Blogosphären-Hinweis (IV): Die Filmosophen

Obwohl eins der größten Blogs der deutschen Filmblogosophäre nach wie vor “Die Fünf Filmfreunde” heißt, sind Filmblogs in der Regel immer noch Einzelangelegenheiten. Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betriebe, in denen die Ansichten einer Person in die Welt hinausposaunt werden (wie bei “Real Virtuality” auch). Das ist praktisch, wenn man sich als Leserin oder Leser einer Stimme verschreiben will, aber es fördert auch das Eigenbrötlertum, was leidenschaftlichen Filmschauenden sowieso nachgesagt wird.

Unter anderem, weil es diesem Trend entgegenwirkt mag ich das Blog “filmosophie.com“, das mich als eins der wenigen Blogs anlacht, in dem die verschiedenen Charaktere dahinter sowohl alleine als auch gemeinsam auftreten. Denn natürlich stehen hinter Revolver, Cargo oder Negativ auch mehrere Personen, doch deren Texte stehen meist isoliert voneinander. Bei “Filmosophie” hingegen spürt man das Team dahinter, ob in regelmäßigen Kinotipps zum Wochenende oder in multiperspektivischen Betrachtungen eines Events. Die gemeinsame, facettenreiche Begeisterung hat mich angesteckt. Das ist Blogosphäre, wie ich sie suche.

Nur mit der Nomenklatur ist das alles nicht ganz so einfach. “Filmosophie” steckt nämlich nicht nur im Namen des Blogs, es ist auch der nom de guerre seiner Hauptautorin Sophie Charlotte Rieger. Auf die Frage, ob sie sozusagen die Frontfrau einer bloggenden Band ist, meint sie:

Ich träume ja schon mein Leben lang davon Frontfrau einer Band zu sein, aber ich kann leider überhaupt nicht singen. Deshalb finde ich diesen Vergleich total klasse. Eigentlich ist es aber ein bisschen anders. Ich bin zwar die Gründerin und “Chefredakteurin” von filmosophie.com, aber ich versuche mich in meiner Herrschsucht so viel wie möglich zurückzunehmen und so viel wie möglich demokratisch und gemeinschaftlich zu entscheiden. Manchmal braucht es aber jemanden, der mal streng an Abgabefristen etc. erinnert. Das bin dann natürlich ich. Ich glaube, mir kommt da meine Berufserfahrung aus der Jugendarbeit entgegen: Ich habe keine Probleme damit, mich durch strenge Ansagen zum Buhmann zu machen. Bisher gab’s aber noch keine Meuterei, also gehe ich davon aus, dass ich da ein gesundes Maß einhalte. Mir ist es wichtig, dass jeder seine Ideen einbringen kann und dass jeder seinen Stil behält. Das ist ja auch unser Konzept: Individuelle und persönlich geprägte Texte statt vermeintlicher Objektivität, die es meiner Meinung nach sowieso nicht gibt.

Anscheinend soll die Marke der “Filmosophen” aber ohnehin ausgebaut und stärker von eben jener Frontfrau gelöst werden. Wie vor kurzem auf Facebook zu lesen war, gibt es jede Menge neue Ideen für das Blog. Noch jedoch hält sich Sophie bedeckt, welche das sind.

Ja, also wir planen die digitale Weltherrschaft an uns zu reißen, alle anderen Filmblogs und Webseiten zu verdrängen und eine filmosophische Diktatur zu errichten. Unsere Meinung und sonst keine. Is doch klar! Ne, quatsch. Ich will da nicht zu viel verraten, aber eine unserer neuen Ideen ist ja schon offiziell: Wir haben jetzt einen Twitter Account. Unter @filmosophen kann man uns als Team jetzt bei Twitter folgen. Vorher ging das nur individuell, also jedem unserer Blogger einzeln.

Twitter ist übrigens auch der Ort, wo mir die Filmosophen zuerst aufgefallen sind. Denn dort findet mitunter mehr Diskussion statt als in so manchem Blogkommentar. Filmosoph Patrick Thülig macht nebenbei auch noch den Kontroversum Podcast, deswegen habe ich die beiden Truppen im Kopf immer ein bisschen zusammengeworfen. Doch Sophie verrät mir, warum “Kontroversum” nicht Teil von “filmosophie.com” sein kann.

Die Kontroversum-Jungs haben schon eine andere Blog-Kooperation. Da waren wir mit unserem Anliegen leider zu spät dran. Grundsätzlich sind wir aber an Kooperationen sehr interessiert. Sei es Podcasts, Video-Content oder auch Texte. Wir freuen uns über alle Anfragen!

Beim “Media Monday” und dem “Film Blog Group Hug” sind die Filmosophen übrigens auch schon vertreten. Blogosphäre, ick hör dir trapsen.

Hier geht es zu “filmosophie.com”.

Peter Jacksons Hobbit, die altvertraute Band und der Lieblingssessel

© Warner Bros.

Falling at your feet in sheer joy
That you were able to receive me like a favourite chair
Soaking up the tears if by magic it’ll make me
Ever warmer even after you’re not here
– KT Tunstall, “Yellow Flower”

Es ist noch einen guten Monat hin, bis der zweite Teil des Hobbit, genannt The Desolation of Smaug, in die Kinos kommt, aber mit einem neuen Trailer, einem weltweiten Fan-Event, der Veröffentlichung der Extended Edition von Teil Eins in den USA und der Enthüllung des Schluss-Songs “I See Fire” von Ed Sheeran haben Peter Jackson und Warner Bros. diese Woche damit begonnen, die Vorfreude auf das HFR-3D-Event anzufachen. Und wenn die Deutsche Bahn nur halb so pünktlich wäre, wie die Reaktionen aus der Filmguckergemeinschaft, die jetzt schon deklarieren, wie egal ihnen der Film ist, müsste ich auf meinen Reisen nie wieder Pufferzeiten einbauen.

Was ist hier los? War es nicht schon letztes Jahr, 24 Stunden nach Filmstart veraltet, sich darüber zu mokieren, dass Jackson aus einem 300-Seiten-Buch drei Drei-Stunden-Filme produzieren will? Dass The Hobbit endgültig aussieht, wie aus einem beliebigen Fantasy-Bild-Computergenerator? Und dass Tolkiens fröhliche kleine Kindergeschichte von einem Regisseur, den niemand mehr im Zaum hält, zu einer Action-Schlachtplatte jenseits aller Proportionen aufgeblasen wurde?

Niemand gebietet ihm mehr Einhalt

Ich freue mich auf The Desolation of Smaug, trotz der Tatsache, dass alle drei Kritikpunkte absolut ins Schwarze treffen. An Unexpected Journey, der erste Teil der Trilogie, war viel zu lang und unnötig kampflastig. Smaug sieht ähnlich aus, zeigt schon im Trailer jede Menge Charaktere, die nicht im Buch vorkommen und wartet zumindest dem ersten Eindruck nach mit nichts auf, was man nicht so oder so ähnlich derzeit in jedem fantastischen Film zu sehen bekommt. Folgt man den Production Diaries von Peter Jackson, mit seinen endlosen Pickup Shoots und Greenscreen-Orgien kann man zudem wirklich den Eindruck gewinnen, dass hier ein Filmemacher ist, dem niemand mehr Einhalt gebietet, obwohl er es dringend nötig hätte. Andererseits mag es genau das sein, was in mir Vorfreude erzeugt: Ich weiß genau, was mich erwartet, und ich weiß, dass es sehr viel davon geben wird.

Im kulturellen Alltag ist das völlig normal. Wie oft hört man das Argument, dass Leute bestimmte Romane lesen oder Fernsehserien schauen, eben weil sie dort das bekommen, was sie immer bekommen – und was sie gern haben. Ich könnte ad hoc mehrere Bands aufzählen, die den Zenit ihrer Kreativität lange überschritten haben, von denen ich mich aber immer noch auf jedes neue Album freue. Erstens weil ich weiß, was ich bekomme, zweitens, weil ich einfach Fan bin und die Musizierenden unterstützen will und drittens, weil man ja nie weiß, ob sich nicht vielleicht doch irgendwo eine kreative Perle versteckt. Ich rede nicht davon, etwas zu genießen, weil es dumm und hirnlos ist (das steht auf einem anderen Blatt), sondern weil es vertraut ist. Wie der Lieblingspulli. Oder die Fischstäbchen, die man schon als Kind immer mochte.

