Drei Tage Berlinale

Durch den Umzug nach Dresden erschien es mir in diesem Jahr zum ersten Mal praktisch genug, für ein Wochenende auf die Berlinale zu fahren. Trotz Filmwissenschaftsstudium hatte ich es nämlich bis in diesem Jahr noch immer nicht geschafft, das große deutsche Filmfestival einmal zu besuchen. Besser spät als nie.

Bei bitterlicher Kälte und matschigem Untergrund mit wenig Ortskenntnis durch Berlin zu stapfen, macht leider nicht so viel Spaß, aber zum Glück sind diese kurzen verwirrten Spaziergänge ja nur die Unterbrechung zwischen den Kinobesuchen. Derer gab es insgesamt fünf, von Freitagabend bis Sonntagnachmittag.

Sex & Drugs & Rock & Roll (GB 2010)

Ian Dury? Noch nie gehört, ist wahrscheinlich ein Generationending. Doch wenn er wirklich so war, wie er im Film dargestellt wird, dann macht Andy Serkis auf jeden Fall einen guten Job. Auch Naomie Harris liefert eine klasse Vorstellung ab, Olivia Williams läuft eher ein bisschen auf Autopilot. Aber allen Beteuerungen des Gegenteils von Regisseur und Drehbuchautor zum Trotz: Sex & Drugs & Rock & Roll ist ein typisches Biopic: Der Musiker ringt mit Kindheitstrauma, Vaterkomplex und Behinderung, stürzt ab und steigt auf, benimmt sich arschlochhaft, ist aber genial. Damit leider trotz vieler Knalleffekte eher durchschnittlich.

The Ghost Writer (D, F, GB 2010)

Roman Polanski wieder in der Spur und Ewan McGregor endlich mal wieder in einer unpeinlichen Hauptrolle. Polanski verknüpft unwirklich-schöne Bilder mit Polit-Thriller und erstaunlicher Weise auch jeder Menge gutem, trockenem Humor. Mit einem banalen und vorhersehbaren Twist-Payoff bleibt das Polit-Thriller-Element leider in den letzten zwanzig Minuten etwas auf der Strecke, der Rest des Films, über die unsichtbaren Fäden und Geister hinter den Figuren der Macht, ist aber äußerst sehenswert. Selbst in den erschreckend ungemütlichen Sitzen des Friedrichsstadtpalasts.

Portrait of the Fighter as a Young man (RO 2010)

Selbst der Regisseur hat vor dem Film gewarnt: “Mein Film ist lang und er kann zwischendurch auch mal nervig sein.” Und es stimmt. 163 Minuten lang wohnt man visualisierten Tagebucheinträgen von rumänischen Partisanen bei, die in den Bergen mit wenig Essen und automatischen Waffen in den Fünfzigern für ihre Freiheit kämpfen und auf die Befreiung durch die Amerikaner warten. Auf 90 Minuten gekürzt wäre das spannender gewesen, aber vielleicht gehört gerade die schiere Endlosigkeit und Wiederholung der Erfahrung dazu, um die Zermürbung der Kämpfer auch im Kinosaal zu spüren.

El Mal Ajeno (E 2010)

Oskar Santos’ Film ist von Alejandro Amenábar produziert und wird auch mit dessen Namen beworben. Doch er erreicht nicht die Dichte und Tiefgründigkeit von Amenábars Werk, bleibt mit seiner sich irgendwie bekannt anfühlenden Handlung von einem Arzt, der sich zwischen einer Heilsgabe und dem persönlichen Wohlergehen seiner Familie entscheiden muss, inhaltlich und auch filmisch eher an der Oberfläche. Immerhin gelingt es Santos, den Zuschauer zum Nachdenken über das Leid zu bringen, das Menschen mit unheilbaren Krankheiten ertragen müssen.

