Zehn Zu Null – Eine Dekade voller Filme: Almost Famous (2000)

2000 ist das einzige Jahr, von dem ich keine zeitgenössischen Listen habe. Ich habe Almost Famous allerdings definitiv noch während des Jahres gesehen und fand ihn sehr gut, deswegen kann diese Wahl wohl als gültig erachtet werden.

Almost Famous hat mich begeistert. Eine gute Weile bevor ich wusste, wer Cameron Crowe ist, war klar, dass ich hier einen Film vor mir hatte, der zwei Dinge, die mich faszinierten, geschickt miteinander verknüpfte: Journalismus und die Popkultur der siebziger Jahre. Der Quasi-Roadmovie eines 14-jährigen Schreiberlings, der mit einer aufsteigenden Band anno 1973 auf Tour geht und dabei nicht nur erwachsen wird, sondern auch jede Menge über das wilde Leben und die internen Querelen des Pop-Business erfährt, sich aber in bester Journalistenmanier davon nicht vereinnahmen lässt – das fand ich toll. Lachen konnte man auch und schließlich war da ein Soundtrack, der seinesgleichen suchte: Ich hatte nicht gedacht, dass mir Yes tatsächlich mal von einer Kinoleinwand entgegen schallen würden. Ein Jahr später kam ich endlich dazu, meine eigene Band zu gründen, leider wiederholte sich die Geschichte des Films nicht.

Almost Famous hat sich gut gehalten. Es ist weder der rundeste (das ist wohl eher Jerry Maguire) noch der ausuferndste (Elizabethtown) von Cameron Crowes Filmen geworden, dafür bleibt er aber, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen seines autobiografiktionalen Inhalts, ziemlich bewegend. Seine Qualität liegt nicht zuletzt in seiner ausgefeilten Besetzung in den Nebenrollen: Jason Lee als Sänger von „Stillwater“, Frances McDormand als paranoide Mutter, Zooey Deschanel als Schwester, Jay Baruchel als Über-Fan und natürlich Philipp Seymour Hoffmann als Rock-Kritiker Lester Bangs. Hinzu kommt eine der besten Rollen von Billy Crudup und die wahrscheinlich einzig gute Rolle jemals von Kate Hudson – in Penny Lane kann ich mich heute noch ein bisschen verlieben.

Der Film malt ein nostalgisches aber interessantes Bild seiner Zeit, untermalt von einem bis heute wohlklingenden Soundtrack: Neben Yes finden sich dort auch noch Simon & Garfunkel, The Who, Todd Rundgren, Beach Boys, Zeppelin und Lynyrd Skynyrd. Der schönste Einsatz dieses Soundtracks belegt eine Theorie von mir besser als jeder andere Film: Wenn Figuren im Film singen – und zwar nicht als Musicalnummer und nicht auf der Bühne – dann geht das immer mitten ins Herz, in diesem Fall ist es Elton Johns bezauberndes Tiny Dancer, das die ganze Crew im Tourbus trällert. Almost Famous bleibt in seinem gut verquirlten Mix aus Drama, Komödie und Period Pic ein besonderer Film.

Wirft man einen Blick auf die Oscars des Jahres (2001), dann zeigt sich, dass Gladiator die meisten Trophäen abräumte und Steven Soderbergh mit Traffic und Erin Brockovich seine starke Zeit hatte. Gladiator habe ich zwar mal gesehen, aber Film hat nicht den geringsten Eindruck bei mir hinterlassen (außer wegen seiner Effekte), was aber auch an Russel Crowe liegen kann. Ein starker Film im Jahr 2000 war Memento, der zwar nicht als erster aber doch zum ersten Mal massenwirksam die zerhäckselte Erzählweise propagierte und der nicht zuletzt durch seinen düsteren Kern und seinen erfreulichen Low-Budget-Look noch heute tief in mein Hirn eingegraben ist. 2000 war kein Jahr der eindeutigen Überflieger, Almost Famous aber (der schließlich den Oscar für das beste Originaldrehbuch gewann) bleibt auch im Nachhinein gesehen ein Highlight der Noughties.

