Wie Cloud Atlas das “Ende der Erzählungen” beendet

Screenshot © Warner Bros./X-Filme

Ein Gastbeitrag von Kilian Hauptmann

Kilian hat auf Twitter mal geschrieben, dass er was zum “Ende der Erzählungen” gemacht hat. “Klingt interessant”, meinte ich, “möchtest du einen Gastbeitrag schreiben?”. Und nur sechs Monate später schreibe ich diese Einleitung.

Kurze Warnung: Das hier ist wissenschaftlicher als der reguläre Tenor meines Blogs und Kilian ist Kultursemiotiker, eine Disziplin, um die ich normalerweise einen großen Bogen mache (Weiche, Christian Metz!). Kilians These vom Ende des Endes aber finde ich interessant, wie mich überhaupt die ganze Idee einer Post-Postmoderne fasziniert. Lesen lohnt sich also. Und folgt dem klugen Mann auf Twitter.

Film ist für mich ein Modus kultureller Selbstreproduktion: Eine Kultur kann immer nur das hervorbringen, was auch in ihr angelegt ist – sei es technisches Wissen, Ideologie, Machtstrukturen, Normen oder Werte. Filme reproduzieren dieses kulturelle Wissen. Sie stellen somit Artefakte einer Kultur dar, die sich untersuchen lassen, Speicher für kulturelles Wissen.

Mein Artefakt für diesen Artikel ist der Film Cloud Atlas von Tom Tykwer und den Wachowskis. Homosexualität, Transsexualität, Umwelt, Klone, Sklaverei, Medien, Macht(strukturen) – es gibt kaum etwas, das der Film nicht aufgreift. Das sind zwar alles Themen, die ganz und gar nicht neu sind und schon gar nicht revolutionär. Trotzdem finde ich etwas an diesem Film irritierend, etwas, das sich schlecht einordnen lässt, und genau das macht ihn für die Forschung interessant.

Das Ende der (großen) Erzählungen

Jean-François Lyotard postulierte 1979 in Das postmoderne Wissen das Ende der „großen Erzählungen“. Lyotard fasste unter diesen „Erzählungen“ Welterklärungsmodelle wie die Bibel oder die Systemtheorie auf, die in der Postmoderne mit einer zunehmenden Skepsis bedacht werden. Auch im Film lässt sich beobachten, wie sich sowohl diese Welterklärungsmodelle, als auch die Erzählungen selbst auflösen. Sie weisen unauflösbare oder unaufgelöste Rätselstrukturen auf, werden fragmentiert und verweigern jeden Sinn oder dekonstruieren „Sinn“ ganz offensiv.

Auch kulturelle Narrative, wie Familie, Ehe oder Liebe werden offen dekonstruiert. Die Texte (auch „Filmtexte“) sind in hohem Maße geprägt von intertextuellen Verweisen auf andere Texte und sind häufig selbstreferentiell, indem sie auf ihre eigene Konstruktion als „(Film)Text“ hinweisen. Filme und andere Kulturerzeugnisse wie die Beat-Literatur in den USA oder die Popliteratur der 60er Jahre in Deutschland werden so zu stark zeichenhaften Texten, die den Rezipient_innen einiges an kulturellem Wissen abverlangen.

Diese postmoderne Ästhetik hängt eng mit der ideologischen Konstruktion der Filme zusammen, ihrem Modell von „Welt“. Große Erzählungen weisen semiotisch betrachtet ein „transzendentales Signifikat“ auf, also eine Konzept, welches die Erzählung in ihrer inneren Logik konstituiert. Im Falle von Love Actually wäre dieses transzendentale Signifikat zum Beispiel „Liebe“ oder in Cloud Atlas „Schicksal“. Postmoderne Filme hingegen verweigern eine solche übergeordnete, die Welt gliedernde Struktur, was sie unter anderem durch die Fragmentierung ihrer Erzählung vermitteln. Auch haben die Protagonist_innen ein starkes Bewusstsein dafür, dass alles auch anders sein könnte (“Kontingenzbewusstsein”). Beinah scheint es, als würde das postmoderne Subjekt wissen, dass es nicht weiß, und ließe gerade deshalb klassische Verfahren der Sinnstiftung nicht zu.

Short-Cuts-Erzählung als „ideologische Hülle“

Als Erzählmodell dient dem postmodernen Film gerne die sogenannte “Short-Cuts-Erzählung”, bei der unabhängige Geschichten oder Handlungsstränge in kurze Segmente zerteilt, montiert und an bestimmten Knotenpunkten des Geschehens temporär zusammengeführt werden. Aus diesen Knotenpunkten kann wiederum weitere Handlung entstehen.

Ein Beispiel für einen postmodernen Short-Cuts-Film wäre natürlich der namensgebende Film Short Cuts von Robert Altman aus dem Jahr 1994, aber auch der viel bekanntere Pulp Fiction. Bei letzterem haben wir drei Erzählstränge, die miteinander nicht direkt verbunden sind, sondern jeweils eigenständige Geschichten erzählen, gleichwohl sie untereinander Ereignisse motivieren. Diese Ereignisse wiederum spielen für die einzelnen Erzählstränge keine weitere Rolle, sondern stellen nur eine oberflächliche Verbindung zwischen den Erzählungen her.

Pulp Fiction als postmoderner Film leitet aus der Kohärenz dieser Geschichten nun gerade keine sinnhafte, schicksalhafte Verbindung ab, sondern präsentiert sie als funktionslose Selbstreferenz auf die eigene Diegese. Gleichzeitig lässt sich auf der Ebene dessen, was erzählt wird, eine Dekonstruktion der „großen Erzählung“ beobachten. Die vermeintliche Bibelstelle Jules Winfields ist kein wirklicher Vers, sondern vielmehr ein kunstvolles Mashup verschiedener Bibelstellen, die sich Jules entgegen seiner Aussage vielleicht nicht ganz so exakt eingeprägt hat. Durch diesen Zynismus, eine Bibelstelle als Rechtfertigung für die Hinrichtung eines Kleinkriminellen zu verwenden, wird die Funktion der Bibel als sinnstiftende, moralische Leitlinie pervertiert und negiert.

