Die deutsche Film-Blogosphäre: Sascha Brittner von pewpewpew.de

Für mein polemisches Thesenstück zur deutschen Filmblogosphäre habe ich neun deutschsprachige Filmblogger per E-Mail interviewt. Die Auswahl erfolgte nach persönlichem Geschmack und relativer Findbarkeit im Netz.

Das Blog “pewpewpew.de” findet man bei Blogrankings und ähnlichen Seiten relativ weit oben. Seine Beiträge tauchen öfter mal in Aggregatoren wie Rivva auf. Innerhalb der deutschen Blogosphäre kann man es also als erfolgreich werten, schätze ich. Als ich das erste mal über “pewpewpew” stolperte, war ich voller Vorurteile: “Ach, nur so ein Linkweiterposter, der sich cool vorkommt.” Wenn man ein bisschen länger liest, merkt man aber, dass dahinter doch mehr steht – nämlich ganz klar die Persönlichkeit von Autor Sascha Brittner, wie das bei einem Ein-Personen-Blog auch sein sollte. Klar postet der auch sene Lieblingslinks weiter. Aber er lässt auch seine Umwelt an seiner Experimentierfreude teilhaben, zum Beispiel wenn er sich zum ersten Mal an einer Videomontage seiner Filme des Jahres versucht. Endgültig überzeugt hat mich Sascha dann aber mit dem Start des Pewcast, der trotz einer etwas lang-redundaten ersten Episode den Blogosphären-Gedanken aufgreift und andere Blogger zum Mitdiskutieren in die Sendung einlädt (ja, macht der CineCast auch).

Sascha widerspricht meiner Leitmediums-These übrigens, findet aber schon, dass man etwas mehr aufeinander zugehen könnte.

Beschreibst du kurz in eigenen Worten, was für ein Blog du schreibst, warum, wie lange schon, und wie es dazu kam?

Mein Blog in jetziger Form betreibe ich offiziell unter dem Namen seit 2009. Ich schreibe über Filme, Fernsehserien und Popkultur, was mich halt so beschäftigt und was ich interessant finde. Es kam dazu, weil ich eine zentrale Anlaufstelle für mein Sammelsurium aus Links haben wollte, sodass ich meine Freunde nicht mehr zuspammen musste, sondern schlicht sagen konnte: „Hey, lies mein Blog!“.

Über Filme auf diversen Plattformen und Homepages schreibe ich aber schon seit 2002. Damals hatte ich eine Matrix-Fanhomepage mit diversen Informationen zu den Sequels und den Spielen, für die ich von Mitschülern gehänselt wurde. Aber als erprobter und stolzer Nerd steht man darüber.

Dein Blog ist mehr als ein privates Tagebuch, also auch wenn es komisch klingt: Was qualifiziert dich deiner Ansicht nach zum Bloggen?

Das Schöne am Internet ist ja, dass es jedem die Möglichkeit bietet, sich eine Plattform zu schaffen und Zeug zu veröffentlichen. Ich genieße es, dass es eben nichts gibt, dass jemanden dazu qualifizieren muss, sondern, dass jeder schreiben kann, der will. Das ist eine unheimlich wichtige Sache, die weit über das Thema Film hinausgeht, aber das nur mal am Rande.

Mich qualifiziert eigentlich nichts dazu. Ich habe weder eine formale, journalistische Ausbildung hinter mir noch habe ich Film studiert. Ich schaue viele Filme, lese viel und nehme Kurse an der Uni und eignete mir so über Jahre hinweg ein Grundwissen an. Filme begleiten mich seit frühester Kindheit und waren mir immer wichtig. Den Blog nutze ich daher um mich mitzuteilen und meine Ansichten als Basis für Filmbesprechungen anbieten.

Ich finde es daher sehr schwierig mich als “qualifizierten Blogger” zu sehen, weil das im Umkehrschluss bedeuten würde, dass es auch unqualifizierte Blogger gibt und in so einer Welt will ich nicht leben. Es gibt Leute, die das, wenn man bestimmte Kriterien anlegt, besser machen als andere, aber grundlegend kann jeder damit anfangen und das ist auch gut so.

Du postest auch regelmäßig News. Hast du – außer deinen persönlichen Vorlieben – Auswahlkriterien dafür, was du postest?

Es klingt sehr profan, aber Themen müssen mich schlicht interessieren und mir wichtig genug sein, dass ich wenigstens zwei, drei Sätze dazu schreiben kann ohne mich selbst zu hassen. Das Schöne an dieser Sache ist, dass ich mich zu nichts zwingen muss und selektieren kann, da es immer noch im Endeffekt meine private Spielwiese ist.

Ich bin zwar dank des Blogs Kleinunternehmer, bin aber nicht auf das Geld oder gewisse Klickzahlen angewiesen; und wenn ich mir manche größeren Filmseiten anschaue, bin ich auch froh darum. Ich würde zum Beispiel ungern über einen Teaser zum Teaser (welch schlimmes Phänomen!) zum neuen Twilight-Film oder einen Clip zu einer Komödie, die ich nicht lustig finde, schreiben. Wenn man wirkliche „Nachrichten“ auf meinem Blog findet, dann weil ich sie wichtig finde. Die höchste Maxime bleibt daher, dass ich selbst mein Blog gern lesen würde und mich immer wieder selbst frage, ob es mir gefällt und wichtig genug ist.

Wie misst du für dich den Erfolg deines Blogs? Ist dein Blog erfolgreich?

Die Antwort zu dieser Frage hat sich in den letzten Jahren krass mit dem Verlauf des Blogs verändert. Zu Beginn war ich glücklich, wenn jemand im Freundeskreis meinte, dass er mein Blog gelesen hat und ganz toll fand. Da war ich dann ganz schön stolz, obwohl das damals nichts weiter als eine Linkschleuder war: Video rein, meist dazu noch ohne Einleitung oder Kommentar. Inzwischen ist das Blog ein wenig bekannt und genießt eine gewisse Leserschaft. Das stimmt mich glücklich, denn ich komme ins Gespräch mit mehr Lesern und Filmfreunden, die meine Leidenschaft teilen. Ich finde es aber schwer eine Messlatte des Erfolgs hier jetzt anzulegen. Ist man erfolgreich, weil man X Leser hat, ein Blogkollege aber nicht, weil er nur X minus 50 Leser hat (oder dasselbe im Hinblick auf Kommentare)? Ist man erfolgreich, weil man auf abstrusen Bloglisten weit oben steht? Oder ist der monetäre Aspekt ein Indikator für den Erfolg? Ja, ich habe Geld verdient mit dem Blog, aber nicht annähernd so viel, dass ich davon leben könnte. Andere Blogs erreichen mehr Leser und verzichten ganz auf Gewinneinnahmen. Im Endeffekt betreibe ich den Blog aus privatem Interesse und daher zählt am Ende des Tages nur, was ich darüber denke und fühle. Solange ich glücklich und zufrieden mit dem bin, was ich tue, bin ich auch erfolgreich.

Bekommst du regelmäßig Feedback auf das, was du schreibst? Bist du im Dialog mit deinen Lesern?

Nicht so viel wie ich mir das eigentlich wünsche. Man wäre überrascht, wenn man erfährt, welche Posts die meisten Klicks bekommen und wie wenig Mühe da hinein wanderte im Gegensatz zu anderen, langen Beiträgen. Im Dialog hingegen bin ich mit einem Stamm von Lesern aber dennoch, auch abseits des Blogs auf sozialen Netzwerken und Ähnlichem.

Welche Blogs liest du selbst? Zu welchem Zweck?

Ich verfolge nahezu alle großen, englischen Filmblogs/-seiten für die schnellen News und Trailer, was manchmal im Reader schon nervt, denn da hat man dann bis zu 10 Mal den gleichen Trailer drin, mit leicht variierter Überschrift und minimalem Kommentar. Ich lese diese Seiten oft schlicht für mein eigenes Interesse und zur Selektion für den “News”-Aspekt meines Blogs.

