Bessere Kommunikation beginnt mit besseren Schildern

Das Netz ist voll mit Seiten, in denen voller Häme über die kleinen Fehler der Schilderwelt gespottet wird. Falsch gesetzte Apostrophen an Kiosk’s. Der falsche Gebrauch von Gänsefüßchen zur “Betonung” von Begriffen. Es ist ziemlich einfach, sich auf diese Weise überlegen zu fühlen. Meiner Meinung nach stürzt man sich damit aber auf die Spatzen der Schilderkultur, während die wahren Raubvögel, die uns wertvolle Lebenszeit rauben, davon kommen.

Das obige Schild habe ich vor einigen Monaten am Frankfurter Flughafen fotografiert. Ich war in Eile, deswegen ist das Foto unscharf, aber es ist das perfekte Beispiel dafür, was man alles auf einem Schild falsch machen kann. Es fängt bei der Benutzung von Fachausdrücken (“Lining”, “Bodenhülsen”) an, geht bei der Erfindung von Wörtern weiter (“Treppenbauwerk”, tatsächlich haben wohl die Architekten das Wort erfunden) und endet bei der Formulierung des Satzes in dieser merkwürdigen Verbform, die keiner auf Anhieb benennen kann. Unter meinen gut studierten Freunden, die ich auf Facebook um Rat gefragt habe, reichten die Vorschläge von Infinitiv-Imperativ über Prädikatives Gerundivum bis zu “erweiterter Infinitiv im Präsens Passiv”. Letzteres ist wahrscheinlich am korrektesten, ersteres dafür am passendsten.

Mein Punkt ist: Der erste Satz lautet “Wir bitten um Beachtung”, aber was zur Hölle soll ich hier eigentlich beachten? Die Verbform vermeidet es, mich direkt anzusprechen, und die Begriffe sind so merkwürdig, dass ich eine Weile brauche, um überhaupt zu verstehen worum es geht. Wahrscheinlich richtet sich das Schild gar nicht an mich, sondern an Arbeitskräfte am Flughafen, die gefälligst die Pfosten da lassen sollen, wo sie sind, aber das ist auch nicht daraus ersichtlich. Kurz: Es ist ein richtig schlechtes Schild.

Ein Fall von Nerdview

Der Linguist Geoffrey K. Pullum hat für die Praxis, Hinweise aus Sicht der Fachleute zu schreiben, statt sie so zu verfassen, dass sie den Menschen am anderen Ende der Kommunikation tatsächlich etwas nutzen, den Begriff Nerdview geprägt, den er zwar selbst nicht ideal findet, den ich aber trotzdem verwenden werden. Nerdview war lange Zeit Usus bei vielen Dingen, von Bedienungsanleitungen bis zu Webformularen. Wann immer man es mit staatlicher Bürokratie zu tun hat, ist es nach meiner Erfahrung immer noch normal. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, meine Steuererklärungsformulare auszufüllen ohne ein Programm, das mir erklärt, was die einzelnen Felder bedeuten. Und Nerdview kann subtile Formen annehmen, wie Pullum erklärt. Aber immer führt es zu Missverständnissen.

Doch Nerdview ist nur ein Teil der Erklärung für schlechte Schilder. Genauso wichtig ist nach meiner küchenpsychologischen Meinung die Angst der Menschen davor, von anderen für dumm gehalten zu werden, wenn sie einfach genau sagen, worum es geht. Schilder sind etwas Offizielles mit großem O und daraus entsteht der Trugschluss, dass sie besser sind, je mehr große Wörter benutzt werden und je umständlicher und indirekter sie formuliert sind. Wo kämen wir hin, wenn wir Menschen direkt ansprechen und zugeben würden, dass wir der Absender einer Bitte oder Anweisung sind?

Stattdessen entstehen solche Schilder, wie im Hausflur meines Hauses.

“Die Wartung ist jährlich durchführen zu lassen” – ich kann nicht einmal sagen, ob das grammatikalisch hundert Prozent Sinn ergibt. Und ich weiß nicht, warum meine Vermieterin nicht einfach schreibt “Bitte lassen Sie Ihre Thermen einmal im Jahr warten” oder “Sie müssen Ihre Thermen einmal im Jahr warten lassen”.

Ein letztes Beispiel noch, an dem George Orwell wahrscheinlich seine helle Freude gehabt hätte. Die Post hatte nicht umsonst lange den dazugehörigen Ruf.

Die Nutzererfahrung

Aus meinen Ausführungen spricht die Überzeugung, die man ja nicht teilen muss, dass Sprache Bewusstsein prägt. Also: Wie wir etwas sagen, beeinflusst mindestens langfristig auch, wie wir zu einem Thema denken. Was einer der Gründe ist, warum ich zum Beispiel für das so unbeliebte und oft verlachte Gender Mainstreaming bin. Dieses Fass will ich hier aber heute gar nicht aufmachen.