Ästhetik ohne Ideologie

Während nun also die Short-Cuts-Erzählung für diese Filme dazu dient, eine fragmentierte, nicht sinnhafte Ordnung zu repräsentieren, verwenden andere Filme dieselbe Form um genau das Gegenteil in ihr Modell von Welt zu integrieren. Diese Filme übernehmen die postmoderne Ästhetik der 90er Jahre ohne ihre ideologischen Grundlagen – die Verweigerung von Sinn und die Annahme eines dissozierten Subjekts – zu übernehmen. Ein Film wie Love Actually weist eine im narratologischen Sinne fragmentierte Oberfläche nach dem Short-Cuts-Verfahren auf, besitzt aber im Gegensatz zu postmodernen Filmen ein transzendentales Signifikat („Liebe“), das die Fragmentierung durch eine den Film konstituierende Ordnung kohärent auflöst.

Ästhetische Verfahren der Postmoderne werden also für Filme benutzt, deren ideologische Grundlage durchweg konservativ ist. So zeigt etwa Michel Gondrys Film Eternal Sunshine of the Spotless Mind in jenen Sequenzen, in denen die Hauptfigur Joel Barish sich durch ihre eigenen Erinnerungen bewegt, eine auf mehreren Ebenen unklare Erzählsituation, in der Unsicherheit darüber besteht, ob das Erzählte der Wahrheit entspricht, oder ob eine Erzählinstanz, zum Beispiel Joels Psyche, das Erzählte manipuliert. Die eine oder andere Erzählinstanz greift sozusagen regelwidrig in die andere über – die für die Postmoderne so typische “Metalepse”. Hinzu kommt, dass der Film gerade auf Ebene der Binnenhandlung nicht chronologisch erzählt wird, sondern scheinbar willkürlich.

Der Film präsentiert also eine im wesentlichen postmoderne Ästhetik, installiert insgesamt aber ein kohärentes Weltbild. Denn die Fragmentierung der Oberfläche wird letztlich aufgelöst: Die naturalisierte, orts- und zeitunabhängige Liebe von Joel und Clementine führt die beiden am Ende des Films wieder zusammen. Trotz der vergessenen gemeinsamen Vergangenheit verlieben sich die beiden erneut: „Liebe“ dient in Gondrys Film also als transzendentale, übergeordnete Struktur, durch die das postmoderne Subjekt die Fragmentierung aufheben kann.

Medialität als Sinnstiftung

Cloud Atlas treibt diese Entwicklung auf die Spitze. Auf filmtechnisch und narratologisch bewundernswerte Weise nutzt der Film alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um eine übergeordnete, das Modell von Welt konstituierende Ordnung zu etablieren. In Cloud Atlas dient die Fragmentierung der Erzählung nicht mehr der Ästhetik einer fragmentierten Wirklichkeit, wie dies in der Postmoderne der Fall ist. Vielmehr dient das Short-Cuts-Verfahren selbst der Sinnstiftung: Erst durch die Medialität des Films wird den Zuschauer_innen eine kontingente Repräsentation einer Wirklichkeit, also eine andere mögliche Sicht der Dinge offengelegt. Die Erzähloberfläche, also das, wie erzählt wird (discours), ist so strukturiert, dass es die Geschichte selbst überlagert, also das, was erzählt wird (histoire). Anders gesagt: Erst durch das Erzählverfahren wird die Erzählung überhaupt erst möglich.

Eine Schlüsselszene in der Mitte des Films zeigt, wie die Struktur der Erzählung selbst eine erzählerische Funktion einnimmt. In dieser Szene verlässt die Kamera das einzige Mal vollständig die Hauptfigur der Episode, Luisa Rey, und zeigt den Protagonisten einer anderen Zeitebene, Isaac Sachs, wie er Notizen verfasst, die gleichzeitig von ihm vorgelesen aus dem Off zu hören sind. Das Bild führt Währenddessen entweder die Handlung der Episode fort oder stellt die Aussage des Off-Sprechers in einen Sinnkontext. Es greifen also auditiver und visueller Kanal ineinander über und erweitern den Informationsgehalt beider Kanäle. Die Kooperation von Text und Bild führt dazu, dass die einzelnen Kanäle mehr Bedeutung erhalten, als sie für sich alleine eigentlich transportieren würden. In der Zeichenlehre spricht man hier von einer „sekundären Semiotisierung“, also einer zweiten Bedeutung, die zur ersten hinzugefügt wird. Dadurch wird es möglich, dass in Cloud Atlas durch die Erzählform die eigentlich völlig unabhängigen Geschichten wieder kohärent zusammengefügt werden.

Die primären Vermittlungsfunktionen der einzelnen Kanäle, welche die primäre Semiotisierung und Bedeutungskonstitution übernehmen, werden durch die Auflösung der bisherigen Erzählinstanzen zueinander in Bezug gesetzt und auf diese Weise sekundär semiotisiert. Im konkreten Fall kooperieren gleich vier verschiedene auditive Kanäle miteinander; (a) der diegetische on-track Ton, also beispielsweise die Flugzeuggeräusche, (b) Off-Filmmusik, die (c) in eine an einem Flügel gespielte on-track „Filmmusik“ transformiert und anschließend mit dem diegetischen Ton in Kongruenz gebracht wird, sowie (d) ein per voice-over aus den Off präsentierter innerer Monolog, also der von Isaac Sachs verlesene Tagebucheintrag.

