The Operational Aesthetic of Marvel’s Cinematic Universe

This is a paper proposal that was just accepted at the SAS Symposium “Adaptation: Animation, Comics and Literature” in Stuttgart on 24 April. I’m both thrilled and very intimidated that I get to test the main thesis of my planned book in front of an expert audience. I hope to share the full version of the paper with you after the fact.

When Guardians of the Galaxy hits movie theatres this August, it will probably be yet another box office success for Marvel Studios. It will also be another piece in the astounding puzzle that Marvel Studios is building, producing a series of big budget films that share a universe and a sort of supra-narrative, but not a linear story. And while people will come for the action and the talking raccoon, they might stay for the experience of watching a plan come together.

Jason Mittell, writing about complex contemporary TV shows, calls this fascination with narrative consonance the “Operational Aesthetic”, a term he borrowed from Neil Harris, who used it to describe the success of 19th century showman P. T. Barnum. The “narrative special effect” (Mittell) that is at work here, fits perfectly for a cinematic continuity adapted from comic books, because it has long been established there. American superhero comics have gone to great lengths to keep their interweaving, decade-old narratives aligned in the same universe, even staging cataclysmic events across all series to retroactively explain continuity errors and escape narrative cul-de-sacs.

The paper will highlight both the narrative and economic intricacies of Marvel Studio’s cinematic universe plan, link it to the concept of the operational aesthetic and trace back its origins to their comic book counterparts. It will show where the “shared universe” concept of the Marvel comic books finds both limitations and new opportunities in the adaptation process and how the operational aesthetic differs in each medium.

Return of “Return of Whatever”

Im Oktober des letzten Jahres habe ich mich voll rechtschaffendem Zorn darüber aufgeregt, dass Disney den neuen Marvel-Film Captain America: The Winter Soldier in Deutschland unter dem marketing-optimierten Titel The Return of the First Avenger ins Kino bringt. Damals schrieb ich unter anderem

Ich bin entsetzt, dass ausgerechnet Disney, eine Firma, die sonst weltweit wie ein Luchs darauf achtet, dass ihre Marken erhalten bleiben – sich sogar als Studio eine eigene Übersetzungs- und Synchro-Division leistet – solche albernen Sperenzchen mitmacht, über die sich in ein paar Jahren noch alle mokieren und ärgern werden. Es wird doch wohl NIEMAND in der Zukunft diesen Film “The Return of the First Avenger” nennen.

Anscheinend sieht Disney die Gefahr schon jetzt. In einer gestern verschickten Pressemitteilung zur heutigen Londoner Premiere heißt es, in dicken roten Buchstaben:

WICHTIGER HINWEIS:

Bitte beachten Sie, dass der Film unter dem Titel THE RETURN OF THE FIRST AVENGER in die deutschen Kinos kommt.

Der englische Titel „The Winter Soldier“ ist in Deutschland nicht bekannt.

Das werden wir ja sehen. Ein bisschen Feixerei konnte ich mir nicht ersparen.

Danke an den Hinweisgeber.

Gareth Edwards’ Godzilla wird euch enttäuschen

© Warner Bros.

Als gestern mal wieder ein neuer Trailer für das Godzilla-Remake veröffentlicht wurde, das im Frühsommer unsere Kinoleinwände besuchen wird, konnte man Teile des Internets regelrecht vor Freude quietschen hören. “If there’s anything better than the new international trailer for ‘Godzilla,’ we don’t wanna know about it”, schreibt “The Wrap”. “This is the kind of tentpole we can get behind”, meint sogar “IndieWire”. Auch Sascha von “PewPewPew” ist vorsichtig optimistisch, trifft aber vor allem mit diesem Satz den Nagel auf den Kopf: “Ich muss wirklich sagen, dass Godzilla die seit Langem beste Marketing-Kampagne für einen Hollywood-Film hat.”

Was macht der Godzilla-Trailer richtig? Vor allem zeigt er natürlich nicht sehr viel vom Titelstar des Films. Stattdessen arbeitet er mit einem Gefühl der Bedrohung, das im Blockbuster-Zeitalter schon dutzende Monster- und SF-Filme, von Independence Day bis Cloverfield für sich nutzen konnten. Cinephile erkennen darin natürlich ein Echo von Monsters, dem ersten Kinofilm des Godzilla-Regisseurs Gareth Edwards, der seinem Titel zum Trotz erst ganz zum Schluss vollständige Aliens zeigt. Es ist auch interessant, wie das Szenen- und Kostümdesign von Godzilla subtil Anklänge an die SF- und Action-Welten der 70er und 80er sucht, jene Dekaden, die inzwischen von Generation X-ern endlos zum golden Zeitalter des Krachbummkinos mythologisiert wurden. Und Edwards füttert dieses Gefühl natürlich, wenn er in Interviews zum Beispiel davon spricht, dass er Akira von 1986 für einen der visuell eindrucksvollsten Filme überhaupt hält. Drittens ist Bryan Cranston quasi der Erzähler des Trailers – und wenn es eins gab, was Geeks aller Couleur in den vergangenen paar Jahren dazu gebracht hat, ihre Fehden hinter sich zu lassen, dann war es Breaking Bad.

Eine Pause vom Overkill

Mit anderen Worten: Der Trailer verspricht etwas anderes, als das, was uns in den vergangenen Jahren endlos serviert wurde. Er verspricht, genau wie sein Regisseur, irgendwie eine Pause vom Overkill. Und weil es nach dem letzten Sommer en vogue ist, Overkill nicht mehr gut zu finden, fressen die Fans der Kampagne natürlich aus der Hand.