Eine ganze breite an privaten Blogs in Deutschland verfolge ich ebenfalls, aber eher zum privaten Vergnügen und zu sehen, was andere so denken und worüber sie schreiben. Da sind schon einige Perlen dabei, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

Du bist auch Teil des “Vice” Content Networks. Was bedeutet das?

Nicht viel eigentlich; primär, dass ich auf dieser Liste verlinkt bin, mit ganz vielen anderen Blogs. VICE ist so nett und bietet dann den Blogs bevorzugt die Möglichkeit unter ihren Leuten Tickets zu teilweise recht exklusiven Veranstaltungen zu verlosen. Dazu bekommt man ab und an Post und einen Hinweis auf Content von den guten Leuten.

Hast du den Eindruck, dass es so etwas wie eine deutschsprachige Film-Blogosphäre gibt, in der die Blogs miteinander kommunizieren? Wenn ja, kannst du sie beschreiben?

Das zu beantworten finde ich schwer. Auf der einen Seite gibt es jede Menge Leute, die im Bereich Film schreiben, meist aber recht eigenbrötlerisch so etwas wie ein Onlinefilmtagebuch betreiben. Was vollkommen okay ist, aber auf der anderen Seite wünscht man sich als aktiver Blogger oft mehr Zusammenarbeit unter den Leuten. Das beginnt schon dabei, dass man mehr auf andere Leute zugeht. Ich habe den Eindruck, dass der Wunsch bei vielen eigentlich besteht, aber wenig direkt miteinander konkret gesprochen wird. Man muss eher auf die Leute zugehen als dass man da was erwarten kann.

Man ist natürlich einander bekannt, folgt sich gegenseitig auf Twitter, schreibt sich ab und zu in @Replys und Kommentaren und vernetzt sich, aber so richtig professionell wie in anderen Bereichen wie den Technik- oder Modeblogs ist das nicht. Das liegt aber vor allem daran, dass, excuse my french, Filmblogs in Deutschland kaum eine Sau interessieren und der Markt oder die Zielgruppe so klein ist, dass eine Professionalisierung sich nur für die Wenigsten lohnt und dann meist wesentlich mehr Ressourcen verlangt als notwendig oder vorhanden sind. Grundlegend gibt es sicherlich eine kleine, deutschsprachige Filmblogosphäre, die sich begrenzt gegenseitig verlinkt und untereinander kommuniziert, aber da liegt noch so viel Potenzial auf der Straße.

Gibt es im Bereich Film im deutschsprachigen Web so etwas wie Leitmedien? Was wären die?

Natürlich gibt es die, nur leider nicht so viele in der Anzahl wie im Vergleich zu anderen Ländern. Da würde ich jetzt an Moviepilot oder Film-Dienst denken, die beide Enden des Spektrums ganz gut abdecken. In der Blogosphäre geht nichts an den Fünf Filmfreunden vorbei.

Du fokussierst dich bei Pewpewpew hauptsächlich auf Popkultur und auf Popkultur-Filme. Ist dir der Arthaus-Bereich geheuer, ist diese Unterscheidung überhaupt noch sinnvoll?

Ja, das stimmt schon. Aber ich denke, dass die Leser bei einem Blog mit meinem Namen nicht unbedingt Arthaus erwarten. Aber ich würde auch abstreiten, dass ich ausschließlich über Mainstream schreibe. Ich finde eigentlich, dass ich immer wieder einen gute Mischung und viel Genre anstrebe. Für den Arthausgucker in mir betreibe ich zusammen mit Nils von IHeartPluto dazu den Blog Filmaddicts, auf den ich auch auf Pewpewpew des Öfteren verweise. Die Unterscheidung finde ich weiterhin sinnvoll und auch wichtig. Eine breite Mischung macht den Unterschied und Arthaus-Filme verdienen die gleiche, wenn nicht sogar mehr, Berichterstattung wie die des Mainstream.

Wenn du an der ganzen Sache mit dem Bloggen, wie es im Moment läuft, etwas ändern könntest, was würdest du ändern?

Ich bin eigentlich mit meiner Sache ganz zufrieden und mache weiter wie bisher. Ein wenig mehr Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Leuten wäre mir noch lieb, aber daran arbeite ich bereits. Oder sollte ich sagen wir?

Vier Thesen zur deutschen Film-Blogosphäre

Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre. Ich habe wochenlang überlegt, wie ich diesen Artikel beginnen soll, unter Lese- und SEO-, unter Ego- und Zielpublikums-Gesichtspunkten, aber letztendlich bringt es ja doch nichts, lange um den heißen Brei herumzureden. Ich bin der Meinung, dass die deutschen Medien zum Thema Film im Netz kaum etwas miteinander verbindet, was unter eine “Sphäre” Platz hätte. Mein Bauchgefühl war das schon länger, aber meine Beobachtungen des letzten halben Jahres und die Interviews, die ich geführt habe, haben es zum großen Teil bestätigt.

Das hier ist eine Streitschrift. Aber ich will nicht stänkern. Ich will zum Diskutieren anregen, indem ich zwei meiner Leidenschaften verbinde und Medienjournalismus über Filmjournalismus mache, was viel zu selten passiert. Weil ich zur Diskussion anregen will, habe ich meine Meinung auf vier Thesen zugespitzt und lehne mich für’s erste nur auf die Zitate, die sie bestätigen. Ich hoffe natürlich, dass die kommende(n) Woche(n), wenn ich nach und nach auch die vollen Texte der Interviews hier veröffentliche, tatsächlich über die Thesen diskutiert wird und die Bandbreite der Meinungen damit klarer wird.

Ich weiß, dass – wenn überhaupt – auch auf Facebook und Co. diskutiert werden wird, aber denkt auch daran, dass die zweite Absicht dieser Artikel ist, die deutsche Film-Blogosphäre vielleicht doch noch zu einer zur machen. Hört auf Papa Haeusler.

These 1: Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre

Vielleicht ist meine Wahrnehmung schief, und ich verstehe unter einer Blogosphäre das falsche. Für mich ist das Bild des Netzes wichtig, das einzelne Knoten miteinander verbindet, darüber aber eben das der Sphäre, die wie eine Glocke, wie ein Himmelszelt, über allem schwebt. Wenn man von der “deutschen Blogosphäre” spricht, denken doch hoffentlich alle ungefähr an dasselbe. Die deutsche Blogosphäre, das sind die, die sich jedes Jahr auf der re:publica treffen, ihre Gallionsfiguren sind Leute wie Lobo, Beckedahl, Gröner, Häusler, Borchert – unsere digitale Bohème. Die gehören irgendwie zusammen, denkt man sich so. Die reden miteinander und hecken bestimmt gemeinsam einen Plan aus, stecken unter einer Decke vor allem auch gegen die etablierten Printmedien, die uns immer noch erzählen wollen, Bloggen wäre minderwertiges Schreiben.

Kleinere Blogosphären gibt es wohl auch für bestimmte Themen. Essen. Technik. Gadgets. Medien. Mode. Aber nicht für Film. Zumindest nicht in Deutschland. Im englischsprachigen Raum hat man das Gefühl, dass sich die Blogger untereinander kennen und gleichzeitig jeder für sich und alle zusammen arbeiten. “Ich denke da schwärmend an Comic-Con-Videologs, in denen Autoren von /Film, Collider, First Showing, Joblo und Cinema Blend wie Kumpels zusammenhängen”, schreibt mir Sidney Schering alias Sir Donnerbold. Und fügt dann hinzu: “Das scheint es hier nicht zu geben.”