Vielmehr ist es so, dass man ja heute zum Glück auch durch Daten nachweisen kann, dass manche Formulierungen bei Hinweisen oder Ge- und Verboten einfach besser funktionieren als andere. Ein Schild wie das am Rückgabeschlitz der Post für falsch eingelegte Sendungen im eigenen Postfach würde ein Experte für “User Experience” (UX), wie ihn heute jede App und Webseite konsultiert, schlicht nicht akzeptieren. Und vermutlich hätte er auch die Zahlen dazu.

Welche Unterschiede Formulierungen machen können, hat der Podcast Radiolab vor einiger Zeit in seiner Folge “The Trust Engineers” deutlich gemacht. Leute, die bei Facebook für Wordings (schlimmer neudeutscher Ausdruck, ich weiß) zuständig sind, teilen darin ihre Erkenntnisse über die Art und Weise, wie man jemand bitten kann, ein ungeliebtes Foto zu entfernen, auf dem man selbst zu sehen ist. “Hey Robert, I don’t like this photo, take it down” führt zu sieben Prozent mehr tatsächlicher Fotoentfernung als eine Ansprache ohne Name. Und “Hey Robert, I don’t like this photo, please take it down” funktioniert noch einmal vier Prozent besser. Wer eine halbe Stunde Zeit hat, sollte den Podcast hören, er fängt mit Wordings an und endet an einem deutlich düstereren Ort.

Auch der Sender fühlt sich besser

In meinem Brotjob habe ich im vergangenen Jahr auch viel an Formulierungen in Webformularen und E-Mails gearbeitet. Und auch wenn ich keine A/B-Testdaten habe, kann ich dennoch sagen, dass eine freundliche, persönliche aber direkte Formulierung sich auch vonseiten des Senders besser anfühlt. Im Zweifelsfall sorgt man damit mindestens dafür, dass mehr Personen verstehen, worum es überhaupt geht.

Wir sollten uns das merken für die Schilder, die wir aufhängen. Weg von indirekten Formulierungen, weg von Nerdspeak und weg vom Verstecken hinter wichtig klingenden Wörtern, die den wahren Zweck eines Schildes nur verschleiern. Ich glaube fest daran, dass bessere Schilder einen ersten Schritt in Richtung besserer Kommunikation allgemein bedeuten können.

Und übrigens muss man kein gelernter UXer, Texter oder sonstwie täglich mit Wörtern umgehender Mensch sein, um verständliche, klare Schilder zu gestalten. Dieses Schild zum Beispiel, was ich am Wochenende in unserer Straße fotografiert habe, fand ich fast perfekt. Man hätte noch spezifizieren können, welcher Hundekot genau gemeint ist, nämlich der hier hinterlassene (und das Bild entspricht weder dem Text noch ist es lizensiert) – aber da hätte auch stehen können “Wir bitten um Beachtung! Die Exkremente vierbeiniger User dieses Straßenbauwerks sind zu entfernen und nicht liegenzulassen.” Es geht voran.

Über Renommee

Award Ceremony

Mein täglicher Job abseits des Blogs besteht ja zum Teil auch aus dem Schreiben und Redigieren von Pressetexten. Aus dieser Erfahrung heraus enstand vorgestern dieser Tweet:

Für den ich von Ekkehard Knörer hart ins Gericht genommen wurde.

Sicher nicht geholfen hatte, dass ich im ursprünglichen Tweet das Wort “renommiert” falsch geschrieben hatte. Ich habe Ekkehard in zwei weiteren Tweets versucht zu erklären, was ich meinte (darauf hat er leider nicht mehr reagiert), aber ich dachte, ich schreibe sicherheitshalber auch hier noch einmal etwas dazu.

Hinter dem Ganzen steckt ein grundsätzlicher Gedanke, den vielleicht nicht alle Menschen teilen. Da ich ursprünglich Journalist bin, und – obwohl ich teilweise Aufgaben übernommen habe, die klar der PR zuzurechnen sind – mich auch immer noch so sehe, bin ich der Meinung, dass gute Pressemeldungen so formuliert sein sollten, dass sie Journalisten so gut wie möglich dienen. Extralative des Grauens nutzen niemandem außer dem Ego der Autoren – kein Journalist wird sie ernst nehmen und erst recht nicht für seinen Text übernehmen. Viel sinnvoller (und perfider natürlich und deswegen mitten im Herz der Krise des Agenturtexte-Übernehm-Journalismus) ist es, Pressetexte so zu formulieren, dass sie stimmen und gut klingen, aber trotzdem natürlich genau den Spin tragen, den man vermitteln möchte.

