“LÄUFT” – Neuer Podcast von epd medien und Grimme-Institut feat. Yours Truly

Im Oktober 2022 habe ich angefangen, wieder regelmäßig für epd medien als Redakteur vom Dienst und Kritiker zu arbeiten. Im März 2023 fragte mich meine Chefin Diemut Roether, ob ich auch Lust hätte, mal ein Podcast-Konzept zu entwickeln. Ich habe natürlich sofort Ja gesagt. Auf so eine Gelegenheit hatte ich seit Jahren gewartet.

Das Konzept gefiel dem Team und um die Suche nach einem Partner zu erleichtern produzierte ich im Frühsommer eine Dummy-Folge, aus der man ungefähr raushören konnte, wie das Endresultat klingen könnte. Trotzdem hat nur ein kleiner Teil von mir tatsächlich damit gerechnet, dass aus dem Konzept irgendwann Realität wird. Aber mit dem Grimme-Institut hat der epd in Rekordgeschwindigkeit einen super Partner gefunden.

Im Herbst haben wir die redaktionellen Abläufe mit einer Generalproben-Folge geprobt und letzte Scharten ausgewetzt. Und seit heute kann man den Podcast “LÄUFT – Die Programmschau von epd medien und Grimme-Institut” überall hören, wo es Podcasts gibt.

In der ersten Folge spreche ich mit Peter Luley über die ARD Mediathek & Das Erste Produktion “Bonn – Alte Freunde, neue Feinde” und mit Jenni Zylka über Kriegsberichterstattung. Eine neue Episode gibt es ab sofort alle zwei Wochen.

Besonders schön an der Erfahrung ist, dass ich die Sendung zwar als One-Man-Show produziere, aber eine tolle Redaktion im Hintergrund habe, die mir nicht nur sehr viel Hintergrund-Arbeit bei der Auswahl der Gäste und Themen abnimmt, sondern auch einfach allgemein für das Gefühl sorgt, nicht alleine auf weiter Flur zu stehen. In jeder Folge stecken übrigens ungefähr zwei volle Produktionstage.

Bitte reinhören und Rückmeldung geben. Als Kommentar, an mich direkt oder offiziell an medien@epd.de. (Auch positives Feedback wird gerne genommen – ich habe mich schon lange nicht mehr so wie ein Hochstapler gefühlt wie mit diesem Projekt. Leute bezahlen mich für’s Podcast machen? Haben die einen Knall?!)

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13 Jahre Real Virtuality

Dieses Bild hat mir Olivier Samter mal zu meinem “verflixten 7.” Bloggeburtstag gemalt.

Am 19. Februar 2009 habe ich in diesem Blog meinen ersten Post abgesetzt. Das war kurz vor meinem 26. Geburtstag (am 25. Februar), deswegen kann ich mir immer gut merken, wann der Bloggeburtstag ansteht. Ich habe damals als Pauschalist im Newsroom des Evangelischen Pressedienstes (epd) und für die Fachzeitschrift epd medien gearbeitet.

Nach dem Ende meines Studiums im Sommer 2007 hatte ich zwei Praktika gemacht, bei der Frankfurter Rundschau und in der Filmredaktion von 3sat. Währenddessen und danach hatte ich ein Jahr lang versucht, eine Promotion über Danny Boyle auf die Beine zu stellen, aber ich fand weder eine gute Betreuungskonstellation für die Arbeit, noch ein Stipendium, das mir das Vollzeit-Promovieren erlaubt hätte. Als wäre es ein Zeichen des Universums, dass ich nicht für eine akademische Laufbahn gedacht war, bekam ich erst im Sommer 2008 das Angebot, für zwei Monate als Vertretung in die Filmredaktion 3sat zurückzukehren und dann im Herbst einen Anruf, ob ich nicht Interesse hätte, Vollzeit bei epd medien zu arbeiten. (Ich hatte zwei Jahre zuvor ein Praktikum bei epd film gemacht und anscheinend einen guten Eindruck hinterlassen.) “Okay”, sagte ich mir. “Ich habe es verstanden.” Ab Januar 2009 pendelte ich jeden Morgen und Abend knapp 90 Minuten von meiner Wohnung in Mainz zum Gebäude des Gemeinschaftsdienstes der Evangelischen Publizistik (GEP) am Rand von Frankfurt.

Real Virtuality war nicht mein erstes Blog. Meine erste Website habe ich als Teenager gebaut, und sie enthielt bereits verschiedene Texte von mir, darunter auch Filmkritiken. Irgendwann während des Studiums embeddete ich darin auch mal eine Blogsoftware – und bekam unter anderem einmal mächtig Ärger mit meinem Arbeitgeber, einem Mainzer Kino, weil ich mich etwas zu erkennbar über meine Arbeit dort beschwert hatte. Daraufhin zog ich zu Livejournal um und bloggte dort für meine Freunde unter anderem über mein Erasmusjahr in Edinburgh sowie über Musik und Filme. (In einem zweiten Livejournal hielt ich meine privateren Gedanken fest, lange bevor ich das Wort “Finsta” kannte.)

Bei epd medien hatte ich manchmal schon nach kurzer Zeit das Problem, dass Recherchen sich verloren oder dann doch nicht in Gänze relevant genug für den Mediendienst waren. So war es auch mit der Giga-Meldung, mit der dieses Blog eröffnet. Ich hatte ein längeres Interview und konnte daraus nur wenig zitieren, also entschied ich mich, das Blog zu eröffnen, um das ganze Interview zu veröffentlichen. Und wo ich dann schon mal ein Blog hatte, nutze ich es in den kommenden Monaten und Jahren dann auch für alles andere, was irgendwie raus musste und nicht zu privat war.