In Deutschland gibt es höchstens Cluster. Sozusagen: Mini-Blogosphären. Einen dieser Cluster nennt Ciprian “Chip” David von “Negativ”, die “Berliner Elite”. Christoph Hochhäusler, der selbst ein Teil davon ist (und einer der wenigen deutschen bloggenden Filmemacher), nennt sie natürlich nicht so, antwortet aber mit den gleichen Namen wie Chip auf die Frage, ob es eine deutsche Blogosphäre gibt: “Ja die gibt es. Zwischen new filmkritik (als einer der ältesten Seiten dieser Art in Deutschland) und Cargo und critic.de und Lukas Förster und Thomas Groh und The Wayward Cloud und Eskalierende Träume und auch Revolver natürlich gibt es viele Verbindungen.” Und dann schreibt er, es gebe auch “andere Cluster dieser Art” (daher habe ich mir dann auch den Begriff geborgt).

Ein weiterer Cluster gruppiert sich zum Beispiel um moviepilot.de. Zu diesem würde ich die “Fünf Filmfreunde” zählen, das größte deutsche Filmblog, und das einzige, das auf meine Kontaktanfrage leider nicht reagiert hat – denn “Batzman” Oliver Lysiak arbeitet bei Moviepilot, ähnlich wie etwa Jenny “The Gaffer” Jecke. Und ich würde auch noch Sascha Brittner von pewpewpew.de dazuzählen, einfach weil er mit seinem Blog ähnlich erfolgreich ist und auf Twitter von den gleichen Luten verlinkt wird (er hat das selber nie gesagt). Und zu Sascha gehört dann wiederum Stefan Rybkowski und ein paar mehr.

Das “Medienjournal” vereint noch ein paar Leute, die relativ weit weg sind vom “professionellen” Bloggen, aber gerne über Filme im Netz schreiben, die sie mögen, mit seinem “Media Monday”. Kein Wunder also auch, dass Wulf Bengsch von “Medienjournal”, der Meinung ist, dass “die deutsche Filmblogosphäre mehr als quicklebendig ist” und “einen regen Austausch untereinander pflegt”.

Ich glaube aber, dass das nicht stimmt. Es findet insgesamt kein Austausch statt, sondern eben nur in solchen Clustern, die nur sehr wenig Berührungspunkte haben. Einer der Gründe dafür ist meine These zwei.

These 2: Den deutschen Netzfilmschreibern fehlen die deutschsprachigen Leitmedien

Die Frage war eine der kontrovers beantworteten in meinem Mail-Fragebogen. Brauchen wir überhaupt Leitmedien? Ist das Leitmedium einfach “Facebook, Traurig aber wahr” wie Martin Beck meint? Weil dorthin die Diskussion abgewandert ist? Oder sind es einfach die großen amerikanischen Filmseiten wie /film, Twitchfilm oder Collider, von denen alle deutschen Blogs ihre Informationen bekommen (und deren Autoren übrigens – das muss man an dieser Stelle einmal mindestens sagen – bezahlt werden)? Eine definitive Antwort konnte mir jedenfalls niemand geben. Niemand konnte mir eine Seite nennen, die jeder, der in Deutschland über Film bloggt, lesen sollte, einfach aus Prinzip, egal ob er sie gut findet oder nicht (wie etwa turi2 im Medienjournalismus).

Klar, es geht “nichts an den Fünf Filmfreunden vorbei” (Sascha Brittner), aber die “Fünf Filmfreunde” posten Trailer und Infos weiter über einen sehr begrenzten Radius von Filmen, und die Infos kommen fast immer von den US-Seiten. “Es gibt natürlich beliebte Filmblogs und Aushängeschilder wie die fuenf-filmfreunde.de, über die man garnicht nicht stolpern kann, wenn man den deutschen Film-Blog-Wald durchforstet, wie auch die grossen Filmportale wie Moviepilot.de. Letztere sind jedoch viel zu breit aufgestellt, inhaltlich verwässert und selten mit Charakterköpfen besetzt”, sagt Severin Auer von ANIch. Die Antwort? “Wir brauchen mehr und selbstbewusstere Aggregatoren, die eine Art Portalfunktion übernehmen und vielleicht auch bestimmte Fragen ‘plakatieren’, den Streit organisieren, die Arena dafür bieten”, sagt Christoph Hochhäusler.

Das einzig Dumme dabei? Die paar Seiten, die es wirklich versucht haben; die wirklich versucht haben, auf einem hohen Niveau umfangreich zu informieren und zu deutschen Leitmedien neben den großen Printmarken zu werden, sind eingeknickt. Martin Beck, der “so eine Art deutsches Twitch” mit reihesieben.de bauen wollte, stellte fest, dass sich das “einfach nicht stemmen ließ”. Und den prominentesten Untergang (inklusive Wiedergeburt) hatte sicherlich “Negativ”:

“Nach zwei Jahren wurde uns klar, dass ohne angemessene Gehälter die Wenigsten auf Dauer motiviert bleiben, eine immer größer werdende Seite zu betreiben und dass diese Seite sich immer mehr thematisch und qualitativ einem wirtschaftlichen Diktat unterordnet, und sich somit von unserem ursprünglichen Ideal, gut und immer besser über Film zu schreiben, entfernte. Als es klar wurde, dass die wirtschaftliche Ausrichtung in eine Sackgasse führte und das Verfolgen dieses Ziels für einige von uns Selbstdestruktion oder zumindest geistige Stagnation bedeutete, zogen wir die Notbremse.”
– Ciprian David

Wir brauchen also einen guten, deutschsprachigen Aggregator. Ein Must-Read-Blog, das die deutsche Film-Blogosphäre irgendwie über ihre Cluster hinweg eint und Diskussionen befeuert. Denn:

These 3: Die guten Inhalte, die es gibt, werden nicht gefunden

Als ich damit anfing, die deutschen Netz-Filmschreiber zu vermessen, habe ich mir Blogrankings angeschaut und mich von da an weiter vorgearbeitet. Ich fand einiges, was mir gefiel, einiges, was ich langweilig fand. Aber viel interessanter fand ich, dass ich manchmal Monate später noch auf Blogs stieß, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört hatte (und nein, sie waren nicht erst in der Zwischenzeit entstanden).

Es ist nämlich mitnichten so, dass alle nur entweder private Filmtagebücher führen oder Trailernews von großen US-Seiten abschreiben (wie ich am Anfang dachte). Nein, es gibt Leute, die fantastische Ideen haben, die mit Stills arbeiten wie die Könige, die interessante Meta-Analysen über ganze Genres oder Epochen fabrizieren. Aber eben auch sehr gute Blogs, die auf bestimmte Themen spezialisiert sind. Es gibt sogar etwas, was mir im deutschen Filmjournalismus generell oft fehlt, den “typischen US-Mix aus Wissen und Passion” (Sidney Schering) – den Willen, Service für unerfahrene zu bieten, diesen aber leidenschaftlich rüberzubringen (zu meinen persönlichen Favoriten gehören, auch der Themen wegen, “Digitale Leinwand” und das Blog eben von Sidney Schering, “Sir Donnerbolds Bagatellen”).

Aber:

Es gibt regen Austausch auf Plattformen wie Facebook zwischen miteinander bekannten (Online) publizierenden Filmnerds, zu denen ich mich auch gerne zähle. Und natürlich gibt es Blogrolls. Aber es fehlen doch ein wenig die Netzwerkeffekte, was möglicherweise mit der grundlegenden Tendenz in Deutschland zusammenhängt, im eigenen Blog oder Magazin nur wenig die Artikel anderer zu zitieren.
– Frédéric Jaeger, critic.de.