Dieser Beitrag ist Teil 1 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

Ja, es ist soweit. Ende dieses Jahres ändert sich wieder einmal die dritte Stelle in den Jahreszahlen, aus den Nuller Jahren (am liebsten mag ich eigentlich den englischen Begriff “Noughties”) werden die Zehner Jahre – und auch wenn damit rein rechnerisch noch nicht das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends beginnt (das kommt erst ein Jahr später, Krabääh! Krabääh!), so enden doch zumindest eben diese Nuller Jahre – und da Menschen gerne in solchen Kategorien denken, ist das schon mal eine Liste wert.

Darüber, die zehn besten Filme des Jahrzehnts zu küren, habe ich freilich schon viel länger nachgedacht. Auf die Idee aber, die ganze Dekade nochmal in Einzelschritten Revue passieren zu lassen hat mich Lukas gebracht. Da ich nicht annähernd seine musikjournalistische Kompetenz besitze und große Teile der letzten zehn Jahre musikalisch in den Siebzigern und Neunzigern verbracht habe, werde ich mich allerdings auf das Thema beschränken, zu dem ich etwas zu sagen habe: Filme.

Ich werde in den nächsten zehn Wochen bis zum Jahresende jeweils die Filme Revue passieren lassen, die ich nach meinen Listen am Ende der Jahre 2000 bis 2009 für die besten Filme des Jahres hielt. Weil es sich bei mir etabliert hat, nach amerikanischen und nicht deutschen Kinostarts zu indizieren mag die ein oder andere Wahl dabei zunächst verwundern – es wird in den Einträgen aber sowieso darum gehen, zu entscheiden, ob die Filme bis heute halten oder welche anderen Filme des gleichen Jahres sie eventuell an Bedeutung übertroffen haben.

Diesen Donnerstag geht es los mit dem einzigen Film, bei dem ich versucht habe, mich im Nachhinein zu besinnen, welchen Film ich am Ende des Jahres am Besten fand. Aus dem Jahr 2000 haben keine Aufzeichnungen überlebt.

Die besprochenen Filme

Nachtrag, 6. Januar: In einer zweiten “Staffel” von Beiträgen, habe ich versucht, mich ausführlicher mit Trends und Tendenzen der Noughties, unabhängig von einzelnen Filmen, auseinander zu setzen. Den natürlich nicht mehr ganz passenden Seriennamen “Zehn zu Null” habe ich dabei beibehalten.

Die einzelnen Beiträge

Worte zum Wochenende

Wie viele deutsche Blogger sind auch die, die sich hinter “muentefering” verbargen, medienkritische Menschen. Ganz klar: Das ist gut so, sowas braucht die Mediengesellschaft. Dass aber immer mehr Menschen auf die Idee kommen, Journalisten mehr oder weniger gezielt an der Nase herum zu führen, und das dann als großes medienkritisches Experiment verkaufen, ist ein schlechter Witz.

Johannes Boie , Schaltzentrale
// Falsche Fälscher
[via BildBlog]

Ich liebe die Freiheit, das Nachdenken mit anderen, das Fremde, das Querverbinden. Frau Schwarzer findet, ich sollte Journalistin sein. Und nun?

Meike Winnemuth , SZ-Magazin
// Projekt Neustart
[via BildBlog]

Unfortunately, a chief executive only a few years from retirement is hardly motivated to sack loyal colleagues to bring on board lots of teenagers to turn their company upside down.

Luke Johnson , Financial Times
// Generation game redefines business
[via Buzzmachine]

“There is a whitewashed, idealised version of childhood that is popular in movies. It has the kids sitting neatly in their chairs, talking with some adult, in a sarcastic, overly sophisticated but polite way – a concoction that bears no resemblance to an actual kid”

Dave Eggers , im Interview mit dem Guardian
// New film Where the Wild Things Are sends parents into a ‘rumpus’

Worte zum Wochenende

To be clear, Wes Anderson did not set out to direct his new movie via e-mail.