Ich erzähle das alles, weil ich heute, 13 Jahre später, plötzlich wieder bei epd medien als Pauschalist arbeite. Nicht mehr jeden Tag, sondern nur noch ein paar Tage im Monat, und kombiniert mit anderen Jobs, aber irgendwie scheinen meine Tätigkeit als freier Journalist und das Aufleben dieses Blogs zusammenzuhängen. Ich habe einfach mehr zu schreiben, wenn ich mehr übers Schreiben nachdenke, glaube ich. Dazu hatte ich dann noch Kathrin Passigs Text über “Leichtes Schreiben” gelesen, und mich so im November entschieden, doch einfach wieder öfter zu bloggen.

Dieses Blog hatte echte Hochkonjunkturzeiten und Zeiten in denen es brach lag. Es wurde zwischendurch sogar mal durch einen Podcast ersetzt. Aber diese archaische Art des Ins-Internet-Schreibens gefällt mir doch am besten. Es liegt mir einfach, meine Gedanken runterzutippen, in der Regel unfertig und selten besonders originell, und einen Ort für Dinge zu haben, die anderswo übrig geblieben sind oder nicht genug Leute zu interessieren. Deswegen werde ich weiterbloggen. Wenn ich kann, hoffentlich noch weitere 13 Jahre.

Persönliche Highlights 2021

Lyra Belacqua’s got nothing on me

Wisst ihr noch, wie vor einem Jahr alle darauf gehofft haben, dass das Jahr endlich vorbeigeht? Sie sind in eine sehr alte Falle getappt, der man jedes Jahr wieder begegnen kann. Denn am 31. Dezember ist zwar der Dezember und das alte Jahr vorbei, der Winter hat sich aber gerade erst warm … äh … kaltgelaufen. Die mieseste Zeit kommt erst noch: graue, dunkle, kalte Tage, nur diesmal ohne Adventsbeleuchtung – und 2021 auch ohne ohne Berlinale, ohne Museen, ohne Hallenbäder und vor allem ohne Kinderbetreuung.

Meine Partnerin, mein damals fast dreijähriges Kind und ich haben ein gutes erstes Drittel des Jahres 2021 im Lockdown miteinander verbracht – mit Fast-Vollzeitjobs, versteht sich und ohne Anspruch auf Notbetreuung. In einem wechselnden Modell aus Vor- und Nachmittagsschichten, ganzen Tagen mit Kind und Kindkrank-Tagen. Meine Lebensretter waren der Berliner Zoo und der See mit dem Hundeauslaufstrand in der Nähe, sonst hätte es außer den immer gleichen Spielplätzen auch nichts zu sehen gegeben. Das war eine ziemlich beschissene Zeit, und doch erinnere ich mich zum Glück vor allem an die eine Woche, in der Berlin plötzlich zugeschneit war, wir Schneemenschen gebaut und auf dem Rodelhügel Schlitten bei anderen Kindern geschnorrt haben.

Dieser Tweet bescheinigt der Corona-Pandemie eine “unglaubwürdige” Dramaturgie, aber ich finde diese Ansicht könnte gar nicht falscher sein. Im Gegenteil: Covid folgt vielmehr der klassischen Dramaturgie unserer serialisierten Zeit, in der nichts jemals wirklich zu Ende ist, und nach jedem dramatischen Drittakt-Finale (Weihnachtslockdown, Impfung) noch eine Post-Credits-Szene namens Alpha, Delta oder Omikron kommt. Und irgendwo steht Christian Drosten und sagt: “You have just become part of a bigger universe.”

Im Februar 2021 fand ich das zum ersten Mal so richtig deutlich spürbar. Der Winter neigte sich so langsam dem Ende zu, die Politik diskutierte bereits über Lockerungen, und dann kam B.117 (aka Alpha) um die Ecke, und riss alles wieder ein. Natürlich wurden die Beschränkungen in die steigenden Zahlen hinein trotzdem gelockert und die Scheiße dadurch erst so richtig losgetreten. Und obwohl ich viel Missmanagement wegen Überforderung mit einer nie vorher gesehenen Situation verzeihen kann – an diese gewissenlose Aktion werde ich noch lange denken.

Ich wollte mich eigentlich gar nicht in einen Corona-Rant reinschreiben, davon gibt es auf Twitter wirklich genug. Eigentlich wollte ich ein paar persönliche Dinge aufschreiben, die 2021 (das mir – alles in allem – trotz dreier Impfungen in diesem Moment gerade blöder vorkommt als 2020, aber das kann auch Verklärung sein) trotz allem gut waren. Immerhin habe ich dieses Jahr wieder Zeit dafür. Sie stammen übrigens alle aus der zweiten Jahreshälfte.

Sommer in Berlin

Es gab ungefähr acht Wochen, von der zweiten Impfung + 14 Tage Ende Juli, bis zum endgültigen Anstieg der Zahlen Ende September, als die Welt ein bisschen okay schien. Wir haben diesen Berliner Sommer, der immer das beste an Berlin ist, hemmungslos ausgenutzt. Ich war jede Woche im Kino, zweimal die Woche im Freibad oder im Strandbad, hab Freunde getroffen, Magic gespielt, in Restaurants gegessen, meine Familie besucht, ein LARP besucht und mir generell die Sonne aufs Gesicht brettern lassen. Natürlich hat diese Zeit nicht gereicht, um sich zu erholen. Aber schön war sie doch.