Tiere quälende Nazis

Vielleicht ist es nur mein Training als Nachrichtenjournalist beim epd, aber dort galt das Attribut “renommiert” als verpönt, weil es an und für sich nichts aussagt. Jeder kann behaupten, dass jemand renommiert ist. Und selbst wenn es stimmt, dass jemand renommiert ist, weiß ich immer noch nicht bei wem oder wofür er oder sie renommiert ist. Die Person könnte für seine Fähigkeit, Tiere zu quälen, renommiert sein, oder bei Nazis. Letzteres ist nicht einmal weit hergeholt, da gerade Bevölkerungsgruppen, die allgemein als gesellschaftlich verurteilenswert gelten, gerne unschuldig aussehende Preise verleihen, um unbedarfte Fachleute in ihren eigenen Kontext zu stellen.

Eine Formulierung wie “der renommierte Regisseur Klaus Klopstock” enthält aber noch etwas anderes, und zwar ein implizites Hinabblicken des Autoren auf seine Leserschaft. Das ist es auch, was ich im ursprünglichen Tweet ausdrücken wollte – und vielleicht ist es auch ein markantes Merkmal im deutschen Feuilletonsjournalismus generell. Wenn ich einer Person nebenbei das Attribut “renommiert” verpasse, spalte ich damit meine Lesenden in zwei Lager. Diejenigen, die wissen, wovon ich rede, und sich dadurch gemeinsam mit mir auch als “Wissende” fühlen können. Und diejenigen, die nicht wussten, dass Klaus Klopstock renommiert ist, und sich durch meine Formulierung also automatisch dümmer fühlen als ich. Da ich Journalismus immer als Dienst am Lesenden begreife, ist also wieder nichts gewonnen. Außer der Förderung von Elitengefühl.

Der berühmte Goethe

Aus meinem Bekanntenkreis ist mir mal die Geschichte eines Brautvaters zugetragen worden, der in seiner Hochzeitsrede (wie wir alle) literarisch gebildet erscheinen wollte, und ihr deswegen das obligatorische Goethe-Zitat voranstellte. Dummerweise leitete er es mit den Worten ein “Wie der berühmte Goethe sagte …”. Darin offenbart sich die umgekehrte Gefahr einer solchen Formulierung: Wenn sowieso jeder weiß, dass eine Person namhaft ist, brauche ich es nicht extra zu erwähnen. Sonst sehe ich nämlich aus wie der Gimpel, der auf sein eigenes besonderes Elitenwissen hinweisen will, das alle anderen als selbstverständlich empfinden.

Renommee sollte also entweder für sich selbst sprechen, oder ich kann es konkreter machen. Eine Möglichkeit wäre, einen Preis zu nennen, den Klaus Klopstock gewonnen hat. Natürlich gibt es auch den immer wieder dummen Fall, gerade in der Filmwelt, aber natürlich auch in der Wissenschaft, dass jemand tatsächlich seit langem in seinem Fachgebiet renommiert ist, aber bei Preisverleihungen immer übersehen wurde. Selbst dann hilft es, wenn man einfach ein paar Informationen hinzufügt. Statt “Der renommierte Regisseur Klaus Klopstock” zum Beispiel “Der für seine realistische Darstellung niederrheinischer Kugelschreiberfarmen renommierte Regisseur Klaus Klopstock”. So nimmt auch der Leser, der, warum auch immer, Klaus Klopstock noch nicht kannte, etwas mit nach Hause, woran er noch lange Freude hat. Und so hat man auch als PR-Mensch ausnahmsweise etwas Gutes in der Welt getan.

(Bildquelle)

Mitleid und Kalauer-Analyse: Die Trailer für “Wolkig mit Fleischbällchen 2”

Sony Pictures

Man kann sicher geteilter Meinung darüber sein, ob es überhaupt einen Film Cloudy with a Chance of Meatballs 2 geben sollte. Ich fand den Ursprungsfilm ziemlich gut, hatte aber auch den Eindruck, dass die Geschichte am Ende des Films auch zuende erzählt war. Dass in Teil zwei zum erzählereisch wenig überzeugenden Mittel gegriffen wird, dass die Helden wegfahren müssen, um irgendwas zu machen, und dann zurückkehren, bestätigt diese Einschätzung. Auch hätte ich mir einen etwas kreativeren Titel gewünscht, eine Variation des ersten Titels, etwa “Heiter mit Aussicht auf Quarkkuchen” oder so. Aber egal, immerhin scheinen sie im neuen Film wirklich in den vollen Gaga-Modus geschaltet zu haben.

Deswegen bin ich aber nicht hier, ich wollte stattdessen mal einen Blick auf den ersten Trailer für den neuen Film werfen, der diese Woche im Netz gelandet ist. Und vor allem auf die deutsche Übersetzung. Denn der Englische Trailer setzt radikal und bis zum Abwinken auf puns für seinen Humor. Und jedem Übersetzenden dürften sich dabei die Zehennägel aufgerollt haben.

