Der kleine Prinz als metatextuelle Verfilmung – und andere Varianten, Kinderbücher ins Kino zu bringen

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Wer heutzutage ein Kinderbuch verfilmen möchte – ein richtiges Kinderbuch, für eher kleinere Kinder, keinen “Young Adult”-Roman – scheint zwei Möglichkeiten zu haben. Entweder, er bleibt dem Werk ziemlich treu. Dann entsteht vielleicht so etwas wie Der Grüffelo, eine knuffige, witzige Bebilderung des Buchs von Julia Donaldson mit einigen prominenten Sprecherinnen und Sprechern, die allerdings leider nur 30 Minuten lang ist. Gut für’s Fernsehen, unpassend für heutige Kinostrukturen.

Die andere Möglichkeit ist eine Erweiterung des Bekannten, eine Einbettung der Kerngeschichte in eine größere Erzählwelt, die Kinoformat hat, was immer das heißt. Peter Jacksons Hobbit-Filme könnten in diese Kategorie fallen, Spike Jonzes Where the Wild Things Are, und seit diesem Jahr auch Der kleine Prinz in einer neuen Fassung von Regisseur Mark Osborne und den Drehbuchautorinnen Irena Brignull und Bob Persichetti.

Ein Film über die Ereignisse

Die Hobbit-Filme, was immer man sonst von ihnen halten mag, stehen dabei wahrscheinlich noch auf den sichersten Füßen. J. R. R. Tolkiens Roman The Hobbit beschreibt eine größere Geschichte aus einer sehr beschränkten Sicht. Figuren verschwinden während der Handlung und kehren irgendwann wieder und die Hauptfigur erfährt nie, was sie in der Zwischenzeit getrieben haben. Das erklären erst die Anhänge zu Lord of the Rings. Einiges, etwa die “Schlacht der fünf Heere”, die dem dritten Jackson-Film ihren Titel gibt, wird im Buch nur in Mauerschau erzählt. Jackson adaptiert in seinen Filmen nicht das Buch, er dreht einen Film über die Ereignisse (und ein paar zusätzliche Dinge, die er erfunden hat). Damit verliert er über große Strecken das “Gefühl” des Buches, für viele der größte Kritikpunkt an den Filmen, aber er kann seine Geschichte in ähnlich epischer Breite erzählen, wie er es bereits in seiner letzten Trilogie getan hat.

Spike Jonzes Verfilmung von Where the Wild Things Are unterscheidet sich weniger von Jacksons Ansatz, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Maurice Sendaks Buch ist berühmt dafür, dass es nur 100 Wörter hat, was aber daran liegt, dass es sich erzählerisch auf das Allernötigste beschränkt. Es ist dafür geschaffen, vorgelesen zu werden – so dass der vorlesende Mensch und der zuhörende Mensch gemeinsam, auch anhand der wunderbaren Bilder, darüber spekulieren können, was zwischen den Wörtern alles passiert.

Eine Vision der eigenen Gefühle

Im Endeffekt ist es genau das, was Jonze und sein Koautor Dave Eggers gemacht haben. “And Max the king of all wild things, was lonely and wanted to be where someone loved him best of all”, ist vielleicht der zentrale Satz im Buch. In solchen Sätzen ist viel Raum für Interpretation. Jonze und Eggers hatten die Gelegenheit, über ihre Ideen mit Sendak zu sprechen, der ihnen zwar Input gab, aber sie grundsätzlich bestärkte, ihre eigene Interpretation der Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Das also ist der Film zu Where the Wild Things Are – eine Vision dessen, was zwei Autoren spürten, als sie ein 100-Wörter-Kinderbuch lasen. (Ich mag das Resultat sehr, aber der Film hat ja auch nicht nur Fans.)

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Vielleicht lässt sich Osbornes Der kleine Prinz auf ähnliche Weise beschreiben. Der Film versucht, einen emotionalen Kern aus Antoine de Saint-Exupérys Buch zu destillieren und ihn auf moderne Weise neu zu interpretieren. Allerdings geht er einen zusätzlichen, metatextuellen Weg. Er ist “nicht wirklich eine Verfilmung im klassischen Sinne, sondern erzählt vielmehr davon, wie ein Kind die Geschichte vom kleinen Prinzen entdeckt”, wie Rochus Wolff es ausdrückt. In einigen Sequenzen werden Passagen aus Der kleine Prinz in bezaubernden Bildern animiert zum Leben erweckt, aber der weitaus größere Teil des Films stellt sich die Frage, welche Rolle Der kleine Prinz heutzutage in unserer Welt noch spielt.

Nachdenkliche Sprüche mit Bilder

Das Ergebnis gleicht im Plot ein wenig der Unendlichen Geschichte. Ein kleines Mädchen, gefangen in einem gefühlskalten Leben, entdeckt durch die Lektüre eines Textes erst eine fremde Welt und kann sie schließlich sogar betreten und ihr Schicksal beeinflussen. Die computeranimierten Sequenzen des Films stellen dabei die “Außenwelt” dar, während die Welt des Buchs in sehr stark auch im Look auf Handarbeit getrimmten Stop-Motion-Animationen visualisiert wird. Wie im Buch taucht auch Saint-Exupéry selbst auf, als alter, irrer-aber-liebenswerter Mann, der dem Mädchen überhaupt erst vom kleinen Prinzen erzählt. Schwer zu sagen, was der echte Saint-Exupéry über diese Interpretation seiner Figur gedacht hätte.

Der kleine Prinz gilt unter Menschen, die sich für schlau halten, gerne als der Inbegriff des Philosophie-Kitsches. “Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar” ist so ein Satz, der mir, wie bestimmt vielen anderen Menschen auch, erstmals als Kind über den Weg gelaufen ist, vielleicht sogar wirklich in einem Poesiealbum, und den man als Erwachsener gerne mal in die ”Nachdenkliche Sprüche mit Bilder”-Ecke abschiebt. Aber mal ganz abgesehen davon, dass der Satz durch seine naive Einfachheit nicht weniger wahr wird, ist Der kleine Prinz auch deutlich mehr als dieser Spruch. Er ist sowohl eine sehr persönliche Reflektion Saint-Exupérys über sein Leben und seine Umwelt als auch eine eindrucksvolle Parabel – manchmal eben die einzige Art, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

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Das Ende der Parabel

Dass Mark Osborne das in seinem Film anders sieht, mag der Grund sein, warum der Film Der kleine Prinz mit seiner Öffnung des Buches nach außen nur teilweise erfolgreich ist. Die Geschichte des Mädchens, dessen Leben von seiner ambitionierten Mutter bis zum Erwachsenwerden durchgeplant ist, ist eine passende und visuell in Form eines gigantischen “Lebensplan”-Bords auch gut umgesetzte Aktualisierung jener Dinge, über die sich auch Saint-Exupéry schon gesorgt hat. Doch nicht nur wird die Nacherzählung des Buchs auf einige seiner bekanntesten Passagen reduziert, im letzten Drittel bricht der Film jede Parabelhaftigkeit und jeden persönlichen Bezug zu Saint-Exupéry auf und lässt das Mädchen die Charaktere der Geschichte in einem neuen Setting wiedertreffen. Das gibt dem Abenteuer zwar ein actionreiches Finale, es transformiert den emotionalen Kern der Geschichte – anders als bei Sendak/Eggers/Jones – aber auch in eine völlig andere Dimension. Der kleine Prinz, der Film, hat eine andere Aussage und eine andere Wirkung als Der kleine Prinz, das Buch.

Diese Art von metatextueller Kinderbuch-Verfilmung scheint aber gerade beliebt zu sein. Im Februar kommt der bereits zu Halloween in den USA gestartete Film Goosebumps auch in die deutschen Kinos. Statt eine der Geschichten der Buchserie von R. L. Stine zu verfilmen, auf der er basiert, strickt auch er eine Handlung um eine fiktive Version von R. L. Stine und ein Buch, dessen Figuren plötzlich lebendig werden. Vielleicht funktioniert das Prinzip mit Gruselgeschichten besser als mit nachdenklichen Parabeln. Vielleicht muss es aber auch einfach nicht immer ein epischer Kinofilm sein.

Der kleine Prinz sollte noch in vielen Kinos laufen. Ich habe ihn in einer Pressevorstellung gesehen und wollte diesen Artikel eigentlich zum Kinostart fertighaben. Dann passierten Dinge.

“Vielleicht wird noch ein Schuh draus” – Eine epische Unterhaltung über die Hobbit-Filme

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Die Hobbit-Filme von Peter Jackson beschäftigen mich. Ich habe hier im Blog schon mehrfach über sie geschrieben, jedes Jahr auf’s Neue, weil sie einerseits die Fortschreibung des für mich wohl prägendsten Filmerlebnisses meiner Jugend sind und ein endloses Feld für Entdeckungen in Sachen Filmtechnik und Franchising. Andererseits stecken sie insgesamt irgendwie doch voller Probleme und Enttäuschungen und sind äußerst streitbar. Über diese Filme diskutiere ich am liebsten mit meinem Freund Martin Urschel, der genauso tief sowohl in Tolkiens Werken als auch in Jacksons Filmen steckt, wie ich. Martin hat in diesem Blog schon einen Gastbeitrag geschrieben und ich habe ihn zu seinem Buch über “The Wire” interviewt. Den folgenden, ziemlich epischen Dialog habe ich mit ihm via E-Mail geführt. (SPOILER für alle Hobbit-Filme und ziemlich heftiges Nerdtum voraus!)

Martin: Gerade habe ich die Extended Edition von Desolation of Smaug gesehen. Nachdem wir vor ein paar Tagen zusammen Battle of the Five Armies gesehen haben, ist es für mich interessant, zurückzugehen und die interne Logik dieser Filme nachzuvollziehen. Die Extended Versions scheinen mir die wesentlich besser balancierte und innerlich schlüssigere Version des Hobbit-Films (als ein Film mit zwei ziemlich willkürlich gesetzten Einschnitten) zu sein. Wenn man die Extended Editions im Zusammenhang ansieht, funktioniert zum Beispiel der Handlungsstrang um Dol Guldur.

In der Kinofassung wirkt Gandalfs Handlungsbogen im zweiten Film unmotiviert und letztlich unnötig, weil er nichts mit der Haupthandlung zu tun hat. Es geht los mit der Szene am Eingang zu Mirkwood, wo Gandalf eine Vision von Galadriel zu haben scheint, die ihm sagt, er soll zu den “High Fells” gehen, den Gräbern der neun Menschenkönige, die später zu den Ringgeistern werden. Diese “Vision” kommt unvermittelt und wirkt als Fremdkörper. Tatsächlich handelt es sich aber gar nicht um eine Vision oder einen telepathischen Kontakt zwischen den beiden – wie ich damals im Kino dachte – sondern um eine Erinnerung an einen Dialog zwischen Gandalf und Galadriel, der nur in der Extended Version von Teil 1 stattgefunden hat.

In der Extended Version von Teil 2 wird diese Erinnerung zudem vorbereitet durch einen Dialog zwischen Beorn und Gandalf kurz zuvor, bei dem es ebenfalls eine Erinnerungs-Rückblende gibt. So wirkt die Reise von Gandalf nicht mehr zusammenhanglos und willkürlich, sondern bietet eine Art Detektivgeschichte, die uns in die Backstory von Mittelerde und die größeren politischen Zusammenhänge der Schatzsuche von Bilbo und den Zwergen hineinführt. Im Kino fand ich Gandalfs Plot anstrengend, hier wirkt er auf mich nun reizvoll und als eine hilfreiche Erweiterung der Perspektive.