Hier bleiben

Manchmal sind es kleine Dinge, die im Nachhinein einen wichtigen Unterschied machen. Meine Partnerin und ich, und damit indirekt die ganze Familie, haben seit einem guten Jahr hin- und herüberlegt, ob wir noch einmal umziehen sollten, zurück nach Wiesbaden, wo wir schon einmal gewohnt haben und wo noch viele Freunde und ein paar Familienmitglieder wohnen. Im August haben wir einen Schlussstrich gezogen: Nein, wir bleiben in Berlin. Wir motzen lieber unsere Wohnung ein bisschen auf (Hochebene!) und investieren in das Leben hier, statt das Gras auf der anderen Seite des Zauns zu beäugen.

Das Bilderbuch-Projekt

Ich mag Jahresprojekte, und dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, alle Bücher, die ich meinem Kind vorlese, auf der Plattform Goodreads zu bewerten und mit Kurzkritiken zu versehen. Das habe ich getan. Es sind 100 Stück geworden, und ich habe durch diese bewusste Betrachtung ein paar Lehren über die Beschaffenheit von Bilderbüchern gezogen, die ich auch demnächst noch aufschreiben werde. Entweder hier im Blog, oder, wenn sie mich lassen, bei 54books.

Mein erstes Tattoo

Im Sommer habe ich mich entschieden, mich nach vielen Jahren des Überlegens doch endlich tätowieren zu lassen. Anny hat mir im Oktober die fünf Manasymbole aus Magic: The Gathering auf meine Wade gestochen, und ich freue mich immer noch jeden Tag, wenn ich sie sehe. Wie ich auch in meinem Instagram-Post zum Thema geschrieben habe, musste ich lange überlegen, ob dieses Tattoo ein Zeichen von Midlife-Crisis ist, und bin zum gegenteiligen Schluss gekommen, den ich “Midlife Satisfaction” genannt habe. Ich habe nicht mehr das Gefühl, mir die Möglichkeit offen halten zu müssen, mich als Mensch neu zu erfinden. Sondern ich kann auch nach außen und permanent zeigen, wo ich innen sowieso angekommen bin. Das zweite Motiv ist bereits in Planung.

WUBRG

Magic: The Gathering

Und weil es sonst keinen Ort gibt, an dem ich das erwähnen kann, will ich an dieser Stelle auch noch einmal kurz insgesamt auf mein einziges Hobby zurückblicken, das nicht gleichzeitig Nebenjob ist. Ich bin nicht nur dankbar, dass ich zu Magic zurückgefunden habe, weil es ein verlässlicher Komfort-Hafen in der Pandemie ist – vor allem Commander über Webcam – sondern auch, weil ich dort wirklich das Gefühl habe, andere mentale Muskeln trainieren zu können. 2021 bin ich auch noch mal echt ein Level aufgestiegen: Ich habe meine Sammlung online katalogisiert, bin durch Arena deutlich besser im Draften geworden und habe meine ersten ganz eigenen Commander Decks gebaut (Hamza, Galazeth und Ferrous), die sogar Spiele gewinnen. Dem Gegenüber standen allerdings Sets, die mich (bis auf Kaldheim ganz zu Anfang des Jahres und Modern Horizons II, das ich allerdings aus Pandemiegründen nie spielen konnte) eher nicht so begeistern wollten. Das beste am Magic-Jahr war somit der Ausblick auf das erste Set von 2022, Kamigawa: Neon Dynasty, in dem sich Magic an Cyberpunk versucht. Cyberpunk hat einen sehr besonderen Platz in meinem Herzen, über den ich nächstes Jahr sicher noch schreiben werde.

Ein neuer Arbeitsmodus

Die größte und wichtigste Entscheidung aus dem Jahr 2021 habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Kurz gesagt: Ich habe mich nach Jahren des Rumdrucksens (und manchmal auch Rummeckerns) endlich entschieden, der Freiberuflichkeit mal eine faire Chance zu geben. Natürlich, ich bleibe ich, mit minimalem Risiko. Also: Ab Januar reduzieren sich meine Stunden bei meinem Hauptarbeitgeber so, dass ich einen bis anderthalb Tage die Woche die Möglichkeit habe, andere Aufträge anzunehmen. Mal gucken, wie ich mit diesem Mischmodell finanziell, zeitlich und zufriedenheitstechnisch fahre.

Eine äußerst schöne Erfahrung waren auf jeden Fall die Reaktionen auf diese Entscheidung. Die Welt hat nicht drauf gewartet, dass Alexander Matzkeit sich auf den freien Kommunikationsmarkt wirft, war mein inneres Mantra. Aber: Andere Freelancer, von denen ich erwartet hatte, dass sie “Bist du sicher? Du hast doch einen guten Job!” rufen, haben mich klatschend in ihre Reihen aufgenommen. Und potenzielle Auftraggeber, mit denen ich gar nicht gerechnet hatte, haben angeklopft und gefragt, ob ich für sie mal was machen kann. Das hat mich natürlich bestärkt. Bei epd medien, meinem ersten Arbeitgeber nach dem Studium, dem ich über die Jahre vor allem durch Hörfunkkritiken treu geblieben bin, habe ich bereits ein paar Tage wieder im Newsroom gearbeitet. Andere Aufträge kann ich hoffentlich enthüllen, wenn man ihre Ergebnisse sieht. Ich freue mich jedenfalls, endlich diesen Schritt gewagt zu haben und bin gespannt, ob er hält, was er verspricht.

Zwischen den Jahren werde ich an dieser Stelle noch irgendeine Art von Film/TV-Topliste veröffentlichen. Ansonsten bleibe ich bei meinem vor kurzem begonnenen Plan, hier wieder öfter kleinere Gedanken und Ideen zu notieren, im Geist von Kathrin Passigs “Leichtem Schreiben“. Ich wünsche allen, die dies lesen, eine entspannte Zeit und wenig Ansteckungen. Möge diese Welle dann doch vielleicht die letzte sein.