Diese auditive Ebene, die in sich selbst schon verwoben ist, eine zusätzlich zeichenhaft analysierbare Struktur aufbaut und damit auch erzählend ist, kooperiert nun mit der visuellen Ebene und versieht die einzelnen Episoden über ihre klassische filmische Bedeutungskonstituierung hinaus mit zusätzlicher Bedeutung. Wenn der Off-Sprecher Isaac Sachs sagt: „Kräfte, die Zeit und Raum neu definieren“ und dabei Robert Frobisher beim Komponieren gezeigt wird, setzt der Film natürlich eine Verbindung zwischen diesen Kräften und Frobishers Komposition. Es findet also eine „regelwidrige“ Überschreitung einzelner Kanäle statt. Sachs sagt durch seinen Monolog nicht mehr nur etwas über sich und seine Welt aus, sondern gleichzeitig auch etwas über die von Robert Frobisher, Son-Mi 451 und die anderen Charaktere, die zu sehen sind.

Die ideologische Grundidee des Films, nämlich dass alles zusammenhängt, kann also nur durch die Erzählform zustande kommen. Filmwissenschaftlich interessant ist dabei, dass die Medialität des Films es durch die Montage erlaubt, den discours als Sinnstiftungsinstanz zu installieren. Der Schnitt dient als Modus des tertium comparationis – „Alles ist verbunden“ (was auch der Untertitel der deutschen Fassung des Films ist). Dies wird entweder dadurch realisiert, dass ähnliche Erzählungen, etwa über Sklaverei, ähnliche Erzählstrukturen (Gefangenschaft-Freiheit) und ähnliche (diegetische) Orte hintereinander geschnitten werden oder sich Informationskanäle überlappen.

Die Struktur wird selbst erzählend

Zusammengefasst heißt das also: Durch die medienspezifische Montage der verschiedenen Kanäle sowie auf narrativer Ebene durch die Erzählstruktur, wird die Struktur selbst erzählend. Im Gegensatz zur Romanvorlage ist die Form der Erzählung für den Film sehr viel wichtiger: Die Geschichte entwickelt sich nicht nur dadurch, was erzählt wird, sondern auch wie sie erzählt wird. Es ist für den Film also wichtig, dass er ein Film ist: Das Nach- und Voreinander von Szenen, sich überlagernde Episoden, ist für die Geschichte des Films entscheidend. Er führt den Zuschauer_innen durch seine durchaus auch totalitäre Form eine mögliche Realität vor.

Verabsolutiert der Film also nur eine mögliche Wahrnehmung der Wirklichkeit und stellt einen Zusammenhang zwischen zwei Dingen her, die nicht zwangsläufig gegeben sein müssen? Diese Frage lässt sich schnell mit „Ja“ beantworten, indem man zu den großen Erzählungen zurückkehrt: Denn Cloud Atlas propagiert eine solche große Erzählung, er stellt ein Welterklärungsmodell für scheinbar zufällige Ereignisse zur Verfügung.

Im Gegensatz zu Cloud Atlas weist Pulp Fiction durch seine ästhetischen Verfahren ständig auf die eigene Konstruktion als Film hin und unterläuft die oberflächliche Verbindung der Segmente, sodass der Gesamtfilm keine kohärente Erzählung darstellt.

Bei Cloud Atlas ist diese Verbindung der einzelnen Episoden sowohl durch das Erzählverfahren als auch durch das zugrunde liegende transzendentale Konzept des „Schicksals“ gewährleistet. Auf diese Weise wird die postmoderne Ästhetik der 1980er und 1990er Jahre metaphysisch gewendet und beendet das Ende der großen Erzählung, indem sie das Narrativ des Schicksals wieder aufgreift. Das ist nun insofern bemerkenswert, als dass sich hier vielleicht eine Rückwendung zu den „großen Erzählungen“ erkennen lässt. Die „großen Erzählungen“ werden in Cloud Atlas dabei durchaus in aktualisierter Form wiedergegeben, indem wir ein buntes Potpourri an religiösen Vermischungen wie etwa der klassischen Erlöserfigur Son-Mi 451 (Christentum) und Reinkarnationsglauben (Hinduismus) wiederfinden.

Daraus lässt sich ableiten, dass der Mensch in Cloud Atlas und anderen Filmen wieder nach Antworten auf die fragmentierte Welt sucht und die Sinnlosigkeit des postmodernen Menschen nicht akzeptieren möchte. Cloud Atlas ist dabei ein paradigmatischer Film, der die Fragmentierung selbst auf allen Ebenen thematisiert und gleichzeitig eine – ideologisch sicherlich nicht immer unproblematische – Lösung für das postmoderne Subjekt anbietet.

Der Weg der zwölf Macbeths: The Scottish Play in/on Film

© See-Saw-Films

To The Lighthouse” ist eins der wenigen Filmblogs, in dem ich auch die Kritiken lese. Das liegt an seiner Autorin, die es für mich wie kaum jemand anderes in der Blogosphäre schafft, sehr klug und wissend über Filme zu schreiben, ohne dabei zu formelhaft oder versnobt zu werden. Außerdem schätze ich die Systematik, mit der sie sich manchmal durch Filmografien guckt und dann darüber schreibt. Als sie sich mal wieder auf Twitter darüber lustig machte, dass sich außer ihr niemand für Macbeth-Verfilmungen interessiert, habe ich ihr widersprochen und sie gebeten, doch die Bilanz ihrer schottischen Odyssee als Gastbeitrag für “Real Virtuality” umzuschreiben – mit einem Ausblick auf die anstehende Verfilmung von Justin Kurzel, die diese Woche in Cannes Premiere feiert. Das Ergebnis ist wunderbar geworden. Ihr solltet auch “To The Lighthouse” lesen.