Puns sind im englischsprachigen Raum ja doch ein bisschen so etwas wie eine Kunstform. Der Kalauer ist hingegen in Deutschland nicht so hoch angesehen – obwohl es auch hier Könige gibt, wie Willy Astor und das Postillon-Kollektiv. Ich liebe Wortakrobatik gepaart mit dummen Witzen, aber die Menschen, die das ganze übersetzen müssen (noch dazu mit mächtig Zeitdruck) können einem wirklich leid tun.

Hier ist der deutsche Trailer:

Haben die Damen und Herren, die hier am Werk waren, einen guten Job gemacht? Weil ich manchmal einn Hang zu sinnlosen Unterfangen habe, dachte ich, ich vergleiche mal die Original-Pointen mit den deutschen. Los geht’s.

Englisch: Are those Shrimpanzees?
Deutsch: Sind das Shrimpansen?

Wir steigen einfach ein. Zum Glück sind sowohl “Shrimp” als auch “Schimpanse” relativ sprachneutrale Wörter.

Englisch: Look, Mosquitoast!
Deutsch: Guck mal, Moskitoasts!

Auch “Moskito” und “Toast” sind Lehnwörter, wie praktisch. Der “Butterfly”-Witz, der im Bild noch versteckt ist, geht allerdings verloren. Und ist der Frosch der “Butter” sagt (aus dem deutschen Trailer rausgeschnitten) vieleicht auch eine Anspielung auf die alten Budweiser-Werbespots?

Englisch: Those are some tasty-looking Jellyfish!
Deutsch: Die Quallwiche sehen aber lecker aus.

Jetzt wird es schon schwerer. Um den englischen Witz zu verstehen, muss man nicht nur wissen, dass Quallen auch in unserer Welt “Jellyfish” heißen (eine Art Beschreibung ihres Äußeren), sondern auch dass “Peanut Butter and Jelly”-Sandwiches (auch “PB&J” genannt) ein typisches amerikanisches Kinderessen sind. “Quallwiche” gibt es nicht, aber das Sandwich-Element wird gerettet und es beschreibt die Viecher ganz gut. Sähen sie auch nur etwas weniger nach Sandwiches aus, hätte man sie wahrscheinlich einfach “Fischbrötchen” nennen können. Ich glaube hier gibt es noch Möglichkeiten.

Englisch: Tacodile supreme!
Deutsch: Tacodil supreme!

Noch einmal einfach. Zum Glück klingen Krokodile fast überall gleich. Auch wenn “Crocodile” im amerikanischen Englisch “Krahkodail” ausgesprochen wird, und damit an “Taco” natürlich näher dran ist als “Kroko”.

Englisch: It’s no picnic saving the world!
Deutsch: Die Welt retten ist kein Zuckerschlecken!

Diese Tafel wurde der Einfachheit halber durch einen Offtext ersetzt (die Zeit muss wirklich knapp gewesen sein). Gut gelöst! Meine Alternativ-Vorschläge: “Das Leben ist kein Geflügelhof”, “Das wird nicht light” oder irgendwas mit Diäten erhöhen.

Englisch: There’s a leek in the boat!
Deutsch: Das Boot laucht!

Der Höhepunkt des Trailers schifft (höhö) im Deutschen leider völlig ab. Blöd, dass “Lauch” und “Leck” (leak) im Deutschen keine Homonyme sind. Wenn man einen Kalauer machen will, muss man sich also für ein Wort entscheiden und von dort aus assoziieren. “Alles auf Lauchstation” zum Beispiel oder “Leck mich am Stengel!”. Ad hoc fällt mir natürlich auch nichts gutes ein, aber ich spüre, dass es einen Ausweg gibt. Warten wir mal den Zusammenhang im Film ab. “Das Boot laucht” ist zumindest so grundbescheuert, dass es schon irgendwie wieder lustig ist.

Englisch: Breakfast bog, food animal jungle, big rock candy mountain
Deutsch: Frühstückssumpf, Fresstierdschungel, Zuckergussgebirge

Die ersten beiden sind eigentlich keine Kalauer. “Fresstierdschungel” klingt fast besser als “Food animal jungle”. Die “Big Rock Candy Mountains” sind das englische Äquivalent zum Schlaraffenland, das geht natürlich verloren. Aber für’s erste okay.

English: Piece of cake!
Deutsch: Pustekuchen!

Großartig! “Pustekuchen” bedeutet zwar “Blödsinn” und nicht “Total einfach”, aber beides hat etwas von Abwinken und so fällt das gar nicht auf und der Kuchen ist gerechtfertigt. Respekt!