Sam Adams hat im Blog “Criticwire” im vergangen Jahr einen kleinen Artikel geschrieben über die Vorab-Hype-Kultur, die uns das Comic-Kino gebracht hat. Auch Matt Singer hatte ein Jahr zuvor schon mal die “perpetual Sneak Preview Culture” bemerkt. Da ein Film heute nicht mehr die Zeit hat, seine Einnahmen über einen längeren Zeitraum durch einen guten Leumund zu sammeln, sondern möglichst am Eröffnungswochenende die Kassen füllen muss, ist das Geschäft mit der Antizipation zum bestimmenden Element modernen Filmmarketings geworden. Post-Credits-Stingers, Comic-Con-Ankündigungen und die Trailer-Hype-Kultur des Internets führen unweigerlich zu dem zentralen Satz aus einem Tweet von Scott Renshaw, den Adams in seinem Artikel zitiert: “Potential is always more interesting than what’s actually happening right now.”

Hollywood steht im Weg

Und genau deswegen gehe ich fest davon aus, dass Godzilla die Zuschauer, die sich jetzt am meisten darauf freuen, enttäuschen wird. Warum? Hollywood. Nach den neuen Regeln des Blockbusters kann er gar keine erdige Reminiszenz an die 80er sein, und erst recht kein Arthaus-SF wie Monsters – nicht mit einem Budget von 160 Millionen Dollar. Noch dazu ist Gareth Edwards nicht gerade ein Regisseur mit etabliertem Standing, der seine eigene Vision kompromisslos durchdrücken kann. Und schaut man sich die Plot-Synopsis an, geht es ja wohl schon in diesem Film gleich mit einem Battle of Awesome los, in dem Godzilla direkt gegen diverse andere Viecher antreten darf. Mag sein, dass ich mich völlig irre, aber im Moment höre ich eher den Overkill trapsen als die vorsichtigen Schritte eines Charakterdramas mit Monsterbeilage.

Quotes of Quotes (XX) – The Russos on Working in the MCU

© Walt Disney Pictures

Captain America: The Winter Soldier wird derzeit für die Presse gezeigt und die ersten Reaktionen sind sehr positiv – unter anderem auch, weil das Ende des Films anscheinend einige Auswirkungen auf die Zukunft des Marvel Cinematic Universe, besonders in Avengers: Age of Ultron zu haben scheint. Inzwischen haben für Age of Ultron sogar bereits die Dreharbeiten begonnen, aber schon im vergangenen Juli haben die Regisseure von The Winter Soldier, Joe und Anthony Russo, einer Gruppe von Bloggern ein Roundtable Interview gegeben, in dem sie einige interessante Aussagen dazu treffen, wie es ist, in einer fortlaufenden Continuity wie dem Marvel Cinematic Universe zu arbeiten. Joe Russo erklärt:

the fun part of that, if you are a comic book geek like me, you get off on [easter eggs and connections]. That’s the exciting component of that, “What can we set up for the future?” And they’re constantly pitching out ideas that not only just effects your movie, but might also have a ripple effect in the other films, and Joss [Whedon] is reading the scripts, the Thor script and the Cap script, and going, “Okay, this is where I’m getting the characters and this is where I have to pick them up in the next movie.” So, it’s a a weird sort of, I don’t know, tapestry of writers and directors working together to create this universe. It’s sort of organic, it’s not structured.

Das im Endeffekt doch relativ wenig fest vorgeplant ist, scheint mir interessant, vor allem, wenn man bedenkt, dass Marvel ja auch noch eine Supra-Storyline über Thanos und die Infinity Gems aufbaut. Anthony Russo ergänzt an dieser Stelle, dass ihnen ihre Erfahrung mit metatextuellen, komplexen Fernsehserien wie “Arrested Development” und “Continuity” “Community” ihnen gute Voraussetzungen lieferte. (Eine Verbindung, auf die ich vor einem Jahr zum ersten Mal hingeweisen habe.)

I think it comes very natural to us […], we played with a lot of foreshadowing and callbacks and […] tracking that stuff over a season of television, or multiple seasons, it’s just something [that] we’re sort of patterned for […] It’s like we sort of understand how you take a larger story and wrangle it into a moment, yet keep them connected.

Joe Russo weist zudem explizit darauf hin, wie wichtig die zentrale Figur von Studiopräsident Kevin Feige ist, um den Filmkosmos inhaltlich wie kommerziell zusammenzuhalten. Feige fungiert also als eine Art Showrunner und passt sich somit auch perfekt ins zunehmend mythologische Konstrukt ein, das um diese Aufgabe herum gebaut wird.

If you knew how difficult it is to line up those kinds of salaries, stars, get that material pushed through, have ownership of that material, have control of that material, quality control, to the extent that he did, it’s almost impossible.

Feige selbst geht schließlich in einem anderen Interview kurz auf die Verbundenheit der MCU-Filme mit der “Agents of SHIELD”-Fernsehserie ein. Wenig überraschenderweise trumpfen hier interne Konzernstrukturen nach wie vor das kreative Gewebe.

[T]he studio is not involved in the day-to-day of the show. Jeph Loeb and the TV division is overseeing that. But of course there’s crossover. I was just in a meeting with those guys and I’m about in two minutes to go back to a meeting with those guys to hear the overall picture and to, you know, to hear their ideas and how they deal with the events and Thor and the events of the Cap. Their ideas for season two, should there be one, to make sure they lead into Avengers and don’t … the key to that show, just like they key to all the movies is that, it has to stand alone. It has – if you stripped out all the connective tissue, is it worth watching? And it has to be – and then it’s all bonus and it’s all gravy when there’s that connective tissue.

Übrigens: Erstmals seit einer Featurette auf der Avengers-DVD stellt Marvel sein Worldbuilding auch mal wieder öffentlich in den Mittelpunkt. In einem Fernseh-Special namens “Assembling a Universe”, das am 18. März auf ABC läuft. Für mich bleibt zu hoffen, dass es eine nette Seele anschließend irgendwo online stellt.