Ein Gastbeitrag von Lena Leuchtturm

Shakespeare! Fassbender! Cotillard! Drei Namen, die einzeln genommen schon ein Versprechen sind, deren Kombination aber ein perfektes Zusammenspiel künstlerischer Talente und Stärken erwarten lässt und mir daher bereits seit 2013 feuchte Träume beschert – seit ich von der Existenz eines gewissen Filmprojektes erfuhr. Nun endlich, zwei Jahre später, feiert Regisseur Justin Kurzels Version der Königsmörder-Tragödie Macbeth bei den Filmfestspielen von Cannes Premiere.

Die Wartezeit vertrieb ich mir allerdings sinnvoll – mit einer Rückschau. Denn eine Frage stellte sich mir: Braucht die Welt tatsächlich eine weitere Inszenierung eines Stücks des meistverfilmten Autors überhaupt? Die IMDb listet eine unüberschaubare Anzahl Film- und Fernsehtitel unter dem Stichwort „Macbeth“. 12 davon sah ich mir an (von Regisseuren wie Orson Welles, Akira Kurosawa, Béla Tarr und Roman Polanski) und kann bereits jetzt mit Gewissheit antworten: Aber selbstverständlich braucht sie sie!

Feingefühl für Gewalt

Jede Verfilmung hat ihren eigenen Wert. Macbeth-Inszenierungen sind seit der Stummfilmzeit in jeglicher Qualität und für verschiedenste Zielgruppen verfügbar, von texttreuen Lebendigwerdungen bis zu freihändigen Modernisierungen, und jede einzelne lehrt uns etwas über Shakespeares Stück, über Welt- und Menschenbilder und über filmische Ausdrucksmittel. Ich habe Shakespeare durch die Augen anderer gesehen und gerade Differenzen brachten neue Erkenntnisse. So bewies etwa die aufgrund ihrer Banalisierung von Gewalt ärgerlichste Verfilmung von Geoffrey Wright mit Sam Worthington durch ihr mangelndes Feingefühl eben jenes Feingefühl bei Shakespeare. Denn sein Macbeth ist eher Gewaltstudie als Metzelfilm.

Geoffrey Wrights Macbeth (2006)

Macbeth (ein Titel, der einem Fluch nach nicht in Theatern ausgesprochen werden soll – Auftritt „The Scottish Play“) ist Shakespeares kürzeste Tragödie. Dadurch ist sie eine sehr kompakte, dichte und auf den ersten Blick eindeutige, die von einer hoffnungslosen, deterministischen, von Krieg, Verrat und Ehrgeiz geplagten Welt erzählt, in der Befreiung durch einen abgeschlagenen Kopf erlangt wird. Inspiriert durch die Prophezeiung dreier Hexen und die Überredungskünste seiner Frau, mordet sich der einfache Krieger Macbeth zum König und Tyrannen hoch, was zunächst den Verstand und schließlich das Leben des Ehepaars Macbeth fordert. Dennoch lässt sich die Aussage nicht auf die Formel “Macht korrumpiert” herunterbrechen. Macbeths Vorgänger Duncan schien ein guter König und dessen Sohn Malcolm verspricht es ebenfalls zu werden. Eindeutiger ist: Wer aus unlauteren Gründen zur Herrschaft kommt, der ist kein guter Herrscher. Nicht Macht selbst korrumpiert, sondern die Mittel, die gewählt werden. Der Mensch ist sein eigenes Verderben, weil er niemals zufrieden ist.

Neben dieser Einsicht entdeckte ich durch die Verfilmungen aber auch noch ganz andere Anlagen in der Geschichte. Besonders umgetrieben hat mich immer wieder die Frage nach dem freien Willen, die sogar ein größerer Antrieb der Handlung zu sein scheint als die der Machtgier. Man darf den Stein des Anstoßes nicht vergessen: die Hexen, die Macbeth erst die Flausen in den Kopf setzen. Wie die einzelnen Macbeths mit diesem gepflanzten Gedanken umgehen, ist stets einer der spannendsten Momente der Verfilmungen. Folgen sie nur einem vermeintlichen Schicksal oder wählen sie ihren Weg selbstbestimmt? Die einen stolpern mehr durch ihren vorherbestimmten Weg, angeleitet von ihren Frauen, die anderen entscheiden bewusst selbst, reflektieren, hadern mit den Konsequenzen und nehmen sie dann doch in Kauf. Davon ableiten lassen sich Weltbilder zwischen Determinismus und einem Recht des Stärkeren.

Schauplätze

Es geht um Individuum und Kollektiv. Macbeth bringt durch sein unrechtmäßiges Tun die natürliche Ordnung durcheinander. Bereits die Schauplätze der Filme vermitteln jedoch unabhängig davon das Bild einer Welt, die chaotisch, mitleidlos, gewalttätig ist und Macbeth gleichgültig gegenübersteht. Sie zeigen kalte, klaustrophobische, dunkle Burgen und manchmal zum Staunen schöne, aber unbeteiligte, gar feindselige oder Macbeths Grausamkeit spiegelnde Natur. Die Regisseure setzen dies geschickt in Genre-Anleihen um: Vom Expressionismus durch harte Winkel und lange Schatten bei Orson Welles (1948), Film Noir in Joe MacBeth von Ken Hughes (1955), Mafiafilm im indischen Maqbool von Vishal Bhardwaj (2003), bis zum überstilisierten Actionfilm in Geoffrey Wrights Macbeth (2006).

Orson Welles als Macbeth, 1948

Die Rettung Schottlands durch Malcolm ist dann auch nur bedingt erleichternd, sie wird mit einem abgeschlagenen Kopf bezahlt und mit einer ungewissen Zukunft – oder bei Polanski (1971) mit dem Beginn eines neuen Kreislaufs von Verführung und blindem Ehrgeiz. Manche Macbeths wirken in ihrer Degeneration zwar monströser als andere, sie bestätigen aber meist nur ihr Umfeld und das, was sie gelernt haben (insbesondere die Gangsterbosse in den modernisierten Thrillern), schließlich beginnt die Handlung mit einem Krieg.

