Worte zum Wochenende

More harm has been done by people panicked over social decline than social decline ever did.

Randall Munroe, xkcd
// Idiocracy

Es gab einfach ein paar Ermüdungserscheinungen. Wir haben so viel erklärt, wie „Bild“ funktioniert. Wir hatten irgendwann das Gefühl, wir wiederholen uns.

Stefan Niggemeier, in einem Artikel des Rheinischen Merkur
// Alles Müll oder was?

Google erbringt mit der Verlinkung eine Dienstleistung. Hierfür als Verlag die Hand auf zu halten, wäre genauso absurd, wie von Kioskbesitzern eine Abgabe dafür zu verlangen, dass der Focus in der Auslage liegt.

Ulrike Langer, Media Digital
// Dann boykottiert doch Google!

But please notice that I’m not saying there has never been a more lucrative or prestigious time to become a journalist. The cash and status associated with the profession are fairly recent. Until the early 1970s or thereabouts, the average journalist made an average salary (if that), and his societal standing was modest.

Jack Shafer, Slate
// Keeping the Fizz in the Journalism Biz

Vorschlag-Hammer

Nachdem man seine Ausstrahlung jetzt nicht mehr verhindern kann, werden in den Nachwehen des ganzen “Erwachsen auf Probe”-Buheis jetzt die Vorschläge aus der Politik ausgepackt. Manche erscheinen ganz sinnvoll, wie der Vorschlag, endlich verbindliche Gesetzgebung für unter 3-Jährige in Medienproduktionen einzuführen. Andere klingen hauptsächlich gut, sind allerdings schon auf den zweiten Blick als politische Worthülsen zu erkennen.

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestags, einer der ersten Zu-Wort-Melder in der EaP-Debatte, hat in einer Pressemeldung (eigentlich nur in einem Nebensatz) die Einrichtung eines Ethikbeirates für die Produktion von Rundfunksendungen angeregt. Da das so ziemlich das einzig neue in der Mitteilung war, haben die Mediendienste prompt reagiert.

Eine Nachfrage bei der Kinderkommission ergibt allerdings: Niemand, weiß, was die obige Formulierung eigentlich bedeuten soll. Mir konnte niemand erklären, was genau der Ethikbeirat machen soll, welche Kompetenzen er haben könnte, wer drin sitzen könnte (Politiker? Verbände? Medienmacher?) oder an welche Institution er angegliedert werden könnte. Selbst auf den Versuch, auch nur ein Minimum zu erfahren (“Aber irgendwelche Gedanken darüber, was so ein Ethikbeirat sein soll, wenn Sie ihn schon anregen, müssen Sie sich doch gemacht haben.”) wurde hilflos und achselzuckend reagiert. Der Vorschlag sei ja für Kulturstaatsminister Bernd Neumann gemacht worden, der müsse jetzt wissen, was er damit anfängt.

Na, wenn man schon mit so klaren Ideen reingeht, dann kann das Ergebnis ja auch nur die Schneidekraft einer Samuraiklinge besitzen.

Etwas ähnliches hatte ich übrigens auch bei NRW-Familienminister Armin Laschets Vorschlag eine Alterskennzeichnung fürs Internet einzuführen vermutet. Typisches Wahlkampfgebrabbel, dachte ich. Wie das funktionieren soll, hat sich noch niemand überlegt, dachte ich.

Hier wurde ich allerdings eines Besseren belehrt. Zwar hatte ich mit dem Wahlkampfgebrabbel recht, denn der Vorschlag ist nicht plötzlich Herrn Laschet ins Hirn gesprungen. Aber die Arbeit daran läuft bereits. Seit Jahren beschäftigt sich im Bundestag ein Runder Tisch mit dem Thema, wie man Altesfreigabegrundsätze von Offline-Medien auf die Netzwelt übertragen kann. In der Vergangenheit hat der Verantwortliche beim Beauftragten für Kultur und Medien, Hans Ernst Hanten, bereits ein so erfolgreiches Projekt wie Ein Netz für Kinder auf die Beine gestellt. Es klang, als könnte die Jugendschutzgeschichte auch klappen, man hat sich immerhin inzwischen auf einen Kriterienkatalog geeinigt.

Hanten konnte mir jedenfalls sehr konkret erklären, wie genau das alles funktionieren soll. Im Gegensatz zu Laschets wässrigen Formulierungen in der Pressemitteilung. Warum können nicht einfach die Leute mit Ahnung die Politik machen?