Chris Lee , Los Angeles Times
// Fur Flies on ‘Mr Fox’

The second talking-fox picture of the year, after Lars von Trier’s “Antichrist,” this one features not genital mutilation, but a leading character who gets his tail shot off.

Todd McCarthy , Variety
// Fantastic Mr. Fox
[via Carsten]

[W]hen I saw it for the first time yesterday, I thought that the motto on the University’s seal expressed just the right attitude: quaecumque vera, or after translation from the Latin, “whatever”

Mark Liberman , Language Log
// University of Alberta’s motto: “whatever”

In the world of Legos, what I did discover is that my kids were taking these beautiful, gorgeous, incredibly restrictive predetermined Legos Star Wars play sets — and yeah, they really wanted it to be put together just the way the box showed it. I don’t think it occurred to them you’d want to do anything else with it. But inevitably, over time, the things kind of crumble and get destroyed and fall apart and then, once they do, the kids take all those pieces, and they create these bizarre, freak hybrids — of pirates and Indians and Star Wars and Spider-Man. Lego-things all getting mashed up together into this post-modern Lego stew. They figure out a way, despite the best efforts of corporate retail marketing.

Michael Chabon , im Interview mit der Los Angeles Times
// Michael Chabon Q&A: Fatherhood and writing at midnight

Moses – Größer als das Leben

Dieses Blog heißt übrigens nicht nur “Real Virtuality”, weil ich das ein witziges Wortspiel finde und es irgendwie zum Internet passt, sondern weil das auch der Titel einer Hausarbeit während meines Filmwissenschafts-Studiums war, die irgendwann mal in meine Magisterarbeit “Die neue digitale Ästhetik” gemündet hat.

Darin habe ich mich mit Filmen auseinander gesetzt, die computergenerierte Bilder für die Erschaffung unwirklicher Welten einsetzen und damit der Bildontologie des Computers Folge leisten. Das reichte über die Farbverfremdung der Herr der Ringe-Filme über die “Filme wie gemalt”, wie Marcus Stiglegger sie mal genannt hat, wie 300 und Sky Captain and the World of Tomorrow bis hin zur völligen Verschmelzung von Animation und Realfilm in Linklaters Waking Life und A Scanner Darkly.

In letzter Zeit ist es um diese Art von Film ein bisschen stiller geworden. CGI ist inzwischen so unglaublich normal geworden, dass sie meistens nur noch zum Erstellen von diegetisch realistisch wirkenden Figuren benutzt wird. Colour Grading wird langsam etwas übertrieben (siehe mein letztes Posting zum Thema (letzter Absatz)), aber coole Malerei/Filmemach-Experimente sieht man nicht mehr so häufig (wobei ich mir da bei Avatar nicht so sicher bin).

Anscheinend soll es jetzt wieder einen neuen geben, eine Moses-Geschichte, die, so formuliert es “Variety”, im 300-Stil (interessant, dass der Film so eine Marke geworden ist) gedreht werden soll.

Kommentatoren erwarten jetzt Zack-Snyder-Metzelorgien, aber das ist natürlich Quatsch. Viel interessanter ist es, darüber nachzudenken, dass sich biblische Geschichten für so eine Adaption ziemlich gut eignen, weil sie zwar in unserer Realität verankert sind, aber etwas Übernatürliches erzählen. Ein “Larger-Than-Life”-Ästhetik könnte perfekt sein, um der epischen Tragweite der biblischen Geschichten gerecht zu werden.

eDIT 2009 – Berichte von zwei Panels

Wie ja schon aus dem letzten Eintrag ersichtlich, war gerade wieder eDIT in Frankfurt – ein Filmfestival/Kongress, zu dem ich seit vielen Jahren immer wieder gerne gehe, um mir etwas über die neuesten Entwicklungen vor allem im Bereich vbisuelle Effekte erzählen zu lassen. Dieses Jahr hatte ich leider keine Zeit, um vollständig hinzugehen, aber ich habe immerhin zwei Präsentationen mitnehmen können – zufällig beide von Mitarbeitern von Industrial Light and Magic (ILM).