Nicht auf die Kinder hören!

Künstler werden älter. Das ist eine unangenehme Tatsache, die einem meist erst dann so richtig bewusst wird, wenn man selbst nicht mehr als “jugendlich” wahrgenommen wird. Und gerade die Künstler, denen all das passiert, was man ihnen wünscht, verändern sich daraufhin meist auf eine bestimmte Art, die der ikonoklastischen Kraft ihrer Kunst ein bisschen das Mojo raubt. Peter Jackson schreibt in seinem Facebook Post zum Ed Sheeran-Song, dass ihn seine Tochter Katie auf den britischen Folkpop-Rapper gebracht habe – und daran merkt man schon, was hier falsch läuft. Ein Revolutionär, der Macher von Braindead, der die Produktion LotR-Filme damals scheinbar dem Universum mit bloßen Händen abrang, hört doch nicht auf seine Kinder, wenn es darum geht, wie er die Revolution gestalten sollte. Ed Sheeran ist wiederum Jacksons perfektes Spiegelbild – als Straßenkünstler und YouTuber (lies: Underground-Regisseur) bekannt geworden und nun ein gemachter Mann mit mehreren Millionenhits. Wünschen wir ihm wirklich, dass er wieder zum Straßenmusiker wird, damit seine Songs nicht mehr so gesetzt klingen wie “I See Fire”?

Manche Künstler schaffen es, sich trotz Erfolg und Geld hellwach zu halten, indem sie die Umgebung verändern; indem sie die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten (wie Produzenten) wechseln und sich immer neue Herausforderungen stellen. Andere sind happy, dass sie sich irgendwann die Infrastruktur geschaffen haben, um gleichzeitig ein künstlerisches und ein einigermaßen bequemes Leben zu führen – und werden höchstens im Alter noch einmal durchgerüttelt, um ein “Alterswerk” zu schaffen. Jackson scheint zur letzteren Gruppe zu gehören. Er hat sich in Wellington ein eigenes privates Fürstentum aufgebaut mit allem, was er braucht, um einen Film zu machen. Er muss keine Kämpfe mehr kämpfen, um zu bekommen, was er will, und er scheint sich gut damit zu fühlen.

Tim Burton ist schlimmer

In einem Interview hat Jackson mehr oder weniger gesagt, wie er zu der ganzen Sache steht: Der Erfolg gebe ihm recht und wenn die Hobbit-Filme vorüber sind, will er wieder kleinere Filme machen. Dummerweise hatte er das vor The Lovely Bones auch schon gesagt, der dann alles andere als klein wurde. Aber wenn man es ehrlich besieht, ist Jackson dennoch längst nicht so zahnlos wie einige seiner schlecht gealterten Kollegen – etwa Prequelist George Lucas oder Tim Burton, der jetzt für genau den Konzern austauschbar-schrullige Gothic-Märchen fabriziert, dem er dreißig Jahre zuvor voller Verachtung den Rücken gekehrt hatte. Die Filme sind von tollen Schauspielern gut gespielt, solide geschrieben und inszeniert; noch treibt Jackson immerhin die Kino- und VFX-Technik in großen Sprüngen vorwärts, und wie ich vor einem Jahr schon geschrieben hatte könnte man die Hobbit-Filme auch als sonderbaren Sieg des Barocken über das Klassizistische feiern. Mal ganz abgesehen davon, dass man problemlos argumentieren kann, dass alle anderen Fantasy-Filme aussehen wie der Hobbit und nicht umgekehrt, weil Jackson und sein Designteam vor zwölf Jahren mit Lord of the Rings ein für alle Mal dieses definitive Template eines “High Concept”-Fantasyfilms vorgegeben haben.

Aber für einen Hobbit scheint es, zumindest wenn man cool und abgebrüht wirken will, unangemessen zu sein, sich einfach in einen vertrauten, gemütlichen Sessel zurückzulehnen. Und der Grund ist klar: Es liegt daran, dass die global anlaufende Marketingmaschine wieder mal so tut, als wäre The Desolation of Smaug nichts anderes als der krasseste Scheiß, den man je gesehen hat. Obwohl wir doch alle wissen, dass er das nicht ist. Da kann man schon mal sauer werden und lautstark nach einem unbequemen Klappstuhl verlangen. Muss man aber nicht. Man kann den Sessel auch einfach genießen und sich freuen, dass man schon wieder mit Peter Jackson nach Mittelerde reisen darf. Manchmal ist das okay. Oder?

Im Buzzword-Dschungel – Ein Tag auf der B3-Biennale

Im Teaser ist schon alles angelegt. Kino! Serien! Games! Kunst! Transmedia! Im Festivaltrailer, der vor jedem Podium zu sehen war, kam noch “Immersion!” dazu. Stichwörter (vielleicht von “Kino” und “Kunst” mal abgesehen), die das Herz jedes Fördergremiums höherschlagen lassen. Jeder weiß ja schließlich, dass heutzutage Games (was: Videospiele) eine millionenschwerere Industrie sind als Filme und dass Serien die besseren Filme sind. Und “Transmedia” und “Immersion” klingen immer gut. Bitte, hier habt ihr euer Geld, macht euer Festival-Dings in Frankfurt.

Es ist wahrscheinlich unfair, diese Rückschlüsse aufgrund eines einzigen Tages auf der B3 Biennale zu ziehen und ich bin voreingenommen, weil ich die eDIT, die bis vor drei Jahren als Frankfurter Medienstandort-Herzeiger fungierte, sehr mochte – aber ich kann mir nicht helfen. Ein bisschen was muss dran sein, an der Vermutung, dass die “B3” etwas zu sehr versucht, eine eierlegende Buzzwordsau zu sein, sonst wäre ihr Programm nicht teilweise so wabernd gewesen, wie ihr (zugegeben ziemlich brillantes) Poster. Man kann es als großen Vorteil verkaufen, dass man hier verschiedene Strömungen des “neuen Erzählens” zusammenbringt, aber man muss auch wissen, wen man damit erreicht.

Geeks vs. Hipster

Die B3 mit ihrem Vorgänger, der eDIT, zu vergleichen, hat ein bisschen was von diesen Geek vs. Hipster-Grafiken, die im Netz herumgeistern. Die eDIT war, ihrer oft peinlichen Eröffnungsgala zum Trotz, unverblümt geeky. Ein Event für Insiderinnen und Insider, die sich für die oft sehr technischen Details interessierten, die dem modernen Filmemachen zugrunde liegen. Die B3 wirft ein weiteres Netz aus, zieht damit aber auch die an, die sich lieber mit den hippen Trends der Moderne schmücken, statt ihnen auf den Grund zu gehen. Und da wird es dann endgültig persönlich – das sind einfach nicht meine Leute und ich fühle mich in ihrer Gegenwart unwohl.

Case in Point: Meine erste Veranstaltung meines B3-Tags am vergangenen Freitag, dem 1. November. Florian Thalhofer hat mit seinem Korsakow-System eine etwas gimmickige aber dennoch faszinierende Methode für nichtlineares Erzählen entwickelt und über die Jahre perfektioniert. Er hat eine toll klingende Philosophie entwickelt, nach der es viele “Kuriosa” in der Welt gibt, aber nicht in jedem Kuriosum eine Geschichte steckt. Wenn ihn eins dieser Kuriosa genug interessiert, dreht er Bildmaterial, zerschneidet es in Häppchen und weist ihnen Einsteigs- und Ausstiegs-Eigenschaften zu. Den Zuschauenden bleibt dann selbst überlassen, wie sie sich durch das Material navigieren – der Autor gibt nur Regeln vor, welche Clips sinnvoll auf welche anderen Clips folgen können.