Mein Lieblingsmoment auf dem medienforum.nrw…

…abgesehen von all den Stöhn-Momenten, in denen Politiker von heute Litaneien von gestern darüber wiederholten, was das Internet kann und muss und darf (Thomas Knüwer dazu), fand in dem letzten Panel statt, das ich besucht habe, am Dienstag nachmittag zum Thema “Presse und Politik – Geht der öffentlichen Kommunikation das Publikum verloren?”.

Dort fragte Moderator Hajo Schumacher den Chefredakteur der “Kölnischen Rundschau”, Jost Springensguth, ob er denn all die Bürgerreporter mit den Handys haben wolle? Und der druckste kurz und sagte dann, fast erleichtert, “Na ja, im Prinzip eigentlich nicht.” Das war so ehrlich, dass der ganze Saal erleichtert auflachte.

Im gleichen Panel sagte übrigens auch “Tagesspiegel Online”-Chefin Mercedes Bunz, dass sie Titelseiten von Zeitungen wegen ihrer ordnenden Funktion mag und deswegen durchaus findet, das Nachrichten dort ihren Platz haben. Was wieder einmal zeigt: Leute, die wirklich wissen, was “Synergie” bedeutet, brauchen keine falschen Antagonismen aufzubauen.

Worte zum Wochenende

Goodness knows, I’m not one to complain, and I’m sure you’re not the sort to, either, but aren’t you growing just a bit tired of reading about the demise of newspapers — in the papers themselves?

Graydon Carter, Vanity Fair
// The Paper Chase
(via Medienlese)

Nicht der Journalismus, die Verlage bewegen sich in einer Todesspirale. Ohne Umsteuern werden die meisten großen Medienhäuser die kommenden Jahre nicht überleben.

Torsten Meise, agorazein
// 10 Sätze zur Zukunft des Journalismus
(via Medienlese)

[T]here must be a legion of Twitterers out there who sign up, tweet once, and never return.

John Swansburg and Jeremy Singer-Vine, Slate
// Orphaned Tweets

Die Tageszeitungen machen meiner Meinung nach jetzt schon keinen Sinn mehr, weil auf den ersten zwei, drei Seiten nur Nachrichten stehen – das ist völliger Schwachsinn! Ich kenne auch niemanden, der das in Wahrheit für klug hält. Doch die Leute, die das machen, können sich offenbar nicht davon lösen. Weil sie auch kein anderes Konzept haben.

Jakob Augstein, im Interview mit der Frankfurter Rundschau
// “Das Netz hat gewonnen”

Die Empörung der Wissenden (was: Die Empörung der Unwissenden IV)

Vorabankündigung: Meine vollständiges Fazit über die Debatte um “Erwachsen auf Probe” kann man ab Samstag in der neuen Ausgabe von epd medien lesen (evtl auch online).

Bis dahin sei die Debatte im Fernsehblog empfohlen, in der ich mich auch nicht zurückhalten konnte.

De Senectute

Im Jahr 2003 wurde der Begriff “Das alte Europa” in Deutschland Wort des Jahres. Wie der Wikipedia-Eintrag zum Thema hilfreich aufschlüsselt, geht der Begriff in seiner damaligen Konnotation auf eine Äußerung von Donald Rumsfeld, damals US-Verteidigungsminister, zurück, der am 22. Januar 2003 auf einen Kommentar eines Journalisten, nach dem in den traditionellen europäischen Verbündeten der USA (Frankreich, Großbritannien, Deutschland) mehr als 70 Prozent der Bevölkerung gegen den Irakkrieg seien, antwortete:

You’re thinking of Europe as Germany and France. I don’t. I think that’s old Europe.

Altes Europa, im Sinne also von: Ein Europa, das rückwärts gewandt ist, das die scheinbar zukunftsweisende Politik der USA nicht unterstützen will. Ein Europa auch, das nicht mehr so wichtig ist, wie früher. Das neue Europa hat mehr zu bieten als die Kulturklötze Deutschland und Frankreich, beispielsweise ehemalige Ostblockstaaten wie Polen, die den Krieg der Amerikaner unterstützten.

Wie die Wikipedia weiter schreibt, und wie ich es auch in Erinnerung habe,

entwickelte sich das alte Europa [in Deutschland] zu einem geflügelten Wort, das teilweise auch mit Stolz und dem Hinweis auf eine vorgeblich moralisch integere Position gebraucht wird. Zudem dient es auch zur Unterscheidung der westeuropäischen Länder von den mittelosteuropäischen Ländern, die aus verschiedenen Erwägungen heraus den Kriegskurs der USA mehr oder weniger stark unterstützten. Kritiker sehen in dieser Haltung den Ausdruck einer gewissen Arroganz gegenüber den Staaten Ost- und Mittelosteuropas.