Also (und ich kann mich da selber nur mit einschließen): Vertraut nicht auf die Blogrolls, auf die Twitterfeeds und Facebook-Updates. Radikal gesagt: Wer sich nicht zu schade dafür ist, einem neuen Trailer zu Film X einen Blogpost zu widmen (vielleicht auch in der Hoffnung auf Klicks), der kann auch die Arbeit eines Kollegen mit einem Blogpost würdigen. “Natürlich ist es sehr schön, wenn man als relevante Quelle erkannt wird, einige Seiten sind aber auch sehr erfolgreich darin, meine Inhalte umfassend zu kopieren und zu veröffentlichen, natürlich weder zitiert noch verlinkt”, sagt Gerold Marks von “Digitale Leinwand”. “Es ist auch für mich frustrierend, wenn ein lange erarbeiteter Artikel mit viel Rechercheleistung nur ein paar hundert Leser interessiert, das Publikum auf das neue Bild vom nächsten Star Trek-Film aber abfliegt wie Wespen auf Butterkuchen.”

Es ist ein ewig frommer und ewig unerfüllter Wunsch, dass der harte Journalismus mehr (oder genauso viel) Aufmerksamkeit erfährt, wie der grellste Boulevard. Die deutsche Film-Blogosphäre wird ihn nicht erfüllen können, aber sie kann zumindest ihr bestes geben, Juwelen auszugraben. “Da sind schon einige Perlen dabei, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen”, sagt Sascha Brittner. Allerdings:

These 4: Die nervige Trennung zwischen E- und U-Kultur lebt im Netz fort

Und damit wären wir wieder am Anfang. Einer der Gründe, warum die “Cluster” nicht zueinander finden ist, dass ausgerechnet Film, das Medium, das Pop- und Hochkultur so gut vereint, wie kein anderes, noch immer von verschiedenen Seiten betrachtet wird. Und wer auch immer auf einer dieser beiden Seiten steht, scheint die andere Seite für vernachlässigbar zu halten.

Das Interessante, aber auch Tragische dabei ist, dass es anders als bei der traditionellen Hoch-/Pop-Demarkationslinie beim Schreiben über Film nicht mehr um das Objekt (also den Film) geht, sondern um das Subjekt, also den Autoren. Es geht also um das E und U innerhalb der Kritik. “Das Publikum ist heute sehr ausdifferenziert, entmischt sozusagen, und das schlägt auf das Kino zurück”, schreibt mir Christoph Hochhäusler. Man kann also die gleichen Genres lieben und trotzdem nicht miteinander reden wollen. Ist das nicht zum Kotzen?

Mir ist in meinen Interviews zum ersten Mal der Begriff “Stuntschreiber” untergekommen. Martin Beck von “Reihe Sieben” hat ihn benutzt. “Das sind verzwirbelte Typen, die vor allem dadurch auf die Pauke hauen, dass sie a) möglichst viele Fremdwörter in möglichst lange Sätze packen und/oder b) ihre ‘Meinung’ immmer konträr zur kollektiven Empfindung postieren.” Das klingt übel. Es hat mir zwar keiner so gesagt, aber ich habe das Gefühl, dass die andere Seite über die “Fan-Kultur”, die auf der anderen Seite der Linie herrscht, genauso denkt.

Eine meiner Ursprungs-Thesen, die sich nicht bestätigt hat, ist, dass die Linie zwischen “Profis” und “Amateuren” verläuft, also zwischen denjenigen, die Film oder Medien “gelernt” haben, und denen, die einfach gerne Filme sehen. Ich glaube aber, es ist vielmehr einfach eine Einstellungssache. Ein Mangel an Bereitschaft, andere Sichtweisen zuzulassen. “Reine Filmblogs, noch dazu professionelle oder semiprofessionelle, scheinen mir im deutschsprachigen Raum doch giftiger zueinander zu stehen als US-Seiten”, sagt Sidney Schering.

Zusammenfassend: Bloggen ist in Deutschland immer noch als Niederes Schreiben verpönt. Im Filmbereich liegt das aber auch daran, dass die Film-Blogger keine Lobby haben und sich auch keine Mühe geben, eine zu bilden. Sie mosern lieber herum, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Einfacher wäre das natürlich, wenn jemand voranschreiten würde, den es noch nicht gibt, mit dem sich aber FilmwissenschaftlerInnen und Fanboys und -girls gleichermaßen arrangieren könnten. Vielleicht kommt ein derart messianisches Blog eines Tages des Wegs, vielleicht nicht. Aber es könnte auf jeden Fall besser sein, als jetzt. Oder?

“Die unhaltbaren Missstände in der Filmpolitik und der Filmkultur fördern hoffentlich die vereinende Kraft zutage, gegen sie aufzubegehren. Das ist eine Utopie, mit der ich mich identifizieren kann: ein Kampf freilich, aber ein gemeinsamer.” – Frédéric Jaeger, critic.de

Disclaimer: Ich entdecke täglich neue Filmseiten. Es ist also hoffentlich klar, dass es nicht beabsichtigt ist, dass ich manche Ecken der deutschen Filmblogosphäre wahrscheinlich völlig unbeleuchtet gelassen habe. Ciprian David kenne ich persönlich, wir haben ein oder zweimal lose gemeinsam über das Thema diskutiert.

Meine erste persönliche Bilanz gibt es hier.

Ein Teaser für den Trailer

Die Überschrift stimmt nicht ganz, eigentlich ist das hier schon der Trailer. Nächste Woche geht es rund in diesem Blog. Ich habe neun ganz verschiedene Filmblogger zu ihren Blogs und zu ihrer Einschätzung der Blogosphäre befragt. Ich habe meine eigenen Eindrücke der deutschen Film-Blogosphäre oder Film-Netz-Landschaft anhand ihrer Aussagen überprüft und auf vier Thesen verdichtet. Ich werde in der kommenden Woche zunächst eine Art Leitartikel und dann die vollen Interviews als Ergänzung auf diesem Blog veröffentlichen. Und wenn alles gut läuft, hoffe ich, dass ich eine kleine Debatte anstoße. Man darf ja noch träumen.

(Addendum:) Wenn man es genau nehmen will ist mein Tweet der Teaser für den Trailer.

Goodbye 2012. Hello 2013!

Ich wünsche allen Lesern dieses Blogs ein gutes und erfolgreiches neues Jahr!

Ich folge Johnny Häuslers Aufruf und werde auch 2013 dieses Blog weiter regelmäßig nutzen, um meine Gedanken zu Filmen und Filmtrends zu formulieren, in meiner “Quotes of Quotes”-Serie Zitate zu kommentieren, die ich interessant finde, und meine sonstigen Aktivitäten an einem Ort zu sammeln.

Ich habe mir für 2013 schon jetzt Einiges vorgenommen. Noch im Januar möchte ich mich endlich einem Thema annehmen, das ich schon seit mindestens einem Jahr im Auge habe: eine Betrachtung der deutschsprachigen Film-Blog-Landschaft in einer Serie von Interviews und Artikeln, die sich – wenn alles gut läuft – über mehrere Monate ziehen könnte. Im Mai wird außerdem meine Excel-Tabelle, mit der ich alle Filme registriere, die ich gucke, 10 Jahre alt, was ich für eine gute Gelegenheit halte, mich endlich mal in Datenjournalismus und Infografiken einzufuchsen.

2013 wird also gut, aber wer jetzt erst zuschaltet, dem möchte ich ganz unbescheiden noch einmal meine persönlichen Blog-Highlights des vergangenen Jahres ans Herz legen. Jeder Klick, der nicht durch die Suche nach “jennifer connelly naked” entsteht, freut mich doppelt.

Navel Gazing: A Media Consumption Case Study (of Myself)
In vier Teilen habe ich mein persönliches Mediennutzungsverhalten aufgeschrieben.

John Carter and Company: Hype, Expectation and Forgiveness
Ein Ratgeber zum Umgang mit übererwarteten Blockbustern.