Der verschwundene Thrain

Noch wichtiger für den Gesamtzusammenhang sind die zusätzlichen Szenen zwischen Gandalf und Thorins Vater Thrain, der in Dol Guldur gefangen war. Damit wird Dol Guldur wieder an den Handlungsstrang der Zwerge angebunden und die ganze Detektivgeschichte findet in der auch schauspielerisch und emotional starken Szene zwischen Gandalf und Thrain ihren Höhepunkt. Ohne Thrain wirkt Dol Guldur wie ein Gimmick, um Sauron in Teil Zwei auftauchen zu lassen, also nur ein weiterer, für viele unnötiger Verweis auf die Lord-of-the-Rings-Filme, der nichts zum Gesamtbild beiträgt. In der Extended Version bieten diese “politischen” Elemente eine weitere Ebene des Schatzsuche-Plots, eine Bereicherung, wie ich finde.

Auch die strategischen Gespräche darüber, warum Azog die Zwerge eigentlich jagt und welche Relevanz der Erebor-Berg für Sauron im Kriegsfall hätte, stärken nicht nur den dritten Teil, sondern motivieren überhaupt erst die Handlung, der wir über so viele Stunden beiwohnen. Bei den “Extended Editions” von LOTR war es noch so, dass die zusätzlichen Szenen mal mehr, mal weniger interessante Erweiterungen, Exkurse und Hintergrundinfos zur Haupthandlung gegeben haben. Beim Hobbit sind dagegen einige wirklich zentrale Informationen in die Extended Edition ausgelagert wurden und der Kinofilm wirkt dadurch oft wie eine unmotivierte Aneinanderreihung ziemlich langer Actionszenen. Ich bin entsprechend gespannt, wie sich der Blick auf Jacksons Adaption möglicherweise noch einmal verschieben könnte, wenn wir alle drei Extended Editions vorliegen haben und das Puzzle noch mal neu und im Zusammenhang betrachten können.

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Alex: Lass mich einmal kurz meine Sicht der Dinge zusammenfassen. Die Special Extended Editions (SEE) der LOTR-Filme waren in erster Überlegung wohl tatsächlich “Bonus”-Versionen der Filme, deren Ergänzungen wenig auf die Kinofassungen zurückfielen. Tatsächlich ist es eher so, dass die Extended-Fassungen fast schon miteinander kommunizieren. Da gibt es einen Fall, den Jackson auch im Audiokommentar zu The Two Towers benennt, wo eine Szene aus der SEE nur Sinn ergibt, wenn man auch die entsprechende SEE zu Fellowship of the Ring gesehen hat, weil dort das Setup passiert (ich glaube, es ging um Aragorns Historie mit Rivendell).

Aber schon zum Zeitpunkt von Return of the King, als der Erfolg des Modells — inklusive all der Pickups und nachträglichen Ergänzungen zum Beispiel auf der VFX-Ebene, die Jackson gerne vornimmt — sich endgültig bewiesen hatte, passiert etwas mit diesen Filmen. Nicht nur, dass Return of the King eindeutig der am wenigsten ökonomisch gedrehte und inszenierte Film der Trilogie ist (in den Extras häufen sich auch dort schon die Anekdoten von Last-Minute-Fertigstellungen und Umwerfungen von lange geplanten Story Beats), er ist wohl auch der erste, in dem die SEE ein völlig anderes Biest ist als der Theatrical Cut. Szenen haben eine andere Reihenfolge, wechseln ihre Spielzeit von Tag zu Nacht und so weiter. Wobei – wahrscheinlich ging das sogar doch schon bei Towers los. Immerhin wird dort sogar bereits ein Charakter eingeführt (Denethor), der in der Kinofassung erst im dritten Teil auftaucht.

Peter Jackson, Dokumentarfilmer

Jackson hat stets betont, dass er die Theatrical Cuts – zumindest bei LOTR – für definitive Versionen hält, aber – sind wir doch mal ehrlich – wer guckt die denn überhaupt noch? Inzwischen kosten die drei SEE-Boxen im Set 40 Euro. Auf Blu-ray. Damals, als ich sie gekauft habe, hat das jede einzelne Box auf DVD gekostet. Bei den Hobbitfilmen ist das Prinzip jetzt endgültig Programm geworden. Gedreht wird, wofür Platz ist und dann scheint das ganze wie eine Art modulare Schnitzerei vor sich zu gehen. Im Desolation of Smaug-Kommentar berichtet er ja sogar davon, dass sie mit den Thrain-Szenen ihre ungeschriebenen Regeln gebrochen haben. Dadurch dass Jackson sich die Aufgabe gegeben hat, eben nicht nur den “Hobbit” zu verfilmen, sondern eigentlich “die Ereignisse, die zu jener Zeit tatsächlich stattfanden” (und aus denen der Roman “Der Hobbit” nur einen kleinen, sehr subjektiven Ausschnitt bildet), befindet er sich beinahe in der Rolle eines Dokumentarfilmers, der eben dabei war, 400 Stunden Material hat und daraus jetzt im Nachhinein eine Geschichte bauen muss.

Da ist durchaus auch eine interessante Parallele zu Tolkien, der ja auch immer den Mantel des Chronisten und “Übersetzers” und nicht des Romanautoren trug. Mit all der Arbeit, die Jacksons Team in Designs, Sets (ob real oder virtuell) und Charakterhintergründe steckt, ist der Film also auch nur ein Ausschnitt des quasi-realen Film-Mittelerdes. Dort scheint die Geschichte sich eigentlich in Beinahe-Echtzeit zu entfalten und die Chronik dessen wären dann die Extended Editions, während die Kinoversionen nur verkürzte und geraffte Darstellungen dessen sind, was wirklich passiert ist. Ich hab mir schon während unserer Vorführung von Battle of the Five Armies überlegt, ob man überhaupt noch von einer Tolkien-Adaption sprechen kann oder ob Jackson nicht längst sein eigenes Mittelerde-Erlebnis verfilmt. Was meinst du?

Martin: Eine Tolkien-Adaption ist es schon, weil das meiste Material (außer Tauriel, und sogar die in ihren Themen) von Tolkien stammt und das zusätzliche Material dafür genutzt wird, die Themen des Buches auszubuchstabieren. Mich interessiert dabei, warum welches zusätzliche Material eingefügt wurde und was sich dadurch an der Geschichte verschiebt. Die Klischee-Meinung dazu ist ja, dass Jackson diese Elemente aus dem Anhang aus den LOTR-Büchern eingefügt habe, um die Hobbitadaption an die LOTR-Filme anzugleichen in ihrem Stil und Ton. Das ist sicher auch nicht falsch, aber mittlerweile glaube ich, dass diese Szenen mehr bringen als nur zu betonen, dass die beiden Geschichten zusammenhängen.

Erweiterung der filmischen Landkarte

Sicherlich bewegt sich Jackson recht frei durch die Welt von Mittelerde, nicht nur auf den Wegen, die das „Hobbit“-Buch bietet, sondern er macht Exkursionen und erkundet die Nachbarschaft. Wenn er uns im dritten Film Angmar zeigt durch die Augen von Tauriel und Legolas, dann erweitert das unsere filmische Landkarte von Mittelerde, aber es gibt der ursprünglichen Hobbit-Geschichte auch eine neue Resonanz: Jackson und Co. stellen die Frage, warum die Zwerge sich auf Schatzsuche begeben, warum Gandalf sie darin unterstützt (obwohl das Projekt der Zwerge gierig erscheint, von Anfang an), und warum sie dafür ausgerechnet einen Hobbit mitnehmen, der augenscheinlich so ungeeignet für den Job wirkt.

Im Buch sind das einfach märchenhafte Setzungen, da gibt es erst mal gar nichts zu erklären. Die Drehbuchautor_innen dagegen suchen nach einer Antwort, die innerhalb der Welt diese Entscheidungen realistisch begründen kann, und finden Ansätze dazu in den Anhängen von LOTR. Offenbar war auch Tolkien selbst nicht restlos zufrieden damit, dass seine Hobbit-Geschichte „von hinten her betrachtet“ nur teilweise nachvollziehbar ist, also aus Perspektive von den Ereignissen in LOTR. Aber ich glaube, dass die Hobbitadaption nicht nur das Buch vom Ende her liest, sondern dass die Filmemacher die Chance nutzen, auch die LOTR-Filme noch mal vom Beginn her mit einem anderen Rahmen zu versehen. Die Rolle von Gandalf, Galadriel und Saruman im weiteren politischen Gefüge von Mittelerde wird klarer sichtbar, auch die verschiedenen Haltungen, die sie einnehmen. Das ist, finde ich, ein Mehrwert.

Alex: Ich würde dem zwar grundsätzlich zustimmen, aber das ist genau der Grund, warum ich nicht mehr von einer Buchadaption spreche sondern von einer Filmversion der “Historie” von Mittelerde zu dieser Zeit. Jackson betont regelmäßig, dass er am Ende (also jetzt) gerne eine einzige sechsteilige Saga hätte, die eine fortlaufende Geschichte erzählt, aber das ist immer ein Trugschluss, wenn man ein “Prequel” macht – also eine Geschichte, die zeitlich nach einem Urtext entsteht aber zeitlich vor diesem angesiedelt ist. Bei den Büchern ist “The Hobbit” (1937) kein Prequel zu “The Lord of the Rings” (1954), sondern “The Lord of the Rings” ist das Sequel zu “The Hobbit”. Es entwickelt die Themen und Figuren aus dem “Hobbit” weiter und erweitert ihren Horizont. Und deswegen ist es auch passend, das “The Hobbit” ein so viel unschuldigeren Ton hat als “Rings” – völlig unabhängig davon, ob Tolkien die Historie der Welt eventuell schon zuvor entworfen hatte. Mittelerde war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so tief in Chaos und Verderben gestürzt wie zum Ende des dritten Zeitalters. Die Dunkelheit zog erst auf.

Die Unschuld ist verloren

Bei Jackson geht diese Unschuld, trotz aller Bemühungen verloren, weil er eben die LOTR-Filme bereits als Blaupause vor sich hat. Die Hobbit-Filme können nicht unschuldiger oder primitiver sein, allein schon weil sich die Technik weiterentwickelt hat und Jackson sich als Filmemacher verändert hat. Und deswegen leiden eben auch die Hobbit-Filme unweigerlich an Prequelitis, an Bezügen auf Geschehnisse, von denen die Figuren der Geschichte noch nichts wissen können, wir aber schon. Manchmal kann man das mit etwas komischer dramatischer Ironie vom Tisch wischen, aber gelegentlich lehnt sich Jackson auch hinein.

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Martin: Es gibt Momente von „Prequelitis“ in diesen Filmen, die mich nerven, etwa wenn Tauriel Kilis Verletzung mit Athelas-Kraut heilt oder wenn Jackson in Bree auch dieses Mal in eine Möhre beißt. Als wollten Jackson und seine Leute sagen: “Schaut mal, wisst ihr noch?“ – Und das ist unnötig, klar wissen wir noch. Dieses penetrante Winken mit dem Zaunpfahl an solchen Stellen nervt.