Quotes of Quotes (XIX) – Hugh Jackman’s Salary for X-Men: First Class

I feel like, if you can do a movie, say two or three words and one of them is the F-bomb and get out, don’t try and repeat that, move on! I always feel about that, because I didn’t get paid for it, but Fox very kindly made a charitable donation to my kids’ schools and I always felt slightly weird handing over the check when, “Listen … Don’t ask me how I got this, but …” I think I may have been the only person to be rewarded charitably and get a tax deduction for swearing on film!
– Hugh Jackman, im Interview mit “/film” über seinen Cameo-Auftritt in X-Men: First Class

Blick in die Blogosphäre (V): “Die Academy”

“Blick in die Blogosphäre” ist der neue Name für den viel zu verstaubt klingenden “Blogosphären-Hinweis”.

Wer in diesen Wochen die amerikanische Filmberichterstattung verfolgt, kann leicht den Eindruck gewinnen, die Welt bestehe nur noch aus Preisverleihungen. Seit die Golden Globes das Preisdomino losgetreten haben, verleiht alle Naselang irgendeine Gilde oder Akademie ihre Preise. Dabei wissen wir doch alle, dass es für das breite Publikum sowieso nur eine Zeremonie gibt, die zählt: die Goldstatuen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die Oscars.

Mindestens ein Blog in Deutschland findet den Preiswahnsinn wahrscheinlich eher sexy als nervig. Laut “Über uns”-Seite aus einer StudiVZ-Gruppe entstanden beschäftigt sich “Die Academy” fast ausschließlich mit Zahlen, Daten, Fakten und Meinungen rund um die Oscarverleihung. Und weil ich Blogs immer schon mal grundsätzlich positiv gegenüberstehe, die etwas anderes bieten als nur eine Sammlung von privaten Filmkritiken und mir der oberste Akademiker Stephan Ortmann schon ein paar Mal in Podcasts über den Weg gelaufen ist, dachte ich mir, ich nutze den günstigen Zeitpunkt, um “Die Academy” auch hier mal vorzustellen – in Form eines kurzen Interviews mit Stephan.

Immer wieder wird beweint, dass die Diskussion aus den Blogs in die sozialen Netzwerke abgewandert ist. Bei euch war es anscheinend umgekehrt. Wie ist das Blog “Die Academy” entstanden?

Das Projekt selber gibt es bereits seit 2006 als Patrick die Gruppe „And the OSCAR goes to…“ bei StudiVZ gründete. Ich bin irgendwann 2008 an Bord gekommen und so im Sommer 2012 rief ich dann die Seite ins Leben. Am Anfang war auch gar keine Seite geplant, sondern nur ein reines Forum als Ersatz für die StudiVZ-Gruppe, weil uns langsam die Technik in den Wahnsinn trieb mit gelöschten Themen.

Die eigentliche Idee zu „Die Academy“ war dann auch eher spontan, weil mir aufgefallen ist, dass es sehr viele US-Seiten mit dem Focus auf Awards gab (was ja auch irgendwie logisch ist), aber keine einzige im deutschsprachigen Raum. Es existieren zig Filmseiten und -blogs, aber kein deutsches Gegenstück zu “The Film Experience“, Awards Daily” oder “Awards Circuit“. Und wenn wir die Kräfte bereits haben, warum dann nicht direkt eine komplette Seite? Das war der Gedanke und Patrick als Gruppengründer, Heiko und Johannes waren die ersten die an Bord kamen.

Unter “Redaktion” stehen bei euch insgesamt 11 Namen. Wer sind die treibenden Kräfte hinter “Die Academy” und wie stimmt ihr euch untereinander ab?

Die treibenden Kräfte hinter dem Projekt ist schon die Gründermannschaft bestehend aus Johannes, Heiko, Patrick und mir. Dazu kommen als regelmäßige Schreiber noch Dennis, Heidi und Stefan, die alle ihren wunderbar eigenen Stil haben. Die Abstimmung klappt tatsächlich blind und jeder kann eigentlich schreiben, worüber er möchte. Ich habe von Anfang an gesagt, dass es mir nichts ausmacht, wenn es zwei bis drei verschiedenen Kritiken zu einem Film gibt, denn jeder hat einen eigenen Stil um sein Filmerlebnis in Worte zu packen und warum sollte man das nicht zeigen weil zu einem bestimmten Film schon eine Kritik online ist? Wobei es aber schon so ist, dass ich mit Patrick, Johannes, Heidi, Melanie und Heiko im fast permanenten Kontakt stehe. Es ist also nicht so, als ob gar keine Kommunikation herrscht. Aber vorschreiben, was einer zu schreiben hat, gibt es nicht.

Kannst du beschreiben, woher eure Faszination für Filmpreise, und besonders für den Oscar, kommt? Anderswo wird auf die Preisfixiertheit ja gerne mal geschimpft, weil man Kunst nicht zueinander in Wettbewerb stellen sollte.

Meine Faszination für den Oscar muss mit der Verleihung 1997 und dem großen Gewinner Der englische Patient angefangen haben, als ich zum ersten Mal bewusst diese Statue in der Tageszeitung sah und mir im Panorama-Teil dann die Sieger durchgelesen habe. Richtig beschäftigt habe ich mich mit dem Thema dann ein oder zwei Jahre später als ich mir das wunderbare Buch “Der Oscar” mit Mel Gibson auf dem Cover (das ich aber auch schon in der Ausgabe davor irgendwann 1995/1996 mal aus der Bücherei ausgeliehen hatte) vom leider verstorbenen Norbert Stresau in einer kleinen Buchhandlung in Bethel kaufte und wirklich zerlesen habe. Ich habe es noch immer und es wundert mich etwas dass es noch immer alle Seiten hat. So habe ich dann Jahr für Jahr die Gewinner durch die Tageszeitung mitbekommen und im TV schaue ich mir die Verleihung seit 2001 an, als Gladiator zum besten Film gewählt wurde.

