Filmdrehorte: Umsonst und draußen

In der Calton Road wird gerade gebaut. Das beeinträchtigt die Stimmung leider sehr. Zwecklos, darauf zu warten, dass ein Auto aus der Einfahrt kommt, über dessen Motorhaube man ein irres Grinsen in die Welt schicken könnte – wie einst Mark Renton in der ikonischen Eröffnungsszene von Danny Boyles Trainspotting. Ich muss mich mit Fotos und einer Rezitation des »Choose Life«-Monologs begnügen. Aber dass ich herkommen würde, in diese historische Seitenstraße in Edinburghs Zentrum, stand bereits vor meinem Urlaub fest.

Ich bin nicht allein. Nicht nur in der Calton Road, wo sich auch andere Trainspotting-Fans herumtreiben. Filmfans sind schon immer gepilgert – zu den “Homes of the Stars” und dem Hollywood-Boulevard, aber auch zu den oft entlegenen Drehorten ihrer Lieblingsfilme. Sie wissen, dass in der tunesischen Wüste ein paar verwitterte Überbleibsel von Lukes Feuchtigkeitsfarm aus Star Wars zu besichtigen sind oder dass in der Nähe des südspanischen Alméria viele Italowestern ihr Pulver verschossen haben. Ganz zu schweigen von Filmstädten wie New York, Los Angeles oder Berlin, zu denen einige Regalmeter mit einschlägigen Reiseführern gefüllt wurden. Doch seit einigen Jahren hat der Filmtourismus eine neue Qualität erreicht. Wo man früher oft Einheimische nach dem Weg fragen musste, ist eine kleine Industrie aus dem Boden geschossen.

Eine Voraussetzung dieser Entwicklung: Drehs außerhalb der Studios an beeindruckenden Schauplätzen haben zugenommen, ironischerweise nicht trotz, sondern wegen digitaler Technologien. Fernsehantennen an Gebäuden etwa müssen heute nicht mehr mühsam abmontiert werden, sie lassen sich einfach in der Postproduktion digital entfernen. In Totalen können ganze Gebäude und Aussichten durch digitale Modelle und matte paintings nahtlos ersetzt werden. Häufig bedeutet das auch, dass die gefilmten Orte nicht sich selbst repräsentieren, sondern fantastische Orte aus anderen Welten, die von Filmemachern behutsam konstruiert werden. Perfekt für Touristen.

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Schauspiel im Zeitalter der Performance Capture

Die Debatte wird mit Sicherheit auch dieses Jahr wieder geführt. Sollte Andy Serkis nicht endlich für einen Oscar als bester Schauspieler nominiert werden? Nicht für seinen Part als Ulysses Klaue im Marvel-Universum natürlich (der dazugehörige Film Black Panther kommt sowieso erst 2018 ins Kino), sondern für eine Rolle, in der sein Gesicht nicht zu sehen ist: die des Schimpansen Caesar in Planet der Affen – Survival. Serkis ist, wie schon in den beiden vorhergehenden Planet-der-Affen-Filmen und wie in King Kong und Der Herr der Ringe, die treibende Kraft hinter Caesars Performance, aber Serkis alleine könnte die Rolle nicht spielen. Er braucht das Team der Effektfirma Weta Digital, die Serkis in Caesar verwandeln.

Seit sein Auftritt in Der Herr der Ringe – Die zwei Türme Andy Serkis zum Star gemacht hat und seine Interpretation von Gollum zur popkulturellen Ikone wurde, versucht die Filmwelt dem Phänomen performance-capture-acting Herr zu werden. Wie soll man Schauspieler*innen behandeln, die in einem grauen Gymnastikanzug ihre Bewegungsmuster und Mimik in einen Computer übertragen und aus deren Daten anschließend von einer Horde digitaler Zauberer*innen Wesen geschaffen werden, deren Physis sich von der eines Menschen signifikant unterscheidet? Wie viel Credit sollten sie für ihre Leistung bekommen?