Ein bisschen so ging es mir auch am Ende von Battle, wenn Legolas zu dem Sohn von Arathorn geschickt wird, von dem wir alle kapieren, dass es Aragorn ist. War es nötig, das so deutlich zu machen? Das ist eine gute Szene, um zu zeigen, was für mich diese Prequels ausmacht: Ja, mich nervt der zu deutliche Verweis auf Aragorn. Aber der Gedanke dahinter ist ein guter, denn indem Legolas am Ende auf Wanderschaft geht und nach den Dunedain sucht, erhält die Begrüßung von Aragorn und Legolas in Fellowship eine andere Bedeutung. Die Beziehung der Figuren wird eine tiefere, nachvollziehbare. So ist es auch zwischen Galadriel, Saruman und Gandalf, zwischen Elrond und Bilbo. Und auch einige Themen der LOTR-Filme werden von den Hobbitfilmen stärker in den Mittelpunkt gerückt. Sauron ist eben keine konservative Metapher für Industrialisierung, sondern wird in der Geschichte mit Gier und Versklavung in Verbindung gebracht.

Die eigentlichen Helden in Tolkiens beiden zentralen Romanen sind keine nordischen Recken, sondern postmoderne Anti-Helden, Hobbits. Und da hilft Jacksons Hobbit-Adaption als Interpretationswegweiser, wenn Gandalf begründet, warum er Bilbo mitgenommen hat: „Saruman believes that it is only great power that can hold evil at check, but that is not what I found. I found that it’s the small things, everyday deeds of ordinary folk that keeps the darkness at bay, simple acts of of kindness and love.“

Es ist eben nicht eine feudale Gesellschaft voller hierarchischer Ordnungen zwischen Edlen und Arbeitern, zwischen „besseren und schlechteren Rassen“, auch wenn es feudale Gesellschaften in Mittelerde gibt, auch wenn es Hierarchien gibt und manche rassistische Tendenzen, aber die Art, in der Tolkien die Geschichte erzählt unterläuft diese antimodernen Elemente: Die Hobbits stehen im Zentrum, diese genießerischen, friedvollen und demokratisch organisierten, kleinwüchsigen Hoffnungsträger. Gerade Bilbos Weigerung, sich einer der kämpfenden Parteien so ganz anzuschließen, weil er sie einfach alle mag, löst den Konflikt zwischen den freien Völkern. Das ist bei Tolkien so und das bringen die Filmemacher auf eine Weise zum Vorschein, die auch in den LOTR-Filmen nachhallt, wenn man die Filme in chronologischer Ordnung schaut. Ich denke, bei den Jackson-Tolkien-Filmen geht das. Bei Star Wars würde ich nicht empfehlen, mit Episode 1 anzufangen, weil sonst wesentliche Pointen vermasselt werden.

Die Möglichkeit des Remix

Mich beschäftigt an dieser ganzen Hobbit-Sache glaube ich, dass man durch die intensiven Einblicke in die Entstehung des Films durch die Dokus, und durch den Remix der Szenen in der Extended Edition immer das Gefühl haben kann, “vielleicht wird da noch ein Schuh draus”, vielleicht lässt sich das Scheitern der Ambitioniertheit dieser Adaption ja noch irgendwie reparieren, indem eine weitere alternative Fassung entsteht. Die Extended Editions sind für mich, wie gesagt, schon ein Schritt in diese Richtung. Und ich bin wohl in diesem Gefühl nicht alleine, wenn man sich Rufe nach einem radikal kürzeren Fan-Edit wie bei den Star Wars Prequels ansieht, oder den Fantrailer, der Szenen aus allen drei Filmen zusammenschneidet. Nur, dass ich mir bei Jackson sogar vorstellen kann, dass er selbst noch einen Trilogie-Remix anfertigt, so er alle drei Filme teils neu zusammenschneidet. Vielleicht verstärkt die Möglichkeit des Remix – für mich – auch das Gefühl des herzzerbrechenden Scheiterns eines Projektes, das ich seit seinen Anfängen fasziniert verfolge.

Alex: Ich glaube nicht, dass Jackson darauf tatsächlich noch Lust hat, wenn er die ganze Sache hinter sich gelassen hat. Klar ist jedenfalls, dass die Extended Editions auch deswegen besser fließen, weil sie der Struktur der Erzählung besser entsprechen. Obwohl die Hobbit-Filme sehr lang sind, sind sie eben nicht lang genug, um die ganze Tiefe einzufangen, die Jackson und seine Untertanen dem Stoff gegeben haben (nach Unexpected Journey habe ich das mal “barock” genannt, Alan Scherstuhl nennt es in der “Village Voice” treffend “großzügig“). Und leider sind es häufig die Charaktermomente und nicht die Kampfsequenzen, die für’s Kino weichen müssen.

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Martin: Was ich nach Battle of the Five Armies auch fand, war, dass nun offensichtlich wird, inwiefern der Hobbit eigentlich in zwei Teilen angelegt ist. Dass diese Zweiteiler-Struktur zerbrochen wurde, führt dazu, dass die größten Stärken der Adaption stark in den Hintergrund fallen, und für Kinozuschauer fast unsichtbar werden. Mir ist schon 2013 im Kino aufgefallen, dass der Anfang von Desolation of Smaug einen anderen Rhythmus und einen anderen, bunteren Look hat, als alles, was ab der Laketown-Sequenz kommt.

Themen eines Zweiteilers

Im Audiokommentar beschreibt Jackson nun genau den Punkt, an dem ursprünglich der Hobbit als Zweiteiler unterbrochen worden wäre: Bei dem ersten Auftritt von Bard. Teil 2 wäre mit der Überfahrt nach Laketown losgegangen. Ab hier hat Desolation einen viel dunkleren Ton und eine gradlinigere Struktur. Das Traurige ist, dass bei der Ankunft in Laketown viele interessante Bögen eröffnet werden, die dann in dem frustrierenden Cliffhanger am Ende des Films abgebrochen werden. Erst im direkten Zusammenspiel von Desolation und Battle wird sichtbar, wie sich die Dynamik zwischen Tauriel und Kili, Bard, dem Bösewicht Alfrid und Bards Kindern einlöst. Die Themen “Gier” und “Liebe” tauchen erst mit Bard auf und werden in einem recht schönen Bogen durchgeführt innerhalb dessen, was einmal “There and Back Again”, also der zweite Teil des Zweiteilers gewesen wäre.

Vor der Ankunft in Laketown waren die Themen “Zuhause” und “Verantwortung”, von Bilbos schwerfälliger Entscheidung aus dem geliebten Heim wegzugehen, über die Heimatlosigkeit der Zwerge bis hin zu Thranduil und den Waldelben, die sich in ihrer Höhle einigeln und sich nicht verantwortlich fühlen wollen für die Welt um sie herum. Am Ende des ursprünglichen ersten Teils hat sich Bilbo zum gleichberechtigten, erwachseneren Teilnehmer der Gemeinschaft entwickelt und ist nicht nur anerkannt, sondern auch selbstbewusst. Im zweiten Teil spiegelt sich Gier an den Figuren des Master of Laketown, Smaug, Thranduil, Alfrid und natürlich Thorin.

Diese thematischen Bögen wurden durch die Dreiteilung zerbrochen. Man ist als Zuschauer unzufrieden, weil man spürt, dass die Brüche an unorganischen Punkten kommen. Keiner der Kinofilme hat in sich runde Bögen. Die Stärken der Adaption von Jackson treten dadurch in den Hintergrund: Unexpected Journey wirkt wie eine zahmere und langsamere Variante von Fellowship, weil die neuen Themen nicht klar hervortreten. Die bemerkenswerten Designs und das elegant-beiläufige Worldbuilding von Laketown und der unterirdischen Stadt im Erebor fallen zurück hinter einer unbalancierten, ungleichmäßigen Struktur von Desolation, die mit einem unbefriedigenden Cliffhanger abrupt abbricht.

Battle hat Schwierigkeiten, die vielen offenen Handlungsfäden wieder einzusammeln. So bleibt zumindest in der Kinofassung von Battle dann auch einfach unbeantwortet, wo Legolas eigentlich am Ende von Desolation hingeritten ist. Die Logik des Zweiteilers drückt gegen die Dreiteilung, sodass die Filme im Kino ihre Qualitäten gar nicht entfalten. Andererseits haben die vorliegenden Filme auch eine Reihe von Schwächen, die sich auch im Zusammenhang nicht erledigen werden. Etwa die Entscheidung, auf Miniaturen und reale Monster-Make-Ups zu verzichten und stattdessen über weite Strecken Räume und Figuren mit CGI zu animieren.

Alex: Nach Battle fällt es wirklich deutlicher auf als je zuvor. Eigentlich sind es nach wie vor zwei Filme, zwei viereinhalbstündige vielleicht, aber während die erste, neu gefundende Bruchstelle am Ende von Unexpected Journey noch einigermaßen funktioniert, hat Desolation jetzt kein richtiges Ende und Battle keinen richtigen Anfang. Die Trennung geht mitten durch einen echten Höhepunkt. Im Zeitalter der finalen Zweiteiler (Harry Potter, Hunger Games, Twilight) ist das ja schon fast nichts besonderes mehr, aber es wird halt nicht so verkauft, sondern als Trilogie in drei Kapiteln, die es eindeutig nicht ist.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Ich könnte mir stattdessen problemlos die SEEs in neun oder zehn Kapiteln vorstellen, wie die Season einer HBO-Serie – aber ich hätte wirklich gerne einen zweiteiligen Hobbit gesehen. Wie du schon sagst hätte ein Diptychon wirklich interessante Gegenüberstellungen erlaubt – zwei große Dialogszenen für den Meisterdieb Bilbo (Gollum und Smaug), zwei sehr unterschiedliche Stimmungen, ein Reisefilm und ein Kriegsfilm, ein Film der Fabelwesen und ein Film der Menschen und und und. Stattdessen haben wir jetzt drei Filme, die nicht Fisch, nicht Fleisch sind und halt doch nur zusammen einen Sinn ergeben.

Die ästhetische Frage, die du zum Ende aufwirfst, ist eine ganz andere. Ich habe im letzten Dezember schon einmal darüber gebloggt, was hier meiner Ansicht nach schiefgelaufen ist und was ja selbst Senior VFX Supervisor Joe Letteri benennt. Die Extras zu Desolation bestätigen einen erneut in diese Ansicht. Obwohl Jackson noch immer sehr viel real baut (das Set der Seestadt ist ein Faszinosum, genauso wie der Aufwand, der für Smaugs Höhle betrieben wurde) bilden die Sets, bei all dem Aufwand, der hineingesteckt wird, halt doch nur eine Art Grundstock für die Welt, die später im Computer entstehen wird – und die ja sogar oft “übermalt” wird, weil es im Endeffekt halt einfacher ist, das ganze Bild aus Bits zu bauen, als es nur zu ergänzen (übrigens nicht nur bei Jackson – ähnliche Geschichten habe ich auch von anderen VFX-Teams, zum Beispiel bei den Avengers gehört).