Englisch: We can call him “Berry”.
Deutsch: Oh, wie süß!

Witz einfach geschluckt. Man hätte einen “Beertram” draus machen können.

Alles in allem eigentlich eine solide Leistung. Es bleibt abzuwarten, ob der ganze Film so kalauerig ist (na dann, Mahlzeit!), oder ob sich das Ganze in Grenzen hält und nur für den Trailer thematisch zusamengezogen wurde. Ich denke, die Übersetzenden haben sich das gleiche gedacht. Ich werde die Augen offenhalten.

Ihr Blutbad ist angerichtet, Sir

Immer wieder fallen mir in der eingeschliffenen deutschen Journalistensprache Redewendungen auf, bei denen ich mir ein Stirnrunzeln nicht verkneifen kann. Gestern war es das Wort “Blutbad” in der Berichterstattung über die grausamen Morde an der Zivilbevölkerung in Syrien.

Ich habe noch nie zuvor die Gelegenheit genutzt, mich mit dem Wortfeld Massenmord etwas genauer auseinanderzusetzen, also habe ich das kurz getan. Die engste Assoziation, die wir Menschen zu massenhafter Tötung anderer Lebewesen haben, scheint das Schlachten zu sein. Also kommen die meisten Begriffe zur Beschreibung massenhafter und wahlloser Morde aus diesem Bereich: “Massaker” stammt (laut Wikipedia) vom altfranzösischen maçacre, „Schlachthaus“; auch “metzeln” ist ein mittelhochdeutscher Begriff für “schlachten”. Irgendwie nachvollziehbar, und zumindest ist bei dem Wort “Massaker” inzwischen jeder Bezug zu seinem Ursprung verschwunden.

Warum aber “Blutbad”? Was erscheint sinnvoll oder wünschenswert an dem sprachlichen Bild, dass die Morde so zahlreich waren, dass jemand – wenn er nur wollte – im Blut der Opfer hätte baden können? Noch schlimmer, Formulierungen wie “das Assad-Regime [hat] in der syrischen Provinz Homs ein furchtbares Blutbad an Zivilisten angerichtet” legen nahe, dass die Massenmorde exakt zu diesem Zweck verübt wurden.

Das Wort ist keine Erfindung der deutschen Sensationspresse, es ist alt (biblisch gar), existiert quasi in allen Sprachen und hat überall auch nur diese Bedeutung: großes Vergießen von Menschenblut durch Mord. Vielleicht hat das Wort mit der zweiten Bedeutung von baden zu tun, “zu viel von etwas haben”. Wahrscheinlich ist es aber auch nur eine uralte poetische Umschreibung einer grausamen Situation, die im Laufe der Jahrhunderte ihre wörtliche Bedeutung eingebüßt hat – wie es bei vielen anderen Wörtern auch der Fall ist.

Trotzdem würde ich in letzterem Fall dafür plädieren, das Wort in Presseberichten über Massenmorde nicht weiter zu verwenden, auch wenn man damit ein Synonym verliert. Das Wort mag so in den Sprachgebrauch übergegangen sein, dass außer Menschen mit einer so bildlichen Vorstellung wie mir, niemand mehr dabei an ein tatsächliches Bad in Blut denkt. Den Opfern gegenüber ist es trotzdem respektlos, ihr Leid durch einen so geschmackloses Sprachbild zu trivialisieren. Und es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie der routinierte Journalismus sprachliche Klarheit gerne mal zugunsten von wohlkingenden Bildern hinter sich lässt.

Dass es übrigens auch ohne Blutbad geht, zeigt etwa der Artikel auf tagesschau.de, was nicht heißt, dass die ARD vor dem Gebrauch gefeit ist.

Why Bilingual Blogging Sucks

bi-linguality

Image: Kuli, CC0

This is a rant. And a whiny one at that. With the internet so free and international as it is, there is one problem it hasn’t solved: the language barrier. Sure, computer translators like Google Translate do an okay job at translating the gist of foreign websites, but they will never give you the real experience of reading something in a language you actually understand. They still produce too much gibberish for someone to actually enjoy an article written by someone in a language that’s foreign to the reader.

Which puts people like me in a strange predicament: What language should I use for publishing on the internet?

I can only work from my own example here, because I have not heard anyone else complain about the topic so far, but I am sure there must be others that feel the same way. Having studied the language in college and spending some time abroad, I think that I speak and write English well enough for others to understand me and for me to be able to express even slightly complex thoughts in it. Since English is the language understood by most people around the world, the logical conclusion should be to keep my writings in English. This way, I will reach more people, right?