Kawasakiho ruze (CZE 2009)

Für mich der beste meiner fünf Filme. Eine in sanften aber durchdringenden Bildern festgehaltene Verhandlung von Schuld und Sühne, voller starker Charaktere und brillanter Dialoge. Die mediale Aufbereitung der Vergangenheit eines fiktionalen Dissidenten, der für sein Lebenswerk geehrt werden soll, hat teilweise Anklänge an gute Dokumentarfilme und bleibt auf der emotionalen und der Handlungsebene genauso spannend und herausfordernd. Dabei gelingt es Regisseur Jan Hrebejk zum Schluss sogar, alle Fäden zu entwirren und dennoch alle Fragen offen zu lassen.

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Der Niedergang des amerikanischen Indie-Mainstreams

Indie-Mainstream, das klingt wie ein Oxymoron. Ist es auch, was nicht heißt, dass der Begriff nicht trotzdem einen gewissen Grad an Wahrheit besitzen kann. Denn spätestens seit der Umbenennung von Robert Redfords Filmfestival in Salt Lake City in Sundance Film Festival und dem Aufstieg von Miramax in den 90ern, hatte sich im amerikanischen Independent Kino eine neue Strömung von Filmen ergeben, die – obwohl sie “unabhängig” von den großen Studios produziert worden waren – ein Publikum ansprechen konnten, das von der Arthaus-Schiene in den Mainstream hinüberblutete (Das bekannteste Buch dazu).

Am 29. Januar 2010 wurde Miramax von seinem Inzwischen-Eigentümer Disney endgültig geschlossen, der finale Todesstoß für einen Geschäftszweig, der sich in den Noughties sowieso schon immer stärker dem Siechtum hingegeben hatte. Vermutlich ist jetzt die Zeit gekommen, ein neues unabhängiges US-Kino aufzubauen. Oder wie es in diesem extrem lesenswerten “New York Times”-Artikel heißt: “Independent film is dead (again)! Long live independent film!”

Aber der Reihe nach. Zuerst mal kann man den ganzen Komplex sowohl wirtschaftlich wie auch inhaltlich bzw. künstlerisch betrachten. Wirtschaftlich ist die Situation relativ klar: Die meisten Major-Studios haben ihre Independent-Divisionen, die sie Ende der Neunziger mit jeder Menge Marketing-Geld aufgeblasen hatten, inzwischen zugemacht: New Line Cinema, Warner Independent, Paramount Vantage und die eben schon erwähnten Miramax existieren nicht mehr oder nur noch als knochige Skelette. Immerhin: Fox Searchlight und Sony Pictures Classics gibt es noch und auch die große Independent-Firma Lions Gate macht noch von sich reden. Aber der Boom des mainstream-tauglichen Independent-Kinos ist trotz Oscar-Gewinnern wie No Country for Old Men gerade mal wieder deftig vorbei.

Künstlerisch ist die ganze Sache schon komplexer. Glaubt man Menschen wie Justin Wyatt (Koautor dieses Buchs), so waren schon in den 90ern “supposedly groundbreaking and iconoclastic ‘indie films'” bereits “firmly located within the safe domain of dominant ideological and commercial practices” (zitiert hier).

Ich bin teilweise geneigt, mich dieser Meinung anzuschließen. Als ich 2008 Juno sah, schrieb ich in meiner Kritik für Zuckerkick (leider nicht online), der Film sei “quirlig und mit ein paar Ecken, aber eben nicht so, dass es weh tut. Mehr auf eine Art, dass das ‘etwas andere’ Publikum ab und zu mal ‘Huch!’ sagen darf, um dann herzlich und ein bisschen beschämt zu lachen” – und ich war damit wie immer einer der Letzten, dem das auffiel.

Aus dem in den Mainstream dringenden Independent-Kino, das noch immer irgendwie gegen das konservative Filmästhetik- und Gesellschaftsbild Hollywoods rebelliert, war zu dem Zeitpunkt längst ein Kino für die Prenzlberg-Generation geworden, die sich an ein bisschen Abwegigkeit erfreuen, damit aber ja nicht aus ihrem trotz aller “Kanten” doch sehr bequemen Lebensentwurf herausgerissen werden will. Man darf sich durchaus mit Chris Holmlund (auch hier) fragen: “Has Indie become merely a brand, a label to market biggish budget productions that aim to please many by offending few?” (Holmlunds Antwort ist differenzierter als meine Schlussfolgerungen es hier leisten können, es lohnt sich, seinen Einleitungs-Essay zu lesen, auch wenn er schon fünf Jahre alt ist.)