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Und obwohl ich ja grundsätzlich ein Fan von digitalen Effekten bin und sogar über Filme, die in ihrer digitalen Überhöhung noch viel weiter gehen, einst eine glühende Magisterarbeit geschrieben habe, passt es mir hier nicht in den Kram. Gerade dadurch, dass Mittelerde in Jacksons Filmen so einen fast dokumentarischen Charakter hat, wünscht man den Filmen mehr Verhaftung im Realen. Miniaturen gingen ja wohl durch das 3D-Verfahren nicht mehr, aber auch bei Creature Effects setzen die Hobbits ja zigmal mehr auf digitale Charaktere als LOTR – Azog ist das beste Beispiel. Und manchmal hat man das Gefühl, es wird dann auch als Shortcut benutzt, zum Beispiel bei diesen merkwürdigen Bergziegen, mit denen die Zwerge in Battle plötzlich aus dem Nichts einen Berg erklimmen. Jackson macht das zum Glück noch seltener als etwa George Lucas in den Star-Wars-Prequels, aber ein bisschen ist er dem digitalen Teufel schon verfallen.

Der alte Streit über HFR 3D

Martin: Ich glaube übrigens, dass die ästhetischen Probleme schon mit der Entscheidung losgingen, in 3D und HFR zu drehen. Das bringt einen ganzen Haufen Probleme mit sich. Gerade in der extrem zeitknappen Situation vor dem Drehstart des Hobbits wäre es sicher klüger gewesen, sich auf andere Punkte zu konzentrieren als auf das Projekt, kameratechnischen Fortschritt voranzutreiben. Der Look der Kombination aus Digitalkamera, 3D und HFR ist ein ganz anderer als bei den LOTR-Filmen und auch wenn der Look an sich interessant ist, passt er nicht zu Mittelerde. Die phantastische Welt verträgt diese ultrahochauflösenden Bilder nicht. Zum einen weil sie viel weniger ‚verzaubert‘ wirken, zum anderen, weil man plötzlich die Gumminasen des Make-Ups, die Perücken, die gebauten Kulissen usw. knallhart sieht. Entweder man hätte sich in all diesen Punkten zu nie gekannten neuen Höhen an Genauigkeit und Realismus im Maskendesign, den Effekten usw. aufschwingen müssen, oder man bliebe eben besser beim viel gnädigeren Blur des Filmmaterials. So wirken die Filme im Kino viel künstlicher als damals die LOTR-Filme und auch die digital animierten Elemente sehen in dieser wahnsinnigen Schärfe viel schneller billig aus. Auch das ist etwas, was ich beim DVD- und nun Blu-Ray-Ansehen bemerke: Im Heimkino, in 2D und niedrigerer Auflösung wirken die Filme weniger künstlich, umstandsloser.

Alex: Entweder ich bin besser darin als andere, diese angebliche Lookverschiebung zu verdrängen oder andere sehen etwas, was sie sehen möchten. Ich habe mir ja extra vor Battle noch einmal Desolation in HFR 3D angeschaut und ich fand ihn vom Look absolut prima und stringent, weder billig noch zu hoch aufgelöst, dafür aber eben deutlich angenehmer für die Augen. Bei Battle fielen mir die negativen Aspekte zum ersten Mal so richtig auf, etwa in der Anfangsszene des Drachenangriffs, wo man einfach pausenlos sah, dass hier Figuren vor Green Screen mit den Hintergründen zusammengeklebt wurden. Und die Szenen ohne viel Tricktechnik, etwa am Strand nach dem Feuersturm, sahen tatsächlich ein bisschen nach Videoästhetik aus – aber ich vermute, dass das eine bewusste Entscheidung war.

Viel mehr ärgert mich, dass die Filme zwar mit hohem Aufwand in 3D gedreht wurden, aber ihr Tiefenbudget überhaupt nicht ausschöpfen. Sie wirken insgesamt erstaunlich flach, obwohl sie das nun wirklich nicht müssten. Zum Beispiel finde ich nicht, dass man die wahre Dimension des Schlachtfeldes während der titelgebenden Battle of the Five Armies auch in 3D nicht wirklich ahnt, zumindest ging es mir so. Ich habe mindestens zwei Filme dieses Jahr gesehen, bei denen trotz anderer Schwächen wenigstens das 3D richtig Spaß gemacht hat (Jeunets T. S. Spivot und Das magische Haus) und ich nehme es Jackson ein bisschen übel, dass er diese Chance verpasst hat. Vielleicht war er nach Unexpected Journey auch ein wenig ernüchtert, was die Resonanz auf HFR 3D anging oder hat auch vom Studio die Anweisung bekommen, dort nicht mehr zu viel Ressourcen hineinzustecken. Genau wie beim Erzählerischen auch werden die Filme eben doch einen großen Teil ihres Lebens auf Heimvideomedien verbringen – und dann optimiert man sie eben von vornherein eher dafür.

Der Untergang eines Pioniers

Mit LOTR war Jackson Pionier in Sachen Bildgestaltung, mit dem Hobbit wollte er wieder einer sein. Ich glaube, er ist diesmal gößtenteils gescheitert aber es ist ihm dafür, vielleicht unfreiwillig, auf andere Weise gelungen, eben mit diesen modularen Erzählmodi, die wir weiter oben diskutiert haben. Würdest du dem zustimmen?

Martin: Ich fürchte, bisher sind die Hobbit-Filme wirklich keine Pionierarbeit. Ob sich das modulare Erzählen in parallel existierenden Versionen im Nachhinein als die Errungenschaft dieser Filme herausstellen wird, bleibt erstmal abzuwarten. Ich entdecke gerade überhaupt erst die verdeckten Qualitäten dieser Filme, nachdem ich im Kino zweimal ziemlich enttäuscht war und zweimal von den SEEs positiv überrascht wurde. Ich bin gespannt, ob andere auch diese Entdeckung machen werden. Manche Länge und mancher Exkurs diese Filme wirkt für mich jetzt nicht mehr als bloßer Exzess, sondern fügt sich ein in ein Gesamtbild, das mir gefällt.

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Schon bei LOTR hat Jackson etabliert, dass er nicht eine einzige Idealversion der Geschichte zu schöpfen versucht. Bei einem seiner ersten Interviews mit “Ain’t it Cool News” (Link leider nicht mehr leicht ergooglebar – Alex) sagte Jackson schon während der Dreharbeiten zu LOTR, dass er seine Filme nur als eine Version, eine Deutung sieht. Das ist anders als manche Adaptionen, die sich beste Mühe geben, das Buch in sich aufzunehmen und seine Position einzunehmen – Stanley Kubricks Romanadaptionen waren so, perfektionistisch und vereinnehmend. Wenn Kubrick ein Buch verfilmt, bringt er es zum Verschwinden. Aber Peter Jackson stellt eine mögliche Deutung daneben und durch die verschiedenen Schnittfassungen zeigt er gleich noch, dass es auch von dieser Deutung keine eine, definitive Version gibt, sondern von Anfang an verschiedene Remixes in verschiedenen Medien. Das ist also auch nicht unbedingt etwas Neues der Hobbitfilme, sondern scheint eher in der Haltung von Jackson als Filmemacher zu liegen. Als er seinen King Kong-Film herausgebracht hat, sagte er auch immer wieder, er sei gespannt, wie lange es dauert, bis jemand anderes die nächste Version von der Geschichte herausbringt. Jackson sucht nicht die eine perfekte, letztgültige Version, sondern er bietet uns seine persönliche Auslegung einer klassischen Geschichte, gleich mehrmals spielerisch und verschieden zusammengesetzt.

Nur, dass bei den Hobbitfilmen die einzelnen Filme nicht alleine stehen können, ohne schlechter auszusehen als sie eigentlich sind. Wenn sie Pionierarbeit leisten, dann eher in ihrem Verständnis von Worldbuilding, diesem Angang, von dem du sagst, das ist gar keine Tolkienadaption mehr – was ich immer noch finde, trotzdem. Aber ob nun Tolkienadaption oder völlig losgelöstes Jackson-Fest: Wer die Hobbitfilme entdecken will, muss wohl noch mehr Liebhaber sein als bei den LOTR-Filmen, weil man sich viel Zeit nehmen muss für die Langfassungen, in denen sich das Puzzle zusammensetzen lässt. Sie sind Exzess und Spielerei, Vertiefung und Erweiterung einer Welt, ein verrückter Liebesbrief an Mittelerde und ein Genre, technisches und ästhetisches Experiment mit Gewinnen und Verlusten, natürlich auch ein riesen Geschäft, das sich trotz all des sonderbaren Exzesses finanziell rechnet. Damit sind sie auf jeden Fall etwas Besonderes. Etwas Vergleichbares werden wir, glaube ich, so schnell nicht noch mal sehen.

Vier Filmadaptionen, die besser Fernsehserien wären

© 20th Century Fox, Everett Collection, Warner Bros.

Am vergangenen Wochenende ist die vierte Staffel von Game of Thrones gestartet. Die Serie ist bis heute insofern ein Meilenstein, als dass sie gezeigt hat, dass die Dicke eines zu adaptierenden Buches nicht unbedingt etwas über die Größe des Ausgabemediums aussagen muss. Im immer noch andauernden Neuen Goldenen Zeitalter der Dramaserie kann eine Fernsehadaption für einen epischen Fantasyroman eine deutlich bessere Adresse sein als ein Kinofilm. Eben weil sie Zeit hat für Charakterentwicklung, Mythologie und Weltenbau – Faktoren, die im effekthascherischen Blockbusterkino gerne zu kurz kommen. Nach einer Reihe von Adaptionsflops im Kino wie The Golden Compass, Eragon und Tintenherz hat Game of Thrones bewiesen, dass klassische Fantasy jenseits von Tolkien durchaus weiterhin ihren Reiz hat – wenn sie das richtige Medium findet.

Das Kino schaut sich derzeit eine Menge vom Fernsehen ab. Das Aufsplitten von Stoffen in mehrere, nicht abgeschlossene Folgen etwa wird zur akzeptierten Tatsache – bei Twilight, The Hunger Games und jetzt auch Divergent. In den Superheld-Kosmen bilden sich sogar Konstruktionen, die an die “Showrunners” und “Writer’s Rooms” der US-Fernsehindustrie erinnern. Gleichzeitig erarbeitet sich das Fernsehen immer mehr Freiheiten und löst sich in den USA Stück für Stück von den klassischen Network-Formaten mit ihren festen Vorgaben für Längen, Staffeln und Werbepausen-Dramaturgie.

Warum also nicht gleich ins Fernsehen? Von monetären Gründen jetzt mal abgesehen: hier sind vier Kinoereignisse, die sich meiner Meinung nach auf dem kleinen Bildschirm genauso wohl gefühlt hätten – wenn nicht wohler.

1. Harry Potter

Die Harry-Potter-Filme bilden – nach dem Marvel Cinematic Universe – die erfolgreichste Filmserie aller Zeiten, aber man muss nicht lange bohren, um zu der Meinung zu kommen, dass einige von ihnen als Filme im Vergleich zu den Büchern wirklich abstinken. Die Deathly Hallows wurden in zwei Teile geteilt, aber gerade die Bücher vier bis sechs leiden doch sehr darunter, dass viele hundert Seiten mit Mühe und Not in zweieinhalb Stunden gepresst werden mussten.