So weit, so gut. Das ist jetzt ja auch schon sechs Jahre her. Der Begriff jedoch lebt weiter, in persönlicher Unterhaltung genau so wie in den Medien. Eine Google News-Suche ergibt 19 Treffer, allein zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Blogeintrags.

Wie mir heute aber erstmals deutlich in einem Perlentaucher-Beitrag bewusst wurde, scheint sich die Abgrenzung des Begriffs etwas verändert zu haben. Er bezieht sich nach wie vor ironisch und ein wenig trotzig auf die damaligen Oppositionsparteien, die Allianz der Grande Nation und des Landes der Dichter und Denker, allerdings kaum noch in Abgrenzung zum tatsächlich “neuen Europa” (im Sinne jener Staaten, die erst nach Fall des Eisernen Vorhangs plötzlich wieder als europäische Staaten in Erscheinung traten und auch die neuesten Mitglieder der EU sind), sondern stattdessen in Abgrenzung zu den USA (bzw. den USA und Großbritannien).

So schreibt also Thierry Chervel:

In den USA wird das Netz bei allen Problemen – etwa dem Zeitungssterben – als Reich einer neuen Freiheit begrüßt. Im alten Europa ist es das Reich des Bösen.

“Und im neuen Europa?” möchte man fragen. Auch in diesem Artikel tritt “das Alte Europa gegen die Neue Welt an”. Und hier schickt ein ursprünglich amerikanisches Kreuzfahrt-Unternehmen seine Schiffe nun auch “ins ‘alte Europa'”.

Auch in seinem ursprünglichen Kontext wird der Begriff noch oft genug gebraucht, aber diese Verwendung ist doch interessant genug. Das alte Europa ist hier also nicht mehr nur das altehrwürdige Europa, dass sich im Gegensatz zu den neureichen uppity-Staaten wenigstens auf seine moralische Integrität berufen kann und es nicht nötig hat, sich bei den Amerikanern anzubiedern. Es ist vielmehr auch das “gute alte Europa” (so wie die Briten ihr Land gerne Old Blighty nennen), das vielleicht von den fortschrittlichen Amerikanern längst abgehängt wurde, aber dafür “Staatengemeinschaft der Herzen” ist, oder so. Seine rückschrittliche Attitüde wird jedenfalls eher milde betrachtet. Wer will, der kann ja in die Neue Welt gehen, wir bleiben in unserem alten Europa. Wir müssen ihm gar kein neues Europa gegenüberstellen. Es gibt eh nur eins, und das ist nunmal alt.

Baby Borrowers

Inzwischen wurde “Erwachsen auf Probe” der Presse und den Kritikern gezeigt. Die Reaktionen in den Feuilletons fallen gemischt aus, alle sind sich einigermaßen einig, dass Fernsehmacher und besorgte Kritiker nicht die gleiche Sprache sprechen.

Wer mal einen Eindruck davon bekommen will, wie die Serie gedreht wurde, wird auf den Seiten der BBC fündig. Die haben die ganze Diskussion schon hinter sich und zeigen inzwischen schon Baby Borrowers on Holiday. Der Beitrag zeigt ein recht interessantes “Behind The Scenes”.

Kurz gefragt

Wenn die Tabloid-Zeitung “Welt Kompakt” expandiert, wird sie dann einfach wieder die normale Welt?

Laut Ulrike Handel, Verlagsgeschäftsführerin der “Welt”/”Berliner Morgenpost”-Gruppe, habe der Titel, der nächste Woche sein fünfjähriges Bestehen feiert, noch einiges Wachstumspotenzial. (horizont.net)

(Eine Frage zu Welt Kompakt plant Expansion und “Welt Kompakt” will expandieren)

Die Empörung der Unwissenden III

Mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu verfolge ich nach wie vor die Debatte um die geplante RTL-Doku-Soap “Erwachsen auf Probe”. Immer mehr Leute melden sich zu Wort, die – ich kann es nicht oft genug sagen – noch keine Sekunde der Sendung gesehen haben und sich auch hartnäckig bemühen, alle RTL-Statements zu ignorieren. Die ZAK, Aufsichtskommission der Landesmedienanstalten, hat gestern eingegriffen und allen, die nach Verbot schreien, einen Dämpfer verpasst: Wer etwas vorher verbieten will (ohne dass tatsächlich geltendes Recht verletzt wurde) betreibt Zensur. Am Freitag will RTL eine Folge der Serie seinen Kritikern zeigen – und hinterher mit ihnen diskutieren. Man darf gespannt sein.

Alle weiteren Reaktionen finden sich zusammengefasst online in meiner gestrigen epd-Medien-Meldung.