Was das Thema „Kunst sollte man nicht zueinander in Wettbewerb stellen“ betrifft: Gerade bei Filmen, die ja noch viel visueller sind als jetzt zum Beispiel Bücher oder Gemälde, bietet es sich doch an zu vergleichen was man jetzt besser findet und einen Sieger zu küren. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass wir jetzt alle die Academy Awards als die Krönung der Filmpreise ansehen. Patrick zum Beispiel ist ein großer Fan der BAFTAs, die seiner Meinung nach oft besser die Preise verteilen als die Oscar-Academy. Ich mag die Golden Globes fast einen kleinen Ticken mehr als die Oscars, weil dort auch Serien ausgezeichnet werden und es die schöne Unterteilung zwischen Drama und Comedy/Musical gibt. Außerdem dürfen dort alle essen und trinken und die Stimmung ist immer etwas gelöster und lockerer. Trotzdem bleibt der Oscar natürlich das Highlight der jeweiligen Saison und einigen wir uns darauf, dass es der prestigeträchtigste Filmpreis ist.

Beschreib doch mal, wie man den “Weg zu den Oscars” am besten beschreitet, mit all seinen Statistiken, Gildepreisverleihungen usw. Bleibt dann am Ende überhaupt noch Spannung übrig oder weiß man sowieso, wer gewinnt?

Ich bin sogar der Meinung, dass es die offensten Oscars seit Jahren sind. Tief in Stein gemeißelt von den großen Kategorien sind nur Hauptdarstellerin und Nebendarsteller. Beim Rest sehe ich überall Zwei- bis Dreikämpfe: Film, Regie, die restlichen Darstellerkategorien und bei den Drehbüchern. Da waren die Gewinner 2013 und 2012 im Vorfeld sehr viel offensichtlicher. Und Spannung wird es eigentlich immer geben. Niemand hat damit gerechnet, dass Russell Crowe 2001 für Gladiator gewinnt; 2003 sah es nach einer Entscheidung zwischen Daniel Day-Lewis für Gangs of New York und Jack Nicholson für About Schmidt aus und am Ende knutschte Adrien Brody für Der Pianist Halle Berry ab.

Ich behaupte mal, dass wir so tief in der Materie drinstecken, dass wir überzeugende Tipps abgeben können, wer am Ende gewinnen könnte. Aber mit Sicherheit sagen, dass Person A den Oscar in der Kategorie Z gewinnt, können wir auch nur im besten Fall 99%. Selbst bei Blanchett und Leto kann es noch zu Überraschungen kommen, aber hier sage ich zu 99%, dass sie gewinnen werden.

Die Verleihung ist am Sonntag. Welche Seiten, Events, oder sonstiges empfiehlst du für optimalen Oscarnacht-Genuss?

Ganz persönlich kann ich die drei oben genannten US-Seiten als gute Vorbereitung nennen, oder auch Goldderby.com wo man einen schönen Überblick über die Tipps verschiedener US-Seiten bekommt, denn fast jede größere Zeitung in den USA hat ja seinen Award-Experten. Bei den deutschsprachigen Seiten empfehle ich blind die Seite von Kollege Sidney und Owley aus der Schweiz. Und in der Oscarnacht bietet sich fast Twitter am besten an. Zumindest mir hat es im letzten Jahr wieder viel Spaß gemacht, mit anderen Leuten die Verleihung zu kommentieren.

Alternativ bietet in meiner Heimatregion das Filmmuseum Frankfurt eine lange Oscar-Nacht an – andere Events gibt es mit Sicherheit auch. Ich bin dieses Jahr leider verhindert, was mich sehr grämt. Danke an Stephan für das E-Mail-Gespräch.

Die Geschichte von Sandra Bullock und Annie Porter

© 20th Century Fox

Es dauert 28 Minuten bis Annie Porter das erste Mal die Leinwand betritt und doch ist sofort klar, dass der Film ab sofort ihr gehören wird. Die junge Frau im trendigen Grunge-Outfit bekommt ihr Leben zwar scheinbar nicht auf die Reihe – sonst müsste sie nicht mit einem vollen Kaffeebecher dem Bus hinterher laufen – aber was ihr an Alltagstauglichkeit fehlt, macht sie mit Charme wieder wett. Nicht umsonst ist der Busfahrer ihr Kumpel und auch der Rest des vollbesetzten Busses scheint ihr die Verzögerung kaum übel zu nehmen. Der nervige L.A.-Tourist verfällt ihr sofort, und natürlich wird ihr auch Officer Jack Traven (Keanu Reeves) letztendlich verfallen. Annie Porter muss man einfach gern haben.

Speed ist ein Ur-Moment für Sandra Bullock, wie man ihn nur von wenigen anderen Schauspielerinnen kennt. Die Rolle der Annie Porter schien ihr auf den Leib geschneidert zu sein – und es ist kein Wunder, dass man sich kaum an eine Perfomance von ihr davor erinnert, obwohl sie damals, mit fast 30 Jahren, bereits einige Erlebnisse im Business hinter sich hatte.

Wildcat behind the Wheel

Obwohl Graham Yost offiziell Drehbuchautor von Speed ist, ist es kein Geheimnis, dass Joss Whedon das Drehbuch auf Charakter- und Dialogebene maßgeblich geformt hat und so ist Annie Porter auch eine typische Whedon-Frau: Sie ist eindeutig weiblich und eher zierlich, lässt Angst und andere Gefühle zu und stellt sie offen zur Schau. Doch während Jack Traven Befehle gibt und waghalsige Stuntakrobatik abliefert, fährt sie den verdammten Bus. Mit über 50 Meilen die Stunde. Eine “wildcat behind the wheel”, wie Bösewicht Dennis Hopper sie nennt. (Im dritten Akt des Films wird sie dann leider doch zur hilflosen Damsel in Distress, aber erinnert sich überhaupt noch jemand daran, dass der Film in einer U-Bahn und nicht in einem Bus endet?)

© Screenshot: 20th Century Fox
© Screenshot: 20th Century Fox

Heute ist Sandra Bullock ein Filmstar. Der bestbezahlte sogar. Und doch findet sich kaum ein Artikel, kaum ein Interview, in dem nicht erwähnt wird, dass Bullock immer noch einen “Mädchen von Nebenan”-Charme versprüht. Dass sie eine Frau ist, die andere Frauen gerne zur Freundin hätten. Man möchte fast sagen: Sandra Bullock ist Annie Porter. Ein bisschen zu apart sind ihre Gesichtszüge für klassische Hollywood-Schönheit. Ein bisschen zu frech und zu klug blitzen ihre Augen für den hohlen Glamour des roten Teppichs.

