Nicht alles für alle: Was Video-on-Demand-Portale bieten

Einige der heute größten Internetunternehmen – eBay etwa, Google, Facebook und sogar Amazon mit seinem Marketplace – verdanken einen erheblichen Teil ihres Erfolges nicht der Tatsache, dass sie selbst ein bemerkenswertes inhaltliches Angebot geschaffen haben. Sie haben Infrastrukturen gebaut, die es für Produzenten und Nutzer und für Nutzer untereinander einfacher machen, direkt miteinander in Kontakt zu treten, während die Unternehmen mit genau diesem Mittlerdienst ihr Geld verdienen. Das ist nicht überall gewollt – siehe Google und das Leistungsschutzrecht – aber so wird die Struktur des Netzes genutzt, in dem der Weg von A nach B immer gleich weit ist, nämlich exakt einen Klick.

Auch im VOD-Bereich wäre eine solche Infrastruktur genau das, wonach sich wahrscheinlich viele Nutzer sehnen: Ein riesengroßer Online-Video-Supermarkt, in dem man alles gucken kann, was digital existiert und es notfalls direkt vom Erzeuger kauft – wie man das heute im Internet gewohnt ist. Stattdessen kann Serie X nicht auf Portal Y geschaut werden, weil nur Portal Z (das man als Konsument vielleicht gar nicht kennt) die Lizenz besitzt, während Serie A völlig unerreichbar ist, weil Sender B noch darauf wartet, die Lizenz in Deutschland zu verkaufen.

Wer etwas Bestimmtes sucht, muss also im schlimmsten Fall sozusagen erst jeden Laden im Netz abklappern, um am Ende womöglich trotzdem mit leeren Händen dazustehen. Das sind genau jene Zustände aus analogen Zeiten, die das Internet eigentlich abschaffen könnte.

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Quotes of Quotes (IV)

Der perfekte spricht-mir-aus-der-Seele-Kommentar inmitten all der Retromania und des Untergangs des Zeitschriften-Abendlandes.

“Dieser andauernde Nostalgie-Scheiss mag ganz lustig sein, aber muss man den wirklich so breit treten? Ich weiß, das ich morgen 36 werde, daran muss mich kein Heft erinnern. Immer ist alles ‘kultig’ und ‘retro’ und auf dem Heft und dem Heftrücken steht in grellem Pink: ‘Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!'”
Nilz Bokelberg über die neue “Yps”

Da ich kaum mit “Yps” aufgewachsen bin, habe ich mir das Remake gespart. Aber zu “Donald”, das Nilz ebenfalls zu Recht kritisiert, habe ich damals gelästert geschrieben.

Es ist Kunst! – Die Pixar-Schau in Bonn

Nachdem sie mit Toy Story 1995 ihr Langfilmdebüt gaben, galten die Burbanker Pixar-Studios als ein merkwüdiger Sonderfall in Hollywood. Sie produzierten Filme, die, unter dem Deckmäntelchen der Animation, nicht nur für klingelnde Kassen sorgten, sondern auch noch bei Kritikern regelmäßig Bestnoten absahnten. Die letzten beiden Outputs des mittlerweile gänzlich zum Disney-Konzern gehörenden Studios, Cars 2 und Merida, konnten die Kritiker zwar nicht mehr ganz so hinreißen wie etwa Oben, der 2009 die Filmfestspiele von Cannes eröffnete. Die ausgefeilten Welten, die Pixar immer noch regelmäßig erschafft, begeistern aber nach wie vor.

Um diese Welten, und vor allem: um ihre analoge Ursprünge, dreht sich alles in der seit Juli in der Bonner Bundeskunsthalle gastierenden Ausstellung “Pixar: 25 Years of Animation”. Das Grußwort von Pixar-Boss John Lasseter erklärt gleich zu Anfang: Hier sollen die handgemachten künstlerischen Arbeiten und Prozesse sichtbar gemacht werden, die den vom Computer gerenderten Schauspielen vorausgehen, für die Pixar so berühmt ist.

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Filme aus der Steckdose – zum Video-on-Demand-Markt in Deutschland

In einem Interview mit der “New York Times” sprach David Bowie 2002 davon, dass Musik sich in der Zukunft zu einem Gebrauchsgut wie Elektrizität oder Wasser entwickeln werde: etwas, von dem man selbstverständlich davon ausgeht, dass es jederzeit und überall verfügbar ist. Bei Filmen bahnt sich ein ähnlicher Trend an. Legale Streaming-Angebote wie Netflix, die Filme gegen Geld direkt aus dem Netz auf den heimischen Bildschirm beamen, machen als “große Jukebox im Himmel” in den USA bereits ein gutes Drittel des gesamten Internet-Traffics aus.