Die Präsentation von Roger Guyett über die Effekte des neuen Star Trek-Films war erstklassig und hat einen weiteren Teil des Puzzles dazu beigetragen, warum der Film so gut funktioniert (das sehr gut durchdachte Drehbuch ist ein weiterer Faktor). Guyett war auch Second Unit Director bei Star Trek und diese Gesamterfahrung von Dreh und Postproduktion schlug sich wohl in seiner Arbeitsweise, auf jedem Fall aber in seinem Vortrag nieder. Guyett war integraler Teil des Designprozesses und schilderte die Schwierigkeiten, die das Team beim Anpassen und Modernisieren des Looks hatte: Die Enterprise und alle ihrer Schwesterschiffe mussten ein bisschen aussehen wie damals, aber trotzdem neu und cool sein. Guyett erzählte auch von den Farbthemen, die der Film sich für verschiedene Schauplätze – auch im All – gab und von Techie-Details wie realistischen Weltraum-Explosionen im Vakuum. Am interessantesten war aber sicherlich der Teil des Panels, in dem er zeigte, wie JJ Abrams und sein Team möglichst oft reale Drehorte gewählt hatten, die dann im Anschluss von der CG-Fabrik aufgepimpt wurden – ähnlich wie die Original Star Wars-Filme. Ich denke, dass das hervorragend funktioniert hat. Gerade im Gegensatz zu den neuen Folgen jener anderen großen Weltraumsaga wirkt Star Trek angenehm echt.

Ben Snows Präsentation zu Terminator Salvation war insgesamt kaum weniger erhellend, aber wesentlich technischer und weniger auf ästhetische Aspekte bedacht als die seines Kollegen. Snow präsentierte vor allem, wie ILM bei Terminator mit einem neuen System von ressourcensparender Beleuchtung gearbeitet hat – dessen technische Einzelheiten leider ein wenig meine Kenntnisse überstiegen. Snow zeigte viel Vorher-Nachher-Clips, die sich hauptsächlich auf die Modell-Arbeit und die Integration von Drehmaterial und CG konzentrierte, wobei vor allem der Aspekt der “Post-Viz” für mich ein neues und interessantes Werkzeug darstellte. Spannend und auch amüsant wurde es dann wieder, als Snow von der Arbeit erzählte, die es bedeutete, einen virtuellen Arnie zu bauen. Dabei gab es auch einige “geheime” Aufnahmen zu sehen, die die unglaubliche Detailarbeit zeigten, die in der Szene steckt.

Ich fand es interessant, zu sehen, dass die Balance zwischen Simulationsarbeit und Animation/Handbemalung inzwischen ganz gut in der Mitte liegt. Der Computer scheint inzwischen in der Lage zu sein, viele Dinge tatsächlich automatisch zu machen, die vor ein paar Jahren noch händisch erledigt werden mussten. Der Rückschlag ist dafür dann aber, dass die Aufgaben immer komplizierter werden und dann muss eben doch wieder die Handarbeit und Animation ran.

Ein lehrreicher Kommentar war auch der von Ben Snow, der ein wenig zerknirscht darüber wirkte, dass McG mit seinem harten Colour Grading bei Terminator Salvation Teile der CG-Arbeit fast in Gefahr brachte, weil plötzlich wieder Dinge zum Vorschein kommen könnten, die die Ursprungsfarben sonst überdeckten. Mich würde interessieren, inwiefern Colour Grading sich nicht inzwischen auch etwas in eine Extrem-Sackgasse bugsiert hat und langsam mal wieder locker machen sollte. Harry Potter and the Half-Blood-Prince fand ich wegen seines harten Grades manchmal schon sehr anstrengend.