In der Riege der Schauspieler*innen, die nicht als solche gelten, sind sie damit keinesfalls alleine. Beispiel Animationsfilm: Voice Actors (die im Deutschen nicht „Stimmenschauspieler*innen” sondern meist „Synchronsprecher*innen” heißen, was schon viel über ihre Klassifizierung aussagt – als gehe es einzig darum, Lippenbewegungen abzupassen) sind oft ausgebildete Schauspieler*innen, die neben ihrer Arbeit als Sprecher*innen auch mit dem ganzen Körper auf der Bühne oder vor der Kamera stehen. Dennoch werden Parts, in denen sie nur ihre Stimme einsetzen, kaum als „Schauspiel” gehandelt. Animationsregisseur*innen betonen wiederum bei jeder Gelegenheit, dass auch Animator*innen im Grunde Schauspieler*innen sind, die zu vorhandenen Tonaufnahmen Bewegungen und Mimik der Figuren ausbilden. Als Referenz dient ihnen dabei, entgegen verbreiteter Marketing-Mythen, deutlich häufiger der eigene Körper und das eigene Gesicht als die der Sprecher*innen – wenn der Charakter überhaupt spricht. Einen Schauspielpreis würden sie trotzdem nicht gewinnen.

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Podgast (XIII) – Cinematic Smash Bros.

Es gibt diese Sliding Doors-mäßigen Punkte in meinem Leben, an denen ich heute noch denke, alles hätte anders kommen können, wenn ich damals eine andere Entscheidung getroffen hätte. Zum Beispiel habe ich mich in der Orientierungswoche an der Uni (lang ist’s her) trotz eindeutiger Sympathien anders als einige Freunde dagegen entschieden, dem Debattierclub beizutreten. Ein bisschen was von dieser verlorenen Historie konnte ich diese Woche nachholen, denn Henning hatte mich eingeladen, bei seinem Film-Debattier-Podcast Cinematic Smash Bros. dabei zu sein und mit Axel und Felix über Buchverfilmungen, Ripoffs und Filme mit X im Titel zu streiten. Was soll ich sagen? Es hat Spaß gemacht und ich habe mich für’s erste Mal ganz gut geschlagen.

Noch ein paar Worte dazu, warum ich in diesem Post das Wort “Debattieren” so betone: Mir ist es wichtig, klarzustellen, dass ich nur wenige Dinge mehr ablehne, als Diskussionen über Geschmacksfragen. Vor allem, weil sie in Nerdsphären manchmal so virulent sind. Es ist aber völlig unerheblich, welcher Film eines bestimmten Genres, Schauspielers oder sonstiger Kategorien “besser” ist. Bei den Smash Bros. werden trotzdem solche Fragen gestellt, bewertet wird aber (wie beim reglementierten Debattieren) nicht die Antwort, sondern die Argumentation. Beim “Streit” geht es nicht darum, wer Recht hat (denn alle wissen, dass niemand Recht hat), sondern wer seinen Standpunkt am besten verteidigt. Das ganze hat also eher etwas von Labersport.

Viel Spaß beim Hören. Ich werde hoffentlich irgendwann wieder dabei sein.

Vier Bücher, die mir geholfen haben, Hollywood zu verstehen

Mit welchem Vorwissen müssen Filmkritiker*innen an Filme herangehen? Für die Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk Film sollte, so will es die Hermeneutik, zunächst einmal nur das zählen, was wir auf der Leinwand sehen. Zu viel Wissen um Entstehungsprozesse, Motivationen und Wünsche der Beteiligten, behauptete Zielsetzung, kann den Blick trüben für das, was am Ende herausgekommen ist. Doch die meisten Menschen, die sich kritisch mit Filmen auseinandersetzen, sind auch vom Filmemachen als technischem Prozess, als Geschäft, als kulturelles Gesellschaftsphänomen fasziniert und im dominantesten Filmland der Welt sind diese Faktoren extrem stark mit der künstlerischen Seite des Filmemachens verwoben. Wer wie ich sogar am allerliebsten über Filme als Material, Produkt und Kunstwerk nachdenkt, sollte auf Wissen darüber zurückgreifen können, wie Filme eigentlich gemacht werden.

Die beste Methode, um zu verstehen, wie Filme in die Welt kommen, ist, selbst welche zu drehen. Nicht wenige Filmkritiker*innen haben irgendwann diesen Schritt gewagt, von der Nouvelle Vague bis zur Berliner Schule. Doch selbst wer einmal selbst einen Film gedreht hat, kann oft nur erahnen, wie es ist, einen Film im System von Hollywood zu drehen. Zum Glück entstehen immer wieder Bücher von Filmwissenschaftler*innen, Journalist*innen und Filmemacher*innen selbst, die Aufschluss geben über die menschlichen, technischen und kommerziellen Prozesse, die hinter den Filmen stehen. Vier Bücher, die mir persönlich – neben zahlreichen Gesprächen und Artikeln – dabei geholfen haben, einen Eindruck von diesen Prozessen zu bekommen, möchte ich heute vorstellen. Die Liste ist sehr persönlich und weit davon entfernt, vollständig zu sein. Ich freue mich über Ergänzungen in den Kommentaren.