Bullock hat die Annie-Porter-Figur in ihrer Karriere endlos variiert, mal mehr mal weniger erfolgreich, in all den seichten und vergleichsweise belanglosen Filmen, in denen sie der Star war. Manchmal hat sie die gefühligere Seite der Figur nach außen gekehrt, wie in While you were Sleeping mit Bill Pullman und The Lake House, der Wiedervereinigung mit Speed-Costar Keanu Reeves. Mal mutiert die Busfahrerin zur schlagkräftigen Frau im Business-Milieu, wie in The Net und A Time to Kill. Und dann gibt es noch die Parodie der Frau, die etwas zu taff ist, um wirklich Frau zu sein, mit der sie in Miss Congeniality 1 und 2 und The Proposal zur bestbezahltesten Schauspielerin Hollywoods aufstieg.

Ironische Ausreißer

Es gibt Ausreißer in dieser Rollenbiografie. Und beide entbehren nicht einer gewissen Ironie. Denn eine davon ist ausgerechnet Bullocks zweiter Auftritt als Annie Porter in Speed 2: Cruise Control. In dem weithin als überflüssigstes Sequel der Filmgeschichte angesehenen Überflop mutiert Annie zu einer Mischung aus Chaoshyäne und ängstlichem Beach Girl, das nur darauf wartet, dass ihr neuer Freund Jason Patric mit Steven-Seagalscher Stoik den Tag rettet. Hier spielt Bullock genau das, was sie vorher nicht war: den Hollywood-Star Bullock.

© Screenshot: 20th Century Fox
© Screenshot: 20th Century Fox

Der zweite Ausreißer ist ihre Rolle in The Blind Side, wo sie plötzlich mit blondgefärbten Haaren eine Oberklasse-Mutter mimt, die sich eines unterpriviligerierten, afroamerikanischen Footballtalents annimmt. Auch eine bestimmt agierende Frau zwar, aber doch eine, die mit ihrem All-American-Image so gar nicht zu Bullock passen will. Ironisch, aber wahrscheinlich entsprechend auch völlig folgerichtig, ist dieser Ausreißer deswegen, weil Bullock dafür ihren bisher einzigen Oscar gewann.

© Warner Bros.

The Second Coming

2013 war das Jahr, in dem Sandra Bullock die Welt wissen ließ, dass man nach wie vor mit ihr (und mit Annie Porter) rechnen muss. Zuerst in The Heat (Bild am Anfang des Artikels), in dem sie der Miss Congeniality-Figur einen neue Facette verlieh. Die Polizistin Ashburn ist ein unsympathischer Kontrollfreak, der – wie sich später herausstellt – nur wegen eines Kindheitstraumas so unlocker ist und deswegen von ihrem exakten Gegenteil auf der Korrektheits-Skala (Melissa McCarthy) erst eine Runde weichgeschüttelt werden muss. Ein Buddy-Movie mit zwei Frauen, die beide auf unterschiedliche Art klassischen Frauenbildern widersprechen.

Und dann schließlich mit Gravity. Es ist wahrscheinlich dem überwältigenden, technischen Spektakel des Films zu schulden, dass nicht in mehr Kritiken und Artikeln der Rückvergleich gezogen wurde zwischen der durchs All treibenden Ryan Stone und Bullocks Durchbruchs-Rolle in Speed. Hier wie dort findet sich eine Frau plötzlich in rasanten Umständen wieder, die sie kaum kontrollieren kann, mit einer tickenden Bombe im Nacken. Und hier wie dort bringt diese Frau den Bus/die Raumkapsel am Ende erfolgreich ans Ziel. Ryan Stone ist die erwachsene Version von Annie Porter. Das Leben hat in der Zwischenzeit einige Narben bei ihr hinterlassen (obwohl der Haarschnitt ähnlich geblieben ist), doch dafür braucht sie auch keinen Mann mehr, um ihre Mission zu Ende zu bringen.

© Warner Bros.

Bullockness in Perfektion

Gravity ist der Film, für den Sandra Bullock einen Oscar verdient hätte. Ganz abgesehen davon, dass ihre Performance den Film mühelos trägt, berührend und nervenkitzelnd zugleich; dass dahinter Schauspiel in erstaunlichen Umständen steht, in dem Bullock abwechselnd alleine in einer Lichtkiste saß und von Puppenspielern an Fäden dirigiert wurde. In Gravity spielt Sandra Bullock mit fast 50 Jahren die vollendete Version ihrer Rollengeschichte. Bullockness in Perfektion.

Leider stehen die Chancen schlecht. Zu groß ist die Konkurrenz durch Cate Blanchetts erstaunliche Kernschmelze in Blue Jasmine und Amy Adams’ chamäleonhafte Reflektion über Schein und Sein in American Hustle. Aber wer weiß: Es gab schon größere Überraschungen in der Oscarnacht. Und Annie Porter kann Sandra Bullock sowieso keiner mehr wegnehmen.

Es gibt immer einen besseren Algorithmus

It's all about the Pentiums, Screenshot, © Al Yankovic

Ende der 90er fing “Weird Al” Yankovic mit seiner Parodie auf Puff Daddys “It’s all about the Benjamins” den damaligen Zeitgeist der gegenseitigen Überbietung in Sachen Rechnerleistung perfekt humoristisch ein. In “It’s all about the Pentiums” heißt es unter anderem

My new computer’s got the clocks, it rocks
But it was obsolete before I opened the box.
You say you’ve had your desktop for over a week?
Throw that junk away, man, it’s an antique.