However, my native language is German, and I know that not only can I express myself better in German, I also have a different style in each language. When I write in English, I can also never be absolutely sure that what I am writing sounds “natural” and not like a foreigner who is trying to impress native speakers with his English. (I recall giving one of my essay papers for proofreading to my English flatmate in Edinburgh. He started reading it and then stopped, unnerved. “I don’t know what to say”, he said, “nothing you wrote is actually wrong, but it just doesn’t feel like something a native speaker would write.”)

While I have been writing mostly about films recently, I started this blog while I was still working full-time as a media journalist. And there’s a lot of topics where I just doesn’t make sense to write in English, because they concern the German media landscape or debates going on in the German blogosphere which concerns itself a lot with developments in media and the internet (and not much else).

Okay, you might say, write in German, then. Do what you do best, link to the rest.

Really? But Germany has no real movieblogging scene to speak of. Most of the people blogging about movies in Germany either just review what they last watched, link to the newest trailers or translate news from English movieblogs. Almost no one in Germany just writes about the stuff that interests them in that half-academic, half-nerdy way that is so popular (and often so good) on British and American blogs. Why would I want to alienate these people that I admire and miss the opportunity to enter into a dialogue with them. “Great post, here’s my thoughts on the topic translated into English by Google. Nevermind that most of it doesn’t make any sense this way.”

Right, then. Blog in both English and German, depending on the topic.

That’s what I am doing at the moment. Stuff that concerns only Germany, I write in German. Everything else, I write in English (although sometimes, I wish I could just write it in German because it’s so much less of an effort [told you, I’d be whining]). I’ve also switched my Twitter account to be (almost) exclusively English, because most of the people I follow speak English.

This solution, however, is adequate at best, neither fish nor fowl at its worst. If what you read is true, a personal Internet “brand” is at its strongest when it is at its most recognizable. Bilinguality does not help. If I was a reader of, say, a blog written by a Spaniard, I would regret every post she writes in Spanish, because I don’t understand Spanish. On Twitter, there is some German topics I would really like to write about sometimes, but I would feel silly writing them in English (especially when replying to a German tweet) and I don’t want to “break character” by writing in German.

The only “real” solution, I guess, would be to split my online persona, have an English blog and a German blog, an English Twitter and a German Twitter. But with my output as irregular as it is, I feel it would be very stupid to not put everything in one place. I could also code this blog into parallel sites in English and German, but with only 25 hits a day, I don’t think it would be worth the effort. And it still wouldn’t solve the Twitter problem, because unlike Facebook or Google+, Twitter doesn’t allow you to sort your followers into groups or circles and broadcast only to some of them.

Whichever way you look at it, one thing or another always looks askew. I have no solution. Which is probably why I am so frustrated. If you have a solution, or a comment, please post it in the comments. In any language you choose.

Auf der Datenautobahn

Blogger sein ist ja mehr so meine Superhelden-Identität. Im Hauptberuf bin ich derzeit Internetredakteur für den 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. In dieser Funktion wurde ich gestern in einem Artikel von dpa, den die “Dresdner Neuesten Nachrichten” in ihr Online-Angebot übernahmen erwähnt. Dort heißt es:

Je näher der Kirchentag rückt, umso präsenter wird er auch in der Öffentlichkeit. „Das deutsche und internationale Interesse wächst“, sagt [Pressereferent Hubertus] Grass. Dies zeige sich auch im Internet . „Mehr als 2300 Freunde bei Facebook , fast 500 Follower bei Twitter und zahlreiche Freunde bei VZ “, zeigt Alexander Gajic (27) auf den großen Bildschirm auf seinem Schreibtisch. Dafür zwitschert und bloggt der „Mann auf der Datenautobahn“.

Als ich diese Titulierung meines Berufs las, musste ich doch deutlich schlucken. “Datenautobahn” – dass man diesen Begriff im heutigen Zeitalter als Journalist noch ungestraft verwenden darf, verwunderte mich doch sehr.

Selbst der dazugehörige Wikipedia-Eintrag führt auf, dass der Begriff immer schon, auch in den 1990ern, als er geprägt wurde, als “falsche Metapher” kritisiert wurde, weil er Ordnung statt Freiheit suggerierte. Inzwischen aber könnte doch das Bild des Internets als “Autobahn” gar nicht mehr falscher sein. In einer Zeit, in der das Netz so groß geworden ist, dass man sich kaum einigen kann, wie man es quantifizieren soll, lässt mich das Wort Datenautobahn eigentlich nur noch an Neal Stephensons frühe Vision des “Metaverse” als kreisförmige Straße mit Gebäuden am Straßenrand in Snow Crash denken.

Ich finde, dass hier immer wieder klar wird, dass der gesamte Ursprungsgeist des World Wide Web im Hypertext – eine kaum überschaubare Anzahl von einzelnen Elementen, die unendlich verstrickt sind, weil sie beliebig aufeinander verweisen können und bei denen der Weg von A nach B immer nur einen Link-Klick entfernt ist – bei ziemlich vielen Menschen immer noch nicht angekommen ist. Schade eigentlich.