Hollywoods Mundgeruch. Die Eröffnungsgala der eDIT

Die eDIT ist einer der interessantesten Treffpunkte der Rhein-Main-Region für visuelle Medienschaffende. Inzwischen im zwölften Jahr, hat sich die dreitägige Frankfurter Konferenz von einer kleinen Insiderveranstaltung zu einem mittelgroßen Kreativevent gemausert und dabei nichts von ihrer lockeren Atmosphäre verloren. Weiterlesen

erschienen in epd medien 79/09

Reitzende Schnittchen

Ich war gestern abend auf der Eröffnungsgala der Edgar-Reitz-Filmwoche in Mainz. Das Ergebnis war eine sympathische Atmosphäre, ein saunamäßig warmes Kino und ein ziemlich guter (und verdammt gut restaurierter) Film – Die Reise nach Wien von 1973, der mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass er in seiner Farbdramaturgie mal einen etwas anderen Blick auf die Nazizeit erlaubte, als die Standardfarbpalette von entsättigten Braun- und Grün-Orgien deutscher NS-Filme der letzten 15 Jahre.

Am liebsten will ich aber hervorkommentieren, dass es beim Sekt-und-Schnittchen-Teil des Abends tatsächlich mal wieder echte Schnittchen gab. Da ich wirklich Hunger hatte habe ich mich sehr über einfache Baguette-Scheiben mit Wurst, Schinken und Käse – allesamt sehr lecker hergerichtet – gefreut. Nirgendwo Rote-Bete-Sorbets oder Currywurst im Glas – oder was man heute sonst so alles von Catering-Firmen als Zwischenmahlzeit kredenzt bekommt – in Sicht. Gäste glücklich machen kann so einfach sein.

Die Zukunft von 3D ist die Gegenwart des Farbfilms

Angeregt wurde diese vage Grundsatzbetrachtung über 3D durch einen schon etwas älteren Artikel von Kristin Thompson, über dessen Thesen sich anschließend mit Freunden bei Facebook eine interessante Diskussion entspann.

Thompsons Artikel hat zwei Schwerpunkte. Der eine ist, ob sich 3D langfristig wirtschaftlich lohnen wird. Die Beantwortung dieser Frage würde ich gerne dem Markt überlassen. Da der Output an 3D-Filmen inzwischen dank Computeranimation ein relativ stetiges Maß erreicht hat, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass 3D “here to stay” ist. Bleibt es trotzdem ein Event-Randmarkt? Das wird sich zeigen und es hängt eng mit dem zusammen, was ich weiter unten diskutiere:

Interessanter ist dieser zweite Aspekt von Thompson:

More interesting, though, is that fact that although I saw Coraline and Up in 3-D, I remember them in 2-D. Those films didn’t throw spears at the spectator or otherwise seek to pierce that fourth wall with their props. Of course as I was watching, I noticed that the mise-en-scene had layers of depth and the figures a rounded look, but apparently my life-long movie habits filtered those aspects out as the films entered my memory.

An diesem Beispiel entspinnt sich eine interessante Spannung bei 3D-Filmen: Viele Kritiker beschweren sich darüber, wenn die 3D-Filme zu sehr auf ihre 3D-Effekte setzen und dem Zuschauer ständig Speere ins Gesicht stoßen, wie bei Beowulf. Andererseits scheint es aber so zu sein, dass wenn die Filme 3D zu subtil einsetzen, der Mehrwert der neuen Technik in der Erinnerung verpufft.

Für mich ist bisher bei keinem der Filme, die ich gesehen habe, 3D mehr als ein Gimmick geblieben. Bei Bolt hatte ich schon beim Sehen das Gefühl, das 3D dem Film nichts hinzufügt. Monsters vs. Aliens versuchte, die Technik durch das Gegenüberstellen von Größenunterschieden auszuschlachten, was nach kurzer Zeit langweilig wurde. Ice Age 3 und Coraline waren in ihrer 3D-Anwendung beide sehr gut, aber gerade Coraline überzeugte schon wesentlich stärker durch sein Gesamtdesign und Drehbuch als durch die 3D-Effekte, obwohl mir diese noch am stärksten in Erinnerung blieben. Der Film ist bisher mit Sicherheit die Krönung der Technik.

Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die meisten neuen Techniken, als sie sich im Kino jeweils etablierten, erstmal eine Art Exploitation-Kino hervorriefen: Der Tonfilm propagierte Musikfilme, Technicolor ließ sich besonders gut in Ausstattungsspektakeln und “unwirklichen” Filmen vorführen. Danach folgte immer eine Phase der Gewöhnung und erst danach waren meist Künstler in einer Art filmischen Moderne in der Lage, aus den technischen Möglichkeiten wirklich mal was cleveres rauszuholen (beipielsweise mit Filmen wie The Red Shoes für Farbe oder The Conversation für Sound).

Der Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm ist kein guter Vergleich, aber der von Schwarzweiß- zu Farbe hält dem ganzen durchaus stand. Noch bis Mitte der Sechziger, dreißig Jahre nach seiner Marktreife, waren Schwarzweißfilme durchaus normal, a) weil sie billiger zu produzieren waren und b) wegen des exakt gleichen Arguments, das jetzt bei 3D vorgebracht wird: “Wer will schon Nicht-Effektfilme in Farbe sehen, lohnt sich doch gar nicht”. Bis das Verhältnis irgendwann umkehrte, als auch Hollywood seine Moderne erlebte.

Ich denke, dass uns etwas Ähnliches jetzt mit 3D erwartet: Uns stehen noch viele Jahre ins Haus, in denen 3D für Prestige-Knallbumm-Produktionen und Trickfilme ausgeschlachtet wird, aber sobald immer mehr Leinwände umgerüstet sind, die Produktionskosten dank cleverer digitaler Entwicklungen sinken und die Brillen vielleicht sogar noch ein bisschen bequemer werden und 3D einfach ein etablierter Teil der Kinolandschaft geworden ist, könnte sich das Verhältnis umkehren.

Was bedeutet das künstlerisch? Die wahrhaft neue Informationsspur, die 3D ermöglicht ist die Z-Achse. Der Regisseur kann nicht nur links-rechts-oben-unten inszenieren, sondern auch vorne-hinten. Mit den 2 1/2 Dimensionen die regulärer Film kraft unserer Vorstellung sowieso hat (wir denken uns den Raum dazu, auch wenn wir ihn nicht sehen) ging das zwar vorher auch schon, jetzt geht es noch besser. Poke-in-the-Eye-Effekte sind halt nur eine Möglichkeit, diese Informationen auszunutzen, Coraline hat sich vor allem an Tunneln und schiefen Perspektiven versucht.

Sind wir doch mal ehrlich: Erinnern wir uns an Farbfilme wirklich in Farbe – wenn Farbe nicht gerade eine wichtige Rolle spielt? Könnten Sie mir sagen, welche Farbe der Anzug eines x-beliebigen Darstellers in einer x-beliebigen Romantic Comedy hatte? Eher nicht, aber wahrscheinlich erinnern wir uns an die Farbwelten beim Space Gate in 2001, an den surrealistischen Hauch von Filmen wie Amélie oder Moulin Rouge, an farbliche Akzente wie Kim Novaks grünes Kleid in Vertigo.

Und das steht uns mit 3D bevor: Wir werden uns an die meisten dreidimensionalen Szenen nicht unbedingt en detail erinnern, aber wann immer ein Regisseur ans Ruder gelassen wird, der seine Kunstform beherrscht und damit zu spielen weiß, wird man an “die gute 3D-Dramaturgie” gerne zurückdenken.

Die erste Meßlatte in dieser Hinsicht wird wohl Avatar werden. Obwohl ich von der Preview nicht so recht überzeugt war, wird Cameron zeigen müssen, ob er 3D wirklich beherrscht. Mein bestes 3D-Erlebnis hatte ich zumindest bisher mit einem seiner Filme: T2 3D – Battle across time. Durch die Verschmelzung mit echten Darstellern hat das 3D hier wirklich Laune gemacht.

Mit Dank an Carsten und Bernd