Der amerikanische Independent-Film in der Form, wie er sie in den letzten zwanzig Jahren erreicht hatte, ist also mehr oder weniger dahin: er wird nicht mehr finanziert oder er ist so weit aufgeweicht, dass er seinen eigenen Ansprüchen eigentlich nicht mehr genügt. Das heißt dennoch nicht, dass er tot ist, denn gleichzeitig ist es nie einfacher geworden, einen Film mit geringem Budget und einer gewissen Portion Frechheit zu realisieren und über viele neue Kanäle in die Welt zu pusten, sei es über Video on Demand, Videoplattformen wie YouTube, den gigantischen weltweiten Festival-Circuit, Direct-To-DVD und so weiter und so fort. Es muss nur der nächste findige Geschäftsmann des Wegs kommen, der in rund zehn Jahren dem neu gewachsenen Untergrund wieder zu einer breiten Öffentlichkeit verhilft.

Erste Ansätze für eine interessante neue Indie-Strömung hat Kai Mihm beispielsweise in epd Film 10/09 aufgezeigt. Seiner Ansicht nach beginnen Filmemacher wie Jeff Nichols, Craig Brewer, David Gordon Green und Kelly Reichardt schon mit der Etablierung einer neuen amerikanische Filmkultur abseits des Mainstreams in der amerikanischen Provinz. Es bleibt also spannend im Indieland.

Bonus-Track: Eine ziemlich gute Montage aus Noughties-Filmen [via Fünf Filmfreunde]

Dieser Beitrag ist Teil 17 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Real Virtuality ist eine “Perle”

Wer hätte das gedacht? Jürgen Vielmeier von Yucca Tree Post hat Real Virtuality in eine Liste von 125 traumhaften deutschen Blogs aufgenommen, und mich sogar mit dem Bonus-Sternchen “Perle” markiert.

Ich danke zunächst einmal herzlich und fühle mich sehr geehrt.

Außerdem nehme ich es als Ansporn, künftig häufiger zu schreiben oder zumindest auf eine gleichbleibende Qualität zu achten.

Die Liste ist sehr sehenswert und beinhaltet auch einige wirkliche Perlen. Also: unbedingt reinschauen.

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Drei Genres im Wandel

Nachdem ich mich in der letzten Woche mit dem meiner Meinung nach dominanten Genre der Noughties, dem fantastischen Film beschäftigt habe, will ich diese Woche kurze Fazits über drei weitere Genres ziehen, die mir in der vergangenen Dekade verstärkt aufgefallen sind.

Musical: Eine Renaissance mit Stars

Musicals und Hollywood: Seit der Geburt des Tonfilms mit Al Jolsons The Jazz Singer gehört das zusammen wie Fritten und Bier. Doch spätestens seit dem Befreiungsschlag des New Hollywood hatte das klassische Broadway-Musical, das noch in den Sechzigern mit Filmen wie The Sound of Music zu den größten Krachern in den USA gezählt hatte, ein wenig an Ansehen verloren (trotz New York, New York). Die Siebziger war eher eine Dekade der Rockfilme (Tommy, Rocky Horror Picture Show), die Achtziger eher eine der Tanzfilme (Dirty Dancing, Flashdance), und in den neunzigern stand es um das Musical ganz schlecht.

In den Nullern aber, wo Hollywood wieder wie wild nach neuen Einnahmequellen durch bereits etablierte Marken suchte, kam das Broadway-Musical mit Rums zurück. Den Anfang machte 2001 Baz Luhrmann mit seinem glorreichen Pastiche Moulin Rouge, das klassische und neue Formen bravourös vermengte. Danach wurde es wieder klassischer, dafür aber im konservativen Hollywood-Establishment immer beliebter (was sich dann in den Oscars zeigte): Chicago wurde 2002 bester Film und in den Jahren darauf konnten Filme wie Hairspray, Mamma Mia, Sweeney Todd, The Phantom of the Opera, Across the Universe oder jüngst Nine wieder Erfolge feiern – die Oscars honorierten das im Jahre 2009 dann auch mit einer entsprechenden Eröffnungsnummer.