1. Thomas Schatz – The Genius of the System

Hollywoods Erfolgsgeschichte beginnt in den 1910er-Jahren, in denen auch viele ihrer später typischen ästhetischen Merkmale bereits ausgeformt werden. Doch die US-Filmindustrie erreicht ihre erste “Goldene Ära” in den 1930er und 1940er Jahren. Der Filmhistoriker Thomas Schatz zeigt in seinem Buch anhand dreier Studios – Universal, MGM und Warner Bros. – auf, wie sich das ab den 1920er Jahren etablierte “Studiosystem” mit seinen Schauspiel-, Drehbuch-, Regie- und Produzentenstars entwickelte. Dazu folgt er sowohl der Karriere einzelner Produzenten-Persönlichkeiten, die teilweise auch von Studio zu Studio wechselten, als auch den Geldern, die für die produzierten Filme ausgegeben wurden. Das Ergebnis ist ein faszinierendes Porträt einer Branche im Auf- und Abwind, in der viele Prozesse festgeklopft wurden, die auch heute noch gelten.

The Genius of the System wird von Kritiker*innen zurecht vorgeworfen, dass es sich ganz der “Great Man Theory” verschrieben hat, welche einzelnen Personen – in der Regel Männern – in Schlüsselpositionen übermäßig viel Bedeutung zumisst. Das sollte jede Leserin und jeder Leser beim Lesen im Hinterkopf behalten. Schatz hat eine These, an die er glaubt, er beschreibt auch den Mythos einer goldenen Ära von Männern, die Kreativität und Geschäft gleichermaßen koordinieren konnten. Für ein Gesamtbild der Zeit fehlen viele Aspekte. Aber für das Verständnis von Hollywood heute ist es essentiell, auch den Mythos zu verstehen. Im Hollywood’schen Selbstverständnis wird sich auf ihn heute immer noch bei jeder Gelegenheit berufen. Manchmal werden sogar seine Mechanismen neu angewandt.

2. Peter Biskind – Easy Riders, Raging Bulls

Jeder Mythos braucht seinen Gegenmythos – die Geschichte davon, wie die etablierte Version einer Idee revolutioniert wurde. Im Fall von Hollywood ist das “New Hollywood” der Gegenmythos zum “Golden Age”. Junge Regisseure rebellieren, kapern das System und machen Filme, die ganz anders sind, als das, was man zuvor kannte. Wohl niemand hat diesen Schub so umfangreich eingefangen wie Peter Biskind in seinem aus vielen Interviews und Recherchen zusammengesetzten Buch Easy Riders, Raging Bulls, benannt nach den Filmen, die er als Start- und Endpunkt des New Hollywood begreift.

Große Teile von Easy Riders, Raging Bulls bestehen aus Gossip, Anekdoten, Selbst-Beweihräucherungen und He-said-she-said-Differenzen zwischen Filmemacher*innen und Stars. Dazu kommt Biskinds eigener, sehr parteiischer Kommentar. Das mag nicht besonders wissenschaftlich sein, aber es sorgt dafür, dass das Buch sehr amüsant zu lesen ist – und durch all diese zutiefst menschlichen Erlebnisse und Marotten seiner Protagonisten einen sehr direkten Eindruck davon vermittelt, was diejenigen, die damals den nächsten Mythos schafften, dabei empfunden haben und wie Hollywood als abstraktes System damit umging. (Wahrscheinlich gerade weil es weniger mythisch durchsetzt ist, ist das Nachfolgebuch Down and Dirty Pictures über den Indie-Boom der 90er längst nicht so gut.)