2012 könnte das Jahr sein, in dem das gleiche Modell langsam aber sicher auch in Deutschland Fuß fasst. Zumindest ist laut GfK der deutsche digitale Leih- und Kaufmarkt für Filme im vergangenen Jahr um rund 50 Prozent gestiegen und konnte damit sogar den gleichzeitigen Rückgang im Geschäft mit DVD und Blu-Ray ausgleichen.

Mittlerweile sind zwölf Prozent des gesamten Video-Leihmarktes digital, kommen also ganz ohne materielle Trägermedien aus. Immer größere Internetbandbreiten und die wachsenden Märkte für Tablet-Computer und sogenannte Smart-TVs, also Fernseher mit Internetanschluss, haben Video-on-Demand für immer mehr Konsumenten, mittlerweile rund 2,1 Millionen in Deutschland, zu einer echten, und vor allem: legalen, Alternative zur Videothek um die Ecke reifen lassen. Die Vorstellung ist ja auch bestechend: Wenn einen spontan die Lust auf einen Film überkommt, muss man nicht mehr auf Öffnungszeiten und begrenzte Sortimente Rücksicht nehmen, nicht mal mehr die Wohnung verlassen. Man wirft einfach Fernseher oder Computer an, bezahlt bargeldlos, und Minuten später flimmert der Wunschfilm über den Bildschirm.

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Quotes of Quotes (II)

I guess you have to be Roger Ebert to be able to write the following:

“‘La Dolce Vita’ has become a touchstone in my life: A film about a kind of life I dreamed of living, then a film about the life I was living, then about my escape from that life. Now, half a century after its release, it is about the arc of my life, and its closing scene is an eerie reflection of my wordlessness and difficulty in communicating.”
Roger Ebert about his selection for the newest “Sight and Sound” Greatest Films poll

Quotes of Quotes (I)

“[O]ne of the points I made clear to my designers, every head of department, is we should not reference other movies. We should not re-watch Gamera, or re-watch Gojira, or re-watch War of the Gargantuans. We said, ‘Let’s create the world that we’re doing. It falls in here and falls in there, but we should not be doing a referential film.’ If things happen, they happen because they’re being made by people who love those genres. But I didn’t want to be postmodern, or referential, or just belong to a genre. I really wanted to create something new, something madly in love with those things.”
Guillermo del Toro about his philosophy on Pacific Rim.

Grimmification – Märchenboom in Hollywood

“Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.” Schon so mancher Filmproduzent mag beim Lesen dieses Satzes am Ende eines Märchens über sein Schicksal in einem Business nachgedacht haben, in dem es vom traumhaften Erfolg zum Megaflop nur ein kleiner Schritt ust, das von Orakelsprüchen und Einflüsterungen – Du bist der Schönste! – lebt und in dem nichts so richtig kalkulierbar ist. Außer dem hier: Wenn am Ende des Monats Snow White and the Huntsman durch den Zauberspiegel sprechen, ist das der Kamm einer ganzen Welle von Neuinterpretationen klassischer Märchen und märchenhafter Geschichten made in Hollywood.

Erst im April hat Regisseur Tarsem Singh eine alternative Version des Grimm’schen Märchens inms Rennen geschickt: Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen mit Julia Roberts in der Rolle der bösen Stiefmutter. Bereits 2011 durfte Amanda Seyfried als Red Riding Hood ihre Großmutter fragen, warum sie so große Zähne hat. Und im im amerikanischen Fernsehen laufen derzeit zusätzlich erfolgreich die märchenhaften Serien “Grimm” und “Once Upon a Time”, die im Herbst auch in Deutschland bei Vox und RTL ausgestrahlt werden sollen. Weitere Filme warten am Horizont. Um die Ursachen des Booms zu ergründen, benötigt man keinen Zauberspiegel – sie sind so eindeutig wie messbar. Die großen Studios setzen in Zeiten der noch immer nicht überwundenen ökonomischen Krise eben gerne auf bewährte und vermeintlich zeitlose Stoffe, zu denen die klassischen Märchensammlungen von Charles Perrault, den Brüdern Grimm und von Joseph Jacobs zweifelsohne gehören, Auch hat die Umsiedelung der klassischen Moralgeschichten in düstere oder humorvolle Kontexte durchaus Tradition – nicht nur im US-Mainstreamkino. Neil Jordans psychoanalytische “Rotkäppchen”-Fabel Zeit der Wölfe von 1984 könnte man zum Beweis ebenso anführen wie die jüngsten “Auf einen Streich”-Neuauflagen im Weihnachtsprogramm der ARD.