Thalhofer hat so viel Vertrauen in sein System, dass er auch seinen Vortrag nach dem Korsakow-Prinzip anordnete. Nach jedem Info-Häppchen konnte das Publikum mit Laser-Pointern auf der Leinwand abstimmen, wie es weitergehen soll. Das funktionierte erstaunlich gut und führte einem gleichzeitig vor Augen, dass Korsakow Sinn ergibt, auch wenn man anfangs skeptisch war. Bis zu dem Punkt natürlich, als eine Zuschauerin das Prinzip aufsprengte, weil Thalhofer nicht das erzählte, was sie gerne hören wollte. Es bereitete ihm sichtbare Schmerzen, von seinem Prinzip abzuweichen, aber irgendwann knickte er ein. Damit waren dann die Dämme gebrochen und machten auch für die Anmerkungen der Redakteurin den Weg frei, die Thalhofer eingeladen hatte. Korsakow war tot.

Die Grenze zum Kasperletheater

Noch unangenehmer, an der Grenze zum Kasperletheater, wurde es allerdings in einer Veranstaltung namens Narrative Revolution am Nachmittag (Titelbild). Andreas Rauscher (Disclosure: Mit dem ich persönlich befreundet bin) gab sich zwar alle Mühe, aus den geladenen Serien-Gästen – Matthew Saville (“Cloudstreet”), Anders Tangen und Øystein Karlsen (“Lilyhammer”) – sinnvolle Sätze herauszukitzeln, doch die waren noch zu sehr damit beschäftigt, ihren mit Alkohol (?) heruntergespülten Jetlag zu verdauen (Saville, der immer nur wiederholte, “Fffilm or Tevee, they’re all shust movin pickshers”) oder auf wilde Tangenten abzudriften (Tangen). Und vielleicht – nur vielleicht – waren sie es auch ganz einfach leid, als Poster Children für das “Golden Age of TV” herhalten zu müssen, als Stand-Ins für Vince Gilligan und Matthew Weiner, und darüber zu reflektieren ob das, was sie tun, nun wirklich eine Revolution ist oder nicht.

Ähnlich vage stellte sich die letzte Veranstaltung des Tages dar, eine Podiumsdiskussion zum Thema Verantwortung in der Kunst, die von Peter Weibel mit einem Vortrag in so halsbrecherisch akzentuiertem Englisch begonnen wurde, dass wahrscheinlich weder Native Speaker noch Deutsche alles verstanden. Ein Panel von illustren Künstlern, Kuratorinnen und Theoretikern, die sich allesamt kannten, sonderten munter Statements ab, während die Moderatorin zwischendurch immer wieder verwirrt ihre eigenen narrativen Pfade entlang wanderte und sich über die Gewalt im Fernsehen ärgerte. Eventuell war das natürlich auch nur eine Form Neuen Erzählens.

Die für mich gewinnbringendste Veranstaltung war, sehr klassisch vorgertragen und relativ weit abseits von den künstlerischen Ambitionen der Veranstaltung, ein Vortrag von Jurist Alexander Peukert über die “Rechtfertigungsnarrative des Urheberrechts” (Folien hier), der angenehm nüchtern und unvergeistigt, gewürzt mit trockenem Humor, ein wichtiges Gegenwartsthema auf den Punkt brachte.

Besser als Stereo-3D

Und auch der “Fulldome”, der einsame Vertreter des Leitthemas “Immersion” im Festivalprogramm, war einen Besuch wert, schließlich ist es erstaunlich, wie eine Kuppelleinwand einem Bilder präsentieren kann, die an manchen Stellen fast dreidimensionaler wirken als schlechtes Stereo-3D. Aber neu ist das Ganze auch nicht, im Den Haager “Omniversum” habe ich darüber schon als Neunjähriger gestaunt.

Wie erwähnt: ich mag nicht der beste Richter über eine Veranstaltung wie die B3 sein (ein Kollege, der am Samstag dort war, war teilweise sehr angetan; eine Kollegin, die an mehreren Tagen da war, stimmte mir voll und ganz zu), doch ich fühlte mich insgesamt ein bisschen an das eine Jahr erinnert, das ich auf dem Laufband der Medienkongresse verbracht habe. Immer gleiche Menschen, die auf Podien sitzen, obwohl sie wenig Neues zu sagen haben. Gespräche, die zu oberflächlich sind für ein echtes Fachpublikum und zu arkan für die breite Masse. Fördernde, Politikerinnen und Veranstalter, die sehr stolz sind, aber wenig Ahnung zu haben scheinen. Und ein Publikum, dem es vor allem darauf ankommt, sich en vogue zu fühlen.

Aber es war ja schließlich auch das erste Mal. Jetzt werden die Veranstaltenden wissen, was funktioniert hat, und was nicht. Und vielleicht scheiteren sie dann in zwei Jahren, frei nach Beckett, ein bisschen besser.

Quotes of Quotes (XVII)

When being bullied Keisha Blake found it useful to remember that if you read the relevant literature or watched the pertinent movies you soon found that being bullied was practically a sign of a superior personality, and the greater the intensity of the bullying the more likely it was to be avenged at the other end of life (…), and that this remained true even if the people in the literature and the movies looked nothing like you, came from a different socio-economic and historical universe, and – had they ever met you – would very likely have enslaved you or, at best, bullied you to precisely the same extent (…).
– Zadie Smith, NW

Ich habe bereits 56 Prozent von Zadie Smiths neuestem Roman NW gelesen, und obwohl ich diese erste Hälfte bisher nicht so prägnant finde wie ihre großen Romane White Teeth und On Beauty, die mich durch die Uni begleitet haben, findet sich in der Mitte des Buchs eine von einem besserwisserischen Erzähler wunderbar beobachtete Sektion über die Entwicklung einer Freundschaft vom Kindes- ins Erwachsenenalter, die genau das widerspiegelt, was ich an Smiths Büchern bewundere.

Geschaffen von den Underdogs, die ihr Underdog-Dasein überwunden haben, erzählen Filme, Bücher, Erzählungen von Underdogs, die ihr Underdog-Dasein überwinden, die gar dazu prädestiniert sind, ihr Underdog-Dasein zu überwinden. In jedem Mobbing-Opfer steckt ein Mensch, der zu großem berufen ist. In jedem stillen Außenseiter, steckt ein missverstandener Poet. Und wir identifizieren uns mit ihren Geschichten, egal wie wenig unsere Geschichten den ihren gleichen, und können gar nicht anders als unser Schicksal an ihres anzulehnen.

Werden wir angelogen? Oder inspiriert? Imitiert das Leben die Kunst? Oder verklärt die Kunst das Leben? Gibt es Statistiken, an denen man ablesen kann, wie viele unpopuläre Schulkinder später zu populären Inspiratoren werden? Wie viele zu neurotischen Wracks? Und sollten wir deswegen aufhören, solche Geschichten zu erzählen, oder erst recht damit anfangen?

LARP als Transmedia Storytelling

Aus den Aufzeichnungen eines Traumatisierten

Mit meinem Faible für Fantasy und Science-Fiction in Film- und Buchform, dürfte es vermutlich die wenigsten Leser verwundern, dass ich auch dem Rollenspiel und auch dem Live-Rollenspiel (LARP – Live Action Role Playing) nicht abgeneigt bin. Ich bin alles andere als ein Hardcore-Larper, aber ich spiele konstant im Schnitt null- bis zweimal pro Jahr seit ich ungefähr 16 bin. Manchmal auf “traditionellen” Fantasy-Larps mit 50 bis 100 Teilnehmenden, meistens aber auf kleinen, speziell gestalteten Events in dem Freundeskreis, mit dem ich seit Jahren spiele.