Klar, das Musical ist nicht mehr auf dem Beliebtheits-Stand, auf dem es sich mal in den Dreißigern und Vierzigern befand, aber es ist wieder eine Kraft, mit der man rechnen muss. Auch Disney hat die Kraft der Doppelvermarktung wiederentdeckt: Hannah Montana und High School Musical sind bei der jungen Zielgruppe riesige Hits, und nach einigen musiklosen Filmen, kehrten auch die klassischen Disney-Filme mit Enchanted und The Princess and the Frog wieder zur bewährten Form zurück.

Was die großen Hollywood-Musicals von heute von denen von damals unterscheidet ist, dass sie zunehmend große Stars, die eher durch ihr Schauspiel als durch ihre Song-and-Dance-Qualitäten bekannt sind, in den Hauptrollen einsetzt. So treten in den Musicals neuerer Gangart plötzlich Leute wie Richard Gere, Meryl Streep und Johnny Depp auf und jedermann freut sich, dass sie ja auch (mehr oder weniger gut) singen können. Eine clevere neue Formel, deren Ende noch nicht in Sicht ist.

Action: Der kaputte Held im Schnittgemetzel

Es gab in den Noughties auch Actionfilme alter Gangart: Ein muskelbepackter Mensch vom Kaliber Arnie oder Stallone schießt sich ohne Gnade seinen Weg zur Gerechtigkeit. Geprägt wurde die Dekade allerdings von ihren verwundbareren Helden. Der Posterboy ist dabei sicherlich Matt Damon als Jason Bourne, dem Daniel Craig als neuer James Bond nacheiferte. Die neuen Helden müssen mindestens ebenso oft ausweichen wie zurückschlagen, ihre Gegner sind nicht mehr Horden von Kanonenfutter und fiese Überbösewichte, sondern vor allem skrupellose Konzerne und globale, gesichtslose Syndikate. Auch in Mission: Impossible III bekam es beispielsweise Tom Cruise mit einem Gegner (Philipp Seymour Hoffman) zu tun, der von den Weltbeherrschungsfantasien eines Blofeld weit entfernt war. Ihm war sein Gegner einfach nur ein lästiger Dorn im Auge seiner sadistischen Form des Kapitalismus.

Nachdem gerade in der Bond-Serie zuletzt in ihren Superlativen (unsichtbare Autos) in einem letzten Röcheln der Neunziger zunehmend die Luft ausgegangen war, kehrte das Genre in einem Befreiungsschlag zu einem Realismus im Geiste von Bullitt zurück: Autos explodierten nicht mehr ständig, Nahkampf wurde wieder wichtiger als große Wummen. Besonders Paul Greengrass in Bourne 2 und 3 etablierte dazu eine ruhelose Optik voller schneller Schnitte, die an Unübersichtlichkeit kaum zu überbieten war und damit auch die Fragmentierung des vernetzten Zeitalters widerspiegelte. Andere Regisseure (Christopher Nolan in Batman Begins) übernahmen beherzt.

(Ich habe leider die Transporter-Filme und die Cranks nicht gesehen. Wie sieht’s denn da aus? Die Trailer sprechen für eine Mischung aus Bourne-Realismus in der Darstellung und Over-The-Top in den Stunts.)

Abenteuer: Es wird wieder geswashbuckelt

Vier Wörter: Pirates of the Caribbean. Abgesehen von ihren Fantasy-Cousins Frodo und Harry Potter konnten Jack Sparrow und seine Kollegen das erfolgreichste Franchise der Noughties hinlegen. Der Piratenfilm, der als tot und Kassengift galt, wurde damit wiederbelebt und das große Abenteuer in der Wildnis (siehe auch Master and Commander) war wieder da. Auf dieser Bugwelle wagte sich sogar Indiana Jones wieder aus seinem Kühlschrank, ihm hatten die Mummy-Filme von Stephen Sommers ja ohnehin schon einen ganz guten Boden bereitet.