3. Sidney Lumet – Making Movies

Es gibt nicht viele Regisseur*innen, die sich gerne ausführlich dazu äußern, wie genau ihre Filme entstehen, und wir können froh sein, dass Sidney Lumet einer von ihnen ist. Making Movies ist keine Autobiografie und kein Lehrbuch. Es ist eine Reflektion von Lumet darüber, wie er in der Regel Filme dreht, vom Drehbuch bis zum Schnitt. Lumet ist deswegen so ein perfekter Autor, weil er in seiner langen Karriere viele sehr unterschiedliche Filme gedreht und seinen Stil über die Jahre auch verändert hat.

Um den filmemacherischen Prozess zu verstehen ist Making Movies wahrscheinlich sogar besser als die vielen tollen Interviewbände mit Regisseur*innen, die existieren, denn das Buch besitzt keinen journalistischen Fokus. Es geht nicht darum, den Filmemacher besser kennen zu lernen. Stattdessen entdecken wir seine Arbeitsweise und erfahren dabei vielleicht vieles, was wir – ohne selbst an einem Hollywood-Filmset gewesen zu sein – so nie gedacht hätten. So ging es mir zumindest.

4. Kristin Thompson – The Frodo Franchise

Moderne Filme sind oft keine mehr. Sie sind nur das Herzstück in einem gigantischen Paket aus Paratexten, Marketingmythen, Tie-in-Produkten, Fan-Beziehungen und globalen Finanzgeschäften. Die Lord of the Rings-Trilogie von Peter Jackson ist eines der ersten Filmprojekte des 21. Jahrhunderts, das dieses Bewusstsein vollständig verinnerlicht hatte, und Kristin Thompson ist durch einen Glücksfall wahrscheinlich die Person, die dieses Bewusstsein mit so viel Zugang studieren durfte, wie kaum jemand vor oder nach ihr. Dabei besitzt sie genau die richtige Mischung aus Fan-Fachwissen und jahrelanger Erfahrung in wissenschaftlicher Distanz – und das macht ihr Buch zu einem Standardwerk über das Hollywood der Franchise-Ära.

Thompson konnte sehr offene Gespräche mit fast allen führen, die an den Lord of the Rings-Filmen irgendwie beteiligt waren, von Produzent Barrie Osborne bis zu jenen Menschen, die die Electronic Press Kits für Journalisten zusammenstellen. Gleichzeitig war sie von Anfang an stark in der Fanszene aktiv und hat dort beobachtet, wie sich die Dynamik zwischen Filmemachern und Fans über das noch relativ neue Internet entwickelt hat. Einiges von dem, was sie beobachtet, gehört heute zum Standard, anderes ist eine Besonderheit dieses Filmprojekts, aber fast alles hat die kommenden Jahrzehnte aus Four-Quadrant-Blockbusters, Superheldenfilmen, Cinematic Universes, Sequels, Reboots und Transmedia Storytelling stark beeinflusst.

Noch einmal der Aufruf, diese Liste in den Kommentaren zu ergänzen.

Alien: Covenant stellt die wichtigste Frage aller Sequels

© 20th Century Fox

In space, no one can hear you spoil

Die Vision des “interaktiven Films”, die vermutlich den meisten Menschen noch im Kopf klebt, sieht wie folgt aus: Der Film beginnt mit einer Hauptfigur und läuft für einige Zeit wie ein normaler Film ab, bis diese Hauptfigur eine Entscheidung treffen muss. Der Film stoppt und die Zuschauenden stimmen ab, wie die Entscheidung ausfällt. Der Film läuft dann entsprechend weiter. Durchgesetzt hat sich dieses Prinzip nicht nur deswegen nie, weil der Produktionsaufwand für alle möglichen Szenen eines sich immer weiter verzweigenden Entscheidungsbaums irgendwann etwas unübersichtlich wird, sondern auch, weil bestimmte Geschichten gar nicht immer wieder in verschiedene Richtungen gezogen werden wollen. Selbst Videospiele, die dieses Prinzip zum Teil umgesetzt haben, bieten oft nur Pseudo-Entscheidungen an.