In der Regel bin ich nur Spieler, aber in diesem Jahr habe ich nach längerer Zeit mal wieder eine Spiel-Leitung übernommen, die mich in den vergangenen Wochen jede Menge Zeit und Nerven gekostet hat. Irgendwann ist mir aufgegangen, dass sich in einem LARP viele Aspekte wiederfinden, die ich unter dem aktuellen Buzzword “Transmedia Storytelling” schon öfter hier im Blog gestreift habe, weil sie mich sehr interessieren – und die auch in der Filmwelt immer wichtiger werden. Ich dachte mir, es könnte von Interesse sein, ein paar meiner Erkenntnisse hier zu dokumentieren.

Unser LARP

Wer noch nie auf einem LARP war, sich aber für den Rest des Artikels interessiert, für den könnte es sich lohnen, vorher eine Einführung zu lesen. Wer so viel Zeit nicht hat, dem sei gesagt, dass LARP eine Art Mischung aus Schnitzeljagd und Improtheater ist, bei dem die Spieler in Rollen schlüpfen und gemeinsam eine Geschichte erzählen.

Mein Freundeskreis hat sich auf One-Shot-LARPs spezialisiert, bei denen zehn bis 20 Spielende und in der Regel drei Spielleitende (SLs) für ein Wochenende zusammenkommen. Die Charaktere werden – basierend auf groben Persönlichkeitswünschen der Spielenden – von der SL gestaltet. Das Spiel selbst ist in der Regel stark narrativ, wenig kampflastig und kommt mit minimalen Regeln aus.

Vor dem diesjährigen Event stand der Wunsch, ein LARP vor dem Hintergrund des kalten Krieges und der Atombomben-Angst der 80er Jahre zu machen. Die 80er sind lang genug her, dass sich die meisten von uns nur noch vage daran erinnern können, sie lassen sich aber durch ihre hinterlassene Popkultur und die diversen Revivals gut zuspitzen und bieten genug technologische Einschränkungen, um die für ein LARP so wichtige Isolation der Spieler herzustellen.

Der Plot

Das hier ist der Plot des LARPs, wie wir SLs ihn vor dem Spiel konzipiert hatten:

Seit sieben Jahrhunderten schon beobachtet eine Alien-Rasse die Erde als möglichen Planeten für eine Invasion und anschließende Besiedelung. Sie warten auf den richtigen Zeitpunkt, an dem die Atmosphäre und die aufgebaute Infrastruktur ein Leben auf der Erde sinnvoll erscheinen lässt. Dafür haben die Aliens im bayerischen Odenwald einen Signalsender versteckt, allerdings muss dieser in regelmäßigen Abständen händisch gewartet werden. Die Besuche der Aliens zur Wartung des Senders wurden im 14. Jahrhundert als Heiligenerscheinungen gedeutet und haben das Waldstück zu einem nicht offiziell anerkannten Pilgerort gemacht – doch jeder, der sich der Strahlung zu lange aussetzt, wird erst verrückt und stirbt dann einen grausamen Tod. Mit Beginn des Atomzeitalters wurde die besondere Strahlensignatur des Senders auch in anderen Kontexten wahrgenommen. Die Nazis hatten dort, wo heute eine Pilgerherberge ist, eine Forschungsstation – deren Mitglieder sich jedoch irgendwann gegenseitig zerfleischten. In den 1960ern hatte der Luft- und Raumfahrtkonzern Rockwell-Collins eine Expedition vor Ort, die jedoch ähnlich tragisch endete. Im Herbst 1982, die Wartung steht unmittelbar bevor, treffen in der Pilgerherberge drei Wissenschaftler, drei Esoterik/Ufologie-Autorinnen und drei Rockwell-Collins-Leute sowohl auf den einzigen Überlebenden der Expedition aus den 60ern, als auch auf die Alien-Bedrohung selbst. Können sie den Sender rechtzeitig deaktivieren, bevor die Erde der Alien-Invasion zum Opfer fällt?

Unnötig zu sagen, wahrscheinlich, dass die Spieler die Aufgabe natürlich gemeistert haben – auch wenn sie, wie üblich, vorher diverse Abwege beschreiten mussten. Die Invasion der Erde jedenfalls wurde verhindert.

Wie aber funktioniert das Ganze als immersives Transmedia Storytelling? Wenn man mal an das Transmedia Manifest denkt, möchte ich zwei Aspekte herausheben: Die unterschiedlichen Zugänge zur Geschichte und die tatsächliche Transmedialität, das heißt das Arbeiten mit verschiedenen Medien, um die Geschichte zu erzählen.

(Wer sich nicht so stark für die Details und eher für die allgemeine These interessiert, kann direkt zur Überschrift “Conclusio” springen.)

Rabbit Holes

Da wir die Charaktere vorkonzipiert hatten und es eine umfangreiche und vielschichtige Vorgeschichte an Ereignissen gab, die auf die geplanten Ereignisse des eigentlichen Spielwochenendes zuliefen, war es uns möglich, für neun verschiedene Spieler neun verschiedene Eintrittspunkte in den Plot zu schaffen – meiner Ansicht nach bei regulären LARPs, wo die Spieler ihre Charaktere mitbringen, häufig einer der holprigsten Punkte in Sachen narrativer Stringenz. Um alles etwas zu vereinfachen und den Spielern etwas Sicherheit für den Einstieg zu geben (wir hatten auch mehrere Erstspieler in der Gruppe), fassten wir die Spieler zu drei Gruppen zusammen:

Die Spiritistinnen – drei Spielerinnen verkörperten New-Age-Autorinnen unterschiedlichster Prägung, die von ihrem Verlag zusammengebracht wurden, um als eine Art “Dream Team” der New-Age-Literatur probeweise ein bestimmtes Phänomen zu untersuchen. Sie reisen also mit dem Ziel an, ihre bisher vertretenen Theorien an einer neuen Stelle zu testen, müssen sowohl zusammenarbeiten, als auch sich voneinander abgrenzen. Wir entschieden, dass in unserem Story-Universum Geister tatsächlich existieren, so dass die drei auch etwas zu tun bekommen würden.

Die Wissenschaftler – drei Spieler wurden zu Wissenschaftlern der Uni Frankfurt. Einer von ihnen ist Astronom mit Neigung zur Astrologie, der die anderen beiden mitgeschleift hat, die ihm wiederum aus unterschiedlichen Motivationen folgen. Sie wollen die Strahlungsdaten des Ortes mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen. (Die typische Geschlechterverteilung Wissenschaftler – Autorinnen ist übrigens nicht unseren Berufsklischees geschuldet, sondern den uns bekannten thematischen Vorlieben der Spielenden.)

Der Konzern – Zwei Spielerinnen und ein Spieler spielen Mitarbeiter der gehemeien Rüstungsabteilung des Luft- und Raumfahrtkonzerns Rockwell Collins, die als Wandergruppe getarnt herausfinden sollen, ob es ein natürliches Uranvorkommen vor Ort gibt. Sie wissen als einzigeBbescheid, dass es schon einmal eine Exkursion gab und dass diese gescheitert ist.

Für alle drei Gruppen gibt es also unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel. Jede Gruppe bringt ein eigenes skill set mit – und nur in der Kombination aller Fertigkeiten lässt sich das Rätsel im Kern des Plots – Was ist der Signalsender? Wo ist der Signalsender? Wie schalten wir ihn ab? – optimal vorantreiben. Fantasy-LARPs sind häufig ähnlich strukturiert, fassen die Gruppen aber gröber: die Kämpfer müssen Feinde besiegen, die Magier ein Ritual abhalten etc. Für uns war es essenziell, dass jeder Spieler eine Möglichkeit haben sollte, seinen spezifischen Hintergrund, sein durchquertes Kaninchenloch, auszuspielen. Die Spiritistinnen mussten einen Geist beschwören, die Wissenschaftler mit vereinten Kräften ein Gerät bauen, dass sie zu einem Hinweis führte und die Konzernmitarbeiter mussten die Interessen ihres Arbeitgebers wahren und nicht entdeckt werden (was ihnen auch gelang).