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oder epd Film 6/2012 (unter dem Titel “Grimmtomatisch”)

Andrew Stanton on the Hollywood System

Andrew Stanton is my favourite director from the Pixar stable for several reasons. The first one being, of course, that he made my two favourite Pixar films, Findin Nemo and Wall-E. But there is also something about his personality that I like. He seems a little bit more honest and candid when he talks about the work he does, without John Lasseter’s grandfatherly, all-knowing attitude and Lee Unkrich’s pasted-on smile. He is the only Pixar person I know who has talked openly about the effects of all that great work at the Pixar dream factory consuming your private life, for example (there may have been others, whose interviews I didn’t read. Feel free to correct me in the comments).

In a recent interview for his next (and first live-action) film John Carter, which looked boring at the first teaser and appears ever more exciting the closer its release gets, he talked to /Film about the challenges of working outside Pixar, in the live action studio system. Once again, his observations are quite interesting, if a little high on Pixar praise, which seems to work without the Hollywood unions:

It’s interesting to see the system and how the live-action system works. It’s based on a lot of things that maybe made sense in the day or decades ago or are holdovers from the studio system. It’s unionized and there’s a lot of rules that don’t make a lot of sense logically. Pixar has none of that. I realize that one of the reasons it’s Nirvana is that we didn’t realize how a movie was made and just used — god forbid — logic. We figured that if we made a movie the way it should be made, that was the way they were being made. Our system is very logical and we keep improving upon it. We criticize ourselves and we have post-mortems every movie to improve the system.

Out here, nobody questions the system. It’s just the way it is with all its faults and everything. We don’t have unions. Steve was very smart. He said, “Let’s give them why there was unions. Let’s give them great healthcare. Let’s treat them extra special and there’s no reason to have that.” There aren’t these weird byproduct rules that actually cause problems in one area when they think they’re helping another. We have a very clean system, Pixar. After you’ve worked in that, it becomes very obvious how things should work and very obvious how things don’t work the right way here. I get a little frustrated at the haphazardness of it.

The world of moviemaking, since the studio system broke down — and this is my guess — lives and breathes off of triage. It lives off disaster planning. People feel comfortable in the disaster. “Oh! I know how to deal with this. This is chaos. Somebody’s on fire. Let’s run and get an extinguisher.” That is not Pixar. Pixar is planning to avoid every disaster possible.
(Emphases added)

Read the full interview over at /film.

Another Earth: How to shoot a car crash for $200

I continue to be a big fan of Jeff Goldsmith’s Q&A Podcast series. Not only because Jeff takes the time to talk so extensively with filmmakers about their breaking-in-stories and work habits (after you have listened to dozens of podcasts like I have, it’s interesting to compare them all), but also because every now and again, in addition, the conversations contain these little nuggets worth sharing on their own.

Way back in July, Jeff talked to Mike Cahill, Brit Marling and William Mapother about Another Earth. I only got around to listening to the podcast last week, but it contains an interesting tidbit. Director Mike Cahill explains, how he staged and shot the (impressive) car crash that gets the movie’s narrative rolling, for something around $ 200 (the shot is seen briefly in the trailer).

Sound Clip © Unlikely Films. All rights reserved.

If you don’t want to listen to the whole clip, here is the gist:
– He got a cop friend to close off the highway (for free).
– He borrowed two smashed cars whose damage fit the scenes from a scrapyard (for free).
– He rented the exact same models for the driving scenes.
– He rented a cherry picker to substitute for a camera crane.
– He craned up and then locked off the shot with only Mapother’s car.
– He filmed a clean plate, a plate with Marling’s car driving through and a plate where the two cars almost touch, as a lighting reference.
– After Effects did the rest of the work.

Proves once again that you don’t need a lot of money to make a film these days, if you’re creative enough.

Download the whole podcast for more info on the process behind Another Earth.

