-Gebühren finanziert sind und Premiere Giga aufgrund wegbrechender Werbeeinnahmen eingestellt hat, kam mir in den Sinn, dass man die ARD davon überzeugen müsste ein eigenes tägliches Programm im Stil von Giga zu entwerfen, oder wenn möglich Giga als TV-Programm für einen ihrer vielen Spartenkanäle zu übernehmen.
Im Endeffekt dachte ich dass dieses Sendekonzept zu der ARD, die ja bekanntlich seit längerer Zeit schon versucht ein jüngeres Publikum zu erreichen, passen würde und habe es einfach auf einen Versuch ankommen lassen.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Mittlerweile sind wir mit dieser Aktion so weit, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Mehrere tausend Community Mitglieder haben bereits ihre Mail an die ARD abgesendet, um die Verantwortlichen dadurch dazu zu bringen sich näher mit dem Thema auseinander zu setzen.
Seit Anfang der Woche erhalten wir massive Unterstützung seitens verschiedener Medien. Sowohl kommende Radiointerviews z.B. mit Radio Fritz als auch die die Berichterstattung auf Webseiten wie z.B. Spiegel Online und Chip.de trägt dazu bei, dass unsere Aktion nicht ungehört verhallt.

Gab es bisher irgendeine ernstzunehmende Reaktion von den angeschriebenen Sendern – also nicht aus den Zuschauerredaktionen, sondern von irgendwo anders? Oder von Seite von GIGA?

Seitens des GIGA Teams gab es in Form eines Foreneintrags eine erste Reaktion. Darin zeigt sich die GIGA-Crew mehr als nur begeistert über unsere Aktion.
Ansonsten halten sich bisher alle offiziellen Stellen recht bedeckt, aber ich bin zuversichtlich dass sich das bald ändern wird.

Was glaubt ihr tatsächlich bewegen zu können? Ist das alles ein frommer Wunsch, der ein bisschen Wirbel machen soll, ein letztes Aufbäumen, oder glaubt ihr tatsächlich, dass irgendwas passieren wird?

Zu allererst steht natürlich der Wunsch die Community und den Sender zu erhalten.
Da wir bei allen Wünschen aber alle auch realistisch bleiben müssen, hoffen wir mit unserer Aktion die Verantwortlichen der ARD dazu zu bringen, sich zumindest mit einem Digital Entertainment Konzept wie Giga auseinander zu setzen und dies zu diskutieren. Sollte allein nur das geschehen, wäre es in der deutschen TV-Geschichte sicherlich ein einzigartiger Erfolg der zeigen würde welch enorme Kraft in einer großen Community wie dieser steckt und welche Dinge gerade auch junge Menschen mit einer friedlichen Aktion bewegen können, wenn sie ein gemeinsames Ziel haben für das es sich zu kämpfen lohnt.

Der Sender GIGA wird ja sowieso nicht weiterbestehen, höchstens als Sendung könnte das Konzept überleben – oder auch nur die Webcommunity, würde dir das reichen?

Nein, definitiv nicht. Ich bin mit meiner Idee nicht angetreten um einzig und allein die Webseite zu erhalten. Natürlich freue ich mich wenn die Community weiter bestehen würde und werte auch das als Erfolg, da in der momentanen Situation ja sowohl der Sender als auch die Community aufgelöst werden sollen. Trotzdem ist es unser erklärtes Ziel auch ein begleitendes TV-Programm zu erhalten. Online-Communities gibt es viele, aber gerade diese Mischung aus Web und TV und die absolute Interaktivität zwischen beiden Medien war genau das, was den Reiz von Giga ausgemacht hat und dieses Zusammenspiel war einmalig in der deutschen Medienlandschaft.

Was ist als nächstes geplant? Wie stehen eure Hoffnungen? Habt ihr vor das ganze vom anarchischen Community-Aufschrei aus irgendwie zu “professionalisieren”? Investoren zu suchen etc. um zumindest die Community am Leben zu erhalten?

Wie Stephan Borg, der Geschäftsführer von Giga, bereits in seiner Mitteilung vom letzten Freitag klar gemacht hat, sucht Giga momentan selbst nach Möglichkeiten zumindest die Community zu erhalten. Daher sind von unserer Seite derzeit keine Aktionen in dieser Richtung geplant. Wir konzentrieren uns ganz darauf mit unserer Aktion so viel Aufmerksamkeit in den Medien und der Bevölkerung zu erlangen dass die ARD, die sich bis zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht dazu geäussert hat, sich dem Thema Digital Entertainment nicht länger verschließen kann und auf unsere Anfragen zumindest mit einer Stellungnahme reagieren muss.

Eine weitere Professionalisierung der bestehenden Aktion, sofern sie denn nötig ist, schließe ich zu diesem Zeitpunkt nicht vollkommen aus und habe mir auch bereits Gedanken gemacht wie es weitergehen könnte. Allerdings möchte ich dazu an dieser Stelle noch nichts verraten und erst einmal die Reaktion der ARD abwarten.

Abschließend möchte ich mich noch bei der gesamten Giga Community für das wirklich großartige und wahnsinnige Engagement bedanken. Ohne euch würde diese Aktion nicht dort stehen wo sie jetzt ist. Ihr habt gezeigt dass ihr etwas bewegen könnt wenn ihr alle mit vereinten Kräften agiert und das ist etwas worauf jeder von euch stolz sein kann. The Future is you!