Die Sängerfigur des Songs prahlt damit, dass er 100 Gigabyte Ram und einen 40 Zoll Monitor hat und disst sein Gegenüber mit den Worten “In a 32-bit world, you’re a 2-bit user”. Heute, 15 Jahre später, sind beide Daten gar nicht mehr völlig unmöglich (wenn auch für Heimsysteme eher unpraktisch und teuer), aber bei Desktop PCs und Laptops hat sich die Konversation ohnehin verlagert. Heute ist eben nicht mehr “all about the Pentiums”, mein fast vier Jahre altes MacBook ist für meine Zwecke heute fast noch so effizient wie beim Kauf. Die Zeit der Zahlenschlachten in der Heimcomputerwelt ist vorbei, ebenso wie die Megapixel-Schlachten in der Digitalkamerawelt.

Doch das heißt nicht, dass das Rennen um die Effizienz vorbei ist. Es ist nur umgezogen. Wahrscheinlich könnte man Yankovics Song heute über Smartphones singen – oder über Orte, an denen man es gar nicht vermuten würde, etwa Kompressionsraten.

HEVC, nonchalant

Als ich im vergangenen Herbst auf dem Beyond-Festival in Karlsruhe war, um mich über die neuesten Entwicklungen in Sachen 3D zu informieren (Ergebnis unter anderem nachzulesen in der aktuellen Ausgabe von “epd film”), erwähnte einer der Redner dort, Ralf Schäfer vom Fraunhofer Henrich Hertz Institut, relativ nonchalant, dass ja nun auch ein neues Video-Format namens HEVC entwickelt worden sei, der einiges in Bewegung setzen dürfte.

Erst in späteren Recherche-Gesprächen wurde mir klar, wie wichtig HEVC werden könnte. “High Efficiency Video Coding”, wie das Kompressionsformat ausgeschrieben heißt, verbessert den bisherigen H.264/MPEG4 AVC-Standard, der für Bildkompression bei Bewegtbild eingesetzt wird, um das Doppelte. Es halbiert also die Datenmenge, die man braucht, um etwa ein Fernsehbild zu übertragen – bei gleichbleibender Qualität. Mit anderen Worten: SD-Auflösung wird quasi ein Pups in den Leitungen, die Übertragung von HD wird so einfach wie heute SD und UHD/4K-Übertragung wird auf dem gleichen Level möglich, wie HD heute.

Mein Fernseher, ein Gobelin?

“Wer will überhaupt 4K?” mag sich der geneigte Leser jetzt fragen und in der Tat habe ich mich auch schon gefragt, wie viele Wanddurchbrüche ich machen müsste, um ein Display von der Größe eines Gobelins sinnvoll als Fernseher nutzen zu können. Aber diese Art von Effizienzgewinn bedeutet noch ganz andere Sachen als ein pures Mehr an Auflösung: Etwas so Datenlastiges wie Autostereoskopie (aka 3D ohne Brille) könnte endlich ein Thema werden und HFR (aka Hobbit-Vision) könnte sinnvoll diskutiert werden (es nervt euch vielleicht in Mittelerde, aber wie wäre es bei Sportübertragungen?). Es sind eben nicht die immer kletternden Zahlenwerte, die die entscheidende Power bringen – viel öfter sind es die cleverer werdenden Algorithmen, die plötzlich eine Verdopplung der Effizienz bringen, indem sie irgendwelche mathematischen Lücken ausnutzen. Als Laie kann man darüber nur ungläubig den Kopf schütteln.

Case in Point: “Joint Importance Sampling”, der Fachausdruck für eine neue Rendertechnik, die – zumindest behaupten das “io9” und “fxguide” – “eine neue Ära der Animation einläuten könnte”. Sie verfolgt grob gesagt Lichtpfade effizienter und rechnet nur jene Teile der Pfade in Bildpunkte um, die die Kamera wirklich sehen kann. So werden Renderzeiten enorm verkürzt und ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

Revolution statt Evolution

Disney-Entwickler Wojciech Jarosz, dessen Team auch hinter “Joint Importance Sampling” steht, hat in einer Rede, die er auf einem Render-Symposium in Spanien im Juni 2013 gehalten hat, dafür plädiert, beim Rendern von der Evolution zur Revolution zu wechseln, neu zu denken und nicht nur das Bisherige weiterzuentwickeln. Die Entwicklung des “Joint Importance Sampling”, die nur der Kamm einer größeren Welle zu sein scheint, zeigt also ebenfalls, dass man auch dort noch besser Algorithmen finden kann, wo man alle Möglichkeiten ausgereizt glaubte.

Gefährlich wird das ungläubige Staunen über solche Entwicklungen jedoch, wenn man versucht, das Prinzip aus der Welt der Chips und mathematischen Formeln auf andere Bereiche zu übertragen. Der Über-Effiziente Mensch endet im Burnout und im blinden Glauben an die ständige Verbesserung wird Moore’s Law plötzlich zu Moore’s Curse, wie der Umweltforscher Vaclav Smil etwa mit Blick auf die Energiewende festgestellt hat. Oder sind wir auch hier nur einem evolutionären Gedankengang verfallen? Vielleicht wartet hinter der nächsten Kurve doch noch die Neuentwicklung, die wieder einmal alles auf den Kopf stellt. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich darauf hoffe oder nicht.

Movie Genome Project: Assoziationen zu The Grand Budapest Hotel

© 20th Century Fox

Wes Andersons Neuer, The Grand Budapest Hotel, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale, ist großartig. Ein 100-minütige Achterbahnfahrt von einem Film – spannend, komisch, absurd und überschäumend vor Ideen. Dieser Ideenreichtum, die Detailverliebtheit und die immense Einbeziehung von (pop-)kulturellen Bezügen war schon immer eine Stärke von Wes Anderson und in seinem zweiten nicht in der Gegenwart angesiedelten Film (nach Moonrise Kingdom), der zum größten Teil in einer Wolkenkuckucks-Version von Mittel-Osteuropa in den 30ern spielt, kommt sie voll zur Geltung.