Ausdehnung

Unterschiede zeigen sich besonders in der Ausdehnung der gezeigten Welt. Die Überschaubarkeit des Schauplatzes und der Statisten machen die Verfilmungen zu intimen psychologischen Studien (besonders Philip Cassons Abfilmung einer Theaterinszenierung mit Ian McKellen und Judi Dench von 1979), zu taktischen Kriegsdramen (Kurosawas Das Schloss im Spinnwebwald von 1957) oder zu real durchaus möglichen Thrillern (die schwarze Komödie Scotland, Pa. von Billy Morrissette von 2001). Shakespeares kompaktes Stück konzentriert sich auf essenzielle Entscheidungen und Antriebe. Es lässt viel Spielraum zur Interpretation, wodurch es leicht transponierbar und in verschiedene Kontexte einsetzbar ist.

Akira Kurosawas Interpretation von 1957

Die Modernisierungen spielen dennoch meist im Gangstermilieu (oder kurioserweise im kulinarischen Umfeld – in Scotland, Pa. und in der Fernsehproduktion ShakespeaRe-Told: Macbeth von 2005 mit James McAvoy als Koch), wodurch sie Herrschaft mit Gewalt und Unmoral gleichsetzen. Selbst der edle König wird dann zum Verbrecher (zum führenden sogar) und Macbeth selbst vor allem zum ehrlosen Verräter.

Darsteller

Nicht nur die Textumsetzung bestimmt aber die Aussage, sondern vor allem auch das Schauspiel, die Haltung, die Extraversion, die Dynamik der unterschiedlichen Macbeth-Darsteller. Selbst wenn sie teilweise denselben Text sprechen, sind es doch zwölf völlig eigenständige Macbeths: in sich gekehrte, lebensmüde Macbeths (Orson Welles), patente Krieger (Toshirō Mifune), smarte Emporkömmlinge (Jon Finch), intellektuelle Zweifler (Ian McKellen), etwas dümmliche Tollpatsche (James Le Gros), Wahnsinnige (z.B. James McAvoy), Sadisten (Sam Worthington), Tyrannen (Patrick Stewart). Kaum einer genießt seine teuer bezahlte Macht, doch bei den einen ist das Einschreiten des Gewissens nachvollziehbarer als bei anderen.

Das ist ein weiterer entscheidender Unterschied: Die einen tragen den Anstoß zum Verrat in sich, die anderen müssen mühsam überredet werden. Gegeben ist der Wille zur Macht allen, es ist nur eine Frage der Zugänglichkeit. Am Ausmaß der Grausamkeiten ändert das aber wenig. Dennoch ist natürlich auch das Verhalten nach Machtergreifung nicht uninteressant. Bei manchen schlägt sofort die egoistische Paranoia durch, andere werden zum tyrannischen Machiavelli, wieder andere verlieren gar die Lust am Leben.
Und wir bleiben stets bei ihnen, erleben den wackligen Aufstieg und sicheren Fall direkt an der Seite des unlauteren Herrschers mit, die Gier nach mehr, die Paranoia und Selbstvergewisserung, das Verzweifeln an den eigenen Taten und Ängsten. Der Endkampf mit Macduff wirkt dann meist wie ein letztes Aufbäumen des müden Regenten, der Anhänger und Frau längst verloren hat. Einst ein aufrechter Mann, weichen Güte, Verstand und Lebenslust aus ihm, mit jedem Mord ein wenig mehr.

Roman Polanskis Macbeth (1971)

Frauen

Eine besondere Herausforderung für die Filme ist die schwer umzusetzende Ambivalenz der manipulativen, aber sensiblen, selbst beeinflussbaren Lady Macbeth, welche nicht immer vollständig glaubhaft, aber stets doch sehr komplex dargestellt wird. Sie erlebt Macbeths Zustände wie in gesteigerter Form. Ihr Ehrgeiz und ihre Kälte sind größer, später aber dafür auch ihr Leiden an der eigenen Schuld. Die Darstellerinnen sind meist zarte, elegante Wesen oder Femmes fatales, deren Entschlossenheit überrascht und deren Wahnsinn umso herzzerreißender ist.

In manchen Verfilmungen, besonders in Joe MacBeth, erscheint Lady Macbeth als der geeignetere, patentere, durchsetzungsfähigere Herrscher, durch ihr Geschlecht aber von der Rolle ausgeschlossen, in anderen (bei Rupert Goold mit Patrick Stewart) wird sie Opfer von Macbeths zunehmendem Jähzorn. Das schottische Stück ist auch eine Geschichte über die Geschlechter in einer patriarchalen Gesellschaft, in der das Weibliche mit Schwäche gleichgesetzt wird und ausgetrieben werden muss, zugunsten von Ehrgeiz und Rache. Durch diese Kälte und Herzlosigkeit wird aber nur ständig Gewalt mit Gewalt vergolten. Es gibt keine Barmherzigkeit. Lady Macbeth ist also im falschen Körper geboren, vielleicht aber auch nur zur falschen Zeit (wobei die modernen Ladys es auch nicht leichter haben mit ihren Männern) und deswegen in diesem unauflöslichen inneren Zwiespalt gefangen.

Whither should I fly?
I have done no harm. But I remember now
I am in this earthly world, where to do harm
Is often laudable; to do good sometime
Accounted dangerous folly: why then, alas,
Do I put up that womanly defence,
To say I have done no harm?