Werkschau (I)

Leider fehlt mir die Zeit, hier im Blog regelmäßig zu dokumentieren, wo ich überall publizistisch aktiv bin. Daher hier eine kleine Übersicht:

epd medien

Für den Fachdienst epd medien schreibe ich regelmäßig Medienkritiken und gelegentlich Glossen. Da es sich um einen Fachdienst handelt, sind die Beiträge leider nicht frei im Netz verfügbar.

Dies sind einige Produktionen, die ich in den vergangenen Monaten besprochen habe:

Tomorrow Now, Webserie, SWR, in Ausgabe 39/21
Virtuelle Propaganda, Radiofeature von Peter Kreysler, WDR, in Ausgabe 35/21
Hahnenkampf in Quitzow, Hörspiel von Hermann Bohlen, RBB, in Ausgabe 32/21
r_crusoe, Hörspiel von Wittmann/Zeitblom, Deutschlandfunk/SWR, in 25/21
“Immersive Erfahrung: Fernsehen ohne Bild”, Tagebuch zu Calls, Apple TV+, in 21/21

epd film

Für die Filmzeitschrift epd film schreibe ich unregelmäßiger Artikel, häufig zu neuen technischen und ökonomischen Entwicklungen der Filmbranche.

“Die Lebenszeit-Fresser”, Kolumne zum Start von The Wheel of Time, Heft 10/21
Raumhafte Illusionen: Wegweisende Trends in der Filmtechnik“, Heft 7/20

Ein weiterer Artikel wird in Heft 12/21 erscheinen.

piqd

Für den Inhalte-Kurationsdienst piqd wähle ich regelmäßig Artikel und Podcasts zu Medien- und Popkulturthemen aus und beschreibe mit einem kurzen Text, warum sie die Zeit der Lesenden wert sein könnten.

piqd Autorenprofil mit allen Beiträgen

Kulturindustrie

Der Podcast Kulturindustrie bespricht einmal monatlich drei kulturelle Themen, beispielsweise Filme, Serien, Bücher, Comics oder Games. Ich bin einer von vier Moderator:innen.

Episode 32 – Dune, Das Dämmern der Welt, Schumacher
Episode 31 – Fabian, Der falsche Gruß, Martin Eden
Episode 30 – In The Heights, Mein Leben unter Ludwig II., Bad Luck Banging or Loony Porn

LEXPOD

Ich habe keine Zeit mehr zum Bloggen, keine Zeit mehr für einen aufwändigen Podcast mit mehreren Personen, aber trotzdem das Bedürfnis, mich regelmäßig über Dinge mitzuteilen, die mich interessieren. Also habe ich mich von Menschen wie Mark Rosewater inspirieren lassen und nehme ab sofort einen Solo-Podcast, man könnte es auch ein Audioblog nennen, auf dem Weg von der Haustür zur S-Bahn auf – den LEXPOD. Es geht um die üblichen Themen, die Leser*innen von Real Virtuality kennen, aber auch um Persönlicheres und alles, was mir sonst so auffällt.

Technisch möglich macht das Ganze die App Anchor (gerade erst für viel Geld von Spotify gekauft), in der man mit wenigen Tippern und Wischern Podcasts aufnehmen, mixen und verteilen kann. So kann ich meine Gedanken direkt nach Ende der Aufnahme in der S-Bahn in die Welt pusten, und ihr könnt sie hören. Zweimal die Woche, zehn bis 15 Minuten, das passt doch mit Sicherheit noch in euren Podhörplan.

Ich freue mich über Feedback und Themenideen. (Kann man mit Anchor übrigens auch per Sprachnachricht machen.)

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Real Virtuality wird 10 und ich habe einen Wunsch

Immer kurz vor meinem eigenen Geburtstag jährt sich auch der Start dieses Blogs im Februar 2009. Dieses Jahr ist das also zehn Jahre her, und wie schon in den Jahren zuvor, habe ich leider keine Zeit, um daraus etwas Großes zu machen. Ich komme sowieso selten zum Bloggen und seit einem knappen Jahr habe ich außerdem ein Kind.

Ich habe mir zum 10. Geburtstag einen neuen, minimalistischen Anstrich gegönnt. Zunächst war das ein unfreiwilliger Akt, weil ich aus Versehen das Style Sheet des alten Themes zerschossen habe, aber er passt. Zu Jubiläen kann man sich ja schließlich auch mal mobile-friendly häuten und mit dem Rest des World Wide Webs aufschließen. (Langfristig würde ich mich ja am liebsten sogar vom Namen “Real Virtuality” trennen und einfach auf alexandermatzkeit.de wechseln, aber das bringe ich im Moment noch nicht über’s Herz.)

Außerdem habe ich entschieden, mir etwas zu wünschen. Zu Geburtstagen darf man das ja. Wer das, was ich so schreibe, kennt, weiß, dass ich nicht unbedingt ein geborener Close Reader bin. Ich schreibe über Film und Medien, gerne auch über die Werke selbst, aber am liebsten über das Drumherum: Produktion, Rezeption, Technik, Vermarktung, Geschäft. Trotzdem habe ich es in den bald 17 Jahren, die ich mich durch Studium und Beruf damit beschäftige, nie geschafft, tatsächlich mal ein Profi-Filmset zu erleben. Ich habe mit Kamerateams gedreht und an Studentenfilmen mitgewirkt, ich habe B-Roll Footage geschaut und Sidney Lumets Making Movies gelesen. Aber ich war noch nie dabei, wenn echte Profis Film oder Fernsehen entstehen lassen. Deswegen lautet mein Wunsch:

Ich möchte gerne einen Tag am Set einer fiktionalen Film- oder Fernsehproduktion verbringen.