Alien: Covenant, das haben viele Kritikerinnen und Kritiker angemerkt, wirkt als Ganzes so, als würde es bei einer solchen Entscheidung innerhalb der größeren Alien-Saga auf der Stelle treten. Als recht direktes Sequel zu Prometheus nimmt des die Handlungsfäden rund um den Androiden David und die “Engineers”, die außerirdische Rasse, die eventuell die Menschheit geschaffen hat, auf, führt eine Raumschiffcrew auf den Engineer-Heimatplaneten und deutet weitere große Fragen an, die Regisseur Ridley Scott rund um Schöpfer und ihre Geschöpfe zu beschäftigen scheinen. Covenant macht aber auch das ursprüngliche Monster wieder zum Gegenspieler, den sogenannten Xenomorph, der sich in drei Evolutionsstufen (Ei, Facehugger, Xenomorph) mit Hilfe menschlicher Wirte zum tödlichst denkbaren Organismus entwickelt. Und er scheint sich nicht so recht entscheiden zu können, welche Geschichte er erzählen will.

Mythologie, Schmythologie

Kein Wunder, wenn man auf die Entstehungsgeschichte des Films schaut: Scott wollte ursprünglich auf genau dem Weg weitergehen, den er mit Prometheus beschritten hatte. Er wollte die mythologischen Fragen hinter seinem ursprünglichen Alien-Film erforschen. Wo kommen die Aliens her? Wer hat sie geschaffen? Welche Beziehung haben sie zur Menschheit? Drehbuchautor John Logan, und sicher auch die Marketing-Abteilung des Studios, drückten Scott jedoch stärker zurück zu den Wurzeln des Franchises – Menschen werden in einem Raumschiff, oder auf einem Planeten, von fiesen Kreaturen verfolgt. Mythologie, Schmythologie.

In der Kritik wurde die daraus resultierende Unentschlossenheit des Films, in der das Alien zwar irgendwie alle klassischen Verfolgungssituationen wie einen Parcous durchläuft, der eigentliche Gegenspieler aber der Größenwahn von David ist, entsprechend aufgenommen. Entweder nervte der epische Sci-Fi-Überbau – Glen Wheldon fasste im NPR-Podcast Pop Culture Happy Hour zusammen, alles, was er von einem Horrorfilm Marke Aliens wissen müsse sei “There are beasties”, der Rest sei überflüssig – oder das halbherzig eingefügte Alien, ohne das der Film vielleicht besser gewesen wäre. Die Unentschlossenheit an sich ist aber das Resultat einer wichtigen Frage, die sich im Franchise-Zeitalter immer häufiger stellt: Wie, zum Teufel, hättet ihr eigentlich gerne eure Sequels?

Prozedur oder Welt

Denn im Grunde liefert Alien: Covenant in einer Art Meta-Prozess zwischen denen, die die Filme machen und denen, die sie rezipieren, eine Auswahlmöglichkeit, die beinahe an die anfangs erwähnten interaktiven Filme erinnert. Wollt ihr, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, lieber, dass jeder Film das Grundprinzip des Originals unangetastet lässt, und es nur ad nauseam in neue Kontexte setzt, wie es jahrzehntelang bei Fortsetzungen üblich war? Oder wollt ihr, dass sich Filmemacherinnen und Filmemacher tatsächlich überlegen, welche Geschichten sich innerhalb der etablierten Diegese außerdem erzählen lassen – auf die Gefahr hin, dass sich der Fokus der späteren Filme verschiebt? Liegt die Essenz des Films in seinen prozeduralen Eigenheiten – am Anfang eine Leiche, am Ende eine Verhaftung; oder eben am Anfang ein Alien, am Ende ein Final Girl – oder in der Welt, die er erschafft?

Immer mehr Filme geben heute die zweite Antwort, genau wie auch immer mehr Fernsehserien die zweite Antwort geben und sich vom starren Festhalten an bestimmten Konventionen lösen, gerade wenn sie von Streamingdiensten produziert werden (z. B. Master of None oder BoJack Horseman). Mit Bezug auf die Planet of the Apes-Filme habe ich hier im Blog mal festgehalten, dass sich erfolgreiche Prequels (und Covenant ist ein Prequel) eher durch Weltöffnung, visuelle Motive, und entscheidende narrative Momente auszeichnen als dadurch, Plotlöcher eng zu schließen oder Bekanntes zu wiederholen.

Alien: Covenant versucht, beide Antworten auf einmal zu geben und scheitert wahrscheinlich – je nachdem, wer zuschaut – immer mindestens mit einer von beiden. Ich persönlich mochte Scotts philosophisches Geschwurbel und die Welt, die er dafür entwirft. Covenant macht Prometheus sogar im Rückblick besser. Aber ich weiß, dass ich damit eher in der Minderheit bin.