Kein Methlab, sondern Zutaten zum Herstellen von “Batteriesäure”

Quer durch die Medien

Ein großer Vorteil des 80er-Jahre-Settings in der Konzeption war für uns, dass wir von vornherein wussten, dass wir mit vielen verschiedenen Medien würden arbeiten können und nicht nur – wie sonst häufig der Fall – mit Textdokumenten. Am Ende reichte leider die Zeit nicht, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, aber auch so konnten wir einiges ausprobieren.

So habe ich beispielsweise für den ersten Abend eine einstündige Radiosendung konzipiert, die die Spieler in das Story-Universum möglichst effektiv einführen sollte. Es fällt schließlich nicht immer ganz leicht, sich vorzustellen, dass man 1982 spielt, wenn man bis vor wenigen Stunden noch 2013 gelebt hat. Die Radiosendung bestand aus einem Nachrichtenblock und einem 50-minütigen Musikprogramm, in dem immer wieder ein DJ dazwischenquatscht. Die Nachrichten waren nicht die echten Nachrichten aus dem Oktober 1982, ich hatte sie vielmehr ungefähr so formuliert, dass sie die bisherigen Ereignisse des Jahres (Falkland-Krieg, Koalitionsbruch etc.) einigermaßen zusammenfassten, um die Spieler zu erinnern, was alles so passiert ist. Die Musik setzte natürlich stark auf die Musik der Zeit. Eingesprochen wurde mir das ganze freundlicherweise von meinem ehemaligen Podcast-Gast Aileen Pinkert und ihrem Kollegen Sebastian Brandt, die Bürgerradio in Thüringen machen.

Am morgen des zweiten Tages ist das Radio auf eine Dauerschleife gesprungen, die immer wieder die gleiche Nachricht wiederholt: eine Atombombe ist in Deutschland explodiert. In Wirklichkeit ist diese Nachricht von den Aliens synthetisiert woden. Sie wollen, dass die Menschen ängstlich in ihren Häusern bleiben. Daher sind jede Menge inhaltliche Fehler im Text.

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Auch das Medium Video kam zum Einsatz. Bei einer Begehung des Geländes, während der wir die Schnitzeljagdpunkte für die Suche nach dem Signalsender festlegten, ließ ich fleißig das iPhone mitlaufen und baute daraus zu Hause einen kurzen Film mit jeder Menge (vielleicht zu viel?) Verfremdungseffekten und einem Soundteppich. Das Video wurde in der ersten Nacht des Spiels als Traum eingesetzt und sollte bei den Spielern allgemein ein ungutes Gefühl über die Präsenz an diesem Ort hervorrufen.

Schließlich gab es noch eine Menge textbasierte Dokumente, die die Spieler im Laufe des Spiels finden, und aus denen sie sich die Hintergrundgeschichte zusammenpuzzlen können. Dazu gehörten das Tagebuch des Traumatisierten von 1961 (eine sehr typische LARP-Dokumentform), aber auch ein Dossier mit Unterlagen aus dem Firmenarchiv von Rockwell-Collins, eine Broschüre zur Pilgerherberge, Geheimdienst-Communiqués, vor dem Haus aufgehängte Pilger-Plaketten, Zeilen aus den Gedichten eines örtlichen Heimatdichters und eine Kurzgeschichte zur Traumabewältigung, die der Traumatisierte im Auftrag einer Psychologin geschrieben hatte. Alle Texte verwiesen sowohl auf konkret für den Plot wichtige Fakten, strickten aber auch diverse weitere Infos und Querverweise mit ein, die wenig direkte Relevanz hatten, aber die gesamte Tragweite des Storyuniversums andeuteten.

Wir hatten uns selten zuvor einen solchen Aufwand mit dem gemacht, was wir – übertragen aus dem Tischrollenspiel-Jargon – intern “Handouts” nennen: also Storyinformationen nicht in Form von Begegnungen mit Charakteren oder Ereignissen sondern in verschiedenen Medien aufbereitete “Texte”. Der Grund ist, dass es ziemlich aufwändig ist, all diese Texte zu konzipieren und zu schreiben. Das Ergebnis aber, bei meiner Vorliebe für Operationale Ästhetik sowieso, ist so dankbar und irgendwie abgefahren, dass sich der Aufwand im Nachhinein auf jeden Fall gelohnt hat.

Conclusio: Was fehlt?

Wenn man sich die Thesen des Transmedia-Manifests anschaut, sieht man, dass ein gut gemachtes LARP fast alle davon erfüllt. Interaktivität, unterschiedliche Zugänge, Erweiterbarkeit und Locationbasiertheit sind alle vorhanden. Da es in Deutschland eine dichte und lebendige LARP-Kultur gibt, könnte man also auch guten Gewissens behaupten, dass dort ein großes ungenutztes Potenzial an Transmedia-Storytellern darauf wartet, angezapft zu werden.

Was allerdings fehlt, ist der Zugang für Außenstehende. Es gibt keine Haupterzählung, die sich in lean back-Haltung konsumieren lässt und dennoch Unterhaltung bietet. LARP bedeutet in der Regel: Wer Teil des Ganzen sein will, muss miterzählen, Teil des Spiels werden.

Dass das jedoch kein absoluter Imperativ ist, haben bisherige Projekte bewiesen. ARTE etwa ließ das Ende eines Films per LARP improvisieren. Aber es wäre auch denkbar, dass LARPs fester und regelmäßiger Bestandteil eines Transmedia-Gesamtkonstrukts werden, in dem die Handlungen der Spieler sogar indirekte Auswirkungen auf die Fortsetzung einer Haupterzählung haben – ein ähnliches Prinzip, wie es im Endeffekt bei MMORPGs wie “World of Warcraft” der Fall ist.

LARP ist Transmedia-Storytelling in Reinform. Jetzt muss es nur noch genutzt werden.

Return of Whatever – Die Titelentscheidungen von Marvel Deutschland

Badesalz kennt wahrscheinlich außerhalb Hessens kaum noch jemand. Das dritte Album des Frankfurter Comedy-Duos, auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1993, hieß jedenfalls “DIWODASO”. Was wie Kauderwelsch wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als der Mittelteil eines Satzes: “Ich hätt gern die Platt von dene zwei, diwodaso Spass mache, habbe sie die?” – Wie schafft die Comedy das bloß immer, so prophetisch zu sein?

In diesem Fall prophetisch in Bezug auf die äußerst merkwürdige Titelpolitik von Disney Deutschland, bzw. Marvel Deutschland – oder welche Ebene dort auch immer die Entscheidungen trifft. Es geht mir nicht einmal um die pseudo-witzigen behämmerten Titel der Trickfilme, das haben andere bereits getan, sondern um die Betitelung der Marvel Cinematic Universe-Filme, die sich nur mit sehr viel Hirnverbiegung erklären lässt.

Ich weiß, ich sollte mich dazu gar nicht mehr äußern. Und es sei auch gnädig geschenkt, dass Thor: The Dark Kingdom überall außer in Deutschland Thor: The Dark World heißt. Laut Presseagentur steht ein Titelschutzproblem dahinter, wobei ich immer noch das Original-Werk suche, das den Titel versperrt. The Avengers hieß in Großbritannien auch Avengers Assemble um Verwechslungen/Rechtsstreitigkeiten mit gewissen beschirmten, charmanten Melonenträgern zu vermeiden. Sowas passiert.

Aber was bitteschön soll das?

© Walt Disney Pictures

Ich fand es ja von Marvel damals einen einigermaßen mutigen Move, überhaupt einen Captain-America-Film zu machen. Bei allem, was man darüber liest, wie wichtig die ausländischen Märkte für Hollywood geworden sind; in Zeiten, in denen für Iron Man 3 Extra-Szenen für die chinesische Fassung gedreht werden – macht man einen Film über einen Superhelden, der den “American Way” in die Welt trägt und der sogar Captain America heißt. Und dann macht man noch einen Film mit ihm, in dem er der Anführer der Avengers wird. Das hat schon was. Und bei all dem latenten und überhaupt nicht latenten Anti-Amerikanismus, der außerhalb Amerikas herrscht, ist es dann auch kein Wunder, wenn ein teutonisch angehauchter Film wie Thor in Deutschland 11 Millionen Euro einspielt und Captain America nur drei.