Shakespeare Re:Told (2005)

Schein und Sein

Nicht zuletzt sind all diese Filme Reflektionen über des Lebens Bühne, über Schauspiel, Schein und Sein Macbeths, über die Macht von Ideen und Vorstellungen, über Wunsch und Wirklichkeit, das Latente und das Manifeste, das besser nur ein Wunsch geblieben wäre. Macbeth hadert mit den Bildern in seinem Kopf, er halluziniert Dolche und seine blutenden Opfer, wird aber stets von seiner Frau angehalten, eine Maske der Unschuld zu tragen – ideale Anliegen für eine Übertragung ins Schattenspiel Film.

Life’s but a walking shadow, a poor player
That struts and frets his hour upon the stage
And then is heard no more. It is a tale
Told by an idiot, full of sound and fury

Der Schöpfer, Shakespeare, die Regisseure und Darsteller sind Spieler, Gaukler, die jeweils einen Macbeth festlegen, nur um vom Nächsten revidiert und vorgeführt zu werden. Es gibt keinen endgültigen Macbeth, nicht mal Shakespeares selbst. Und damit auch keine endgültigen Aussagen über Ehrgeiz, Macht und Vorsehung.

Rupert Goold, 2001

So sehe ich selbst nach einem Dutzend Verfilmungen noch die Lücke, in die Justin Kurzel stoßen kann, um sich einen Platz im Macbeth-Kanon zu sichern. Bereits der Debütfilm des Australiers ist eine Studie über Gewalt und Verführung: In Snowtown lockt ein Serienmörder einen misshandelten Teenager in seine Gewaltspirale – von Kurzel mit einem unnachgiebigen, distanzierten Blick eingefangen.

Und wieder Gewalt

Gewalt spielt natürlich in vielen der bisherigen Macbeth-Inszenierungen eine große Rolle, besonders bei Polanski und Wright, aber eher als Kontext und Schauwert und nicht unter dem so sezierenden Blick, den Kurzel mitzubringen scheint. Sein Macbeth könnte die Machtstudie auf Basis von Gewalt werden, die ich bisher noch vermisst habe. Gewalt befördert Macbeth an seinen erstrebten Platz, erst ihre Maßlosigkeit bringt ihn zu Fall. Der neuste Macbeth spielt dem Stück gemäß im Mittelalter, wurde im rauen Schottland und unter Verwendung der Originalverse gedreht und verspricht nicht nur dadurch eine vergleichsweise realistische, wenig zimperliche Herangehensweise an die sinistren Themen. Gerade auch Hauptdarsteller Michael Fassbender, der meist eine latente, konzentrierte, gequälte Aggression ausstrahlt, bringt dazu die nötige mimische Intensität mit, die auch leicht die bedeutungsschweren Verse tragen kann. Marion Cotillard an seiner Seite wird ihn ohne Frage gekonnt verführen und schließlich wunderschön leidend zugrunde gehen.
So oder so wird Justin Kurzels Film dem Prisma Macbeth eine weitere Fläche und damit einen weiteren Blickwinkel hinzufügen, wodurch das Stück und seine Themen noch vielfältiger brechen, reflektieren und strahlen … signifying (almost) everything!

© See-Saw Films

Michael Bays Limit, oder: Warum Paul W.S. Anderson der bessere B-Movie-Regisseur ist!

© Paramount Pictures

Dies ist ein Gastbeitrag von Floris Asche als Antwort auf den Beitrag von Sebastian Mattukat, zum Start von Transformers 4.

Michael Bay ist zum Synonym des modernen Action-Science-Fiction-Spektakel-Films geworden. Auch Nicht-Filmkenner kennen ihn. Paul W.S. Anderson kennt kaum einer. Dabei macht Paul W.S. Anderson genau die gleichen Filme wie Michael Bay. Es sind B-Movies. Nicht billig, aber mit Explosionen, Monstern, Aliens oder Robotern. Die Filmtitel kennt man: Resident Evil, Alien vs. Predator, Event Horizon. Aber irgendwie werden sie nicht so hoch geschätzt, so groß vermarktet, wie Transformers oder Bad Boys. Ich wundere mich, woran das liegt.

Kaum einer weiß, dass das brutale Regiedebüt des Engländers Anderson, Shopping (mit dem damals noch unbekannten Jude Law), in seiner Heimat aus den Kinos verbannt wurde. Michael Bays Filme wurden noch nie verbannt. Warum auch? Sie zeigen Stereotype, simple Welten. Abziehwelten. Schöne Frauen, Autos, schwitzende Helden (weil es ja anstrengend sein muss, die Welt zu retten) und Explosionen. Alles schön gefilmt, weil Bay da ja herkommt: Aus der Werbung. Werbung ist auch Abziehwelt. Doch Film ist das nicht. Nicht mal B-Film und schon gar nicht Action oder Science-Fiction.

Menschlichkeit, Nähe und Fehler

Paul W.S. Anderson erlaubt seinen Figuren gebrochene Momente und Zweifel. Egal, ob er bekloppte Storys, wie in Death Race, oder bekloppte Szenarien, wie in Mortal Kombat darstellt. Seine Figuren haben Menschlichkeit, Nähe und Fehler. Und genau da wird er leise. Weil er weiß: Die Wucht der Bilder, die Explosionen, Monster und so weiter, kann uns nur weiterbringen, wenn sie im Kontext der stillen, kleinen Menschen steht. Explosionen sind in einem Film nur gerechtfertigt, wenn jemand davor wegläuft. Wir müssen wollen, dass er überlebt.

Ich mag Michael Bay-Filme. Wirklich. Ich hab alle gesehen. Oft mehrmals. Aber wenn ich mich zurück erinnere, weiß ich nicht, ob die Figuren mir gefielen. Ich erinnere mich nur an Schauspieler, an Stars. Nicht an ihre Rollen. Klar fand ich Ewan McGregor in The Island toll, auch Scarlett Johansson. Aber ihre Figuren waren absolut idiotisch. Auch Shia LaBeouf und Megan Fox in Transformers: Warum soll ich mich für sie interessieren? Ah. Weil er der lustige Shia, und sie die heiße Megan ist.