The Avengers: The Astounding Culmination of an Extraordinary Venture
Mein definitiver Text zu meinem Film des Jahres.

Why Bilingual Blogging Sucks
Der Text, der dazu führte, dass ich jetzt wieder hauptsächlich auf Deutsch blogge.

David Bordwell comes to Mainz and supports my Meta-Fandom
Vielleicht mein geekigster Moment 2012.

“Wired” ist in Deutschland immer noch tired (und klaut)
Mein erfolgreichster Blogartikel aller Zeiten, dank einer Verlinkung im BildBlog. Hier die Statistik, was das bedeutet.

I like Evangelisch: Angebote der Kirche im Bereich Social Media
Mein Vortrag vom 2. Evangelischen Medienkongress in voller Länge.

Die Sehnsucht des Kinos nach dem Untergang
Gedanken zu einem der dominantesten Zeitgeist-Trends 2012.

Die Annehmlichkeiten des Mauerblümchendaseins
Über den Archetypen des High-School-Outsiders anhand von The Perks of Being a Wallflower.

Die deterministischen Schräglagen von Ralph Reicht’s
Warum der neueste Disney an seinem Übermaß an internen Regeln erstickt.

Alex und Bernd besprechen das Filmjahr 2012
Der dritte Real Virtuality Podcast.

Genießt euer barockes Kino, so lange ihr noch könnt!
Ein Plädoyer für den überbordenden Film der Gegenwart.

Quotes of Quotes (VI)

“I feel like, on a more macro scale, there’s started to be a relationship between filmmakers and people who watch their films – you know, on Twitter and on the Internet. That relationship’s based on honesty, so the minute I knew that I was definitely not in the game, I made sure that I made that clear. Because I don’t want people to think I’m out there pulling strings on this thing. I don’t have a PR rep. I live in Vermont. It’s just me on my computer, seeing these things catch fire.”
– Colin Trevorrow on his alleged involvement with Star Wars

I have always been interested in fame. When I was in my late teens, I had the chance to talk at length with an actor who was now working in theatre but used to star on a daily German soap opera, about the experience of being recognized on the street and being sent love letters by teenage girls. In my vast egotism, however, what I find most interesting about the new artist-fan relationship brought about by the internet is not even the way the artists/celebrities feel about it (although that is still fascinating as well, listen to this episode of the /filmcast to hear three average Joes talk about their small internet fame). What’s exactly as strange is the way, this new communication paradigm sometimes makes me (and, I guess, others) feel like I know people I most definitely don’t. And then I try to chat to them on Twitter as if we’re mates. Sometimes it works, and sometimes it doesn’t. It’s weird.

In eigener Sache: Alex bei “ENVIV”

ENVIV – ein sonderbares Akronym. Würde man das ganze “Enviv” schreiben und noch ein e dranhängen, “Envive”, würde ich dahinter wahlweise ein neues trendiges Mineralwasser, eine leicht esoterisch angehauchte Frauenzeitschrift oder ein vergessenes Goldstück des Nouveau Roman vermuten. Tatsächlich handelt es sich aber um Dirk von Gehlens neues Buchprojekt mit dem herausfordernden, wenn auch etwas sperrigen, Titel “Eine neue Version ist verfügbar”, in dem es um Antworten auf die Frage “Wie verändert die Digitalisierung Kunst und Kultur?” gehen soll.

Ich gehöre zu jenen Netizens, die nach wie vor Fan von “Thesen erst ausformulieren, dann drüber reden” sind, vielleicht weil sich mir wissenschaftliche Prozesse an der Uni so ins Hirn gebrannt haben. Die ganze Idee davon, dass ein Text oder ein Kunstwerk noch im Entstehen verändert wird, behagt mir nach wie vor nicht so ganz. Deswegen habe ich ENVIV auch nur “fertig” bei Startnext unterstützt und mich nicht in den Entstehungsprozess eingeschaltet. Aber ich fand Dirks Vorgängerwerk “Mashup” ziemlich großartig (warum, und was das ganze mit dem Lobo/Passig “Internet”-Buch zu tun hat, dazu muss ich auch dringend etwas schreiben) und deswegen war ich zufälligerweise klickgenau der erste Supporter von ENVIV. Herr von Gehlen hat mein Vertrauen, dass er wieder etwas Interessantes schafft.

Als Dankeschön und wohl auch, um seine Unterstützer doch noch weiter in den Prozess mit hineinzuziehen, hat Dirk von Gehlen einen (zeitverschobenen) Adventskalender mit ausgefüllten Fragebogen im Projektblog von ENVIV gestartet. Ich wurde auch befragt und heute hat sich sozusagen mein Türchen geöffnet. Wen es interessiert, der kann dahinter unter anderem lesen, was ich Deutschland als Weihnachtsgeschenk empfehle.

Quotes of Quotes (IV)

Der perfekte spricht-mir-aus-der-Seele-Kommentar inmitten all der Retromania und des Untergangs des Zeitschriften-Abendlandes.

“Dieser andauernde Nostalgie-Scheiss mag ganz lustig sein, aber muss man den wirklich so breit treten? Ich weiß, das ich morgen 36 werde, daran muss mich kein Heft erinnern. Immer ist alles ‘kultig’ und ‘retro’ und auf dem Heft und dem Heftrücken steht in grellem Pink: ‘Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!'”
Nilz Bokelberg über die neue “Yps”

Da ich kaum mit “Yps” aufgewachsen bin, habe ich mir das Remake gespart. Aber zu “Donald”, das Nilz ebenfalls zu Recht kritisiert, habe ich damals gelästert geschrieben.

I like evangelisch – Angebote der Kirche im Bereich Social Media

Das Abschlusspanel des 2. Ev. Medienkongresses. (Quelle)

Beim 2. Evangelischen Medienkongress am 26. und 27. September in Mainz habe ich einen Einführungsvortrag zum Thema Kirche und Social Media gehalten, den ich auf mehrfachen Wunsch hier dokumentiere. Dies ist die leicht veränderte und mit Hyperlinks versehene Form meiner Vortragsnotizen, die Originalfolien verschicke ich bei Interesse gerne per Mail (meine E-Mail-Adresse steht im Impressum).

Der Grund, warum ich hier oben stehe, ist wohl, dass ich bis vor einem guten Jahr der Internetredakteur des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden war und dort auch die Social Media Präsenz aufgebaut habe, aber dazu kommen wir später noch. Ich hoffe, dass ich Ihnen für den Einstieg hier einen kleinen Überblick bieten kann, den Sie dann später in den angebotenen Workshops vertiefen können.

Ich habe mir gedacht, ich fange mit nackten Zahlen an und das heißt: Welche Angebote gibt es überhaupt? Also: Wo ist die evangelische Kirche in dem, was man Social Media nennt, überhaupt präsent? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat 20 Gliedkirchen und ich habe überprüft, ob die EKD selbst und jede der Gliedkirchen auf den großen sozialen Plattformen vertreten sind. Diese großen Plattformen, das sind Facebook, Twitter, YouTube und GooglePlus. Ich habe diese vier genommen, weil es nun mal die Platzhirsche sind und weil dort die Zahlen am ehesten vergleichbar sind.

Die Zahlen im Vergleich

Ich weiß auch, dass das nicht die einzigen Social-Media-Kanäle sind, die es gibt. Es tut mir auch wirklich leid, wenn ich durch diese Reduktion jetzt zum Beispiel übersehen habe, dass die Sachsen bei Instagram ganz groß sind oder die Bremer bei Foursquare. Aus den großen vier jedenfalls kann man folgende Tabelle bauen:

Sie sehen, da gibt es einige Zahlen, die meisten nicht sehr groß, aber auch viele Leerstellen. Das soll jetzt erstmal überhaupt nicht wertend sein, nur eine Übersicht geben: Manche Teile der evangelischen Kirche in Deutschland machen etwas im Social Web, andere nicht. Das hängt sicher zum Teil auch mit der Größe der Kirche zusammen und damit, ob sie sich die Mitarbeiter leisten möchte, die so etwas betreuen. Aber es hängt eben auch mit der grundsätzlichen Einstellung zum Thema zusammen. Das wird dann auch deutlich, wenn man sich die kirchlichen Werke anschaut.