Sprachpuristen. China rückt englischen Abkürzungen zu Leibe

Man stelle sich vor, die deutsche Regierung wollte ein Zeichen in Sachen Sprachpflege setzen (vielleicht um den in diesem Feld versierteren Franzosen eins auszuwischen) und verböte den Gebrauch von fremdsprachigen Ausdrücken und Sätzen in sämtlichen aus Deutschland stammenden Funkübertragungen. Abgesehen von einigen wenigen angenehmen Effekten ? Goodbye “We love to entertain you” und “It's fun” – hätte ein solcher Schritt auch einige fatale Folgen. So müsste der deutsche Staatsrundfunk, die Deutsche Welle, zwangsläufig 29 von 30 Sprachangeboten einstampfen und hätte es vermutlich fortan wesentlich schwerer, deutsche Werte und Ideale in den Rest der Welt zu tragen.

Was in diesem überzogenen Beispiel notwendigerweise wie eine Mischung aus Paranoiavision und Schildbürgerstreich klingt, wird in reduzierter Form in China gerade in die Tat umgesetzt. Weiterlesen …

erschienen in epd medien 35/2010
Und hier ist der virtuelle Shout-Out ans Language Log

Worte zur Wochenmitte

Zwei Funktionen von Journalismus kommen im Netz zu kurz. Internetpublizistik ist vom Prinzip her lustgetrieben: Wer Spaß hat, über ein Thema zu schreiben, tut das, wenn er keine Lust mehr hat, hört er auf. Und wenn gerade andere Dinge wichtiger sind, sind andere Dinge eben wichtiger. Was dem professionellen Journalismus deshalb ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen könnte, sind Recherchen, die lästig sind, die lange dauern, die Geld kosten und Nerven – also mehr als nur erste Gedanken. Ein zweites Alleinstellungsmerkmal wäre die absolut verlässliche Unabhängigkeit der Informationen. Denn auch da hat das Netz Schwächen.

Eva-Maria Schnurr , der Freitag
// Wie der Blauflossenthunfisch

[I]t is claimed that the directive to ban English acronyms was actually issued by the almighty State Administration of Radio, Film, and Television. The supreme irony is that this powerful agency of the PRC (!) government is known everywhere as SARFT! That’s certainly a lot easier to write than 国家广播电影电视总局 Guójiā Guǎngbō Diànyǐng Diànshì Zǒngjú!

Victor Mair , Language Log
// A Ban on Roman Letter Acronyms?

We’re not going to pay you for fixing our sink – but we will tell our neighbors what a great job you did

Tom Tomorrow , This Modern World
// If real life were more like the Internet
[via The Film Doctor]

It’s not hard to imagine a near future when a movie opens simultaneously on the global market to satisfy its most devoted public before moving in a very few weeks to DVD, VOD, iTunes, and other digital platforms. It then snuggles into hundreds of thousands of hard drives around the world, ready to be awakened when somebody feels the urge to watch. These seem to be the two poles we’re moving toward: the brief big-screen shotgun blast, and the limbo of everlasting virtual access. You can argue that the very success of home video, cable, and the internet have irredeemably cheapened our sense of a movie’s identity.

David Bordwell , Observations on film art
// Festival as repertory

Drei Bemerkungen zu Alice in Wonderland

Der Film ist schon eine Weile in den Kinos dieser Welt und es ist inzwischen auch schon drei Wochen her, dass ich ihn gesehen habe, aber Tim Burtons Alice in Wonderland lässt mich in diverser Hinsicht nicht los. Um meine schlaflosen Nächte zu beenden, hier drei kurze Notizen zum Film:

1. Einige Kritiker, besonders aufgefallen ist es mir bei Kritikern aus einem akademischen Kontext wie dem Film Doctor und Dan North, haben den Film dafür verbal verprügelt, dass er Lewis Carrols Buch nicht treu ist. Mich störte wenig.

Der Film gibt sich ganz klar als Sequel und gleichzeitig als eine Art Remix aus, ähnlich wie etwa Return to Oz, und das macht er eigentlich ganz gut. Drehbuchautorin Linda Woolverton (hier ist das einzige Interview mit ihr) hat als Story-Grundlage vor allem das Gedicht “The Jabberwocky” aus Through the Looking Glass durch den Wolf gedreht, alle restlichen Figuren, inklusive des Hutmachers, sind eigentlich nur Sidekicks, während Alice plötzlich zum Helden des Gedichts wird, der das Land vom Jabberwocky befreit. Das ist ein bisschen platt – es hat mich aber fröhlich gemacht, den Frumious Bandersnatch und den Jub Jub Bird re-imaginiert zu sehen. Der Jabberwocky selbst ist übrigens vom Design her sehr deutlich an John Teniels Original-Zeichnung angelehnt.