Dabei ist purer Plot mit Sicherheit nicht Joanne K. Rowlings starke Seite. Immer und immer wieder jagen Harry und seine Kumpanen diversen MacGuffins hinterher. Dabei sind der eigentliche Star der Bücher die Beziehungen der Figuren zueinander, zu der Welt um sie herum und besonders zu ihrer Vergangenheit. Dazu folgen die Romane noch bis Buch sechs den regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen eines Schuljahres, das sich nicht ganz zufällig gut mit dem Zeitplan einer Fernsehsaison deckt. Harry Potter als Internatsserie, mit einem großen Cast aus Lehrern und Schülern, die alle echte Persönlichkeiten sind und nicht nur Stichwortgeber für die Hauptfigur. Und dazu der Season-übergreifende Plot rund um Voldemort und Co. Ich glaube, das könnte richtig gut werden.

2. The Godfather – Part II

Aus irgendeinem Grund muss The Godfather – Part II immer in der “Sequels, die besser sind als der erste Teil”-Diskussion als Beweisstück herhalten. Dabei gewinnt dieser zweite Teil hauptsächlich dadurch, dass er MEHR Handlung in einem Film bietet, als Teil eins. Ganz hinterhältig baut er eine zweite Zeitebene ein, die keinerlei direkte Auswirkungen auf die Handlung in der Jetztzeit hat.

Dennoch erinnert die Struktur von The Godfather – Part II in gewisser Weise enorm an die so genannten A- und B-Plots von Fernsehserien. Und darin steckt sein Potenzial: Statt einem über-überlangen Film erschafft man eine Serie, in welcher der A-Plot in der Gegenwart und der B-Plot in der Vergangenheit spielt. Die beiden spiegeln und beeinflussen einander mal mehr, mal weniger und die komplizierten Familienverhältnisse der Corleones bekommen allen Raum, den sie brauchen. Verdammt, ich glaube abgesehen von der Zeitebene haben die Sopranos diese Aufgabe wahrscheinlich schon erfüllt.

3. The Hobbit

Ja, ihr lacht. Mit jedem neuen Film aus Peter Jacksons zweiter Mittelerde-Saga bricht das Gejammere darüber wieder los, dass hier ein kurzes Buch auf viel zu viel Zeit ausgedehnt wird. Ich halte dagegen, dass die Geschehnisse des Buches im Gegenteil noch viel mehr Zeit verdient hätten. Derzeit befindet sich der Hobbit in einem merkwürdigen Limbus: Er muss einerseits auf drei Kinofilme gestreckt werden, hat aber trotzdem nicht die Zeit, um seinen Charakteren (13 Zwerge!) und Schauplätzen ausreichend Tiefe zu verleihen. Das Ergebnis sind hauptsächlich überflüssig lange und komplizierte Actionszenen, die einen nach einer gewissen Zeit zu langweilen beginnen. (Das ist auch der Grund, warum zumindest bei An Unexpected Journey die 20 Minuten längere Extended Edition einen wesentlich besseren Fluss entwickelt).

Wieviel schöner wäre ein Hobbit in 19 jeweils 45-minütigen Fernsehepisoden (eine für jedes Kapitel)? Mittelerde in all seiner Pracht entdecken. Genug Zeit für ausführliche Gesangseinlagen, Slapstickszenen und Geschichten. Und im Hintergrund der unterhaltsamen Episoden langsam aber unaufhaltsam den düsteren “Erwachsenen”-Plot aufbauen, den Jackson mehr schlecht als recht in seinen Film hineinzufriemeln versucht. Das wäre ein Hobbit der Fans und Neulinge gleichermaßen zufriedenstellen könnte.

4. Slumdog Millionaire

Danny Boyles erfolgreichster Film ist zugleich der, über dessen Enttäuschung ich nie hinwegkommen werde, weil er eins der zentralen Elemente seiner Vorlage unter den Tisch fallen lässt. Vikas Swarups Roman Q & A folgt dem gleichen Prinzip wie Boyles Film: Er entdeckt die Lebensgeschichte eines Menschen in den Antworten auf 15 Quizfragen. Doch weder sind die Fragen so einfach und eindeutig mit den Lebensereignissen verknüpft, noch folgen sie im Buch der Lebenschronologie der Hauptfigur.

Die emotionale Bindung an den Hauptcharakter wird in 120 Minuten stärker, wenn das Drumherum überschaubar bleibt, insofern sind die Entscheidungen von Simon Beaufoys Drehbuch nachvollziehbar. Doch meine ideale Adaption von Q & A wäre nach wie vor eine Art indische Variante von Lost, in der in 15 Episoden das Leben eines Menschen wie ein Puzzle aus einer Reihe von nicht-chronologischen Flashbacks zusammengesetzt wird. Und das Konzept ließe sich durchaus über mehrere Staffeln ausdehen, in denen der Quizmaster und die Quizshow das verbindende Element bleibt, aber jedes Jahr das Leben und das zentrale Mysterium einer neuen Persönlichkeit zusammengesetzt wird.

Ursprünglich sollte dieser Artikel mal fünf Vorschläge enthalten, doch mir wollte einfach kein gutes fünftes Beispiel einfallen. Habt ihr noch Beispiele für Filme, die ihr lieber in Serienlänge erleben würdet, liebe Leser_innen?

Quotes of Quotes (XVIII) – Die digitale Design-Evolution von Mittelerde

We realized that by only doing minimally what we needed physically on set and adding in the digital effects later on, we could actually just bring a lot more richness to the film, and I think that became one of the big sea changes that we saw in the way The Hobbit was done from when we started shooting till the time we were finished.
– Joe Letteri, Senior Visual Effects Supervisor, The Hobbit: An Unexpected Journey

Meine Liebe zu den “Anhängen” von Peter Jacksons Tolkien-Filmen habe ich ja bereits im Adventskalender zum Ausdruck gebracht. Heute habe ich endlich die zweite Disc zu Ende geschaut und wieder einmal genossen, welch detaillierte Einblicke man doch in die Prozesse der Filme bekommt – auch in die Fehlschläge.

Die Geschichte des Bösewichts des ersten Films, man könnte ihn auch so eine Art Levelboss nennen, ist so ein Fehlschlag. Azog the Defiler ist ein Ork, gegen den Thorin Oakenshield in der Schlacht von Moria gekämpft hat, den er aber (im Film) nicht töten konnte und der ihn seitdem verfolgt. Das entsprechende Segment auf der Blu-ray zeigt, dass Azog einen besonders schwierigen Designprozess durchlaufen musste. (Davon, dass er überhaupt erst so wichtig wurde, nachdem sich Jackson sehr kontrovers dazu entschieden hatte, aus zwei Filmen drei zu machen, ist nicht die Rede.)

Azog sollte ursprünglich, wie fast alle Orks in Lord of the Rings, von einem Schauspieler im Kostüm gespielt werden. Doch die erste Designstrategie – Azog als massiv großer, barbarischer Schlächter – ging nach Jacksons Meinung nicht auf. Der Schauspieler wurde gefeuert und eine neue Strategie ins Feld geführt: Azog als ein sehr alter, zerfurchter Kämpe, der unter anderem einen Rock aus Zwergenhaut trägt. Die Bilder, die man im Film zu sehen bekommt, sind erstaunlich. Mit diesem Schauspieler im Kostüm wurde gedreht, obwohl Jackson immer noch nicht ganz glücklich war.

Man entschied sich schließlich, Azog einfach doch im Computer zu erzeugen. Sechs Wochen vor Fertigstellung des Films wurden die abgesegneten Designs an das Digitalteam übergeben, dass die entsprechenden Szenen mit dem Hauptantagonisten des Films in einem gewaltigen Kraftakt aus Motion Capture und Animation irgendwie über und auf die Bühne brachte. Ich will nicht wissen, welche Extrakosten das verursacht hat.

Zum Abschluss des Azog-Segments auf der Blu-ray sagt VFX-Chef Letteri den oben stehenden Satz, der gemeinsam mit der ganzen Azog-Episode emblematisch für vieles stehen, was am ersten Hobbit-Film schiefgelaufen ist – und das sage ich, obwohl ich den Film mag. Die Lord of the Rings-Filme wurden unter anderem so sehr dafür geliebt, dass es Peter Jackson mit seinem Indie-B-Movie-Hintergrund gelang, physische Effekte und Computerzauberei zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.

Im Hobbit sind nicht nur die Miniaturen-Sets verschwunden, die verständlicherweise der Stereoskopie geopfert wurden, sondern Jackson scheint allgemein so vom digitalen Virus infiziert zu sein, dass er viele genau der Mechanismen geopfert hat, die seine letzte Mittelerde-Trilogie so besonders gemacht haben (und von der ich den ersten Film auch am liebsten mag, weil zu diesem Zeitpunkt die VFX-Technologie noch am wenigsten fortgeschritten war): Lasst uns real machen, was immer geht, und mit den Einschränkungen, die das beinhaltet, arbeiten, statt sie zu verteufeln.

The Hobbit ist voll von Entscheidungen, die dieses Prinzip über den Haufen werfen (auch die Goblins sollten ursprünglich zu großen Teilen praktisch realisiert werden) und Jackson sagt in den Anhängen tatsächlich Sachen wie: “Als Filmemacher ist es für mich großartig, dass ich jetzt die Kamera in digitalen Sets bewegen kann, wie immer ich will.” – Aussagen, für die zuvor George Lucas bei seinen Star Wars-Prequels berüchtigt wurde.

Genau diese Philosophie der totalen Wunscherfüllung ist es, die dem Hobbit einen oftmals so luftigen, ungeerdeten, und manchmal – wie im Fall von Azog – auch beliebigen Look verleiht, denn der finale, hastig generierte Computer-Ork ist um ein vielfaches langweiliger als seine Vorgänger-Versionen. Eine stark immaterielle, CGI-lastige Ästhetik ist ja eine visuelle Entscheidung, die man treffen kann und die in manchen Filmen (etwa 300) schon beeindruckende Ergebnisse erbracht hat – für Mittelerde finde ich persönlich, dass sie in die falsche Richtung führt. The Desolation of Smaug werde ich leider erst nach Weihnachten sehen können – aber ich hoffe, dass er eine kleine Kurskorrektur vornimmt.

Film Blog Adventskalender – 1 – Alex von “Real Virtuality”

Als Gastgeber des Film Blog Group Hug habe ich mir das Privilleg und/oder die undankbare Aufgabe herausgenommen, den Reigen der Geschenkempfehler zu eröffnen – und ich möchte euch die Special Extended Edition von The Hobbit: An Unexpected Journey ans Herz legen. Nicht unbedingt wegen der 13 zusätzlichen Minuten des ohnehin schon langen Films, die ich selbst noch nicht gesehen habe (warum ich ihn trotzdem mag, habe ich ja bereits zu Genüge aufgeschrieben, wäre die Trilogie eine 10-teilige Fernsehserie, alle würden sie feiern), sondern vor allem wegen der zwei Discs mit “Anhängen”, auf denen sich insgesamt neun Stunden Bonusmaterial finden.