So gesehen hat Michael Bay den ultimativen Trick gefunden: Schöne (von mir aus) echte Explosionen, gepaart mit schönen Menschen, die wir aus den Medien kennen, für die wir uns also von Natur aus interessieren. Anders Paul W.S. Anderson: Mal ganz davon abgesehen, dass er etwas weniger Budget für seine Filme hat, und so seine Filme auch mal billiger aussehen. (Manchmal sehr viel billiger.)

Ab und an spielen zwar auch bei Anderson Stars mit, aber sie werden ganz anders behandelt: Milla Jovovich, zum Beispiel: Sie bekommt zu Beginn des ersten Resident Evil-Films eine lange Einführung. Mysteriös und erzählerisch wird ihre Figur vorgestellt. Oder Jason Statham in Death Race: Bestimmt nicht Andersons oder Stathams bester Film, aber in welches emotionale Loch, welche Tiefe der Hauptcharakter zu Beginn geworfen wird … Ähnliches passiert mit dem Charakter von Sam Neill in Event Horizon.

Sowieso: Event Horizon.

Ein stilprägender Sci-Fi-Horrorfilm, ohne Monster. Ohne direkte, einfache Gründe für das Grauen. Es gibt keine Bösen, das Böse sind wir. Weil wir die Grenzen der Wissenschaft nicht erkennen, oder gewillt sind sie zu überschreiten. Hybris heißt das Monster. Man hat Angst vor jeder Figur in Event Horizon. Die Effektmomente, die Animationen und Modelle im Weltraum sind hier quasi Entspannung, ruhige Inseln. Im Grunde befindet sich Paul W.S. Anderson mit Event Horizon und Resident Evil auf der Spur der großen B-Movies. Von Ulmers Detour, Francis Ford Coppolas Dementia 13, oder Romeros Night of the Living Dead.

Bei Michael Bay ist es niemals dunkel

Michael Bay macht keine Horrorfilme. Und er stellt sicher: Niemals ist es zu dunkel in den Sci-Fi-Filmen. Warum? Weil Dunkelheit Ungewissheit ist. Das passt nicht in die Abziehwelten. Abziehwelten sind klar, sauber – auch wenn Filmgrain drüber klebt. Ja – es sind schöne Bilder, manchmal wundervoll abfotografierte Szenen. Aber guckt man sich nochmal Event Horizons erste Space-Kamerafahrt an: Die steht den Effekten in Transformers in nichts nach, rechnet man die Entwicklung der Computeranimationen heraus und lässt außer Acht, dass sie ein Drittel des gesamten Budgets gekostet hat. Und genau das ist es: Bei Paul W.S. Anderson gibt es in einem Film eine Handvoll eindrucksvoller Effekte. Bei Michael Bay ist alles Effekt.

Durch budgetäre Beschränkungen waren B-Movies, Actionfilme und Sci-Fi eigentlich immer gezwungen sich den Figuren zu widmen. Michael Bay nutzt Personen wie Schaufensterpuppen. Das kennt er noch aus Musikvideozeiten: Da hatte er für ein paar Minuten auch viel zu viel Geld. Alles war nur “Eye Candy”. Michael Bay schert sich auch nicht um Kontinuität. Ein Schnitt, und schon sind wir woanders. Er darf sich auch nicht scheren, weil seine Geschichten nur Effekte wollen. Geschichte ist ihm vollkommen egal. Wenn also eine Handlung von Szene A, über B, zu C gehen sollte, schneidet Bay einfach das langweilige B heraus. Zuviel Entwicklung. Stattdessen spielt das der Star einfach in der nächsten Szene mit. Deswegen wirken die meisten Bay-Filme auch so stückhaft. Schnitt und weg.

In vielen Paul W.S. Anderson Filmen gibt es Übersichten und Lagepläne. Anderson will den Zuschauer in die Erzählwelt hinein holen. Er will ihn verstehen lassen. Vielleicht gibt es dafür bessere, filmische Mittel, bestimmt sogar. Aber der Anspruch von Verständnis ist da. Paul W.S. Anderson erzählt ganze Welten, Story-Kosmen. Wie ein kleines Kind, das sich vor dem Urlaub in Griechenland atemberaubendsten Geschichten im Geiste überlegt. Wenn das Kind dann da ist stehen nur noch 15 Säulen. Alles recht trocken. Aber die Geschichten in seinem Kopf, die Vorstellungen … Wahnsinn.

Eine Renaissance des B-Movies

Es wird viel über das Ende der großen Blockbusterfilme geschrieben und geredet. Ich glaube eher, es wird eine Renaissance der B-Movies geben. Der echten B-Movies. Keine B-Movies, die mit viel Geld zu A-Movies werden sollen. Sci-Fi, Action, Thriller, Horror gehören ins Kleinere. Dort wo man sich visuell etwas einfallen lassen muss, damit man flink beeindruckt, um dann wieder Geschichten zu erzählen. Mit visuellen Ideen, und nicht immer wieder den gleichen Hochglanzshots.

Noch eine Sache zum Abschluss. Nicht einer von Michael Bays Filmen hat eine weibliche Hauptfigur. Nicht einer. Dagegen dreht Paul W.S. Anderson am sechsten Resident Evil-Teil und hat mit Alien vs. Predator eine außergewöhnlich lebensnahe Heldin etabliert. Aber vielleicht sind Frauen für Michael Bay zu komplex. Lieber den Arsch filmen, als sie was sagen lassen. Und das ist dann dieser eine “Moment”. Für wen wohl?

Floris Asche ist Autor und Filmemacher in Berlin. Zusammen mit Sebastian Mattukat hat er letztes Jahr die Kurzfilm-B-Movie Hommage Spreeshark gedreht. Zur Zeit arbeitet er an der Langfilmfassung.