Aber kann man wirklich daraus schließen, dass man nur den Titel ändern muss, um diese Balance auszugleichen? Für wie blöd muss man sein Publikum halten, um davon auszugehen, dass es eher auf das Wort “Avenger” anspringt, als sich daran zu erinnern, dass der Typ mit dem Sternenschild in den Avengers mitgespielt hat? (Gibt es Leute, die Avengers zwar nicht gesehen haben, aber in den nächsten Film reinrennen würden, wo “Avenger” draufsteht?) Dass es sich eher an den Untertitel von Captain America erinnert (“The First Avenger”), als an den Haupttitel? Und warum überhaupt “Return”? Der Captain war doch nie weg …

Ich habe großes Verständnis für Marketing-Entscheidungen. Produkte sollen sich verkaufen und dafür muss der Kunde sie verstehen. Aber den Namen eines Filmhelden hinter einem dämlichen, umständlichen deutschen Titel zu verstecken, DER DANN NOCH NICHT EINMAL IN DEUTSCHER SPRACHE IST, da hört mein Verständnis auf. Wahrscheinlich könnte mir die Marketing-Abteilung von Disney Deutschland sogar zeigen, dass sie Tests mit verschiedenen Titeln gemacht haben und dass dieser bei den Publikumsschafen am besten ankam – aber dennoch: “DIWODASO” kann doch nicht die Lösung sein.

Ich bin entsetzt, dass ausgerechnet Disney, eine Firma, die sonst weltweit wie ein Luchs darauf achtet, dass ihre Marken erhalten bleiben – sich sogar als Studio eine eigene Übersetzungs- und Synchro-Division leistet – solche albernen Sperenzchen mitmacht, über die sich in ein paar Jahren noch alle mokieren und ärgern werden. Es wird doch wohl NIEMAND in der Zukunft diesen Film “The Return of the First Avenger” nennen. Es hätte ja nicht The Winter Soldier bzw. “Der Wintersoldat” sein müssen. Es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben, und wenn es nur eine “2” gewesen wäre.

Bitte, Disney, bitte bitte bitte, packt den Zynismus ein und nehmt Vernunft an. Zeigt Integrität gegenüber euren eigenen Marken. Sie haben es sich verdient.

P.S.: Bonustrack

Animierte Dokumentarfilme – Im Gespräch mit Annegret Richter

© Pandora Film

Waltz with Bashir

Mir wurden – wie wahrscheinlich einer Menge anderer Menschen – vor fünf Jahren auf neue Art die Augen geöffnet. In Waltz with Bashir verarbeitet Regisseur Ari Folman sein Trauma aus dem Libanonkrieg auf ungewöhnliche Weise. Er mischt Gespräche mit alten Weggefährten mit ihren und seinen Erinnerungen, und weil es gerade für die Erinnerungen kein Bildmaterial gibt, ist der ganze Film animiert. Die Animation erlaubt es Folman, aus realen Begebenheiten, Eindrücken, Träumen und Wahnvorstellungen ein stimmungsvolles Gesamtkunstwerk zu schaffen, das tief sitzende Wahrheiten zutage fördert. Waltz with Bashir ist kein Spielfilm, es geht nicht um eine dramatische Nacherzählung eines realen Ereignisses wie etwa in United 93, er ist im Grunde ein Dokumentarfilm. Aber er ist auch animiert.

Folman brachte eine Filmgattung an die breite Öffentlichkeit, die es eigentlich schon lange gibt, nur eben nicht in diesem Ausmaß, den animierten Dokumentarfilm, kurz: AnimaDok. Wenn man es genau bedenkt hat die Animation immer schon ihren Platz im Dokumentarischen gehabt, man denke an Propagandafilme aus dem Zweiten Weltkrieg, an Grafiken in naturwissenschaftlichen Dokus und an Produktionen wie “Walking with Dinosaurs”. Seit dem Bashir-Knall aber versuchen auch immer wieder Filmemacher, sich damit größeren dokumentarischen Subjekten zu nähern.

Die Expertin

Annegret Richter kennt sich mit dem Thema animierte Dokumentarfilme perfekt aus. Sie ist Bereichleiterin Animationsfilm beim Festival DOK Leipzig, das dieses Jahr einen Preis für den besten animierten Dokumentarfilm ins Leben gerufen hat, und auch ihre Dissertation widmet sich dem Thema. Als ich anfing, über das Thema für einen Blogeintrag nachzudenken, habe ich ihr ein paar Fragen per E-Mail geschickt, die sie freundlicherweise beantwortet hat.

© DOK Leipzig

Annegret Richter

Das Absurde am animierten Dokumentarfilm ist ja eigentlich, dass die beiden Filmgattungen einander unähnlicher nicht sein könnten. Der Dokumentarfilm versucht, in bester Bazinscher Manier, Ungeplantes einzufangen – hingegen gibt es kaum etwas, was mehr sorgfältiger Planung bedarf, als ein Animationsfilm. Doch den Gegensatz lässt Annegret Richter nicht gelten.

“Der Ansatz beim animierten Dokumentarfilm ist ein anderer. Denn es handelt sich hier oft um Dokumentarfilme, die Themen bearbeiten, bei denen man nicht ausschließlich reale Bilder verwenden kann. Animation wird dann benutzt, wenn man Erinnerungen, historische Momente oder psychologische Aspekte aufzeigen will oder wenn die Protagonisten geschützt werden müssen. Durch den puren Gebrauch der Animation und die Wahl der jeweiligen Ästhetik kann außerdem eine zusätzliche Ebene der Erzählung – eine Art Subtext – geschaffen werden, der sich nur dadurch und rein visuell erschließt. Deshalb können sich Dokumentarfilm und Animationsfilm sehr gut ergänzen, aber nicht jeder Dokumentarfilm braucht Animation und umgekehrt.”

Drei Beispiele

Die animierten Dok-Langfilme, die mir in den letzten Jahren über den Weg gelaufen sind, gehen unterschiedliche Wege in dieser Hinsicht. Couleur de Peau: Miel etwa, in dem der Cartoonist Jung seine Kindheit als koreanisches Adoptivkind in Belgien reflektiert (und die wir dieses Frühjahr in 3sat gezeigt haben), wird in seinen animierten Szenen eigentlich zum fiktionalisierten Film, mit geskripteten Dialogen, die von Sprechern gelesen werden. Und doch basiert der Film auf den Erinnerungen seines Protagonisten, spiegelt dessen Zeichenstil wieder und bemüht sich (im Gegensatz etwa zu Persepolis) um einen gewissen Naturalismus.

Pequeñas Voces, eine Aufarbeitung von Kindersoldaten-Schicksalen in Kolumbien, versucht, Authentizität in die Künstlichkeit zu retten, indem er Elemente aus Kinderzeichnungen in seine animierten Sequenzen einbaut. Leider wirken dadurch alle anderen Figuren und Umgebungen umso künstlicher, eine idealisierte Version von Kinderzeichnungen, die den bewegenden Schicksalen mit ihrem Kitschfaktor den Punch raubt. A Liar’s Autobiography schließlich, die animierte Fassung des Lebens von Python-Frontmann Graham Chapman, die ich gerade in “Close up” besprochen habe, weist ja schon im Titel auf seine Mischung aus Fakt und Fiktion hin. Doch der Film basiert auf dem realen Leben von Chapman und seine Stimme trägt den Film. Aus den Aufnahmen spricht das Dokumentarische des Films, selbst wenn alles andere um sie herum in Phantasterei explodiert.

© Senator

A Liar’s Autobiography

Das Post-Bashir-Zeitalter

Annegret Richter stimmt mir zu, als ich sie frage, ob Waltz with Bashir in Sachen AnimaDok einige Schleusentore geöffnet hat.