Die “Anhänge” auf den Extended Editions der Lord of the Rings-Filme gehören für mich fast genauso mit zu den prägenden Erfahrungen meiner Filmerziehung wie die zugrundeliegenden Filme – und der Hobbit setzt diese Erfahrung nahtlos fort. Im Gegensatz zu den Making-ofs, die sich auf landläufigen Heimvideo-Releases finden, und die selten mehr sind, als eine phrasengeladene Werbeveranstaltung für den Film, schafft es Michael Pellerin, der Regisseur der Jackson-Anhänge, einen echten Eindruck davon zu vermitteln, was es bedeutet, ein Filmprojekt wie den Hobbit auf die Beine zu stellen. Jackson und sein Team lassen sich, im Gegenzug, aber auch tatsächlich in die Karten schauen. Die familiäre Atmosphäre der Produktion, für die Peter Jackson berühmt ist, wird sozusagen auf die Fans ausgedeht – was auch bedeutet, dass eigentlich sehr intime Momente mit dem Publikum der “Anhänge” geteilt werden. Von Ian McKellens Frust angesichts des schwierigen Schauspiels im Slave Motion Control Setup, bis hin zur Exaltation des letzten Drehtags.

Natürlich sind die Anhänge nicht ungeschönt. Besonders die umstrittene Entscheidung, aus zwei Filmen drei zu machen, bleibt unerwähnt, ebenso wie die schwierige Rechtslage rund um den “Hobbit” und den Rest der Tolkien-Mythologie – während Jackson und Philippa Boyens in den Rings-Anhängen noch bereitwillig Auskunft über ihre Adaptions-Philosophie gaben. Auch die Historie des Films mit Guillermo del Toro, der den Hobbit einst inszenieren sollte, wird nur gestreift. Die Dreharbeiten, Designs und das Worldbuilding des Films sind dafür aber umso ausführlicher dokumentiert. Für jeden, der bei Filmen gerne hinter die Kulissen schaut, bietet dieses Extended Edition also alles, was man sich wünscht. Und man muss ja nicht gleich die ganz teure 3D-Blu-ray kaufen wie ich.

Peter Jacksons Hobbit, die altvertraute Band und der Lieblingssessel

© Warner Bros.

Falling at your feet in sheer joy
That you were able to receive me like a favourite chair
Soaking up the tears if by magic it’ll make me
Ever warmer even after you’re not here
– KT Tunstall, “Yellow Flower”

Es ist noch einen guten Monat hin, bis der zweite Teil des Hobbit, genannt The Desolation of Smaug, in die Kinos kommt, aber mit einem neuen Trailer, einem weltweiten Fan-Event, der Veröffentlichung der Extended Edition von Teil Eins in den USA und der Enthüllung des Schluss-Songs “I See Fire” von Ed Sheeran haben Peter Jackson und Warner Bros. diese Woche damit begonnen, die Vorfreude auf das HFR-3D-Event anzufachen. Und wenn die Deutsche Bahn nur halb so pünktlich wäre, wie die Reaktionen aus der Filmguckergemeinschaft, die jetzt schon deklarieren, wie egal ihnen der Film ist, müsste ich auf meinen Reisen nie wieder Pufferzeiten einbauen.

Was ist hier los? War es nicht schon letztes Jahr, 24 Stunden nach Filmstart veraltet, sich darüber zu mokieren, dass Jackson aus einem 300-Seiten-Buch drei Drei-Stunden-Filme produzieren will? Dass The Hobbit endgültig aussieht, wie aus einem beliebigen Fantasy-Bild-Computergenerator? Und dass Tolkiens fröhliche kleine Kindergeschichte von einem Regisseur, den niemand mehr im Zaum hält, zu einer Action-Schlachtplatte jenseits aller Proportionen aufgeblasen wurde?

Niemand gebietet ihm mehr Einhalt

Ich freue mich auf The Desolation of Smaug, trotz der Tatsache, dass alle drei Kritikpunkte absolut ins Schwarze treffen. An Unexpected Journey, der erste Teil der Trilogie, war viel zu lang und unnötig kampflastig. Smaug sieht ähnlich aus, zeigt schon im Trailer jede Menge Charaktere, die nicht im Buch vorkommen und wartet zumindest dem ersten Eindruck nach mit nichts auf, was man nicht so oder so ähnlich derzeit in jedem fantastischen Film zu sehen bekommt. Folgt man den Production Diaries von Peter Jackson, mit seinen endlosen Pickup Shoots und Greenscreen-Orgien kann man zudem wirklich den Eindruck gewinnen, dass hier ein Filmemacher ist, dem niemand mehr Einhalt gebietet, obwohl er es dringend nötig hätte. Andererseits mag es genau das sein, was in mir Vorfreude erzeugt: Ich weiß genau, was mich erwartet, und ich weiß, dass es sehr viel davon geben wird.

Im kulturellen Alltag ist das völlig normal. Wie oft hört man das Argument, dass Leute bestimmte Romane lesen oder Fernsehserien schauen, eben weil sie dort das bekommen, was sie immer bekommen – und was sie gern haben. Ich könnte ad hoc mehrere Bands aufzählen, die den Zenit ihrer Kreativität lange überschritten haben, von denen ich mich aber immer noch auf jedes neue Album freue. Erstens weil ich weiß, was ich bekomme, zweitens, weil ich einfach Fan bin und die Musizierenden unterstützen will und drittens, weil man ja nie weiß, ob sich nicht vielleicht doch irgendwo eine kreative Perle versteckt. Ich rede nicht davon, etwas zu genießen, weil es dumm und hirnlos ist (das steht auf einem anderen Blatt), sondern weil es vertraut ist. Wie der Lieblingspulli. Oder die Fischstäbchen, die man schon als Kind immer mochte.

Nicht auf die Kinder hören!

Künstler werden älter. Das ist eine unangenehme Tatsache, die einem meist erst dann so richtig bewusst wird, wenn man selbst nicht mehr als “jugendlich” wahrgenommen wird. Und gerade die Künstler, denen all das passiert, was man ihnen wünscht, verändern sich daraufhin meist auf eine bestimmte Art, die der ikonoklastischen Kraft ihrer Kunst ein bisschen das Mojo raubt. Peter Jackson schreibt in seinem Facebook Post zum Ed Sheeran-Song, dass ihn seine Tochter Katie auf den britischen Folkpop-Rapper gebracht habe – und daran merkt man schon, was hier falsch läuft. Ein Revolutionär, der Macher von Braindead, der die Produktion LotR-Filme damals scheinbar dem Universum mit bloßen Händen abrang, hört doch nicht auf seine Kinder, wenn es darum geht, wie er die Revolution gestalten sollte. Ed Sheeran ist wiederum Jacksons perfektes Spiegelbild – als Straßenkünstler und YouTuber (lies: Underground-Regisseur) bekannt geworden und nun ein gemachter Mann mit mehreren Millionenhits. Wünschen wir ihm wirklich, dass er wieder zum Straßenmusiker wird, damit seine Songs nicht mehr so gesetzt klingen wie “I See Fire”?

Manche Künstler schaffen es, sich trotz Erfolg und Geld hellwach zu halten, indem sie die Umgebung verändern; indem sie die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten (wie Produzenten) wechseln und sich immer neue Herausforderungen stellen. Andere sind happy, dass sie sich irgendwann die Infrastruktur geschaffen haben, um gleichzeitig ein künstlerisches und ein einigermaßen bequemes Leben zu führen – und werden höchstens im Alter noch einmal durchgerüttelt, um ein “Alterswerk” zu schaffen. Jackson scheint zur letzteren Gruppe zu gehören. Er hat sich in Wellington ein eigenes privates Fürstentum aufgebaut mit allem, was er braucht, um einen Film zu machen. Er muss keine Kämpfe mehr kämpfen, um zu bekommen, was er will, und er scheint sich gut damit zu fühlen.

Tim Burton ist schlimmer

In einem Interview hat Jackson mehr oder weniger gesagt, wie er zu der ganzen Sache steht: Der Erfolg gebe ihm recht und wenn die Hobbit-Filme vorüber sind, will er wieder kleinere Filme machen. Dummerweise hatte er das vor The Lovely Bones auch schon gesagt, der dann alles andere als klein wurde. Aber wenn man es ehrlich besieht, ist Jackson dennoch längst nicht so zahnlos wie einige seiner schlecht gealterten Kollegen – etwa Prequelist George Lucas oder Tim Burton, der jetzt für genau den Konzern austauschbar-schrullige Gothic-Märchen fabriziert, dem er dreißig Jahre zuvor voller Verachtung den Rücken gekehrt hatte. Die Filme sind von tollen Schauspielern gut gespielt, solide geschrieben und inszeniert; noch treibt Jackson immerhin die Kino- und VFX-Technik in großen Sprüngen vorwärts, und wie ich vor einem Jahr schon geschrieben hatte könnte man die Hobbit-Filme auch als sonderbaren Sieg des Barocken über das Klassizistische feiern. Mal ganz abgesehen davon, dass man problemlos argumentieren kann, dass alle anderen Fantasy-Filme aussehen wie der Hobbit und nicht umgekehrt, weil Jackson und sein Designteam vor zwölf Jahren mit Lord of the Rings ein für alle Mal dieses definitive Template eines “High Concept”-Fantasyfilms vorgegeben haben.

Aber für einen Hobbit scheint es, zumindest wenn man cool und abgebrüht wirken will, unangemessen zu sein, sich einfach in einen vertrauten, gemütlichen Sessel zurückzulehnen. Und der Grund ist klar: Es liegt daran, dass die global anlaufende Marketingmaschine wieder mal so tut, als wäre The Desolation of Smaug nichts anderes als der krasseste Scheiß, den man je gesehen hat. Obwohl wir doch alle wissen, dass er das nicht ist. Da kann man schon mal sauer werden und lautstark nach einem unbequemen Klappstuhl verlangen. Muss man aber nicht. Man kann den Sessel auch einfach genießen und sich freuen, dass man schon wieder mit Peter Jackson nach Mittelerde reisen darf. Manchmal ist das okay. Oder?

Genießt euer barockes Kino, so lange ihr noch könnt!

Sollen sie Kuchen essen? – New Line Cinema/MGM

“Ja, er hat Fehler in der Figurenzeichnung. Ja, er ist zu lang, zu ausgewalzt (…). Aber verdammt noch eins,
es ist so schön, wieder in Mittelerde zu sein.”
Ich zitiere mich selbst, weil ich es kann

Der Hobbit erobert derzeit nicht nur überall die Kinokassen, er erhitzt auch die Gemüter. Ein großer Teil dieser Erhitzung ist auf seinen Einsatz von HFR 3D zurückzuführen, was manche als Verrat am Kino empfinden, andere (darunter ich) als endlich eine angenehme Art, 3D zu genießen. Doch fast genauso viel Zorn hat der Film auf sich gezogen, weil er Randals Spott über die Herr der Ringe-Triolgie in Clerks 2, “All it was, was a bunch of people walking”, in die Hände zu spielen scheint. Bilbos Worte aus The Fellowship of the Ring, er fühle sich wie “Butter, die auf zu viel Brot verstrichen wurde”, mussten nicht nur einmal herhalten, um die Probleme des neuen Mittelerde-Filmkapitels auf den Punkt zu bringen.

Ich mochte den Film trotzdem, oder gerade deswegen. Gut, ich denke ich hätte ohne den doppelten Prolog leben können, der sich etwas zu sehr bemüht, die Hobbit-Filme an die Herr der Ringe-Trilogie anzudocken, aber davon abgesehen habe ich mich im Kino nie gelangweilt, denn schließlich gab es ständig genug zu staunen, zu fiebern und zu lachen.