Ganz im Gegensatz zum neuen Realismus des Actionsfilms drehte der Abenteuerfilm in den Nullern wieder alle Regler auf Elf, besonders durch den großzügigen Einsatz von fantastischen Elementen (was die Grenze zum letzten Eintrag natürlich etwas verschwimmen lässt), die dank der plötzlich alles könnenden Computertechnik ja auch wesentlich leichter umzusetzen waren als zuvor.

Ich gebe zu, dass hier sicherlich nicht so ein deutlicher Trend vorliegt wie bei den beiden ersten Genres, aber der riesige Erfolg von Pirates ist doch bemerkenswert. Obwohl Johnny Depp ganz klar der Star der drei Filme ist, ist eine Schlüsselfigur in der ganzen Bewegung vermutlich eher Orlando Bloom, der das Swashbuckling durch seine Legolas-Figur im Herrn der Ringe wieder salonfähig gemacht hatte. Er wiederholte seinen Erfolg im ersten Pirates-Film, um in den Fortsetzungen zur Bedeutungslosigkeit zu verkommen, staubte aber vorher noch Rollen in den Wildnis-Abenteuern (im weitesten Sinne) Troy und Kingdom of Heaven ab. Überhaupt passt sich die Reihe der großen Monumental-Abenteuer (die zwei weiteren Folge der Serie sind Alexander und Australia) gut in das Genre ein, auch ohne übernatürliche Elemente, aber allein schon wegen der Laufzeit.

Von Pirates soll es einen vierten Teil geben, ansonsten scheint die kurzfristig aufgeflammte Lust am altgedienten Abenteuer aber wieder abgeebbt zu sein. Immerhin gibt es ja in diesem Jahr mal wieder einen Robin Hood-Film (von Ridley Scott). Es besteht also noch “Hoffnung”.

Dieser Beitrag ist Teil 16 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

The Collected Diekmann-Luv

(Anmerkung, 3. Februar: Leider hat Kai Diekmann nach dem 100. Tag alle seine Spuren verwischt und nur noch ein Denkmal stehengelassen. Damit ist die unten stehende Linkliste leider hinfällig.)

Stefan Niggemeier hat auf seinem Blog mal wieder Bilanz gezogen, diesmal über das Blog von Kai Diekmann, das ich die ersten paar Tage auch noch ganz witzig fand, das mir dann aber mit seinen Fisimatenten, seiner Selbstbeweihräucherung und der für “Bild” üblichen Schamlosigkeit nach einiger Zeit gehörig anfing, auf die Nerven zu gehen.

Am Ende seines Artikels steht bei Niggemeier ein erstaunliches Fazit:

Fragt man Leute, die ihn ein bisschen kennen, was Diekmann eigentlich antreibt, ob er Macht will, die Welt verändern, berühmt werden, sagen einige auch: Er will geliebt werden. Er kann sich mit den ganzen Wichtigen schmücken, die mit ihm reden, aber wie viele davon tun es wirklich freiwillig und gerne?

Das klingt für mich nach einer ganzen Menge Wahrheit. Deshalb hier nur mal eine kleine Liste, wie sehr sich Diekmann in seinem Blog von Anfang an als der darstellte, der von allen geliebt wird oder werden will.

Zitieren wir zum Abschluss noch einmal Niggemeier:

Jetzt wird er ein bisschen geliebt und musste dafür nicht einmal ein besserer Mensch werden.

Hundert Tage sind dann auch genug.

Mehrwert bieten

Springer hat es dann einfach mal gemacht. Zum 15. Dezember 2009 wurde vor einem großen Teil des Onlineangebots von „Hamburger Abendblatt“ und „Berliner Morgenpost“ eine Schranke heruntergelassen. Wer
über Agenturmeldungen hinausgehende oder exklusiv recherchierte Texte lesen möchte, muss bezahlen: 7,95 Euro für 30 Tage Zugang. Kunden, die auch die gedruckte Zeitung abonniert haben, dürfen kostenlos auch online lesen.