Da gibt es nämlich überall ganz gute Zahlen, und soweit mir bekannt ist nutzt etwa “Brot für die Welt” das Social Web auch sehr aktiv. Allerdings ist “Brot für die Welt” auch eine national und international agierende Institution – damit ist das Publikum größer und es gibt vielleicht teilweise auch mehr Inhalte, die in diesen sozialen Netzwerken geteilt werden können oder die für mehr Menschen interessant sind – auch wenn sie nicht direkt mit der Amtskirche zu tun haben. Zum Beispiel Nachrichten aus Krisengebieten und Informationen über die Verwendung der Mitgliederspenden.

Und dann gibt es natürlich noch die Speerspitze der evangelischen sozial-medialen Institutionen, evangelisch.de, die ja auch mal der Ort sein sollte, an dem die evangelischen Christen Deutschlands im Netz zusammen kommen sollen. Hat entsprechend auch – im Vergleich – ganz gute Zahlen aufzuweisen, vor allem auf Twitter.

Es gibt natürlich noch einige mehr, die ich jetzt hier nicht aufgeführt habe. „Chrismon“, etwa, oder „Evangelische Häuser“, die zu dem evangelisch.de-Netzwerk gehören. Und es gibt einzelne Personen, z. B. der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die auch Facebookseiten haben und nutzen! Auf die Zahlen kommen wir später noch einmal zurück. Ich wollte mir jetzt aber erst einmal ein paar dieser gerade gesehenen Angebote – eine relativ willkürliche Stichprobe – genauer mit ihnen anschauen.

Diese Seite ist ein Platzhalter

Wir beginnen mit dem Social-Media-Angebot der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst, also der EKD. Die ist überall vertreten. Es gibt eine Facebookseite, einen Twitter-Account und einen YouTube-Channel und die Zahlen sind dort für deutsche Kirchenverhältnisse auch okay – bei Facebook fast 2000 Fans und über 2.500 Follower bei Twitter. Aber es fällt auf, dass es eigentlich keine Interaktion gibt. Also: Der wirklich „soziale“ Aspekt des Social Web wird nicht genutzt.

Die Seiten sind hauptsächlich automatisierte Kanäle, in die Pressemeldungen einlaufen. Der YouTube-Kanal wird auch nur für Videos von Pressekonferenzen und Synoden genutzt.
Aber das ist auch so gewollt, sagt Sven Waske, der Leiter der EKD-Online-Redaktion: “Diese Seiten sind Platzhalter, da die Rechtslage derzeit noch unklar ist. Sie werden künftig in einer Gesamtstrategie neu gefasst.” Man wollte diese Seiten erst einmal besetzen, damit sie kein anderer nutzt, aber es gibt eben noch keinen Konsens darüber, ob und wie man hier ins soziale Netz vorstoßen sollte – und daher gibt es eben erstmal nur diese einseitigen Präsenzen. Immerhin gar nicht verkehrt, dass man auch auf diesem Weg die Pressemitteilungen der EKD abonnieren kann.

Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur

Zum Vergleich: Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat ihren gesamten Social Media Auftritt diesen Sommer neu gelauncht. Hier wird redaktionell gearbeitet. Man bemüht sich, auch Verlinkungen auf außen stehende Angebote einzubauen, die die Follower interessieren könnten. Bilder einzubinden. Auf Twitter sieht man, dass auch Retweets und Hashtags benutzt werden. Einige andere Landeskirchen haben übrigens auch Seiten, die redaktionell betreut werden.

Hier kommt es auch zum Dialog. Natürlich wahrscheinlich nie so viel, wie man möchte und auch nicht immer mit den Leuten, mit denen man gerne reden möchte, aber das Medium wird genutzt. Und wenn dann kontroverse Themen behandelt werden, wie jüngst das Thema Beschneidung, kommt es eben auch zu kontroversen Diskussionen – auch mal mit im Netz bekannten Leuten, wie Mario Sixtus, mit dem sich dann aber auch immerhin ein Dialog entspann.

EKiR-Internetbeauftragter Ralf Peter Reimann sagt dazu: “Der Dialog auf Facebook muss auch solche Provokationen aushalten. Unser Ziel ist auch der Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur!” Es ist natürlich Spekulation, aber das könnte das sein, was andere vielleicht noch davon abhält, diesen Schritt ins soziale Netz zu machen. Denn all das halst man sich natürlich auch auf, wenn man Social Media macht, und ich habe selbst schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Leute wirkliche Probleme mit dieser gewissen Kontrollaufgabe im Kommunikationsprozess haben, die das soziale Netz mit sich bringt.

Ein Tweet-Gebet in der Essensschlange

Dann möchte ich noch kurz ein kleines Sonderprojekt vorstellen, weil es auch dieses Jahr den Webfish-Innovationspreis (Offenlegung: Dort saß ich in der Jury) gewonnen hat: das “Twittagsgebet”, das – wie man am Logo sieht – der Badischen Landeskirche entspringt. Dahinter stand die Frage, wie man ein spirituelles Angebot in einem Twitterkanal unterbringen kann. Entstanden ist ein Twitterkanal auf dem jeden Mittag um 12 Uhr ein Tweet-Gebet gesendet wird, das zum Innehalten einlädt und oft auch auf aktuelle Ereignisse bezug nimmt.

Das ist auch nicht unbedingt interaktiv – hier findet kein Dialog statt – aber das wissen die Macher auch und das ist auch ganz bewusst. “Wir wünschen uns den Nutzer, der mittags in der Essensschlange steht und seine Timeline checkt und sich dann über unseren Tweet freut”, sagt Oliver Weidermann, der Gründer und Koordinator des Twittagsgebets. Das soziale entsteht dann eher dadurch, dass ein Twittagsgebet retweeted werden kann und die Follower es so mit ihren Followern teilen.

Also auch wenn es keine direkte Interaktion gibt, hat man sich hier zumindest wirklich Gedanken darüber gemacht, wie man das Medium auf spezielle Weise einsetzen kann – indem man eben solche Tagesgedanken auf 140 Zeichen eindampft – und das funktioniert ja auch.

Mitten im Hype-Cycle

Der letzte Kandidat, evangelisch.de, hat diesen Herbst seinen dritten Geburtstag gefeiert. Ich habe damals selbst noch im GEP in Frankfurt gearbeitet als evangelisch.de an den Start ging und ich erinnere mich noch gut an die Aufbruchsstimmung die damals dort herrschte. Der Plan war, etwas auf die Beine zu stellen, was die evangelische Kirche endgültig im Internetzeitalter ankommen lässt. Eine Nachrichtenseite mit angeschlossener Community, die aber anders, persönlicher und spiritueller, funktioniert als die weltlichen Medien und damit alle evangelischen Christen in Deutschland anspricht.

Heute sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Die Community ist vor ein paar Monaten geschlossen worden. Die wenigen Nutzer die es dort gab, fanden das natürlich sehr schade. Aber im Rückblick konnte evangelisch.de als eigenes soziales Netzwerk einfach nicht bestehen. Die Dinge, die funktioniert haben, etwa eine universelle Anlaufstelle für geistliche Fragen, hat man behalten und sie werden jetzt unabhängig weitergeführt.