Das bizarre Biest Hobbit

Und doch hat mich das Ganze ins Grübeln gebracht. Man muss mal einen Schritt zurücktreten und dieses Projekt Hobbit-Trilogie mit etwas Abstand betrachten, um zu sehen, was es eigentlich für ein bizarres Biest ist, das Peter Jackson erschaffen hat. Grundlage der Filmtrilogie, deren Kinofassung vermutlich insgesamt etwa achteinhalb Stunden Laufzeit haben wird, ist ein (in der Originalausgabe) 310 Seiten starkes Kinderbuch und etwa 50 weitere Seiten Anhänge des “Herrn der Ringe”. Doch die Filme sind noch gar nicht fertig, sie sind nur die Grundlage für zu erwartende “Extended Editions”, die jedem Film vermutlich noch einmal mindestens zehn bis zwanzig Minuten hinzufügen werden. Und eigentlich sind sie nicht mal wirklich Filme, sie sind nur eine Art Ur-Text für ein Marken-Universum aus Merchandising-Artikeln und Anschau-Ritualen für die kommenden Jahre, hinter dem sich ein weiteres Universum aus Neuseeland- und Weta-Mythologie verbirgt, aus Making-Ofs und Anekdoten, aus Tourismus und Staatshaushalten.

So werden Hollywood-Filme heute gemacht. Und man muss sich immer wieder bewusst machen, wie ungeheuerlich es ist, dass ein Filmstudio einem einzelnen Mann und seinem Team einen neunstelligen Geldbetrag in die Hand drückt, um im Grunde ein Kunstwerk zu schaffen – in der Hoffnung, damit eine Geldlawine loszutreten. Man – und damit meine ich insbesondere jene, die das ganze Jahr über das Ende des Kinos beschrien haben – man muss sich bewusst machen, wieviel Macht heutzutage einem Film innewohnen kann.

Und dann muss man sich vorstellen, ob ein Film wie The Hobbit vor 15, 20 oder 30 Jahren hätte entstehen können. Ein Film, der aus vergleichsweise wenig Geschichte ungeheure Schauwerte strickt. Der sich aber gleichzeitig traut, zu erzählen wie ein Roman oder eine Fernsehserie, nicht wie ein traditioneller Kinofilm. Der mit einer Technologie in die Kinos kommt, die noch nirgendwo zuvor ordentlich ausgetestet wurde. Der in einer fantastischen Parallelwelt spielt und zu dessen Hauptfiguren 13 (!) bärtige Personen mit Namen wie Dori, Ori und Nori zählen. Der vollständig abseits des Hollywood-Kontrollsystems am anderen Ende der Welt entsteht. Dessen bekannteste Darsteller britische Fernseh- und Bühnenmimen sind und dessen größtes Verkaufsargument der Erfolg seiner Vorgängerfilme ist. Hätte so ein Film entstehen können? Fast immer wird die Antwort “Nein” lauten. Die Ausnahme heißt wahrscheinlich Star Wars.

Mehr als zwei sind ein Trend

Und doch ist ein Film wie The Hobbit heute nur die extremste Form eines Trends, die im Filmjahr 2012 vielleicht so deutlich wie noch nie zutage getreten ist. Marvel’s The Avengers: ein zweieinhalbstündiges Ensemblestück, das die B-Mannschaft von Marvels Superheldenriege gegen eine charakterlose Alien-Armee antreten lässt, nachdem zuvor jede de Hauptfiguren in einem eigenen Film vorgestellt wurde. The Dark Knight Rises: 165 Minuten, in denen ein grüblerischer alter Mann in epischer Breite gegen einen Feind kämpft, dessen Gesicht man nicht sehen und dessen Stimme man kaum verstehen kann. Prometheus: Ein Regisseur kehrt über 30 Jahre später zu dem Genrefilm zurück, der ihn groß gemacht hat, und verpasst ihm eine aufgeblähte Vorgeschichte, die wahlweise mystisch oder schrecklich unlogisch ist.

John Carter: Die 250-Millionen-Dollar-Verfilmung eines Schundromans aus den 30ern, der angeblich alle anderen Welten inspiriert hat, den aber nur eingeweihte Hardcore-Fans kennen, von einem Regisseur, der noch nie einen Realfilm gedreht hat. Battleship. Twilight: Breaking Dawn – Part 2. Sherlock Holmes: A Game of Shadows. Die Liste ließe sich vermutlich noch eine Weile weiterführen, besonders wenn man die letzten paar Jahre dazunimmt.

Das Dunkel Erhellen

Auch wenn mir vermutlich jeder Kunsthistoriker dafür aufs Dach steigt: Ich sage, wir befinden uns 2012 im Mainstreamkino in einem barocken Zeitalter des Filmemachens. Alles ist größer als notwendig, von scheinbar epischer Bedeutung, unendlich verziert, dekadent und wunderbar bunt anzusehen. Fantasie und Phantastik regieren. Kunst hat Macht, doch sie nutzt sie nicht dazu, die Gesellschaft zu verändern, sondern ihren unstillbaren Hunger nach Spektakel zu stillen. Filmgattungen (Animation und Realfilm, Dokumentar- und Spielfilm), Filmbranchen (Kamera, Schnitt und Effekte) und Medienformen (Fernsehen, Videospiele, Kino) fließen ineinander zu einem einzigen, dickflüssigen Unterhaltungsbrei, der irgendwie das Dunkel erhellt.

Die Kulturpessimisten mögen das nicht. Sie fordern Relevanz und Realismus, mehr Brot und weniger Kuchen. Ich sage: Das Kino war noch nie so frei wie heute. Lasst uns den Tanz auf dem Vulkan genießen, so lange wir noch können, und die mannigfaltigen Blüten preisen, die dieses Kino hervorbringt. Filme wie Cloud Atlas oder Holy Motors, die sich nicht zu schade dafür sind, 100 Jahre Kinogeschichte und 4000 Jahre westliche Kulturgeschichte in einem abgeschlossenen Stück Kino zusammenzupressen.

Denn ihr wisst, was als nächstes kommt: Revolution und Krieg, Enthauptung der Machthaber und der sogenannte “Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen”. Sämtliche Triebe werden unterdrückt. Die Kunst zieht sich in die Natur zurück, heult vor sich hin und malt Seerosen. Das kann doch niemand ernsthaft wollen.

Rowling, Marvel and DC – Controlling the Cinematic Universe

At the end of my podcast with Kirsten Dietrich about Harry Potter and the Half-Blood Prince, a topic of discussion came up that I would like to mull about a bit longer in this post. We talked about whether the Harry Potter movies, even if they are maybe not the best possible translation of the books into moving pictures (I still think that a TV series might have made for a better, if more expensive, adaptation), have become the definitive visual representation of the seven novels, not least because the author J. K. Rowling was very involved in the production and casting from the very beginning.

Translations from one medium into another usually involve several changes in the ur-text to fit and, indeed, adapt it to the new medium. In this way, they generally create a new universe related to but not congruent to the universe of the ur-text. In one of the videos on the Extended Edition of Peter Jackson’s Lord of the Rings, the screenwriters and some Tolkien experts broach this topic when they talk about adapting Tolkien’s novel. I think it is Brian Sibley who points out that, in the future, there will be two important Rings texts: Tolkien and Tolkien as interpreted by Jackson.1

In the case of Harry Potter, because the author was so heavily involved in the adaptation process, the two universes are almost alike. The films, although they differ from the books in some ways, have almost become part of the Harry Potter canon (and indeed are seen this way by the fans of the HP universe) and have succeeded in creating the definitive visual representations of characters and some events in the books because they have Rowling’s seal of approval. This has even been enforced legally, as Kirsten points out in the podcast. When Sabine Wilharm, the illustrator who created the covers for the Harry Potter books in Germany, created additional paintings that show other scenes from the books, Warner Bros. sued the commissioning publisher. The same brute force has been applied to creators of fan sites.

Ownership of and control over an intellectual property is the foundation of succesful franchising. While it does goes to silly extremes sometimes (as mentioned above), it’s a key ingredient to make the franchise work and fit together. For the process of adapting source material into film while controlling that source material at the same time (as Rowling did), this still seems to me to be a relatively new mainstream concept that I would trace back to the creation of Marvel Studios in 1996. I’ve read enough “development hell” stories to believe that adaptations, for example of comics, used to be handled differently. The IP owner would sell their license and the studio would go and adapt it, sometimes screwing up, sometimes not, but always with very little input from the IP’s originators.

The early films produced with Marvel Studios in tow, such as Sam Raimis Spider-Man films and Bryan Singers X-Men films, already had a certain amount of faithfulness to the source material “in spirit” that earlier incarnations had not achieved (or so, I gather, fans believe), similar to Jackson’s adaptation of Tolkien. By setting up the Marvel Cinematic Universe (MCU), however, the former comic book publisher has added another layer to the cake: harnessing the process of filmmaking, which involves hundreds of people in contrast to the few involved in creating a comic book, to produce a number of films that tie in to create one cinematic universe that, while not corresponding one-on-one to its source material, is canonic in its own right. In effect, they too are creating definitive cinematic versions of their comic book characters.

I have already expressed my admiration for the Avengers film, the first culmination of the MCU, in this blog one year ago and there is nothing more illuminating about the process than this quote by Marvel president Kevin Feige:

It’s never been done before and that’s kind of the spirit everybody’s taking it in. The other filmmakers aren’t used to getting actors from other movies that other filmmakers have cast, certain plot lines that are connected or certain locations that are connected but I think for the most part, in fact, entirely everyone was on board for it and thinks that its fun. Primarily because we’ve always remained consistent saying that the movie that we are making comes first. All of the connective tissue, all of that stuff is fun and is going to be very important if you want it to be. (Source)

The result might be thought of as a slap in the face to the individual artistic expression of any one director but it’s very effective. Marvel are applying to movies what has been general practice in TV series for ages, even more so since the advent of complicated series with multiple narrative strands such as The X-Files or Lost. They are continuing down this route, rebooting Spider-Man (as they already did with The Incredible Hulk) and, in effect, X-Men to integrate them into their grand scheme. And DC, with their umpteenth version of Superman (Man of Steel, directed by Zack Snyder) and, probably, Batman in the works, are hard on their heels.

The difference to a TV series, of course, is that there is no real linear plot to the MCU. While the films leading up to The Avengers share a certain timeline, each narrative strand also stands on its own with just a few nods to its sister narratives. If the actors are willing to participate, the films allow for endless tangents and intersections while they, at the same time, stay locked together in one unified and definitive worldtrack2 controlled by Marvel.3

This article only summarises some of the things I have been thinking about lately. I have probably forgotten important ideas and misinterpreted others. I would be very happy to discuss the thoughts sketched out above in more detail with readers of this article. Head to the comments!


1 Jackson very cleverly mediated between his version of Tolkien and the visual interpretations that had come before him by enlisting John Howe and Alan Lee as concept artists. In this way, there is no real “break” between how many fans had always imagined Middle-Earth to look like, including cover illustrations etc. into their imaginations (as one does), and how it looked like in the film. ^
2 I have just finished reading Neal Stephenson’s novel “Anathem” and borrowed this word from the book. ^
3 A multi-faceted adaptation of Stephen King’s “Dark Tower” series with Ron Howard at the helm that, in its concept, shares some ideas with something like the MCU has, unfortunately, just been canned. ^

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Kino Global

Als Lord of the Rings: The Return of the KIng bei der Oscarverleihung 2004 (für 2003) seinen etwa achten Oscar bekam, von 11, die es noch werden sollten, witzelte Moderator Billy Crystal: “I don’t think, there’s anyone in New Zealand left to thank.” Damit sprach er ein wahres Wort gelassen aus. Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie war der erste “Heavy Hitter” einer Dekade, in der das, was weltweit als “Hollywood-Kino” wahrgenommen wird – nämlich das, was bei US-Awardzeremonien gerne belobigt wird – zunehmend gar nicht mehr nur aus Hollywood stammte.