Ich lebe in Berlin, da muss das doch möglich sein. Ich bleibe im Hintergrund und halte die Klappe, ich helfe gerne bei einfachen Arbeiten, und ich veröffentliche gerne im Gegenzug zu einem gewünschten Zeitpunkt einen Bericht über meine Erfahrungen (oder eben nicht). Ich würde mich sehr sehr freuen, wenn mir jemand, der das hier liest, und vielleicht jemand kennt, der jemand kennt, die jemand kennt, diesen Wunsch (den ich seit Jahren habe) erfüllen könnte.

Falls du mir vielleicht dabei helfen kannst, einen alten Traum wahr werden zu lassen (und zukünftig eine realistischere Vorstellung davon zu haben, wie Filme und Serien gedreht werden), schreib mir eine E-Mail. Vielen Dank im Voraus.

Ich beende meinen Podcast (vorerst) nach 8 Monaten. Das habe ich gelernt.

Was war ich ekstatisch. Ich war so happy im letzten September, als ich es nach zehn Jahren Herumdruckserei endlich hinbekommen hatte, einen Podcast auf die Beine zu stellen. Kulturindustrie, so hieß er, war die Erfüllung eines Traums – ein Roundtable-Review aktueller Popkultur aus allen Bereichen mit drei anderen Leuten, die ich als Gesprächspartner gut und auch gut durchmischt finde. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, meinen amerikanischen Vorbildern Pop Culture Happy Hour und Slate’s Culture Gabfest nachzueifern und ein Format in Deutschland zu etablieren, dass es bisher noch nicht gab.

Jetzt bin ich acht Monate weiter und auch acht Monate weiser. Vor einem Monat bin ich Vater geworden und ich habe sehr schnell gemerkt, dass ich mir meine Freizeit neu einteilen muss, wenn ich meinen Vollzeitjob gut machen, meine Aufgaben als Elternteil fair wahrnehmen und meine geistige Gesundheit behalten will. Ich habe meinen Mitpodcaster*innen deswegen schnell mitteilen müssen, dass ich etwas länger “Elternzeit” nehmen werde. Ich war mir nicht sicher, was wegen dieser Mitteilung passieren würde. Leider führte meine Entscheidung am Ende dazu, dass Kulturindustrie in seiner jetzigen Form erstmal auf Eis gelegt wird.

Das muss nicht heißen, dass es nie wieder einen Podcast namens Kulturindustrie geben wird, an dem ich beteiligt bin. Ich hoffe sehr darauf, dass das Projekt in irgendeiner Form weiterbestehen oder nach einer kurzen Pause zurückkehren wird. Wir vier haben uns nie festgelegt, wie der Podcast aussehen muss. Wir haben keine zahlenden Sponsoren oder Crowdfunder, denen wir Rechenschaft schuldig sind. Wir mögen uns immer noch alle und wir hatten gemeinsam viel Spaß, deswegen werden wir hoffentlich einen Weg finden, weiter zusammen zu podcasten. Aber es wird sehr wahrscheinlich nicht so aussehen wie in den letzten acht Monaten.

Was ist passiert? Ich glaube, dass es sehr interessant sein kann, sich das genauer anzugucken. Scheitern ist wichtig, predigt uns das Silicon Valley, und in den Gründen für dieses spezielle Scheitern spiegeln sich einige Dinge, die mich ohnehin interessieren – über die heutige Medienlandschaft, über Arbeitsabläufe, über Aufmerksamkeitsökonomie. Daher möchte ich hier einige Lektionen aufzählen und erklären, die ich in acht Monaten Kulturindustrie gelernt habe. Vielleicht hilft es ja eines Tages jemand anderem.

1. Das Team sollte sich über das Produkt einig sein

Die Erfahrung der Zusammenarbeit mit meinen Mitpodcaster*innen kam mir aus den diversen Bands, in denen ich schon gespielt habe, sehr bekannt vor. Erst im vergangenen Herbst habe ich, unter anderem zugunsten des Podcasts, eine Band verlassen, in der ich gespielt habe, weil ich eine andere Vorstellung davon hatte, was das Ziel der Band sein sollte, als meine Mitspieler.

Zu Kulturindustrie gab es ein Konzept, das ich geschrieben hatte. Ich hatte eine klare Vorstellung davon, wie ich wollte, dass der Podcast klingt, was er tut und welche Haltung die Macher*innen haben. Mir war eine gewisse journalistische Professionalität in Klang und Ansprache wichtig. Mir war wichtig, dass er nicht zu lang und zu laberig wird. Mir war wichtig, dass er aktuell und relevant ist. Insgesamt waren sich über diese Ziele alle Beteiligten einig, aber jeder hat sie ein bisschen anders gewichtet und ausgelegt. Am Anfang habe ich sehr viel Energie damit verbraucht, mich mit Leuten darüber zu streiten, welche Themen ich für geeignet halte, wie rigoros geschnitten werden sollte, wie hart wir uns an die Vorgaben halten sollten.

Anfang 2018 habe ich für mich entschieden, dass ich diese Energie nicht mehr verbrauchen möchte und dass es auch unfair ist, so diktatorisch vorzugehen. Ich wollte, dass der Podcast sich etwas organischer selbst findet, so dass alle Beteiligten sich darin wiederfinden. Die potenzielle Neukonzeptionierung ist jetzt vielleicht der finale Schritt in diese Richtung. Wenn es eine Kulturindustrie 2.0 geben wird, ist sie auf jeden Fall von allen mitgestaltet und nicht von mir erdacht und den anderen mit meinen Ansprüchen übergestülpt. Was direkt zu Punkt 2 führt.