Wie hättest du gerne deine Fortsetzungen?

Was ist noch echt?

Kurz nach den Oscars machte ein Video deutlich, dass ein Film bei der Preisverleihung in einer überraschenden Kategorie zu unrecht leer ausgegangen war. „The Mind-Blowing Special Effects Used on Manchester By The Sea“ enthüllt, dass die erste Szene des Films, in der ein Fischerboot auf dem Meer vor den Küste der titelgebenden US-Kleinstadt herumschippert, nicht dort gedreht wurde. Stattdessen, so zeigt das Video in der bei Visual-Effects-Reels etablierten Darstellungsform aus sich Stück für Stück aufbauenden Bildschichten, stand das Boot auf einer Hebebühne in einem Studio, umgeben von Blue Screens. Die maritime Umgebung entstand vollständig im Computer.

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Nostalgie ist Ideologie

“They don’t make’em like they used to” ist im Englischen ein gerne geäußerter Sinnspruch, wann immer jemand einen Film dreht, der erfolgreich an vergangene Zeiten erinnert. “So werden sie heute nicht mehr gemacht”. Der Awards-Season-Darling La La Land schwärmt pausenlos von der guten alten Zeit klassischer Hollywood-Musicals und lässt sie auch im Look wieder auferstehen. Regisseur Damien Chazelle hat deswegen sogar auf Film gedreht, genau wie Martin Scorsese Silence und Christopher Nolan seinen neuen Film Dunkirk, die auf diese Weise nicht nur inhaltlich vergangene Zeiten aus dem Grab heben. Ridley Scott kehrt 2017 mit seiner Regiearbeit Alien: Covenant und Blade Runner 2049, den er produziert, gleich zweimal zu seinen Ursprüngen zurück und versucht, eine damals revolutionär neue, stilbildende Ikonographe wiederzubeleben.

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Lev Manovich hatte recht

Ich denke manchmal darüber nach, mit welcher Naivität ich vor zehn Jahren in meiner Magisterarbeit über digitale Bilder geschrieben habe. Indem ich glaubte, dass digitale Bilder eine eigene Ontologie besitzt, die es zu nutzen gilt, habe ich die Möglichkeiten von digitalem Realismus unterschätzt. Was wir im Kino als “real” empfinden, hat sich durch jahrelange Blicke auf Computerbilder – ihre Shader und Texturen – zwar verändert, es ist aber immer noch nah dran an Fotorealismus.

Aktuelle VFX-Reels, wie diese von Fantastic Beasts und Rogue One zeigen jedoch auch, dass in großen Fantasy-Filmen kaum noch etwas von dem wir sehen, tatsächlich abgefilmte Realität ist. Lev Manovichs These, die vor 10 Jahren noch sehr heftig umstritten war, hat sich also völlig bewahrheitet: “Cinema can no longer be clearly distinguished from animation. It is no longer an indexical media technology but, rather, a subgenre of painting.”


Lob der tapferen Gesellen – Die Vorzüge von Journeyman-Regisseuren

Es mag vielleicht so wirken, als wäre mein Ziel mit dieser Kolumne, eine Lanze für das Mittelmaß zu brechen. Böse Zungen würden behaupten, um damit für meine eigene Mittelmäßigkeit Abbitte zu leisten. Sind Regisseure wie Joe und Anthony Russo nicht auch die Erfüllungsgehilfen der Maschine Hollywood, die uns immer wieder den gleichen Brei in leicht anderen Zusammensetzungen aber mit identischem Geschmack vorsetzt? Gibt es für reibungslose Abläufe und solides Handwerk nicht Regieassistenten und Line Producer, die den Auteurs den Rücken frei halten?

Da Film nicht nur eine Kunst, sondern auch eine Industrie, auch ein Handwerk ist, darf man die mittelbare Wirkung von Menschen wie Journeyman-Regisseur*innen nicht unterschätzen. Vielleicht helfen sie einer unerfahrenen Schauspielerin dabei, ihren Stil zu finden, den sie später in anderen Filmen ausformen kann. Vielleicht ermöglichen sie einem Drehbuchautor, der selbst nicht zum Regisseur taugt, seine Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Vielleicht sind sie so gut organisiert, dass diejenigen, die mit ihnen arbeiten, zur Abwechslung mal in der Lage sind, ihre Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten.

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