Es hat also alles nicht ganz so geklappt wie man sich das vorgestellt hat – und ich finde die Seite jetzt auch optisch nicht mehr so schön und ein bisschen labyrinthisch – aber die Konsequenz ist eben, dass die Redaktion jetzt mit etwas weniger Hype im Rücken weitermacht. Portalleiter Hanno Terbuyken: “evangelisch.de ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir sind ein Teil des Angebots, ein Knotenpunkt im Verbund christlicher Websites im Netz. Und wir haben einen klaren publizistischen Auftrag und daran hat sich nichts geändert.”

Ich mochte diesen Gedanken eigentlich: Dass man jetzt vernetzter denkt und auch auf der Leitungsebene nicht mehr so stark wie am Anfang der Meinung ist, man hätte jetzt den endgültigen Schlüssel dazu gefunden, wie evangelische Kirche im Netz funktioniert. Und Hanno Terbuyken hat mir dennoch glaubhaft versichert, dass er mit dem, was evangelisch.de im Moment produziert, sehr zufrieden ist.

Ich musste da ein bisschen an den “Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies” denken, ein Index, auf dem jedes Jahr aufgezeichnet wird, wo sich entstehende Technologien gerade auf ihrem Erwartungshorizont befinden – und der beginnt eben immer mit einem großen Hype voller zu großer Erwartungen, stürzt dann ab in ein Tal der Desillusionierung (das hatte evangelisch.de vielleicht letztes Jahr) und bewegt sich dann aber stetig auf ein produktives Plateau zu. Es bleibt zu hoffen, das evangelisch.de jetzt auf dem besten Weg dahin ist.

Wenn man jetzt die Zahlen vom Anfang alle mal addiert – ich nehme jetzt mal die Facebook-Zahlen aller Landeskirchen, der EKD und von evangelisch.de – dann kommt dabei eine Zahl knapp unter 8000 heraus. Das ist also die Zahl der Leute, die die offiziellen Facebookseiten der evangelischen Kirche erreicht. Die eigentliche Zahl ist natürlich niedriger, da davon auszugehen ist, dass viele Leute mehrere dieser Seiten geliket haben. Auch die Werke fehlen jetzt in dieser Summe, aber zu denen passt das Motto “I like evangelisch” auch nicht besonders gut, denn ich möchte wetten, das ein Großteil der Bevölkerung weder “Brot für die Welt” noch die “Diakonie” direkt mit der evangelischen Kirche in Verbindung setzt.

Auf Augenhöhe

Vergleichen wir dazu eine Seite namens „evangelisch im Facebook“. Die hat fast halb so viele Fans wie alle anderen zusammen, stammt aber nicht aus einem offiziellen Kanal. Andererseits hat sie die Kurz-URL facebook.com/evangelisch – dort passt also das Vortragsthema am besten. Und dort, soweit ich das beobachten kann, passiert, was auf den meisten anderen Seiten nicht passiert. Bis zu sechs mal am Tag wird ein Impuls gepostet, manchmal ernst, manchmal witzig, und dann wird das weitergegeben und diskutiert – natürlich auch nicht immer nur gut und auch hier treiben sich viele von den Menschen herum, die für die Kirche nach außen hin natürlich nicht gerade das beste Bild abgeben. Aber – hier ist ein echtes soziales Medium am Start. Hier findet so etwas ähnliches wie Gemeinde statt.

Gemacht wird das ganze – das hat im StudiVZ (der ein oder andere erinnert sich noch) angefangen und ist dann auf Facebook umgezogen – von drei Mitgliedern der Evangelischen Studierendengemeinde Stuttgart, Stefan Hartelt, Contanze Borchert und Astrid Lowien. Die drei investieren ehrenamtlich jeder etwa 90 Minuten am Tag, um diese Seite zu pflegen und sich neue Impulse einfallen zu lassen. Und obwohl Stefan Hartelt auch in der Web 2.0-AG der Württembergischen Landeskirche sitzt, bekommen die drei nur ganz verhaltenen Rückhalt von offizieller Seite.

Ich habe sie gefragt, ob sie sich in Konkurrenz zu evangelisch.de sehen. Und als Antwort habe ich von Stefan Harrtest bekommen: “Wir fragen uns immer: wie können wir so professionell sein wie evangelisch.de?” Die drei sind also auch sehr bescheiden, sehen die Profis eher als Vorbild – obwohl sie als Amateure eigentlich viel erfolgreicher sind – und, wie sie erzählen, auch sehr wenig Probleme mit Pöblern haben, und noch nie jemanden sperren oder einen Beitrag löschen mussten, also weitgehend in Frieden gelassen werden.

Ich habe mich gefragt – das ist nur eine These – dass es vielleicht gerade dieses amateurhafte auf Augenhöhe ist, was die Leute zu dieser Seite zieht. Dass sie eben hier nicht Informationen von Profis durchgereicht bekommen. Vielleicht funktionieren Social Networks – zumindest in solchen so privaten und emotionalen Bereichen wie Kirche und Glauben – einfach so, oder zumindest: auch so.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag hat natürlich auch noch eine sehr erfolgreiche Facebookseite (und auch einen Twitterkanal mit 1200 Followern, da ist evangelisch.de erfolgreicher). Die betreue ich inzwischen natürlich nicht mehr, das macht jetzt meine Nachfolgerin Silke Roß. Wir hatten den Vorteil, dass dort scheinbar eine Meute von Leuten auf uns wartete, die nur noch abgeholt werden musste. Denn im Gegensatz zu den Kirchen, wo ja viele Leute Mitglied sind, aber nur wenige wirklich aktive Mitglieder, sind die Kirchentags-Teilnehmer ja fast alle sehr involvierte Menschen.

Das Nicht-Geheimnis des Kirchentages

Das interessante ist, dass ich seitdem, also seit diese Facebookseite und auch der Twitterkanal für evangelische Verhältnisse so erfolgreich ist, das heißt: seit Frühjahr 2011, schon mehrmals zu ähnlichen Veranstaltungen wie dieser hier eingeladen worden bin, um darüber zu reden, wie wir das gemacht haben. Und ich erzähle dann immer, was wir, dass wir versucht haben, uns auf die Vorfreude zu konzentrieren, damit wir die zwei Jahre zwischen den Kirchentagen überbrücken können. Dass wir einen lockeren, persönlichen, aber nicht flapsigen Ton gewählt haben. Und dass wir versucht haben, auf alles zu reagieren, was uns an Fragen und Kommentaren entgegen kam. Und irgendwie hat das geklappt.

Das heißt: die einzige Social-Media-Expertise, die da eigentlich reingegangen ist, ist meine private Erfahrung im Social Web vor diesem Job, die Berichterstattung darüber, die ich als Medienjournalist leisten durfte, und die Bereitschaft, das Medium und seine Nutzer ernst zu nehmen, nicht nur als Verbreitungskanal, sondern als Plattform. Und kurz nach dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden hatten wir dann plötzlich die 10.000er-Marke überschritten.

Ich habe auch Gespräche geführt mit Werbern und anderen Medienmenschen, denen das alles viel zu konservativ war: zu wenig Provokation, zu wenig viral, nicht spektakulär genug. Aber ich habe immer gedacht, dass die Internetweisheiten, die für Unternehmen gelten, in diesem speziellen Umfeld nicht immer das Richtige sind. Und ob das stimmt oder nicht, dafür sind Sie ja hier, um das zu diskutieren.

Was vom “BildBlog” übrig bleibt

Mein Artikel “‘Wired’ ist in Deutschland immer noch tired (und klaut)”, den ich in der Nacht des vergangenen Samstag in einem Anfall von Kragenplatzen in die Tastatur gehackt hatte, wurde am Dienstag in der Rubrik “6 vor 9” eines der ersten und – ich schätze nach wie vor größten – Blogs Deutschlands verlinkt, dem “BildBlog”. Es hat mich sehr gefreut, dass mein Thema anscheinend von Kurator Ronnie Grob als relevant genug eingestuft wurde. Auf Facebook habe ich gewitzelt, dass ich den Punkt “vom BildBlog verlinkt werden” jetzt auch von meiner Bucket List streichen kann, und natürlich ist ein bisschen Aufmerksamkeit auch immer gut für’s Ego.