Nicht in die Fresse. Die erste deutsche “Wired”

Was ist eigentlich aus dem Ausdruck “Mitten in die Fresse” geworden? Die erste deutsche Ausgabe der Zeitschrift “Wired” sei “deutsch ‘in your face'” hat Chefredakteur Thomas Knüwer stattdessen in einem Interview mit “Horizont” gesagt. Ein widersprüchlicheres Bonmot hat man lange nicht mehr gelesen.

Widersprüchlichkeit findet sich auch in der merkwürdig schizophrenen Haltung des Magazins zu sich selbst. Deutsche In-Your-Facigkeit heißt anscheinend, dass sich schon das Editorial von Knüwer, ehemals Redakteur des “Handelsblatt” und seit Jahren kritischer Beobachter der deutschen Medienlandschaft, wie eine einzige große Rechtfertigung dafür liest, warum “Wired” in Deutschland überhaupt erscheinen sollte. “Kann Deutschland das noch, sich für Fortschritt entflammen?” heißt es dort. Die Argumentation setzt sich in Knüwers Leitartikel fort, in dem das angeblich ausschließlich negativ besetzte Wort “Nerd” dem positiveren “Geek” gegenübergestellt und die Häufigkeit des ersteren als Beweis für Deutschlands Innovationsfeindlichkeit herangezogen wird. Eine Haltung, die in den Reaktionen auf das Magazin im Netz von vielen stolzen Nerds bereits abgelehnt wurde.

Klar – es blinken einem aus dem Design des Magazins von jeder Ecke die Farben Schwarz-Rot-Gold entgegen. Johannes Gutenberg wird (von einem Amerikaner, Jeff Jarvis) als “erster deutscher Geek” bezeichnet und viele der porträtierten Geeks sind Deutsche oder arbeiten hier. Doch so recht wollte in mir bei der Lektüre kein Patriotismus aufkeimen. Und das sicher nicht nur, weil die fotografierten Atommeiler in der zentralen Fotostrecke zur Zeit nach der Energiewende alle in der Schweiz stehen.

“Wired” erscheint seit 1993 in den USA und besitzt bereits Ableger in Großbritannien, Japan und Italien. Die Zeitschrift ist geprägt durch einen visionären, hoffnungsvollen und innovativen Blick auf Technik, Innovation und die Welt, in der wir leben. Sie scheint ständig sagen zu wollen: “Schaut her, wir haben jede Menge Probleme aber wir schaffen das schon.” Die Überbringung dieser Botschaft gelingt ihr in einer Zweiteilung des Magazins in kurze, scharfzüngig-humorvolle Fenster auf die verdrahtete Erde und lange, analytische Artikel aus der aktuellen Forschungs- und Kulturlandschaft.

In der deutschen “Wired” hingegen scheint dieser Haltung oft eine Art Sicherheitsnetz vorgeschaltet zu sein, das sich nicht nur in Knüwers Selbstgeißelung sondern auch im eher moderaten Tonfall der Kurzrubriken und der deutlich kürzeren und damit zwangsweise oberflächlicheren Artikel niederschlägt. Thomas Knüwer hat die mögliche Reaktionen darauf im anfangs zitierten Interview sogar vorhergesehen, bleibt aber bei seinem Standpunkt, die amerikanische Machart sei in Deutschland “so nicht brauchbar”.

Am besten sollte man die deutsche “Wired” mit dem Auge von “Wired” selbst betrachten. Das kühne Design loben, die liebevoll gestalteten Infografiken, die starken Meinungskolumnen von Vertretern der deutschen Netzgemeinde und die Spaßrubrik “FAQ”, die tatsächlich Spuren der gewohnten “Wired”-Rotzigkeit besitzt. Vor allem aber anerkennen, dass es Erstausgaben ohne feste Zusage auf Fortsetzung in ihrer Selbstbehauptung immer schwer haben, eben weil ihnen die Aufenthaltsgenehmigung erst noch ausgestellt werden muss. Und man darf, wie es “Wired” tun würde, die Hoffnung nicht aufgeben, dass gute Absichten belohnt werden. Dass die deutsche “Wired” kein Einzelexperiment bleibt, in Serie geht und es sich in Zukunft dann vielleicht auch leisten kann, noch ein bisschen mehr in die Fresse zu schlagen – und ein bisschen weniger schief in your Face zu grinsen.

erschienen in epd medien 37/2011