„Alle Verlage haben eine ganz grundlegende Verpflichtung, auszuprobieren, ob Nutzer bereit sind, im Internet für Inhalte zu bezahlen“, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner auch zum Start des anderen Bezahlmodells, das dem Medienkonzern für seine Inhalte mehr Geld bringen soll: Apps für Smartphones, allen voran Apples iPhone, die bis zu 4,99 Euro im Monat kosten sollen. Wenn jetzt das nächste große Ding, das iPad von Apple, auf den Markt kommt, hofft Springer sicherlich auch dort „Bild“, „Welt“ und Co monetarisieren zu können.

Weiterlesen in epd 7/10

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Die Explosion des fantastischen Films

Ich habe die Einträge dieses Blogs nun schon diverse Male mit dem Herrn der Ringe begonnen und ich werde es auch dieses Mal wieder tun. Nicht aus Spaß, sondern weil ich ernsthaft der Meinung bin, dass Peter Jacksons Trilogie zu den wichtigsten und einflussreichsten Filme der letzten Dekade gehört (um hier mal eine full disclosure anzubringen: ich bin für viele der Ideen gerade dieser Serie daher auch Kristin Thompson und ihrem großartigen Buch The Frodo Franchise zu Dank verpflichtet). Der Herr der Ringe ist nicht nur ein Meilenstein des digital unterlegten Kinos und ein wichtiges Beispiel für die Internationalisierung von Hollywood, die Filme sind auch gemeinsam mit den Harry Potter-Filmen die entscheidenden Filme dafür, dass die Noughties eine Masse an Fantasy-, Superhelden- und SF-Filmen hervorgebracht haben, die es so seit den Fünfzigern nicht mehr gegeben hat. Das besondere Sahnebonbon ist aber außerdem, dass diese Filme, diese Stoffe einer Randkultur, mitten im Mainstream angekommen sind: die großen Studiofilme, die das dicke Geld in die Kassen der Studios spielen.

The Lord of the Rings: The Return of the King gewann 11 Oscars. Das hatten vorher nur Ben Hur und Titanic geschafft und es war der größtmögliche Beweis dafür, dass auch die konservative Academy einen Film als auszeichnungswürdig empfindet, in dem sich über große Strecken hinweg Elfen, Zwerge und Orks in einer ausgedachten Welt die Köpfe einschlagen. Auch andere fantastische Filme hatten in den Jahren zuvor Preise gewonnen, aber meistens eben doch in Kategorien wie Schnitt, Special Effects und Sound Design und Soundschnitt (das sind beispielsweise die Kategorien, in denen The Matrix seine vier Oscars gewann). Es gibt denke ich seit The Wizard of Oz (1939) keinen Fantasy-Film (und wir reden eben nicht einfach nur von Historien-Monumentalspektakeln wie Ben Hur), der eine vergleichbare Flut von Preisen und kritischem Wohlwollen geerntet hat.

Wenn man sich die All-Time-Bestenliste der Einspielergebnisse ansieht, merkt man, dass das eigentlich keine neue Erkenntnis ist. Das Kino ist nunmal eine Illusionsmaschine und eignet sich besonders gut, um Unglaubliches anschaulich zu machen.

Es folgen ein paar Aufzählungen, nur um sich mal bewusst zu machen, was in der Folge des Erfolgs von Rings und Harry Potter alles mit großem Aufwand auf die Leinwand gebracht wurde – oft natürlich in der Hoffnung, daraus auch ein Franchise machen zu können: The Golden Compass, Narnia (2 Filme), Eragon, Bridge to Terabithia, Coraline, Tintenherz, Beowulf, A Series of Unfortunate Events, Stardust, I, Robot – mal ganz abgesehen von den vielen fantastischen Filmen ohne Buchvorlage, die ebenfalls Erfolge feierten: Star Wars (3 Filme, allerdings einer 1999), Pans Labyrinth, Transformers (2 Filme), Pirates of the Caribbean (3 Filme), King Kong, The Mummy (4 Filme, einer 1999). Alles was eher in Richtung reiner Horror geht, habe ich jetzt mal bewusst ausgespart, ebenso wie die zahlreichen Fernsehfilme (ich erinnere an Dune, Earthsea und Co).

Mit der massenhaft neuen Verfilmung von Superhelden-Comics wurde ein ganzer Seitenarm des fantastischen Genres neu aufgerollt: Spider-Man (3 Filme, 1 in Planung), Superman Returns, Batman (2 Filme), Catwoman, Iron Man (1 Film, 1 kommt bald), Hulk (2 Filme), Constantine, Hellboy (2 Filme), Watchmen, Fantastic Four (2 Filme), X-Men (3 Filme, 1 Spinoff), The League of Extraordinary Gentlemen, Daredevil (1 Film, 1 Spinoff),

Diese Listen bringen allerdings nichts, wenn man nicht zumindest auch darüber nachdenkt, was diese Masse an fantastischen Stoffen bedeutet.

Da wäre zum einen natürlich das böse Wort Eskapismus. Die Noughties waren auch die Dekade von 9/11 und es ist sicherlich nicht völlig abwegig, davon auszugehen, dass große Fantasy-Spektakel, die zum Teil in Welten spielen, wo der Kampf von Gut gegen Böse noch etwas klarer zu erkennen ist, entsprechend gewünscht sind, um einer desillusionierten Gesellschaft ein bisschen Hoffnung zurückzugeben. Man tut den Filmen unrecht, wenn man sie darauf reduziert, aber wer möchte schon verneinen, dass es manchmal gut tut, in eine andere Welt zu entfliehen, wenn diese hier etwas zu unübersichtlich erscheint.

Bei den Superhelden-Filmen zeigte sich indes die genau umgekehrte Richtung. Marvel-Charaktere wie Spider-Man und die X-Men sowieso, aber auch die traditionell etwas entrückteren DC-Helden Superman und Batman wurden in ihren neueren Filmen deutlicher in der Realität verankert als zuvor und dienten als schwach versteckte Reflektionsfläche für die Konflikte der Realität, beispielsweise den Umgang mit Außenseitern (X-Men) und der Schere zwischen Recht und Gerechtigkeit, Chaos und Ordnung (Batman).

Der wichtigste Grund aber ist und bleibt, und davon bin ich fest überzeugt, ein einfaches “weil wir es können”. Die Tricktechnik war einfach Anfang des 21. Jahrhunderts so weit gereift, dass gerade die Filmemacher der Post-New-Hollywood-Generation endlich die Chance sahen, Bildvisionen auf die Leinwand zu bannen, von denen sie bisher immer nur träumen konnten. In manchen Fällen (ich denke Eragon ist ein gutes Beispiel) führte das dann eben auch zu Filmen, die überfrachtet waren mit ihren Bildern und darüber Charaktere und Geschichte ein bisschen vergaßen bzw. erkennen ließen, dass diese auch in der Vorlage nicht zu dicht gesät waren.

Mit all dem, was allein im nächsten Jahr ansteht, wäre es wahrscheinlich vermessen zu behaupten, dass der Trend zum Fantastischen vorbei ist – gerade im Superhelden-Genre hat die wahre Exploitation mit der geplanten Zusammenführung der Marvel Avengers gerade erst begonnen. Aber ich denke doch, dass das große “Wir machen aus jedem größeren Fantasy-Zyklus einen Film”-Gefühl nach einigen Kassenmisserfolgen wie Golden Compass und Tintenherz etwas verflogen ist. Am interessantesten wird es sein, zu sehen, ob die zwei Hobbit-Filme von Guillermo del Toro noch einmal einen Boom auslösen werden.

Dieser Beitrag ist Teil 15 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

In eigener Sache

Diesen Freitag wird es keine Worte zum Wochenende geben. Ich bin mir auch generell noch nicht sicher, ob ich die Serie in dieser Form fortsetzen werde.

Ich wechsle in diesen Tagen den Job. Nach einem guten Jahr als Pauschalist bei epd medien fange ich am Montag als Internetredakteur im Team des nächsten Kirchentags an, Umzug nach Dresden inklusive.

Ich hoffe, dass ich weiter nebenher ein bisschen frei schreiben kann. Bloggen werde ich auf jeden Fall weiterhin. Und nachdem sich dieses Blog in dem knappen Jahr, das es jetzt besteht, meiner Ansicht nach stetig zum Positiven weiterentwickelt hat, wird diese Evolution auch fortgesetzt. Für Mitte bis Ende Februar habe ich eine Art Relaunch vorgesehen, mehr dazu wenn es soweit ist.

Zehn zu Null wird fortgesetzt und gerade dort freue ich mich weiterhin über Feedback und weitere Themenvorschläge.

In den nächsten Tagen werde ich erstmal mit dem Umzug beschäftigt sein, aber bald bin ich dann wieder da.

Kanzler aller Kelten

Es ist schon merkwürdig, wie sehr man Schauspieler manchmal mit einer bestimmten Rolle identifiziert. Obwohl Bruno Ganz beispielsweise schon mehr als genug gelobte und preisgekrönte Darbietungen vor der Kamera und auf der Bühne zu bieten hatte, als er 2004 in “Der Untergang” Adolf Hitler spielte, war er im Anschluss doch für manche untrennbar mit dem Eindruck des großen Diktators verknüpft. Vier Jahre später spielte Ganz wieder eine historische Figur im Eichinger-Aust-Edel-Jointventure “Der Baader Meinhof Komplex”, und der Autor war sicherlich nicht der einzige, der im Kino (oder vor dem Fernseher) innerlich aufschreckte und dachte: Wer hat denn da dem Hitler die Leitung des Bundeskriminalamts überlassen? Sind die wahnsinnig?

Da selbst bekannte deutsche Schauspieler nur selten Millionengagen erhalten, trifft man sie manchmal an den merkwürdigsten Orten. Michael Mendl, laut seiner eigenen Website “einer von Deutschlands profiliertesten männlichen Charakterdarstellern und seit Jahrzehnten in Kino, Fernsehen und Theater erfolgreich”, fand sich beispielsweise jüngst gemeinsam mit einigen ganz leicht verschlissenen, aber – um mit dem Titel eines Films zu sprechen – “Still Crazy” Musikern auf den Bühnen Deutschlands, unter anderem in der Frankfurter Festhalle, wieder. In der sogenannten Celtic Rock Opera “Excalibur” des Franzosen Alan Simon gab Mendl die Erzählerfigur Merlin.

Weiterlesen

Worte zum Wochenende

Diekmann selbst ist ein unkomplizierter und ausgesprochen kommunikativer Typ, der ohne Distanz grundsätzlich jeden gelten lässt, sich für sein Gegenüber wirklich zu interessieren scheint – gute Storys findet man nur bei aufmerksamer und ergebnisoffener Recherche. Selbst streitbare Zeitgenossen wie Broder lässt Diekmann neben sich gut aussehen. Sein Blog bereitet ihm sichtlich ungeheuren Spaß. Das Projekt dürfte tatsächlich weniger ein Marketing-Instrument sein, sondern eher ein Kommunikationskanal zu Journalisten-Kollegen und Kritikern. Während Ironie und Selbstironie in einem Boulevardblatt, in dem die Sätze nicht ohne Grund kurz gehalten werden, manche Leser wohl überfordern dürfte, kann Diekmann sich in seinem Blog austoben, erlaubt sich etliches an Insidergags und Stichelei. Material gibt es genug

Markus Kompa , heise.de
// Blogger der 100 Tage

Fakt ist aber auch: Weiterhin wissen die Verlage nichts mit diesen Lesern anzufangen. Man stelle sich einmal den Ladeninhaber vor, dem man 1000 Menschen vor die Tür stellt und der nicht weiß, wie er mit denen Umsätze macht – ungefähr so geschäftstüchtig sind Verlagshäuser im jahr 2010.

Thomas Knüwer , Indiskretion Ehrensache
// Verlage vs. Google: Es könnte lustig werden

Wer diesen App-Entwurf kritisiert, der kommt eh viel zu spät. Die App der “Tagesschau” ist nämlich alles andere als eine Neuerung:

Daniel Bouhs , taz
// Der Protest ist nur Werbung

I hope that Princess Tiana opens the door for many more animated movies where the characters just happen to be black.

Peter Del Vecho , Producer von The Princess and the Frog im Guardian
// A short history of race in animation