2. Ehrenamtliche Professionalität ist hart

Meine Vorbild-Podcasts haben jede Woche zwei bis drei Themen besprochen. Mein Ziel war es daher, das gleiche in der doppelten Zeit zu schaffen. Also drei Themen alle zwei Wochen. Das, so wurde uns schnell klar, kostet jede Menge Zeit und Geld – vor allem, wenn man nicht auf Angebote wie Pressevorführungen zurückgreifen kann. Es kann auch bedeuten, dass man einen großen Teil seiner Freizeit für etwas opfern muss, was sich dann eher wie Arbeit anfühlt. Zum Beispiel wenn es darum geht, ein aktuelles Buch innerhalb von einer Woche zu lesen, für das man sich ohne den Podcast vielleicht gar nicht interessiert hätte. Ein Buch, das vielleicht auch noch vergleichsweise teuer ist, weil es gerade erst als Hardcover erschienen ist. Dazu dann noch der Eintritt für den Blockbuster in 3D. Das läppert sich. Und es ärgert einen vor allem dann, wenn man die besprochenen Dinge am Ende nicht einmal gut fand.

Doch das Thema “professionell sein”, im Sinne von: Dinge machen, weil sie halt zum Job dazu gehören, auch wenn der “Job” in der Freizeit stattfindet, zieht noch weitere Kreise. In Arbeitskontexten gibt es meistens Hierarchien, festgelegte Entscheider oder andere Faktoren, die im Zweifelsfall Absprachen vereinfachen. Wenn man sich aber in seinem ehrenamtlichen Podcast mal nicht einig ist, kann man sich nur streiten und hoffen, dass am Ende ein Kompromiss gefunden wird oder jemand einlenkt. Was im schlimmsten Fall die oben beschriebene Situation verschlimmert und wirklich frustig werden kann.

Ich wollte mit Kulturindustrie nie Geld verdienen, aber gegen ein bisschen Ruhm hätte ich mich natürlich nicht gesträubt. Wenn beides nicht eintrifft (siehe auch Punkt 4) ist es hart, die andauernde Workification der Freizeit vor sich selbst zu rechtfertigen. Für die Zukunft wäre es für mich also sehr wichtig, dass der Podcast – und auch seine Vorbereitung – wenigstens die meiste Zeit auch Spaß macht.

3. Zwei Wochen sind ein blöder Rhythmus, wenn man aktuell sein will

Wie bereits erwähnt, war es mir wichtig, mit dem Podcast aktuell und relevant zu bleiben. Also über die Themen zu sprechen, die gerade in der Luft liegen, und nicht über irgendwelche Themen, die man gerade interessant findet. Das ist mit einem zweiwöchigen Rhythmus gar nicht so einfach. Ein Rechenbeispiel. Ein Film kommt am 3. Mai ins Kino. Wir nehmen den Podcast in der Regel am Wochenende auf, aber wegen des zweiwöchigen Rhythmus nicht an diesem, sondern erst am nächsten Wochende, also zum Beispiel am 12. Mai. Dann muss das Biest noch geschnitten werden, was auch noch mal eine Woche dauern kann. Wenn der Podcast also am 19. Mai erscheint, ist der Kinostart schon 16 Tage her und der Film im schlimmsten Fall schon wieder völlig aus der kulturellen Konversation verschwunden.

Als Podcaster steht man also vor einem ständigen Dilemma: Entweder die Diskutierenden hängen immer zwei Wochen hinterher oder sie haben statt zwei Wochen immer nur ein paar Tage Zeit, um den Film zu sehen oder das Album zu hören (Alben erscheinen Freitags). Weil wir das Podcasten aber alle nur in unserer Freizeit machen (siehe Punkt 2), ist ein schnellerer Turnaround kaum möglich. Das führt dann manchmal wiederum zu Punkt 1. Ein Teufelskreis.

4. Feedback ist rar

Der 90/9/1-Regel sollte man sich bewusst sein, wenn man im Internet auf Feedback hofft und nicht gerade massiv provoziert. Wir hatten pro Folge bis zu 800 Hörerinnen und Hörer. Es ist also völlig normal, dass wir nur von etwa acht Leuten (plus minus) Feedback bekommen haben, ob der Podcast etwas taugt. Die Hörerzahlen sind über die Zeit recht konstant geblieben, also irgendwas müssen wir richtig gemacht haben. Trotzdem: Wir fühlten uns oft genug, als würden wir in den leeren Raum rufen. Das motiviert nicht unbedingt. (Eitle Seitenbemerkung: Als Moderator wurde ich selbst in den Rückmeldungen, die wir bekamen, so gut wie nie erwähnt, während zu Lucas, Mihaela und Sascha immer klare Meinungen vorherrschten.)

Ich kann also allen nur raten: Wenn euch etwas gefällt oder auch nicht gefällt, gebt den Macherinnen und Machern Feedback – und wenn es nur ein “Hat mir gefallen” ist. Es hilft!

5. Wir hätten einen Marketing-Push gebraucht

Hauseins-Chefin Katrin Rönicke hat es in ihrem Talk auf der re:publica gerade noch einmal erzählt: Podcasts werden vor allem durch Empfehlungen in anderen Podcasts bekannt. Selbst Alex Blumberg ging es beim Aufbau von Gimlet so. Wir hatten einen guten Anschub, dadurch dass Sascha, Mihaela und Lucas alle schon Podcasts hatten, der Wowcast, den Sascha mit René von “Nerdcore” gemacht hat, recht erfolgreich war und wir jetzt alle auch ein paar Follower auf Twitter besitzen. Sonst wären wir sicher nicht aus dem Stand auf 600 Hörerinnen und Hörer gekommen.