Da mir eine solche Verlinkung zum ersten Mal passiert ist, dachte ich mir, ich schreibe mal kurz eine Zusammenfassung dessen auf, was das ganze auf meiner Seite des Links ausgelöst hat. Vorweg: An normalen Tagen hat mein Blog 20 bis 30 Pageviews pro Tag – eine gewisse Anzahl fast immer über Google Image Search, die nach Jennifer Connelly Naked oder Ähnlichem suchen.

Am Tag der Bildblog-Verlinkung kletterte diese Zahl auf

2.271 Pageviews.

Mein “busiest day” ever, laut WordPress. Insgesamt wurde der Artikel seit Veröffentlichung

2.646 Mal

angeklickt. Ich hoffe/vermute, dass er meistens auch gelesen wurde. Als ich die Verlinkung sah, stellte ich mich drauf ein, mich für meine Meinung gegen eine Flut von Trollen rechtfertigen zu müssen, aber das war nicht der Fall, denn insgesamt rief der Artikel dann doch nur

4 Kommentare

hervor (einen davon von einem Kollegen, den ich direkt nach seiner Meinung gefragt hatte). Ich weiß nicht, ob das daran lag, dass er nicht so furchtbar polemisch war (ich bin kein guter Polemiker, eher ein Analytiker, und wenn ich mal polemisch werde ende ich meistens damit, mich dafür auch ein bisschen zu entschuldigen), oder einfach an der üblichen 90/9/1-Kultur des Netzes.

Ein bisschen schade fand ich das schon, ich hatte mich auf den vielbeschworenen Austausch und Rückkanal des Netzes gefreut. Dass der bei 20 Hits pro Tag verhalten bleibt, hat mich nie gewundert. Aber bei 2.200 Hits dachte ich: Da passiert mal was.

Inwieweit mir die Verlinkung erweiterte Publicity gebracht hat, kann ich nicht genau sagen. Ich habe einen neuen Follower bei WordPress (aber nicht jeder benutzt WordPress), aber leider

keine neuen Follower

bei Twitter gewonnen (was ich eher erwartet hätte). Ob ich in den Feedreadern weiterer Leute gelandet bin wird sich wohl erst zeigen, wenn ich wieder neue Artikel poste. Grundsätzlich kann ich aber auch verstehen, dass diejenigen, die wegen eines Medienartikels hierher gekommen sind und dann sehen, dass ich hauptsächlich über Film blogge und twittere, sich gegen eine Verfolgung entscheiden.

Last but not least fand ich die Durchklick-Rate interessant. Von den über 2.000 Menschen, die am Dienstag den Artikel angeklickt haben, in dem ich jemandem im Grunde Plagiarismus vorgeworfen habe, haben sich gerade mal

24 den Originalartikel angesehen.

Vielleicht kannten ihn manche auch schon, immerhin lief er Ende Februar durchs Netz, aber die Zahl fand ich dann doch erschreckend klein. Etwas interessanter (36 Klicks) schien einigen Christian Jakubetz’ Blogeintrag, den ich hinter “ordentlichen Arbeitsbedingungen” verlinkt hatte. Und jeweils unter 20 Menschen klickten sich zu den Podcasts durch, die ich als Belege für die “Wired”-Strategie verlinkt hatte.

Von wem ich mir natürlich eine Reaktion erhofft hatte ohne wirklich damit zu rechnen – der Redaktion der dritten deutschen “Wired” – kam erwartungsgemäß nichts. Immerhin: Chefredakteur Alexander von Streit folgt mir jetzt auf Twitter. Der Autor des von mir angegriffenen Artikels, Michael Moorstedt, ist im öffentlichen Social Web nicht sehr stark unterwegs (gut, muss man jetzt auch nicht, so als “Wired”-Redakteur), deswegen konnte ich ihn schlecht direkt ansprechen. Wäre ich er weiß ich aber auch nicht, ob ich auf einen Anpinkler wie mich reagiert hätte.

Ich will mich nicht beschweren, aber der insgesamte Mangel an Feedback trotz so vieler Klicks hat mich dann doch gewundert. Andererseits: Ich weiß, wie viel ich im Netz lese ohne zu kommentieren. Also bin ich wahrscheinlich selbst daran (mit) Schuld.

In semi-eigener Sache: “Close up”

Screenshot: ZDF

Seit nun ziemlich genau einem Jahr bin ich, neben meiner Superhelden-Identität als Blogger, im bürgerlichen Leben Mitglied der Filmredaktion ZDFkultur/3sat. Dort gehöre ich unter anderem auch zu dem Team, dass das monatliche Kinomagazin “Close up” produziert – für das ich nun, da die Sendung ein gutes halbes Jahr existiert, an dieser Stelle einmal Werbung machen möchte.

“Close up” läuft einmal monatlich auf ZDFkultur, samstags (zum Beispiel morgen) um 22:15 Uhr, und mit gleichem Inhalt aber anderem Layout danach dienstags auf 3sat – und steht anschließend zum Abruf in der Mediathek. Die Sendung hat drei Teile – zwei aktuelle Filmkritiken und eine “Gastkritik”, in der deutsche Filmemacher von ihren Lieblingsfilmen erzählen dürfen.

Dass vielleicht der ein oder andere meinen könnte, die Filmkritiken seien eben der Standard, den man aus EPK-Schnipseln und Interviews im Fernsehen ständig zu sehen bekommt; dass vielleicht manche meinen möchten, andere hätten das sogar schon besser/zeitgemäßer gemacht – geschenkt. Wir geben unser Bestes und versuchen uns stetig weiterzuentwickeln!

Das allerbeste an “Close up” aber, sind wahrscheinlich die Gastkritiken. Hier lassen wir Regisseure, Schauspieler und andere Filmschaffende Filme vorstellen, die ihnen persönlich am Herzen liegen. Und das geht, so finde ich zumindest, oft genug ziemlich unter die Haut und ich kann jedem nur empfehlen, sich diese Fünf-Minuten-Segmente einmal genauer anzugucken, denn so viel Raum wird “alten” Filmen im Fernsehen heute nur noch sehr selten gegeben.

Da erzählt zum Beispiel der Schauspieler Lars Eidiniger, wie für ihn Lars von Triers Antichrist mit der Geburt seines Sohnes zusammenhängt. Christian Petzold referiert beeindruckend über die Verfolgungsjagd in French Connection. Der Doku-Kameramann Thomas Plenert schwärmt über die Plansequenzen in den Filmen von Sergej Urussewski. Und Anna Brüggemann gibt zu, wie neidisch sie ist, wenn sie Sandra Hüller in Über uns das All spielen sieht.

Zusätzlich zu den Segmenten in der Sendung gibt es als Bonus online immer noch ein “7 Fragen an …” Video-Interview mit den Filmemachern, das sich immer ebenfalls lohnt. Und wann immer wir können: zusätzlichen Content, wie Interviews, die wir nicht in der Sendung unterbringen konnten oder sogar eine zusätzliche Gastkritik. Ich hoffe, wir werden noch lange die Gelegenheit dazu bekommen, dieses Prinzip immer weiter zu verbessern.

In der August-Sendung sagen wir unsere Meinung zu Magic Mike (mein erster eigener Beitrag, ich hatte mich bisher auf die Online-Aufbereitung konzentriert) und This Ain’t California. Und der Regisseur Matthias Luthardt spricht über Sidney Lumets Dog Day Afternoon. Schaut doch mal rein – und gebt mir ruhig auch Feedback hier im Blog.