“Vor 2008 haben selbst Leute aus dem Filmgeschäft irritiert geschaut, wenn wir von animierten Dokumentarfilmen gesprochen haben. Es gab nur eine kleine Gruppe von Filmwissenschaftlern und Filmemachern weltweit, die sich ernsthaft damit auseinander gesetzt haben. Durch den Erfolg von “Walz with Bashir “ist die Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit größer geworden und Produzenten haben sich plötzlich dafür interessiert. Aber es ist spürbar, dass im Dokumentarfilmbereich gerade ein Ausloten der Gattungsgrenzen und natürlich auch das Überschreiten dieser Grenzen ein Thema sind. Es ist sehr erfrischend, Filme zu sehen, die vor einigen Jahren so nie hätten gemacht werden können. Oft sind das dann Arbeiten von jungen Regisseuren, die weniger Berührungsängste haben und bei ihren Projekten sowieso schon in Cross Genre / Cross Media denken.”

Dass sich im Dokumentarfilm derzeit einiges bewegt, ist allerorten zu spüren. Selbst in den USA wird das Thema dieses Jahr immer wieder aufs Tapet gebracht, auch dank Filmen wie The Act of Killing und Leviathan (die ich beide noch nicht gesehen habe). Was den animierten Dokumentarfilm angeht, sagt Annegret Richter trotzdem:

Aber eigentlich ist das alles nicht neu und aus diesem Grund haben wir in diesem Jahr die Einführung der Goldenen Taube für den besten animierten Dokumentarfilm auch mit dem Sonderprogramm “Film Unlimited – Grierson, McLaren und die Anfänge von Animadok” flankiert. Wir haben dafür Filme ausgewählt, die unserer Meinung nach zeigen, dass bereits ab den 1930er Jahren in England und Kanada viele bekannte Filmemacher jenseits der Gattungsbegriffe von Dokumentar- und Animationsfilm ihre Filmthemen umsetzten und dabei eine visuelle Experimentierfreudigkeit und Fantasie an den Tag legten, wie sie heute kaum noch zu finden ist.

Bei DOK Leipzig, ein Festival, das ja sowieso Dokumentar- und Animationsfilme zeigt (und sich deswegen als ein gutes Zuhause für den weltweit ersten AnimaDok-Preis begreift), sind animierte Dokumentarfilme (meist in ihrer kurzen Form) schon seit 17 Jahren ein Thema.

Seit einigen Jahren fordern wir Filmemacher aktiv auf, ihre animierten Dokumentarfilme bei uns einzureichen und viele haben bereits Preise beim Festival gewonnen, aber jeweils in unserer bisherigen Festivalkategorien (z.B. “Tying your own Shoes” von Shira Avni aus Kanada, gewann 2009 die Goldene Taube für den besten kurzen Dokumentarfilm im Internationalen Wettbewerb, “Father”, ein Film aus Deutschland, gewann 2012 im Internationalen Wettbewerb Animationsfilm die Goldene Taube, etc.) Das zeigt, dass Filmemacher aus beiden Bereichen sich mittlerweile sehr intensiv mit den Möglichkeiten dieser Hybridform auseinandersetzen. Wobei man sagen muss, dass im Animationsbereich schon immer sehr offen mit dem Dokumentarischen umgegangen wurde, und es deshalb seit Anbeginn des Filmschaffens animierte Dokumentarfilme aus der Animation heraus gab.

© Gebeka Films

Couleur de Peau: Miel

Ein offener Begriff

Diese Offenheit bedeutet jedoch auch, dass der Begriff “animierter Dokumentarfilm” weit gefasst werden kann. Er ist “noch nicht definiert” meint Annegret Richter, und das sei auch gut so.

Denn auch bei DOK Leipzig reicht die Bandbreite der Filme, die wir unter dem Begriff zusammenfassen von Dokumentarfilm mit geringem Animationsanteil bis zum 100% animierten Film. Denn der Begriff lässt sich nicht an der Menge an Animationssequenzen festmachen, sondern daran, welche inhaltliche Bedeutung die Animation bzw. das Dokumentarische im Film einnimmt. Es geht ja auch immer um ein Gefühl das beim Publikum erzeugt wird und das im besten Falle Authentizität vermittelt.

Insgesamt jedenfalls stehen alle Zeichen auf Hybridität. “Ich denke, dass Animadok-Filme, aber auch andere hybride Mischformen immer mehr an Bedeutung gewinnen und gerade für die Vernetzung von Film mit Games und Internet eine große und wichtige Rolle spielen werden.” Sind nicht “Let’s Play”-Videos im Grunde auch animierte Dokumentarfilme? Was ist der Unterschied zwischen einem mit Xtranormal umgesetzten Abschrift eines Gerichtsprotokolls und einem Film wie Chacago 10? Scheint, als stünde uns in diesem Bereich noch eine sehr interessante Zukunft bevor.


DOK Leipzig beginnt am 28. Oktober.

Change I Can Believe In

© 35. DEKT/Jens Schulze

Seit einiger Zeit habe ich mir einen persönlichen Gradmesser dafür gesetzt, wieviel Konstanz in meinem Leben herrscht.* Ich prüfe, ob ich am Ende des Jahres immer noch den gleichen Wohnort, den gleichen Job und die gleiche Partnerin habe, wie am Anfang des Jahres. Zuletzt war das vor 13 Jahren, anno 2000 (Heidenrod, Schüler, niemand) der Fall. Eine der drei Variablen in meinem Triptychon hat sich seitdem immer verändert. In diesem Jahr war ich mir ziemlich sicher, dass ich es schaffen würde, alle drei konstant zu halten – schließlich habe ich unter anderem geheiratet. Aber dann kam doch alles anders.

Ich mache es kurz: ich wechsle den Job. Ab dem 1. Januar bin ich nicht länger Redakteur in der Filmredaktion 3sat/ZDFkultur, sondern Abteilungsleiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit beim 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Neben der Abteilungsleitung werde ich dort vor allem, wie damals, als ich das letzte Mal da war, für alles zuständig sein, was mit Internet und Digitalen Medien zu tun hat. Bei allen bisherigen Kirchentagen war es so, dass der Pressereferent der Abteilungsleiter war. Der Kirchentag zeigt also auch, wie wichtig ihm der ganze digitale Kram geworden ist. Ich freue mich sehr darauf, im Januar in Stuttgart anzufangen und mich mit meinen Kollegen, von denen ich einige seit damals in Dresden kenne und sehr mag, den Aufgaben zu widmen, die vor uns liegen!

Allen, die mich vielleicht weniger gut kennen und skeptisch werden bei allem, wo “Kirche” draufsteht, sei folgendes versichert: Erstens ist der Kirchentag – besonders bei denen, die ihn organisieren – wahrscheinlich eine der progressivsten Ecken des deutschen Christentums, in der insbesondere die zurecht kritisierten Diskriminierungen von Frauen und Minderheiten keinen Platz haben (im Gegenteil). Zweitens ist Kirchentag so viel mehr, als das, was man auf den ersten Blick vielleicht damit assoziiert. Er ist eben nicht Kirche, sondern Kongress, Treffen, Festival, Messe und Ort des Dialogs – auch für Nichtchristen. Ja, es wird auch gebetet, aber warum auch nicht.

Dass ich mit diesem Schritt dem Film zumindest zu einem gewissen Grad den Rücken kehre, schmerzt mich am meisten, und die Entscheidung ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Mit “Close up” und mit der Gestaltung des 3sat- und ZDFkultur-Filmprogramms habe ich viel großartige Zeit verbracht. Ich habe spannende Festivals besucht, persönliche Helden interviewt und einfach sehr viele tolle (und schlechte, aber auch aus denen lernt man) Filme gesehen, die ich ohne diesen Job, der für einen studierten Filmwissenschaftler wirklich ein absoluter Traumjob ist, nie zu Gesicht bekommen hätte.