Neben den Werken von Stefan Zweig, die Anderson als Inspiration in den Credits des Films klar benennt – und anderen Werken von Hannah Arendt und Irène Nemirovsky, denen er in Interviews Tribut gezollt hat, trägt The Grand Budapest Hotel eine Legion von Einflüssen in seiner DNA mit sich herum. In diesem Posting möchte ich versuchen, möglichst viele von ihnen aus meiner eigenen Wahrnehmung und der anderer Kritiker zu sammeln (denn kaum eine Kritik des Films kommt ohne einen Hinweis auf eine Referenz aus, welche die Kritikerin zu erkennen geglaubt hat) und so eine Art “Genom” des Films generieren.

Grand Hotel (1932)

Ein großer MGM-Klassiker über die Begegnungen der Reichen und nicht ganz so Reichen in einem europäischen Hotelpalast der Zeit, deutscher Titel: Menschen im Hotel. Neben dem Titel, dem Setting und dem Entstehungsjahr, was auch das Handlungsjahr von Andersons Film ist, ist auch Grand Hotel – ähnlich wie sein Budapester Cousin – eine veritable Star-Parade mit John und Lionel Barrymore, Joan Crawford, Wallace Beery, Jean Hersholt und vielleicht der definitiven Performance von Greta Garbo (“I vant to be alone …”).

Lubitsch, Ernst

Viele Kritiker erwähnen den Bezug zu den perfekt durchgetakteten Komödien des Berliner Regisseurs, nicht zuletzt The Shop around the Corner, der in Budapest spielt, und To Be or Not to Be, in dem ebenfalls Nazis düpiert werden.

“Der Zauberberg” (Thomas Mann, 1924)

“Man denkt fast unwillkürlich an Thomas Manns Zauberberg, wenn sich – lange nach Schließung des Hotels – ein Schriftsteller (Tom Wilkinson) an ein abendliches Gespräch mit dem ehemaligem Inhaber Zéro (F. Murray Abraham) erinnert (den jüngeren Autor spielt Jude Law), welcher wiederum von seinem jüngeren Ich und den abenteuerlichen Jahren kurz vor Kriegsbeginn erzählt.” (Nino Klingler auf “critic.de”)

Chapman, Graham

Joseph Fiennes’ Charakter M. Gustave parliert in perfektem “Candy Ass” English mit höchstem Etikette-Grad und rezitiert mit Vorliebe romantische Poesie – außer wenn er sich ärgert und nebenbei diverse F-, S- und sonstige Bomben in seine Repliken einflicht. Es fällt schwer hier kein Echo der Monty-Python-Charaktere von Graham Chapman zu sehen, in denen auch häufig englische Stiff-upper-Lip-Noblesse auf krachende Gewalt und Pöbelei traf.

Inglourious Basterds (2009)

Wie Anderson drehte auch Quentin Tarantino sein Alternativ-Historien-Magnum Opus zu großen Teilen in Deutschland und rekrutierte für die Nebenrollen einige deutsche Schauspieler. The Grand Budapest Hotel enthält deswegen auf gleiche Weise zahlreiche Blinzle-und-du-verpasst-sie-Auftritte von deutschen Mimen. War das eben wirklich Florian Lukas? (auch Tim Lindemann stellt den Bezug her)

Charade (1963) und andere Euro-Thriller der 60er

The Grand Budapest Hotel spielt in dem kleinen europäischen Land Zubrowka. Dessen Einwohner sprechen britisches oder amerikanisches Englisch, deutsch oder Französisch, ohne jede Erklärung dahinter außer der Herkunft des jeweiligen Schauspielers. Auch die Namen von Orten und Figuren sind eine wahllose Mischung aus den drei großen westeuropäischen Sprachen. Spontan musste ich an die opulenten US-europäischen Koproduktionen der Post-Studio-Ära denken, in denen sich Schauspieler aus den verschiedenen Filmnationen auf ähnliche Art die Klinke in die Hand gaben und einander jederzeit perfekt verstanden. (Justin Chang erwähnt in “Variety” ebenfalls die “transcontinental intrigue of ‘Murder on the Orient Express’ and ‘The Lady Vanishes’ und den “deliberate Europudding effect” der Akzente).

Zeman, Karel

Der tschechische Filmemacher, eine Art osteuropäischer Ray Harryhausen, realisierte in den 50er und 60er Jahren eine Reihe von fantastischen Filmen, in denen er Realaufnahmen von Schauspielern mit deutlich als handgemacht zu identifizierendem Trickmaterial für Sets und Hintergründe kombinierte. Besonders in der Eröffnungs-Tricksequenz von TGPH scheint Zemans Geist über der Szenerie zu schweben.

Warner Bros. Horrorfilme der 30er

Die gesamte Gang der “Desgoffes und Taxis”, von Tilda Swintons schnell versterbender Matriarchin bis zu Willem Dafoes kaltblütigem Katzenkiller, könnten im Grunde direkt einem James-Whale-Film entstiegen sein, besonders was ihre Frisuren angeht.

© 20th Century Fox

Freud, Sigmund

Jeff Goldblums Bart. (aus dem Presseheft)

Bond, James

Ausgemacht von Dirk Knipphals in der “taz”. Vielleicht hat ihn die Ski-Verfolgungsjagd an On Her Majesty’s Secret Service (1967) erinnert. Obwohl Karl Gaulhofer darin eher ein Zitat von Vertigo (1958) erkennt.

Tystnaden (1963), The Sound of Music (1965) und The Shining (1980)

Jeder sieht, was er sehen möchte. Tim Lindemann erkennt in der Idee vom verlassenen Hotel Gemeinsamkeiten mit Ingmar Bergmans Film. Tim Robey vom “Telegraph” erkennt die Referenz an Kubrick vor allem in einer Fellatioszene und ich musste – vor allem wegen der Zuckergussenen Farben doch an das Musical denken, in dem auch ein großes, schickes Haus in den Bergen plötzlich von Nazis besetzt und zum Offizierskasino umfunktioniert wird – mit Fahnen und allem.

Weitere DNA-Stränge gerne in die Kommentare!