Aber um wirklich durchzustarten, hätte uns mal jemand in einem richtig erfolgreichen Podcast empfehlen müssen. Oder wir hätten irgendwie sonst mal ordentlich Werbung gebraucht, einfach um überhaupt Leute zu erreichen, auch mit einer eindeutigen Botschaft wie “Wir wollen etwas anderes sein, als die vielen Laberpodcasts, die es schon gibt – ein Orientierungskompass zu aktueller Kultur” (siehe auch Punkt 6). Das ist nicht passiert und daher haben wir unser Startniveau leider nicht steigern können.

6. Es besteht anscheinend doch weniger Bedarf, als ich dachte ODER wir waren einfach nicht gut genug

Wie man diesen Punkt bewertet, hängt sehr davon ab, was man von Kulturindustrie am Ende hält. Entweder wir waren tatsächlich der Podcast, den ich vor meinem geistigen Ohr gehört hatte – dann haben vielleicht in der deutschen Podcasthörlandschaft wirklich nicht genug Leute Lust auf einen Kultur-Roundtable. Immerhin werden Podcast ja in Deutschland erst so langsam einem breiteren Publikum bekannt und die bekanntesten und erfolgreichsten basieren entweder auf erfolgreichen Medien- und Personenmarken oder sind eben, ganz wertneutral, “laberiger”. Vielleicht waren wir da einfach irgendwo dazwischen und haben somit kein wirklich breites Publikum gefunden.

Die andere Möglichkeit ist, dass wir nicht anders und nicht gut genug waren. Dass es nichts gab, außer der Tatsache, dass wir drei Themen pro Sendung hatten und geschnitten wurden, was uns besonders ausgezeichnet hat. Kein besonders interessantes Konzept, keine besonders interessanten Meinungen, keine besonders interessanten Gespräche, die uns irgendwie über den Rest der Gesprächspodcast-Landschaft erhoben hätten. “Be the first, be the best or be different” heißt es ja im Startup-Motivationssprech. Eventuell waren wir keins davon.

Und das ist für mich auch der wichtigste Punkt. Beim nächsten Mal oder bei der nächsten Iteration würde ich entweder von Anfang an noch mehr in Richtung Außergewöhnlichkeit pushen, oder eben das ganze gleich entspannter angehen und im laufenden Prozess so anpassen, dass es genuin die Persönlichkeiten der Macherinnen und Macher reflektiert, so dass sich wenigstens alle darin wiederfinden und es dann auch ein bisschen egaler finden, was der Rest der Welt davon hält.

9 Jahre Real Virtuality

In dieser Woche wird Real Virtuality neun Jahre alt. Ich wollte das nur kurz erwähnen, für mehr ist keine Zeit. Ich weiß, dass das Blog, abgesehen von einem Post über die Kommunikationsarbeit von Magic: The Gathering seit etwa einem halben Jahr nur noch aus Verweisen auf Dinge besteht, die ich anderswo schreibe oder aufnehme. Das tut mir selbst ein bisschen leid. Aber vielleicht kommen ja auch wieder andere Zeiten (sagte er sechs Wochen vor der Geburt seines ersten Kindes).

In eigener Sache: Eingebackene Veränderung

Von 1991 bis 1996 hat mein Vater in Den Haag gearbeitet und wir, meine Mutter, meine Schwester und ich, haben dort gemeinsam mit ihm gelebt. Dass die Stelle eine temporäre sein würde, stand von Anfang an fest, wie bei vielen Menschen, die von ihren Arbeitgebern ins Ausland geschickt werden. Auf meiner Deutschen Schule merkte ich das ebenfalls. Als ich neu in die 4. Klasse kam, war das für meine Klassenkameraden kein großes Ding und in den kommenden fünf Jahren merkte ich, wie das an Auslandsschulen so ist: Jedes Jahr zum Anfang des Schuljahres (manchmal auch mittendrin) kamen neue Menschen in die Klasse, am Ende des Schuljahres verließen uns einige.

Für uns Schülerinnen und Schüler war das normal. Es war normal, dass sich die Klasse veränderte, dass man am Anfang des Schuljahres schnell neue Freundschaften schloss und am Ende auch lernte damit umzugehen, dass nicht alle Klassenkameraden für immer bei einem bleiben würden. Die Veränderung war Teil des Systems. Ganz anders an dem Gymnasium, in das ich nach meiner Den Haager Zeit eingeschult wurde: hier kannten sich viele schon seit der Grundschule, mindestens aber seit der 5. Klasse. Die Rollen standen fest, Veränderung war frühestens wieder zum Studienbeginn zu erwarten.

Inzwischen weiß ich, dass es im Beruf manchmal ähnlich sein kann. Festgefahrene Rollen, eiserne ungeschriebene Regeln, von denen keiner mehr weiß, wer sie aufgestellt hat, sind wahrscheinlich in mehr Büros Alltag als man denkt. Nicht zuletzt deswegen habe ich den Deutschen Evangelischen Kirchentag immer bewundert. Die Geschäftsstelle, die die Veranstaltung organisatorisch plant, zieht alle zwei Jahre von Stadt zu Stadt, mit einem kleinen Kernteam aus 20 bis 30 Leuten. Im Laufe der nächsten zwei Jahre wächst dieses Team auf über 100 Menschen kurz vor der “Durchführung”, den eigentlichen Veranstaltungstagen im Frühsommer jedes ungeraden Jahres.

Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten nur ein knappes Jahr beim Kirchentag und springen auf einen Zug auf, der längst mit hoher Geschwindigkeit fährt. Sie werden in zwei Wochen ins Thema geholt und müssen sofort loslegen. Das funktioniert nur, weil auch hier die Veränderung und das neue Team für jeden Kirchentag Teil des Systems ist. Weil selbst die, die schon länger dabei sind, die vielleicht schon ein oder zwei Kirchentage mitorganisiert haben, bereit sind, sich sehr schnell auf die neuen Gesichter, Arbeitsweisen, Spezialisierungen einzustellen. Doch nicht nur deswegen kann man nicht alles machen wie immer. Man ist außerdem in einer neuen Stadt, in einer neuen Region, in einer neuen Landeskirche. Konzepte werden laufend überholt und verändert. Die Fähigkeit, sich anzupassen und auf allen Ebenen offen für Neues zu sein, ist in den Prozess fest eingebacken. Anders geht es nicht. Jeder Kirchentag, um es mit Dirk von Gehlen zu sagen, drückt aus: Eine neue Version ist verfügbar. Nicht umsonst sind Kirchentage nummeriert.

Vor fast acht Jahren habe ich mich entschieden, das Rhein-Main-Gebiet, in dem ich Abitur gemacht, studiert und meine erste Arbeitsstelle angetreten hatte, zu verlassen und beim Kirchentag in Dresden die Internetredaktion zu übernehmen, aus dem gleichen Grund: mein Leben brauchte eine Veränderung. Ich wusste nicht, was mich erwartet, ich war nie auf einem Kirchentag gewesen, und ich hätte nicht ahnen können, wie gut es mir gefallen würde. Innerhalb kürzester Zeit wurde mir dort sehr viel zugetraut. Ich durfte alle Social-Media-Kanäle starten und mir eine Strategie dazu überlegen. Und im Juni 2011 durfte ich eine 40-köpfige Redaktion leiten.

Die Erinnerung an die dynamische Arbeitsweise und die Möglichkeit, Veränderung zu gestalten, hat mich so beeindruckt, dass ich zweieinhalb Jahre später zum Kirchentag zurückkehrte, diesmal als Abteilungsleiter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit (soviel zum Thema “Zutrauen”). Diesmal blieb ich einen ganzen Zyklus an Bord. Nach dem Kirchentag in Stuttgart 2015 zog ich mit nach Berlin und war dort Abteilungsleiter Presse und Marketing – bis heute.

Heute hatte ich meinen letzten Arbeitstag beim 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen möchte ich gerne in Berlin wohnen bleiben, wenn meine Kolleginnen und Kollegen nach Dortmund ziehen. Aber zum anderen war es nach siebeneinhalb Jahren (brutto) auch wieder Zeit für etwas Neues. Denn so dankbar ich für all die Impulse, Erfahrungen und Begegnungen bin, die ich in dieser Zeit mitnehmen durfte: Das System Kirchentag kann nur funktionieren, wenn es auch die Möglichkeit bekommt, seine eingebackene Veränderung auszuleben. Genau wie das System Alex. 

Am 15. September beginnt mein neuer Job als Referent für Digitale Kommunikation beim Service-Portal Integration der Stiftung Haus der kleinen Forscher. Ich freue mich auf jede Menge neue Klassenkameraden.

The Seven Year Itch

Heute vor sieben (SIEBEN!) Jahren habe ich den ersten Post auf “Real Virtuality” veröffentlicht. Es wird 2016 also Zeit für den “Seven Year Itch”, denn angeblich wird es nach sieben Jahren in einer Ehe oder Beziehung schwieriger, alles stabil und frisch zu halten. Wenn ich mir anschaue, wie laut ich schon vor einem halben Jahr darüber nachgedacht habe, “Real Virtuality” zu verändern (und hey! es gibt jetzt immerhin die “Real Virtualinks”), könnte das sogar stimmen. Bisher habe ich es noch nicht geschafft, meinen Hintern für ein ordentliches Podcast-Projekt hochzukriegen, aber vielleicht wird es ja doch noch was.

The Seven Year Itch ist natürlich auch der Titel eines schönen Films mit Marylin Monroe, der auf deutsch Das verflixte 7. Jahr heißt und das Titelbild dieses Posts inspiriert hat. Eine Million Dankeschöns an Owley, der mir dieses Bild gezaubert hat!

Andererseits wird 2016 aber allen Anzeichen nach auch das Jahr, in dem der Namensursprung meines Blogs, Virtual Reality, seinen großen Durchbruch haben könnte. Warum mich das vor allem im Filmbereich begeistert, habe ich an verschiedenen Stellen schon aufgeschrieben. Und gerade heute habe ich mir Tickets für ein VR-Event in Berlin gesichert, es wird also auch noch viel zu schreiben geben.

Wir werden sehen, was das nächste Jahr bereit hält. Bis dahin bin ich sehr dankbar, dass ich dieses Blog seit sieben Jahren führen kann, dass sich immer wieder Leute für meine Inhalte interessieren und dass es mir die Tür zu vielen tollen Begegnungen, Bekanntschaften und Freundschaften geöffnet hat. Dafür allein hoffe ich, dass es mindestens noch sieben Jahre so weiter geht.

Falls irgendjemand seit Jahren nach einer Möglichkeit sucht, mir etwas Gutes zu tun (am Mittwoch habe ich übrigens auch selbst Geburtstag), verlinke ich an dieser Stelle ausnahmsweise zusätzlich meinen Amazon-Wunschzettel.

Vielen Dank für sieben Jahre Treue, Kommentare und Kontakte. Auf bald!