Mit dem Stören ging es dann erst im letzten Drittel des Films los, in dem alles etwas zu langweilig und linear wurde. Das Chaos der Traumwelt, durch das Alice normalerweise stolpert, wurde hier leider zugunsten einer leicht nachvollziehbaren moralinsauren Handlung aufgegeben.

2. Und nochmal Jabberwocky. Der Film bedient sich, wie gesagt, sehr freimütig an Lewis Carrols Gedicht The Jabberwocky, auf das Alice am Anfang von Through the Looking Glass stößt und dessen erste Strophe ihr später von Humpty Dumpty erklärt wird. Burtons Film enthält neben dem Jabberwocky selbst auch den Frumious Bandersnatch, den Jubjub-Bird, das Vorpal Sword und vor allem den Frabjous Day aus der vorletzten Strophe.

Im Deutschen gibt es verschiedene Übersetzungen des Nonsens-Gedichts, die mittlerweile gebräuchlichste ist Christian Enzensbergers Übersetzung namens Der Zipferlak. Enzensbergers Übersetzung ist meiner Ansicht nach linguistisch auch die beste, weil besonders die erste Strophe in ihrem deutschen Nonsens sich sehr gut analog zu Carrols erster Strophe erklären lässt – mit Portmanteau-Wörtern und Fantasie-Kreaturen (hier der deutsche Ausschnitt, Dieter Stündls Version ist von den Worten etwas angelsächsischer aber fast ebenso gut).

Die deutsche Synchronfassung des Films entscheidet sich aus naheliegenden Gründen (Markenerhalt), nicht “Zipferlak” und “Mampfes Schnatterrind”, sondern “Jabberwocky” und “Bandersnatch” zu sagen. Als der Hutmacher die erste Strophe rezitiert, erklingt im Deutschen eine vollständig sinnlose Übersetzung, die nicht einmal einen Hauch der Anspielungen (beispielsweise ein Portmanteau wie “elump”) übernimmt. Nur in einem Fall, vollkommen ohne jeden Grund, bedient sich das deutsche Synchrondrehbuch bei Enzensberger. Der “Frabjous Day” wird zum “Blumertag” – warum auch immer.

3. In dieser Kritik von Gizmodo wird der 3D-Einsatz bei Alice moniert. Ich fand ihn auch nicht besonders gut dreidimensional inszeniert. Die eindeutige Chance, den Film zunächst sehr flach zu halten und dann so richtig “tief” zu werden, wenn Alice ins Wunderland kommt, wurde vertan und wie auch bei Gizmodo bemerkt gibt es jede Menge Szenen mit flacher Tiefenschärfe, die nunmal in 3D einfach nicht wirken (das kommt davon wenn man Filme nachträglich 3D-isiert). Cameron hat die Übertragung von regulärer Inszenierung auf 3D besser hinbekommen. Andere, wie Robert Zemeckis, inszenieren in 3D einfach ganz anders, mit viel Tiefenschärfe und weniger Schnitten. Ich bin sehr gespannt, welche Inszenierungsschule sich hier durchsetzen wird. Wird Hollywood einen neuen Code ähnlich dem Continuity Editing entwickeln?

Zur weiteren, ausführlichen Lektüre empfehle ich Andreas Rauschers Essay Im postklassischen Wunderland über Burtons Re-Imaginationen der letzten zehn Jahre.

Worte zum Neujahrswochenende

Once again, at a time of year when critics are picking their 10-best lists for 2009, we jump back ninety years and give our choices for 1919.

Kristin Thompson and David Bordwell, Observations on Film Art and FILM ART
// The ten-plus best films of … 1919

I think Homestar presages a new webstalgia: I may never find myself getting misty over the Dancing Banana, but Get Your War On? All your Web touchstones are belong to us. I fully expect to get a little teary someday when we start playing Hot Or Not over warm Jell-O at the Robot-Assisted Living Facility for Retired Singulatarians.

Scott Brown, Wired
// Why Some Memes Never Die

Ich wies darauf hin, dass “Pirate Coelho” seit 2005 im Netz stand und dass die Absatzzahlen stetig angestiegen waren. Daraus folgte, dass die klassische Art des Vertriebs von der Filesharing-Variante profitierte. Meinen hochverehrten Verlegern fiel es allerdings schwer, die Sachlage richtig einzuschätzen.

Paulo Coelho, Frankfurter Rundschau
// König der Piraten

Your correct usage of the word will determine whether or not I kick you in the hemorrhoids.

Matthew Inman, The Oatmeal
// Ten Words You Need to Stop Misspelling