Danke an Björn für den Namen “Movie Genome Project” und an den Kritikerspiegel von “film-zeit.de”.

Wenn die Filmkritik das Gespräch sucht

The Wolf of Wall Street war nicht jedermanns Sache. Meine zum Beispiel nicht. Doch da ich die Gelegenheit hatte, nach dem Kino noch mit zwei Kollegen kurz über den Film zu sprechen, wusste ich direkt, dass ich mit dieser Meinung nicht überall auf Zustimmung stoßen würde. Lukas Foerster und Ekkehard Knörer ging es anscheinend ähnlich. Die beiden fingen auf Facebook an, ihre konträren Meinungen zum Film auszutauschen und entschieden sich schließlich, ihre Diskussion in Gänze bei “Cargo” zu veröffentlichen. Das Ergebnis ist faszinierend zu lesen: Zwei Menschen wechseln höchstkluge Argumente – und am Ende darf man sich selbst irgendwo dazwischen positionieren.

Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob das so selbstverständlich ist. Kritik, so scheint es mir doch meistens, ist traditionell nach wie vor etwas, was alleine geschmiedet wird. Der Kritiker, die Kritikerin erfassen das Objekt, das sie konsumieren wollen, sie ordnen es ein, bilden sich eine Meinung und gießen diese Meinung dann in Worte. Diese Worte werden dann auf die Welt losgelassen, man darf dann auch auf sie reagieren – aber es ist nicht selbstverständlich, dass ein Kritiker oder eine Kritikerin sich die Blöße gibt, noch nicht in Stein gemeißelte Ideen in den Ring zu werfen, um sie mit anderen zu diskutieren.

Ein Mehrwert für alle

Kritikerinnen und Kritiker, die den Mut haben, ihre Ideen anderen im Gespräch gegenüberzustellen und damit im Zweifelsfall Gefahr laufen, von den Ideen ihres Gegenübers erdrückt zu werden, schaffen für alle Beteiligten einen Mehrwert. Sie selbst werden gefordert, ihre Eindrücke gegenüber Fachgenossen zu verteidigen. Und die Lesenden bekommen auf einen Schlag gleich ein Spektrum von Meinungen, in dem sie sich orientieren können.

Ich will dem Internet nicht die Ehre zuschieben, in diesem Bereich irgendetwas erfunden zu haben. Die Fernsehsendung “At the Movies” — für US-Amerikaner, die in den 80ern und 90ern groß wurden quasi die filmische Früherziehung — hat in dem Format Geschichte geschrieben. Auch Podiumsdiskussionen und andere Dialogveranstaltungen haben Tradition. Und Dialoge als Textform gehören mit ihren antiken Vorbildern schließlich an den Anfang aller westlichen Gedanken.

Ich glaube aber doch, dass die vernetzte Welt ihren Teil dazu beigetragen hat, der dialogischen Kritik neuen Antrieb zu geben. Denn schließlich ist das Internet, das “Web 2.0” allemal, im Grunde eine einzige “Conversation”, wie schon das Cluetrain-Manifest behauptete. Es lebt davon, dass man aufeinander reagiert, ins Gespräch kommt, Impulse abgibt und anderswo aufnimmt. Das kann nebenbei geschehen – in Kommentarthreads unter Blogs oder auf Facebook, in Twitter-Hin-und-Hers – oder ganz geplant, wie im Ur-Webformat Podcast, aber es zeigt auf jeden Fall Wege auf, auf die sich gerade die Filmkritik meiner Ansicht nach ruhig viel öfter verirren könnte.

Kleine Topologie des Filmgesprächs

Wie kann ein Filmgespräch praktisch aussehen? Für den Anfang ist der oben genannte Foerster/Knörer-Weg vielleicht der einfachste. Treibt einen ein Film oder ein Thema um, suche man sich einen Kollegen oder eine Kollegin, der man vertraut und auf deren Meinung man etwas gibt und tauscht Argumente aus. Ich habe das hier im Blog auch schon versucht – allerdings waren die Meinungen in diesen Gesprächen weniger konträr. Es gibt auch ein deutschsprachiges Blog, dass sich nur dieser Form verschrieben hat.

Hat man mit einem Gleichgesinnten erstmal eine gewisse Sicherheit im Gespräch erlangt, kann ein Gast das ganze sehr gut aufmischen. So funktionieren nicht wenige Podcasts, nicht zuletzt die Folge von “Kontroversum”, die mich auf den “Cargo”-Artikel gebracht hatte. Auch der “/filmcast” oder “The Golden Briefcase” arbeiten gerne mit dem “Zwei plus Eins” Prinzip.

Die nächste Stufe ist dann eine größere Runde, in der das Thema reihum gereicht wird. Hier ist schon etwas mehr Konzentration vonnöten, weil am Schluss des eigenen Beitrags möglichst immer noch ein Anknüpfungspunkt für den nächsten Redner gegeben werden sollte, um es der Leserin leichter zu machen. Das regelmäßige Feature The Conversation von “The Dissolve” funktioniert so und auch mein filmjournalistisches Highlight eines jeden Jahres, der “Slate” Movie Club, in dem vier Journalisten jeweils vier Beiträge schreiben und in diesem Reigen versuchen, die kritische Beurteilung des vergangenen Jahres Revue passieren zu lassen.

Und schließlich ist da die freie Gesprächsrunde mit mehr als drei Teilnehmenden. Wiederum das Feld vieler Podcasts, aber nicht unbedingt derer, die ich persönlich am liebsten höre. Hier ist gute Moderation vonnöten und die Gefahr, dass einzelne Meinungen untergehen, wächst mit jedem zusätzlichen Teilnehmer, ebenso wie bei Podiumsdiskussionen. Im besten Fall entsteht natürlich völlig unabhängig von der Anzahl der Mitredenden brillanter Denkstoff.

Beispiele für weitere Gesprächsformate gerne in die Kommentare!

Bild: Flickr Commons/Arsene Paulin Pujo (1861-1939), Representative from Louisiana (1903-1913)