Aber ich habe auch noch nie im Leben eine Chance ausgeschlagen, mich weiterzuentwickeln und neue Herauforderungen anzunehmen. In diesem Fall ist das erstmals eine Vorgesetztenposition und die einmalige Gelegenheit, einen großen Dampfer wie den Kirchentag endgültig auf die richtigen digitalen Schienen zu setzen. Mit anderen Worten: Ich werfe mich wieder mitten ins digitale Getümmel und bereite mich jetzt schon darauf vor, sehr vielen Leuten zu erzählen, warum das Internet toll ist, selbst im Zeitalter von PRISM.

Meine Leidenschaft für Film bleibt natürlich ebenfalls bestehen. Ich werde hier weiter jede Woche über Filmthemen bloggen so gut ich kann. Ich werde hoffentlich zur Berlinale fahren und mit Sicherheit aufs Trickfilmfestival in Stuttgart. Ich werde weiter gelegentlich für epd Film schreiben und die Kontakte in die Branche, die ich besitze, pflegen. Schließlich dauert so eine Kirchentagsvorbereitung ja auch nur anderthalb Jahre – und wer kann schon sagen, was dann passiert.

Ich hoffe, ihr bleibt mir gewogen. Wir sehen uns.


* Ich meine nicht die Stadt. Das war ein anderes Mal, als ich an einem Tag zu einem Freund sagte, ich wünschte mir mehr Konstanz in meinem Leben und am nächsten Abend ein Mädchen aus Konstanz kennenlernte. Ist leider nichts draus geworden, wäre aber eine super Geschichte gewesen.

Sieben Fragen an Andreas Hykade

© ZDF

Es ist wieder “Close up”-Zeit. Die aktuelle Sendung, die am Samstag in ZDFkultur Premiere hat (und bereits vorab in der Mediathek zu finden sein wird) enthält von mir unter anderem eine Kritik zur Beinahe-Monty-Python-Reunion A Liar’s Autobiography.

Die Sendung sollte eigentlich ein Animations-Special werden, doch leider hat uns das Kino einen Strich durch die Rechnung gemacht. Tarzan 3D wurde ins nächste Jahr verschoben und die Pressevorführungen von Cloudy with a Chance of Meatballs 2 wurden so nah an den Start des Films herangerückt, dass wir ihn nicht mehr vor Ausstrahlung sehen konnten. Geblieben ist die oben erwähnte Liar’s-Kritik und eine Gastkritik von Animationsregisseur Andreas Hykade, in der er pointiert über Balance von den Brüdern Lauenstein spricht – den Film, der ihn zum Trickfilm gebracht hat.

Bereits jetzt online ist unser übliches Bonusfeature “7 Fragen an Andreas Hykade“. Darin spricht er sehr offen über das Filmemachen allgemein, seine (merkwürdigerweise) kontroverse Schöpfung der Kinderserie TOM und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig und seine eigene Liebe zu Abstraktion und Rhythmus im Trickfilm. Für Animationsfans hoffentlich ein sehenswertes Interview.

Auf seiner Website kann man sich übrigens einige von Hykades Filmen in voller Länge anschauen. Ich mag seinen Stil, der eine naiv-kindliche Linienzeichnung mit teilweise sehr grimmigen Motiven verbindet (einem Massenpublikum bekannt geworden durch das Musikvideo “10 Kleine Jägermeister” von den Toten Hosen). Am besten aber gefällt mir sein jüngster Film Love and Theft, ein sechsminütiger Parforceritt durch die Animationsgeschichte mit allen psychedelischen Mitteln des Mediums. Reinklicken lohnt sich!


“Close up” läuft am Samstag, 19. Oktober, um 22.45 Uhr in ZDFkultur. Die Wiederholung in 3sat ist am 29. Oktober um 21.45 Uhr. Oder in der Mediathek.

Es besteht noch Hoffnung: X-Men: Days of Future Past kommt in 48 fps

© 20th Century Fox

Update: Fox hat den Report von “Ain’t it cool” dementiert. Wahrscheinlich haben sie recht.

Was für eine großartige Art, die Woche zu beginnen, wenn man morgens in der Bahn liest, dass “Ain’t it cool News” die Bestätigung bekommen hat, dass X-Men: Days of Future Past in HFR 3D, genauer in nativem Stereo-3D mit 48 Bildern pro Sekunde, gedreht wurde und auch 2014 so ins Kino kommen wird. Damit ist Bryan Singers Zeitreise-Generationen-Treff der Mutanten (der auch ganz neue Maßstäbe in Sachen Ensemble-Franchising setzt, dazu mehr, wenn ich den Film gesehen habe) nach Peter Jacksons Hobbit-Filmen die zweite Produktion, die sich traut, den notwendigen Schritt in Richtung Kinozukunft zu gehen.

Ich selbst bin entschiedener Fan von HFR 3D und habe im vergangenen Dezember trotzig den Backlash gegen den Hobbit abgewehrt. Doch auch ursprüngliche Gegner des Prozesses scheinen sich langsam zu bewegen. Einer der Gründe scheinen, paradoxerweise, gute 3D-Filme in 24 fps zu sein. Nach seiner Begeisterung für Gravity etwa schrieb Matt Singer auf “The Dissolve” einen Artikel, in dem er beklagte, dass selbst Filme mit perfekt genutztem 3D eine Qual sein können, weil man seinen Kopf nicht bewegen darf. HFR 3D, bei all seinen Problemen, erlöse einen in dieser Hinsicht, gibt er zu. Der Hobbit sei in seinen Bildern “nahtlos” gewesen.

Auch besser für 4K

Auf dem Beyond Festival in Karlsruhe, wo ich vor zwei Wochen vorbeigeschaut habe, habe ich ebenfalls ein Plädoyer für HFR gehört, und zwar von Stefan Albertz, bis vor kurzem selbst Digital-Techniker, nun hauptberuflich Dozent. Er argumentierte, dass auch für die auf den Messen dieses Jahr gehypten Ultra-HD und 4K-Displays, die die vierfache Auflösung von HD haben, dringend zu 48 fps zu raten wäre, wenn man vermeiden wolle, dass das Bild immer stärker ruckelt. (Das sei auch der Grund, meinte Albertz, warum 4K-Displays in Laden-Demos immer möglichst ruhige Bilder zeigen.) Nach seiner Ansicht sieht ein HD-Bild mit 48 fps auf einem 4K-Bildschirm besser aus als ein 4K-Bild mit 25 fps. Das Problem existiert vor allem für Kinofilme. Fernsehen überträgt ja ohnehin schon mit 50 Hertz, die Umstellung wäre also einfacher.

A propos Hertz: Ein weiterer Sprecher auf dem “The Future of 3D”-Panel war Ralf Schäfer vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Er stellte unter anderem neue Geräte vor, die die Produktion in 3D vereinfachen sollen – denn die Kalibrierung von Spiegel-Rigs scheint nach wie vor ein Albtraum zu sein. Neben einem automatisierten Stereo-Rig ohne Spiegel zeigte Schäfer unter anderem ein 2D-System, das mit sogenannten Witness-Cams funktioniert, aus deren Bilddaten sich später der Tiefenkanal berechnen lässt. Es wird also auch weiterhin eine Tendenz geben, 2D aufzuzeichnen und die Tiefe später hinzuzufügen. Dass das funktionieren kann, wenn man trotzdem in der Inszenierung stereografisch denkt, hat mir Star Trek Into Darkness gezeigt.

Die Suche nach dem neuen Standard

Der mutige Schritt von Bryan Singer und vor allem von Sony Fox, bei Days of Future Past die 48fps-Route zu gehen könnte auch mit dem zusammenhängen, was man im Umfeld der Konferenz so munkelte: Die großen Studios suchen einen High-End-Standard, der eine Weile Stabilität garantiert und sich nicht jedes Jahr wieder nach oben verschiebt. Wenn die Datenmengen händelbar sind, könnten das zum Beispiel 120 fps in 4K sein, die dann “eine Weile halten” könnten und sich dennoch nach unten in die einfacheren Formate wie DVD durchreichen lassen. Wir werden sehen, ob uns hier noch eine Entscheidung bevorsteht.