Denn die Trilogie entstand zwar mit amerikanischem Geld, ansonsten wurde sie aber vollständig in Neuseeland produziert und gefertigt, über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg, der aus dem kleinen Land am Ende der Welt plötzlich eine neue Filmnation machte. Nicht nur die Trickspezialisten vom Weta Workshop und Weta Digital durften sich in den kommenden Jahren nicht über zu wenig Arbeit beklagen – am Ende der Dekade drehte auch “König der Welt” James Cameron den Film, der auf dem Weg ist, seinen eigenen Titanic-Rekord einzustellen, Avatar, in den Wellingtoner Studios.

Doch Neuseeland war nicht die einzige Nation, der es in den Noughties gelang, den USA als Weltfilmland einen Teil ihres Wassers abzugraben. Auch wenn die amerikanische Dominanz im Weltkino immer noch ungebrochen ist: Auch die Filmwelt erlebte im 3. Jahrtausend, dem Zeitalter der G20-Gipfel, eine Globalisierung wie nie zuvor.

Die Gründe sind diverser Natur. Da ist zum einen, wie immer, die digitale Technologie, die durch die Möglichkeit, große Datenmengen problemlos auch von Kontinent zu Kontinent zu transportieren, ein neues globales Zusammenwirken möglich macht und es Peter Jackson (ich bleibe leider doch immer wieder an ihm hängen) beispielsweise erlaubte, in den Abbey Road Studios in London die Musik für seine Trilogie aufzunehmen und täglich per Videokonferenz in Neuseeland weiterhin Hand an Schnitt und Effektshots zu legen.

Zweiter Faktor ist der Boom, den die sogenannten Schwellenstaaten auch im Kino hinterlassen haben. Dass nicht Hollywood, sondern Bollywood, also Indien, die größte Filmnation der Welt ist, ist mittlerweile zur Binsensweisheit geworden, der Einfluss darf aber nicht unterschätzt werden. Aus Teilen der Welt, die bisher nur wenig auf dem Radar des internationalen Kinos waren, gingen in den Noughties wichtige Impulse auch für das westliche Mainstream-Kino aus. Am besten sah man das 2006, als drei mexikanische Regisseure, Alfonso Cuaron, Guillermo del Toro und Alexander Gonzalez Inarritu, Oscars und co mit drei herausragenden Filmen (Children of Men, Pans Labyrinth und Babel) Hollywood im Sturm eroberten.

Babel vor allem, mit seiner Verhandlung von globalem Verständnis und Unverständnis, zeigt die neue Weltläufigkeit des Mainstreamkinos sehr gut. Der Golden Globe-Gewinner ist zu zwei Dritteln untertitelt – eigentlich in den USA kaum vorstellbar. 2009 gelang dem britischen Regisseur Danny Boyle mit Slumdog Millionaire etwas ähnliches: Ein Film, der in Indien spielt und viel (zumindest von der populären Variante des Landes) aufgesogen hat, und ebenfalls viele Untertitel einsetzt, wurde der erfolgreichste Film der Awards Season.

Der dritte Impuls schließlich stammt, wie in Neuseeland, von Staaten überall auf der Welt, die ihr bestes tun, um Hollywoodfilme aus Hollywood abzuziehen. Wie eine fortlaufende Studie des Center for Entertainment Industry Data and Research (CEIDR) zeigt, werden seit den neunziger Jahren immer mehr und immer größere Teile der amerikanischen Filmproduktion ins Ausland verlagert.

Über 45.000 Jobs und rund 23 Milliarden Dollar an Einnahmen pro Jahr soll der Trend zur sogenannten Runaway Production die US-Wirtschaft seit dem Jahr 2000 schon gekostet haben. Zwar sind die Gesamtausgaben für Kinoproduktionen von 1998 bis 2005 von jährlich 5,5 Millarden um rund dreißig Prozent auf 7,2 Millarden Dollar gestiegen. In der gleichen Zeit jedoch erlebte die Summe der in den Vereinigten Staaten ausgegebenen Budgets einen Einbruch von 14 Prozent. Wurden 1998 noch 29 Prozent aller Filme außerhalb Hollywoods produziert, waren es 2005 schon 53 Prozent.

Quentin Tarantino beispielsweise, dem Weltkino ohnehin sehr verpflichtet, setzte schon bei Kill Bill auf Drehs in China, Inglourious Basterds entstand dann sogar fast vollständig in Deutschland und ist mit seinen langen Passagen in deutsch, italienisch und französisch ebenfalls ein gutes Beispiel für das neue globale Kino.

Will man einmal nicht so sehr von den USA ausgehen, braucht man sich nur Deutschland anzusehen, um einen Blick darauf zu erhaschen, wie viele nationale Kinos in den Noughties ihr “Wir sind wieder wer”-Erlebnis hatten. Der Anteil deutscher Filme am gesamten Verleihumsatz lag stetig um die 20 Prozent, in Erfolgsjahren deutlich mehr, die Anzahl der produzierten Filme stieg deutlich (mehr Statistiken sind leider nicht online). Auch in Europa ist kaum mehr ein Film wirklich ein rein nationales Projekt: Dank der EU und ihrer mannigfaltigen Förderprogramme überschreiten auch hier immer mehr Filme die Ländergrenzen und werden im großen Stil international produziert.

Wie bereits weiter oben erwähnt: Das heißt alles nicht, dass die kulturelle Dominanz der USA auf dem Weltkinomarkt plötzlich nicht mehr vorhanden wäre und sicherlich sind einige der oben geschilderten Eindrücke auch wirklich eher Befindlichkeiten (man muss sich nur den Inhalt von neueren Blockbustern wie Avatar und Transformers 2 ansehen, um zu merken, dass nicht-westliche Länder ideologisch noch immer eher belächelt werden), aber allein als wirtschaftlicher Faktor ist die Globalität von Hollywood längst ein Fakt, der sich sicherlich in den Teens auch noch ausweiten wird.

Anmerkung: Ich habe im Februar 2008 für epd film über die Globalisierung der Produktion geschrieben. Die anderen Faktoren kann man auch anders sehen. Für Kommentare bin ich wie immer dankbar.

Dieser Beitrag ist Teil 14 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: King Kong (2005)

King Kong war der lang erwartete Nachfolger von Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie, auf den die Fans zwei Jahre warten mussten (das Jahr dazwischen wurde zum Glück durch die Extended Edition von Return of the King überbrückt. Und wie schon seine Vorgänger-Epen kam auch dieses 165-Minuten-Werk kurz vor Weihnachten in die Kinos. Angesteckt vom positiven Hype durch die Production Diaries im Web und nicht zuletzt wegen der Empfehlung eines Freundes kürte ich diesen gerade gesehenen Film dann am 30. Dezember zum Film des Jahres.

Vier Jahre später ist die Vorstellung schwer, dass King Kong dieses Schicksal noch einmal ereilen könnte. Im Gegensatz zur vorausgehenden Fantasy-Trilogie ist der Film über den großen Affen eher untergegangen, die Kritik warf ihm hauptsächlich vor, für sein Thema zu lang zu sein und sie hat recht. Schaut man sich King Kong heute noch einmal an (wie ich es vor kurzem getan habe), fällt überdeutlich auf, wie sehr sich Peter Jackson in seinem Epos über eine eigentlich sehr simple Story in Nebenhandlungssträngen und Action-Setpieces versteigt. Die 1933er-Version der Geschichte, auf die der Film basiert, glänzt wahrscheinlich gerade dadurch, dass sie die ganzen Monsterszenen auf Skull Island eher im Hintergrund andeutet, statt sie auf gefühlt halbstündige Sequenzen auszudehnen. Und auch, dass man nicht jedes Kindheitstrauma der Crew des Schiffes erfährt, muss nicht unbedingt ein Nachteil sein.

King Kong ist zu sehr ein “Schau mal was wir können”-Film, und so gerät seine wahre Größe etwas in den Hintergrund. Die ist nämlich nach wie vor vorhanden: Jackson gelingt es, wie schon mit Gollum, einen emotionalen Bezug zu einer computergenerierten, hier sogar sprachunfähigen, Kreatur aufzubauen, der die Zuschauer wirklich packt. Besonders die Abschlusssequenz auf dem Empire-State-Building hat trotz ihres artifiziellen Charakters eine enorme emotionale Wucht, die auch am Ende der Dekade noch sehr rührend ist. Hätte sich der Film mehr darauf konzentriert, statt sich endlos mit Dinosauriern und ekligem Wurmvieh herumzuschlagen, wäre er vielleicht auch insgesamt besser weggekommen.

Insgesamt gesehen war 2005 kein ganz so starkes Jahr für die “großen” Filme, wie das Jahr zuvor. Bei den Oscars dominierten gute, aber auf lange Sicht vermutlich auch vernachlässigbare Biopics wie Walk the Line und Capote und Filme mit Indie-Anmutung, die in den Wogen der Zeit vermutlich eher Geheimtippstatus behalten werden. Zwei meiner Favoriten, die King Kong dann in einer späteren Phase auch noch vom Thron stießen waren George Clooneys Good Night and Good Luck, der durch seine sachliche Erzählweise und seine bestechende Ästhetik zugleich fesselt und bezaubert und der kaum bekannte The Squid and the Whale von Noah Baumbach, der mich im Kino tief bewegte – und nicht nur, weil ein Pink Floyd Song darin vorkommt.

Was die Sommerblockbuster angeht, so begeisterte Spielbergs War of the Worlds zwar mit tollen Bildern, erschien aber in seiner Inkonsequenz am Schluss doch etwas zu weichgespült. The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy war lustig und schräg, kam aber wie schon so oft zuvor nicht an das Buch heran, Harry Potter and the Goblet of Fire kam einfach an seinen Vorgänger nicht heran, und Batman Begins war zwar gut, aber noch meilenweit vom letztendlichen Einschlag seiner Fortsetzung entfernt.

Neben Tim Burtons guter aber nicht großartiger Adaption von Roald Dahls Charlie and the Chocolate Factory war es vor allem noch ein Film, der 2005 einen nachdrücklichen Eindruck bei mir hinterließ und bei dem ich mich nach wie vor nicht mit mir einigen kann, ob er faszinierend oder abstoßend ist. Robert Rodriguez’ Sin City gelang es, einen neuen ästhetischen Stil zu schaffen, die Live-Action-Graphic-Novel in vollkommen synthetischen Sets, der später von 300 perfektioniert wurde. Die beeindruckende Ästhetik des Films wird allerdings konterkariert durch eine Orgie an sinnloser Gewalt, faschistoider Grundhaltung, Misogy- und Zynismus, der ich bis heute nicht viel abgewinnen kann. Interessanterweise wurde Sin City auch in der breiten Masse weniger wahrgenommen als zwei Jahre später 300, der allerdings (da er auch auf einer Frank-Miller-Vorlage basiert) natürlich die gleichen Probleme hat.

Dieser Beitrag ist Teil 6 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme