Worte zum Wochenende

There hasn’t been this much hype about a tablet since Moses came down from the mountain

David Carr, New York Times
// A Savior in the Form of a Tablet

One of our more charming American sayings is that a time comes when you have to shit or get off the pot. We can only hope that moment has arrived in the debate over paid content online, and that in 2010, Rupert Murdoch and company will charge or not, and succeed or fail, and we can be done with this tiresome topic.

Jeff Jarvis, The Guardian
// USA: Internet media continue to evolve, old media flirt with extinction

Selbstironie war traditionell die Waffe der Guten, eine Fähigkeit, die wie ein Ausschlussmechanismus zwischen uns und den anderen funktionierte. Die Grenze, die sicherstellte, dass Oliver Pocher nicht Harald Schmidt gefährlich werden konnte. Und jetzt plötzlich macht einer wie Kerner auf selbstironisch. Und Kai Diekmann auch.

Mikael Krogerus, der freitag
// Man darf ja wohl noch fragen dürfen
[via BildBlog]

I’ve re-read this one over and over, and I’m still not exactly sure why they chose to print that sentence. I just can’t figure out what purpose it ever could’ve served.

Sam Greenspan, 11points.com
// 11 Most Painfully Obvious Newspaper Articles Ever

[via BildBlog (das sich allerdings nicht die Mühe gemacht hat, den Namen des Autors auf der About-Page nachzugucken)]

Der “Guardian” hat den Irrsinn von Clash of the Titans auch bemerkt.

Does Clash of the Titans have the worst ever film tagline? fragt Stuart Heritage heute in einem Artikel auf guardian.co.uk. Die Antwort lautet natürlich “Ja!” – aber die Frage ist nicht neu. Real Virtuality hat sich schon im November über die alberne Tagline TITANS WILL CLASH amüsiert und sogar vorgeschlagen, das Konzept auf sämtliche Hollywoodproduktionen zu übertragen – genau wie Heritage es macht.

Zwei Seelen, ein Gedanke? Oder ganz klares Plagiat? Das muss die Weltgeschichte entscheiden.

Heritages Artikel ist natürlich trotzdem sehr lesenswert und schmunzelerzeugend.

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Das digitale Kino trumpft auf

Ich widme mich in der zweiten Staffel von “Zehn zu Null” zuerst meinem Lieblingsthema, dem digitalen Kino. Zurecht, wie ich finde, denn nicht umsonst wurden die Noughties auch die digitale Dekade genannt. Natürlich trifft das nicht nur auf unseren Lebensalltag und unsere Mediennutzung zu, sondern eben auch auf das Kino.

Rekapitulieren wir kurz: Dass das Kino auf dem Weg in die Digitalität war, ist vermutlich bereits seit Ende der achtziger Jahre klar, als die New Age Adventisten vom Cyberspace zu schwärmen begannen. Nonlinearer Schnitt machte seine ersten Schritte ebenso wie digitale Effekte und digitale Animationsfilme. In den Neunzigern nahm diese Tendenz zu: Dogma95-Filme wurden auf digitalem Material gedreht, der digitale nonlineare Schnitt führte zu Intensified Continuity und die fantastischen und/oder bildgewaltigen Genres erlebten eine erste kleine Renaissance durch digitale Effekte.

Doch so richtig gut, groß und regelmäßig trat das digitale Kino erst in den Noughties auf und zeigte deutlich, dass es die Hauptgrundlage des Kinos der Zukunft sein wird. Weil das Thema sehr umfangreich und komplex ist, versuche ich mal, es hier ein wenig aufzudröseln und gehe dabei in der Reihenfolge der Produktionsschritte eines typischen Films vor.

Pre-Production: Sicherlich eins der wichtigsten Werkzeuge, dass sich für Regisseure großer Effektfilme in den Noughties entwickelt hat und immer genauer wird ist die Vor-visualisierung (“Pre-Viz”), die nächste Stufe des Storyboards und des Animatics/Pencil Tests. Zu den größten Fans gehören Peter Jackson und George Lucas, die in ihren respektiven Trilogien (und natürlich auch in King Kong) auf diese Art Sequenzen, die später viel Rechenpower beanspruchen werden, sehr präzise vorplanen können. Aber auch bei kleineren Projekten ist diese Art der Vorplanung zum neuen Storyboard geworden, mit dem sich problemlos Kamerapositionen, Linsen und Co ausprobieren lassen.

Produktion: Wie oben schon erwähnt gab es auch vor 2000 schon Filme, die auf Digitalkameras gedreht wurden und trotzdem ins Kino kamen. Aber erstens waren es nicht so viele und zweitens sahen sie nicht so gut aus. Mit Kameras wie der Genesis oder der Red entstehen Bilder, die – vor allem wenn sie nochmal durch einen Digital Intermediate laufen (s.u.) – eigentlich nicht mehr von normalen 35mm-Bildern zu unterscheiden sind (achtet mal in Abspännen drauf). Aber auch die nicht auf 35mm getrimmte Ästhetik ist in den Nullern salonfähig geworden, weshalb Filme wie Land of Plenty oder Michael Manns Miami Vice und Public Enemies digital gedreht werden und später mitsamt ihrem Look ins Kino kommen können. Für die Wiedergeburt des Dokumentarfilms in den Noughties ist digitale Produktionstechnik ebenfalls ein entscheidender Faktor: Man kann einfach viel problemloser Stunden um Stunden an Material filmen (was man ja manchmal braucht), weil es billiger und leichter zu transportieren ist. Digitales Filmen bedeutet außerdem ein einfacheres und präziseres Video Assist und eine schnellere Koordination mit den Leuten in der Postproduktion, die die Daten direkt weiterverarbeiten können.

Postproduktion: Das ist natürlich der Bereich, in dem sich die digitale Technik am deutlichsten niedergeschlagen hat. Ich versuche, kurz, aber umfassend zu bleiben.

  • Nonlinearer digitaler Schnitt führt zu höheren Schnittfrequenzen, einer neuen Vorliebe für nichtlineares erzählen (Memento, 21 Grams, City of God, (500) Days of Summer) und einer neuen Form der Raumaufspaltung, beispielsweise in Actionsequenzen wie bei The Bourne Supremacy oder Batman Begins.
  • Der Digital Intermediate Process, bei dem Farben, Töne und Körnung des Films digital nachbearbeitet werden (der Film wird eingescannt, bearbeitet und wieder “ausgedruckt”), wird zu einem der wichtigsten Werkzeuge für jede Art von Film. So erscheinen Himmel blauer, vergangene Szenen älter, trostlose Tage deprimierender. Dinge wie Dunkelheit werden völlig neu definiert. Anschlussfehler und Beleuchtungsprobleme können leichter ausgeglichen werden. Die Möglichkeiten sind endlos – und in SF- und anderen Effektfilmen werden sie irgendwann auch gerne übertrieben.
  • Visuelle Effekte werden ein Standard, je mehr der Film wummst umso mehr, aber auch in weniger krachigen Filmen, gehören digitale Set Extensions oder komplett virtuelle Sets, Wire Removal und andere digitale Bildretuschen und das Einfügen von digitalen Objekten (Autos, Häuser, Explosionen, Komparsen) einfach zum Handwerk. Die Königsklasse sind natürlich digitale Charaktere, die immer realistischer werden und schließlich sogar tragende Rollen übernehmen können (Lord of the Rings: The Two Towers, Avatar).
  • Auch im Sound Design und Mixing bringen digitale Pulte und vor allem riesengroße Archive mit Soundfiles das Handwerk zu neuer Größe (WALL*E).

Am wichtigsten ist aber – um damit das Feld der Filmproduktion abzuschließen – dass viele dieser Schritte (Kamera, Schnitt, Effekte) immer mehr zusammenfließen und parallel passieren. In den Noughties wird immer unklarer, wo eine Kamerafahrt, ein Schnitt, eine Ausleuchtung, gar eine Perfomance (Motion Capturing) aufhört und ein digitaler Effekt anfängt.

Vorführung: Der “digitale Roll-Out” ist immer noch weit von seinen “Filme werden per Satellit in die Kinos gebeamt”-Visionen entfernt, aber digitale Projektoren setzen sich immer weiter durch und werden in Deutschland sogar staatlich gefördert. Das Ergebnis: Schärfere Bilder, Opern im Kino und die vermutlich wichtigste Entwicklung: Eine neue Chance für 3D. Die Teens könnten die 3D-Dekade werden.

Ästhetik: Einiges habe ich oben bereits erwähnt, beispielsweise zum Schnitt, aber ich möchte hier doch nochmal etwas genauer werden. Das Kino der Noughties zeichnet sich ästhetisch durch einen Hang zur Hybridität aus. Formate (Film, HDV) werden häufiger gemischt und kombiniert, manchmal sichtbarer manchmal unsichtbarer (Collateral liegt irgendwo dazwischen, um mal ein Beispiel zu nennen). Die Grenzen zwischen digitalen und realen Bildern verschwimmen durch Effekte und virtuelle Sets: Reale Bilder werden unwirklicher (Colour Grading, DI), “falsche” Bilder werden realer (immer bessere Simulationsalgorithmen, Motion Capturing, 3D). Ist man ein Anhänger von Lev Manovich heißt das, dass das Kino zu einer neuen Form von Animation zurückfindet, in der Realfilm nur eins der Materialien ist: Bewusst hybride Experimente wie Waking Life oder Sin City führen das am stärksten vor Augen.

Fakt ist, dass das Kino sich in den Noughties mit seinen digitalen Aspekten versöhnt und verschränkt hat. Sie sind zwar immer noch ein großer Schauwert, aber gleichzeitig auch einfach ein integraler Teil jedes Prozesses. Die Jahre 2000 bis 2009 sind die Zeit der Emanzipation des digitalen Films.

Gegen Ende der Dekade habe ich allerdings das Gefühl, das bei manchen Trends auch schon wieder gegengesteuert wird. So ist (nicht zuletzt durch 3D) beispielsweise wieder ein Hang zu längeren Einstellungen und Innerer Montage zu bemerken (dazu vielleicht demnächst mal mehr).

Ich habe bestimmt Aspekte vergessen. Auf Ergänzungen gehe ich gerne ein

Dieser Beitrag ist Teil 12 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Zweite Staffel

Inzwischen sind die Nuller Jahre, die Noughties, wie ich sie lieber nenne, vorbei und wir sind in den Zehnern (hier ist mein Lieblingsausdruck aus dem englischen “Teens”). Das heißt aber für Real Virtuality noch lange nicht, dass die Auseinandersetzung mit dem vergangenen Jahrzehnt ein Ende gefunden hat. Zu sehr hat mich diese Dekade geprägt, als dass ich mich so schnell von ihr verabschieden möchte.

Daher werde ich in den kommenden Wochen in regelmäßiger Folge Donnerstags eine weitere “Staffel” von Beiträgen unter dem Serienlabel “Zehn zu Null” (was zwar dann nicht mehr so passt, sich aber jetzt etabliert hat) veröffentlichen, die sich nicht mehr mit einzelnen Filmen beschäftigen, sondern versuchen, sich mit wichtigen Trends und Tendenzen des Kinos in den letzten zehn Jahren auseinanderzusetzen. Wie schon bei den Filmvorstellungen wird das ganze natürlich einen Drall in die Richtung haben, in der ich mich am besten auskenne.

Ich gebe ja die Hoffnung nicht auf, dass sich in diesem Blog auch irgendwann mal Diskussionen entspinnen. Über Antworten freue ich mich also. Und falls jemand sich inspiriert fühlt, auch andere Aspekte der Noughties Revue passieren zu lassen, die mir vielleicht bisher entgangen sind, bin ich für Gastbeiträge sehr zu haben.

Irgendwann wird es auch einen krönenden Abschluss geben, nämlich eine Rangliste der besten Noughties-Filme. Aber bis dahin kann über das Thema noch einiges geschrieben werden.

Dieser Beitrag ist Teil 11 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme (Zweite Staffel)

Greenscreen Video: Pimp my Virtual Set

Eine beeindruckende kleine Videomontage der Firma Stargate Studios (“Heroes”) (via Fünf Filmfreunde, YouTube-Video ist aber inzwischen offline) zeigt deutlich auf, wie unglaublich omnipräsent virtuelle Set Extensions in Film- und Fernsehproduktionen heute geworden sind.

Nicht nur bei effektbeladenen Fantasy-Filmen und anderen Werken mit unwirklichen Szenarien, sondern auch bei “ganz normalen” typischen Backlot-Szenen, die vor allem in Stadt-Szenerien spielen, helfen Green Screens dabei, das ganze etwas netter aussehen zu lassen. Das dürfte es unter anderem sein, was vor allem vielen Fernsehserien inzwischen einen größeren High Concept Look verleiht. Man kann alles an den üblichen Studio-Sets drehen und hat volle Kontrolle, und per Computer wird das ganze dann ein bisschen aufgehübscht. (Wer einen Vergleich will, kann sich mal ein paar typische 90er-Sitcoms oder Serien wie “Friends” anschauen, wo die immer gleichen Establishing Shots und die schrecklich fake aussehenden “Außen”-Sets das Bild prägen)

Dazu passt auch die Selbstbeschreibung des Virtual Backlots auf der Stargate-Seite

Stargate Digital’s Virtual Backlot™ is a proprietary technology that gives filmmakers unparalleled access to any location through a variety of techniques. […] The common thread between all the variations of the Virtual Backlot™ is that it has been designed as a seamless and unobtrusive addition to the first unit. The goal is to enhance the story as well as solve production issues.
(Hervorhebung von mir)

Das Video bestätigt außerdem meinen Eindruck von der eDIT: Roto und Compositing sind inzwischen zu einer lästigen Nebenaufgabe geworden, die zwar immer noch Zeit kostet aber längst nicht mehr so kompliziert ist, wie noch vor sagen wir zehn Jahren, da der Computer doch inzwischen mehr selber machen kann.

Worte zum Neujahrswochenende

Once again, at a time of year when critics are picking their 10-best lists for 2009, we jump back ninety years and give our choices for 1919.

Kristin Thompson and David Bordwell, Observations on Film Art and FILM ART
// The ten-plus best films of … 1919

I think Homestar presages a new webstalgia: I may never find myself getting misty over the Dancing Banana, but Get Your War On? All your Web touchstones are belong to us. I fully expect to get a little teary someday when we start playing Hot Or Not over warm Jell-O at the Robot-Assisted Living Facility for Retired Singulatarians.

Scott Brown, Wired
// Why Some Memes Never Die

Ich wies darauf hin, dass “Pirate Coelho” seit 2005 im Netz stand und dass die Absatzzahlen stetig angestiegen waren. Daraus folgte, dass die klassische Art des Vertriebs von der Filesharing-Variante profitierte. Meinen hochverehrten Verlegern fiel es allerdings schwer, die Sachlage richtig einzuschätzen.

Paulo Coelho, Frankfurter Rundschau
// König der Piraten

Your correct usage of the word will determine whether or not I kick you in the hemorrhoids.

Matthew Inman, The Oatmeal
// Ten Words You Need to Stop Misspelling

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: Inglourious Basterds (2009)

Nachdem ich nun neun Beiträge lang meinen ehemaligen Jahresendsfavoriten der letzten zehn Jahre nachgespürt habe, ist es an der Zeit, sie für dieses Jahr überhaupt erst zu küren. Deswegen ändert sich hier die Form. Wir gehen über zu einer schnöden Liste der Filme, die ich 2009 am beeindruckendsten fand.

Dabei erneut der Hinweis: Um in der internationalen Award-Season den Überblick zu bewahren, richtet sich diese Liste nicht nach deutschen Kinostarts, sondern nach amerikanischen, wie sie auch der IMDB zugrunde liegen. Entsprechend tauchen Filme wie “Slumdog Millionaire” oder “The Wrestler”, die in Deutschland erst dieses Jahr gestartet sind, in der Jahresendsliste nicht auf, sondern erst in der nachträglichen Bestenliste, die in der Regel im April des Folgejahres entsteht. Dies ermöglicht mir einen besseren Abgleich mit Oscars, Golden Globes und Co, hat aber auch den Nachteil, dass ich manche Filme, die jetzt und bald in den USA und anderswo nominiert werden (“Up in the Air” zum Beispiel), noch nicht sehen konnte. Ich erwäge noch, dieses System umzustellen. Hilfreiche Kommentare werden gerne genommen.

Nun aber zur Liste:

1. Inglourious Basterds
Obwohl ich nie ein großer Tarantino-Fan war, fand ich den Film durch seinen Aufbau und seine breiten Pinselstriche das gelungenste und eins der mutigsten filmischen Werke des Jahres. Dabei ist nicht nur der überall gefeierte Christoph Waltz ein Pluspunkt, sondern auch die Frechheit der Geschichtsumschreibung, der untergründige Humor und die Vielsprachigkeit.

2. Coraline
Henry Selick weiß, wie Animation funktioniert, er hat 3D durchschaut und versteht sich ausgezeichnet darauf, vor allem erwachsene Zuschauer das fürchten zu lehren. Aus Neil Gaimans bestem Roman hat er den bestmöglichen Film gezaubert, voller Magie und voller Nervenkitzel.

3. Das weiße Band
Michael Hanekes Film ist eine einzige große Frage ohne Antwort. Dennoch besticht er durch seinen stillen Grusel und die übliche Haneke’sche Gnadenlosigkeit in der Inszenierung.

4. Star Trek
Der gelungenste Franchise-Reboot seit Batman Begins und meines Erachtens noch wesentlich gelungener. J J Abrams vermischt die politisch-persönliche Space Opera von Trek mit der Action und der Kinetik von Star Wars. Das clevere Drehbuch umgeht dabei nonchalant die Continuity-Frage und macht einfach ein Paralleluniversum auf. Mehr zu guten und schlechten Reboots

5. Avatar
Er ist nicht die Revolution des Kinos, aber er rumst und kracht und bietet eine glaubwürdige CGI-Welt und darin einige schöne und eindrucksvolle Bilder und eine gute 3D-Inszenierung. Die Story finde ich gar nicht so schlimm wie viele andere Kommentatoren, mich nervten nur die eindimensionalen Charaktere vor allem bei Armee und Konzern. Mehr zu Avatar und 3D

6. (500) Days of Summer
Ein höchstens etwas zu verspielter Film, der den aufmerksamen Zuschauer meiner Generation aber genau ins Herz trifft.

7. The Hurt Locker
Ein Film, der wieder einmal neue Bilder und Szenarios findet, um zu zeigen, was jeder Krieg und hier im speziellen der Irak-Krieg aus den Leuten macht, die ihn führen müssen oder wollen. Dabei dehnt Kathryn Bigelow die Spannung fast bis zum zerbrechen aus.

8. Watchmen
Zack Snyder hat die vielleicht berühmteste Graphic Novel ziemlich direkt umgesetzt und nur ein neues Ende gefunden, das aber auch gefällt. Dabei setzt er auf lange Einstellungen, grafische Gewalt und ein gutes Ensemble, dass auch den Film zu der psychologischen Studie macht, die der Comic war.

9. Taking Woodstock
Die Welt braucht Feelgood-Filme und trotz einiger Klischees ist Ang Lee das mit Taking Woodstock sehr gut gelungen. Im Kino kommt der Summer of Love ein weiteres Mal richtig zur Geltung, man kann Mitlachen und Mitschwelgen und einen der schönsten gefilmten Acid-Trips der neueren Filmgeschichte bewundern.

10. Where the Wild Things Are
Spike Jonzes neuer Film ist vor allem ein Gefühl, er fängt Kindheit ein. Durch den Soundtrack von Karen O und Carter Burwell, durch seine erdigen Farben und durch seine flauschigen Monster. Dabei geht vielleicht die Präzision von Maurice Sendaks Buch etwas verloren, dafür wird das ganze Spektrum kindlicher Gefühlswelten aber noch einmal ganz neu aufgefächert.

Ich plane, diese Serie doch noch einmal zu verlängern und noch einen abschließenden Beitrag zu schreiben, in dem ich die Dekade noch einmal als ganzes betrachte. Das geht allerdings erst mit dem Abstand aus der nächsten Dekade, also wird es 2010 werden. Bis dahin einen guten Jahreswechsel.

Dieser Beitrag ist Teil 10 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

Edit, 16:47: Links korrigiert

Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme: WALL*E (2008)

2008 war für mich vor allem ein Jahr starker Animationsfilme, so dass sich im Endeffekt zwei um die Spitzenposition stritten: Sollte ich den politisch und filmisch relevanteren, den beeindruckenden Waltz with Bashir zum Film des Jahres krönen? Oder den fluffigeren aber Animationsgeschichtlich mindestens ebenso interessanteren WALL*E? Im Endeffekt gaben die Filmkritiker von Los Angeles für mich den Ausschlag, die WALL*E ebenfalls zum Film des Jahres wählten. “Dann darf ich auch”, dachte ich mir.

WALL*E, der zweite Film von Pixar-Regisseur Andrew Stanton, der schon Finding Nemo gemacht hatte, ist in vielerelei Hinsicht ein herausragendes Stück Film. Er traut sich, am Anfang des Films in der Animationsgeschichte zurückzugehen und 20 Minuten lang fast nur stumm zu erzählen. Er stellt zwei Looks der SF-Geschichte, die dreckige, staubige Erde und das klnische, weiße Raumschiff, einander gegenüber und setzt einen vermittelnden Charakter dazwischen, der an Liebenswürdigkeit kaum zu überbieten ist.

Man fühlt mit WALL*E, obwohl er nicht spricht und obwohl er ein Roboter ist, und das ist bemerkenswert. Der Grund ist, dass Stanton inmitten seiner robotischen Umgebung Bilder von erstaunlicher Poesie findet, besonders in der zentralen “Define Dancing”-Sequenz des Films, als WALL*E und EVE miteinander durchs All wirbeln. Der sense of wonder, der die SF definiert – hier ist er wieder einmal richtig greifbar.

Das Drehbuch ist diesmal nicht so stark wie bei Nemo, aber die Erzählweise des Films mit wenig Worten und umso mehr Sounds und einem grandiosen Soundtrack von Thomas Newman und Peter Gabriel, machen das wieder wett. WALL*E ist kein großer, bedeutender Film, aber ein kleines Juwel, das einem wirklich ans Herz wächst.

Waltz with Bashir ist dafür bedeutend und mindestens ebenso gut. Ari Folman nutzt hier (so wie im Jahr zuvor Marjane Sartrapi mit Persepolis) Animation um das Unvorstellbare und das Persönliche vorstellbar zu machen. Das gelingt ihm mit Bildern, die einen noch lang verfolgen. Damit man sich aber nicht darin verliert, setzt er als Ausrufezeichen eine Filmsequenz von den realen Schrecken des Massakers von Sabra und Schatila an das Ende des Films und weckt so zwar nicht subtil aber umso effektvoller den Zuschauer wieder auf, der somit die gleiche Reise durchmacht wie der Protagonist.

Slumdog Millionaire, der Liebling der Kritiker und der bisher größte Film von Danny Boyle, konnte mich nicht ganz so überzeugen. Ich fand ihn zwar gut, aber die wesentlich bessere Romanvorlage verdarb mir etwas den Spaß. Besser gefiel mir da schon der brillant geschriebene In Bruges, der mich so zum Lachen brachte wie schon lange davor nichts mehr.

Zwei beeindruckende Charakterstudien, eine fiktional, eine biografisch, hatte 2008 ebenfalls zu bieten: Milk und The Wrestler, die nicht zuletzt auch die Fertigkeit ihrer Regisseure Gus van Sant (Bilder) und Darren Aronofsky (Erzählung) perfekt in Szene setzten. Hunger von Steve McQueen hat beides und lässt einem mit einem eindrucksvoll-beunruhigten Gefühl zurück.

Gewohnt gut, aber jeweils nicht überragend fand ich die beiden neuen Filme von Regisseuren, die beide rund zehn Jahre zuvor ihre Meisterstücke abgeliefert hatten: The Curious Case of Benjamin Button war mir etwas zu überfrachtet , Revolutionary Road packte mich eher intellektuell als im Bauch. Auf beiden Ebenen funktionierte hingegen Gomorra.

2008 war ein Jahr dreier großer Comic-Filme. In erster Linie natürlich The Dark Knight, der aber meiner Ansicht nach (auch nach erneutem Gucken) ein wenig an seiner eigenen Unplausibilität krankt. Hellboy II – The Golden Army liegt mir mit seinen Charakteren und seinem Setting irgendwie mehr. Im Nachhinein gefällt mir aber vermutlich Iron Man wegen seiner coolen Fuck-You-Attitüde am besten.

Einen verdienten Doku-Oscar bekam Man on Wire, der eigentlich einfach nur ein verdammt guter Caper Movie mit bewegendem Finale ist. Zwei kleine Lieblinge sah ich auf dem Filmfestival von Edinburgh: Good Dick, die abgefuckteste romantische Komödie, die man sich vorstellen kann, und L’Heure d’été, der mir wegen seiner Charakterzeichnung sehr gut gefiel.

Was fehlt? Australia (zu recht), der sich nicht entscheiden konnte, was er sein will. Frost/Nixon, den ich nochmal sehen muss, damals aber nur durchschnittlich gut fand. Die völlig verkorkste Bond-Fortsetzung Quantum of Solace. Bienvenue chez les Ch’tis, den ich einfach nicht komisch fand. Und Speed Racer, der sich traute, optisch in Regionen vorzudringen, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hatte, aber sonst einfach gar nichts hatte, Gar Nichts. Schade eigentlich.

Ach ja, Frohe Weihnachten an alle! Nächste Woche dann die Enthüllung meiner Lieblingsfilme dieses Jahres.

Dieser Beitrag ist Teil 9 der Serie
Zehn zu Null – Eine Dekade voller Filme

Ein paar Gedanken zu Avatar, James Cameron und 3D

Der ursprünglich geplante Titel dieses Blogeintrags war “Wie James Cameron mich immer wieder Glauben macht”. Aber nachdem ich heute wieder einige Sachen in 2D gesehen habe (Where the Wild Things Are und The Princess and the Frog und die Trailer davor), wollte ich den Bogen noch etwas weiter spannen und noch einmal allgemein über 3D und das momentane Effektkino schreiben wie ich es hier schon mal gemacht habe.

Aber trotzdem zunächst zu James Cameron. Terminator 2 ist vermutlich der wichtigste Film meiner Jugend, nicht zuletzt weil er ein Schlüsselstein in meinem Interesse für Spezialeffekte und CGI war. Superman hatte 1978 mit dem Spruch geworben You will believe a man can fly und T2 bedeutete für mich, dass ich daran glaubte, dass ein Roboter aus frei formbarem Flüssigmetall bestehen kann. Erst als ich mir viele Jahre später die DVD kaufte und ein paar Making ofs sah, begriff ich, dass gar nicht der ganze T-1000-Kram tatsächlich im Computer gemacht wurde, nur einige wenige Szenen. Aber die Illusion war (wie zwei Jahre später bei Jurassic Park) perfekt.

1997 lehrte mich dann wiederum Titanic eine neue Lektion in Glaubwürdigkeit. Nachdem ich ihn gesehen hatte (und die Story nicht so mochte aber ihn sonst okay fand), sah ich irgendwann mal ein Making of im Fernsehen und begriff da erst, wie viele Szenen, die ich für echt gehalten hatte, hier im Computer entstanden waren. Heute kann ich solche Shots erkennen, aber damals war ich noch ein CG-Newbie. Wiederum war es also James Cameron gelungen, mich an der Nase herumzuführen, diesmal im Bereich der “unsichtbaren” Effektshots, die nicht als solche wahrgenommen werden können.

Und dieses Jahr, 2009, hat mich Avatar zum dritten Mal an CG glauben lassen. Nach all den Effektschlachten der letzten Jahre, beispielsweise bei Harry Potter und den anderen SF/Fantasy-Konsorten hatte ich mich darauf eingestellt, dass man eine gute CG/Live-Action-Verschmelzung nur hinkriegt, wenn man dafür den Colour Grade so hochschraubt, dass das ganze unwirklich wird (für mich die erste Kategorie meiner Theorie von der “Neuen Digitalen Ästhetik”).

Avatar macht das allerdings nicht so. Die Welten von Pandora sind, wenn auch farblich mit ihren ganzen phosporeszierenden Pflanzen etwas psychedelisch ziemlich photorealistisch glaubwürdig. Hier verschwimmt nicht alles in weißen Rändern und Composting-Glows und gephotoshoppen Himmeln. Zugegeben, manchmal drückt Cameron auch hier etwas zu sehr auf die Weißabgleich-Taste, aber viele viele Shots draußen im Dschungel wirken echt und anfassbar. Und auch das Einfügen von menschlichen Charakteren (vor allem bei emotionalen Höhepunkten wie dem Treffen zwischen Neytiri und Sams echtem Körper) funktioniert perfekt.

Den Schlüssel für diese Glaubwürdigkeit sehe ich in der Dreidimensionalität. Cameron packt einfach noch eine Lage Effektkino auf seine Computerbilder drauf, die einen mit ihrer Attraktion so gefangen nimmt, dass man gar keine Kapazität mehr übrig hat, um auf die Unwirklichkeit der CG-Welt zu achten. Sie gibt dem Film die Glaubwürdigkeit, die er ohne vielleicht nicht hätte. 3D ist bei Avatar das, was Colour Grading bei Lord of the Rings war: Das Extra-Sahnehäubchen, das es braucht, um die Welt zum Leben zu erwecken.

Und das scheint mir der momentane Sinn von 3D zu sein. Es ist der zusätzliche WOW-Effekt, der den Sense of Wonder im desillusionierenden Computerkino (das mir extrem beispielsweise in den nur noch künstlich wirkenden Welten von 2012 aufgefallen ist) wieder herstellt. Der neue Schub für das Cinema of Attractions der zweiten Zehner Jahre in der Filmgeschichte.

Sehr bewusst geworden ist mir das heute nochmal, als ich die Trailer für Cloudy with a chance of Meatballs, Alice in Wonderland und How to Train Your Dragon, die ich bisher nur in 3D gesehen hatte, noch einmal in 2D gesehen habe. Plötzlich erschien mir hier alles wesentlich flacher und langweiliger als noch zuvor, es hatte ein bisschen was von seinem Reiz verloren.

3D ist und bleibt also nur ein Gimmick, aber ein wichtiges Gimmick, dass dem CG-überfrachteten Kino seinen Groove und damit seine Glaubwürdigkeit zurück gibt. Ohne gehts auch im Neuen Digitalen Ästhetik-Kino, aber es ist wesentlich langweiliger. Ich glaube, damit hat das 3D-Kino endgültig seine zweite Phase erreicht, analog zum Farbfilm (diese Analogie sehe ich nach wie vor) also diejenige, wo man sich bestimmte Filme ohne 3D (=Farbe) nur noch schlecht vorstellen kann.

Jetzt muss es nur noch die dritte Phase erreichen, in der es Normal (ja, mit großem N) wird und anfängt zum Kino-Establishment zu gehören, auch außerhalb von Filmen mit viel Computerzeugs.