Film Blog Adventskalender – 24 – Denis Krick

Ach, was habe ich mich damals gefreut: Als bekannt wurde, dass neue Filme der Krieg der Sterne-Reihe produziert werden sollten, bin ich quasi durchgedreht. Und dann kam The Phantom Menace in die Kinos und ich wollte daraufhin George Lucas stundenlang ohrfeigen, vierteilen, teeren, federn, enteignen und dem mächtigen Sarlacc zum Fraß vorwerfen. Das Prequel war einfach grandiose Scheiße – und die folgenden zwei Streifen gerieten auch nicht viel besser.

Die Enttäuschung war auch deshalb so groß, weil ich kurz zuvor die Thrawn-Trilogie von Timothy Zahn gelesen hatte. In den drei Bänden wird space-opera-episch erzählt wie es Luke, Han, Leia und Co. fünf Jahre nach “Die Rückkehr der Jedi-Ritter” geht. Es gibt klasse Bösewichte, schicke Plot-Twists, Wiedersehen mit bekannten Figuren und jede Menge neue Charaktere. Das Imperium macht auf Guerilla-Krieg und die Rebellion leidet unter politischen Machtspielen.

Und das hätte ich gerne als Film gesehen – stattdessen kam Jar Jar Binks.

Allen Menschen mit “Phantom”-Schmerzen seien deshalb die drei Bücher “Erben des Imperiums”, “Die dunkle Seite der Macht” und “Das letzte Kommando” von Timothy Zahn als Weihnachtsgeschenk empfohlen. Noch schöner ist das ganze Paket als Audiobook im englischen Original – da sind nämlich noch Wookiegebrüll und Tie-Fighter-Geheule inklusive.

Ein zweiter Geschenktipp für alle Leidensgenossen ist der Film Fanboys. In dem Film wollen vier Star Wars-Nerds in die Ranch von George Lucas einbrechen, um The Phantom Menace vor dem offiziellen Kinostart zu sehen, denn einer der Freunde ist sterbenskrank und wird es bis zum eigentlichen Premierendatum nicht mehr schaffen.

Unglaubliche Gastauftritte und die größte anzunehmende Schlusspointe sind die Folge. Dieser Film gehört einfach unter jedem Tannenbaum mit Repulsorliftantrieb. Möge die Macht mit euch sein. Immer. Auch an Weihnachten.

Und nächstes Jahr sprechen wir dann in dieser Selbsthilfegruppe über Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels.

(Denis Krick)

Film Blog Adventskalender – 23 – Sidney von “Sir Donnerbolds Bagatellen”

Als großer Disney-Fan und jemand, der seiner besseren Hälfte verzweifelt versucht, Comics näher zu bringen (sie respektiert diese Kunstform, findet einfach bloß nicht den Einstieg), muss ich nicht lange überlegen, was an dieser Stelle als Weihnachtsgeschenk empfohlen werden sollte: Don Rosas Enten-Comicepos „Sein Leben, seine Milliarden“. Auf fast 500 Jahren skizziert der auf verrückte Details stehende Disney-Zeichner und -Autor die wichtigsten Stationen im Leben von Dagobert Duck, dem reichsten Erpel der Welt.

Dieser Comicband ist voller Humor und stellenweise auch überraschend rührend, zudem ist er sehr konsequent erzählt. Lassen Disney-Comicsammlungen sonst eine übergreifende Kontinuität missen, erzählt dieses Buch eine zusammenhängende Geschichte, was es zu einem Disney-Ausnahmewerk macht. Dank zahlreicher Beispiele auf Carl Barks, den Großmeister der Disney-Comics, eignet sich „Sein Leben, seine Milliarden“ natürlich bestens für alle Duck-Nostalgiker, aber dank der flotten Dialoge und den originellen Zeichnungen ist es auch ein tolles Geschenk für jeden Freund kurzweiliger Comic-Literatur und für all jene, die es werden wollen.

(Sidney Schering)

© Egmont Ehapa/Disney

Film Blog Adventskalender – 22 – Jens Prausnitz

Mit Traditionen zu brechen, wenn sie einem nichts mehr geben und möglichst konstruktiv darüber zu schreiben, könnte als Motto über meinem Leben stehen. Wie Buñuel sein, die Rituale entlarven, und dann so spielerisch damit umgehen wie Woody Allen, und Dali ein Rhinozeros in den Porzellanladen von Mund legen. Everything is a Remix.

Wie sieht das als Weihnachtsgeschenk aus? So, wie die meisten meiner Geschenke das ganze Jahr über daher kommen, als Link. Kaum etwas bereitet mir mehr Freude, als über etwas zu stolpern, dabei an jemanden zu denken, und ihm oder ihr diesen Fund unmittelbar zukommen zu lassen. Nur weil ich als Erwachsener nichts mehr vom “Fest der Liebe” halte, heißt das noch lange nicht, dass ich anderen die Weihnachtszeit mutwillig verderben möchte. Als Vater eines 10-Jährigen wäre das auch reichlich infantil. Außerdem erinnere ich mich noch, wie sehr ich selbstgebastelte Adventskalender geliebt habe, und das dürfte bis heute die einzige Serie sein, bei der ich mich nicht an 23 Prequels oder “origin stories” störe.

Für meinen Sohn besteht er noch aus remixten, schwer dechiffrierbaren Legosets, für alle anderen als öffentliches Mixtape recht unsexy und haptikfrei online. Darauf sind jedes Jahr 24 schnittige Lieder, gespickt mit Samples aus Filmen und Serien, die ich im jeweiligen Jahr gesehen oder (wieder)entdeckt habe. Das Erste machte ich noch klassisch auf eine 90er Kassette – Chromdioxid, Typ II – für zwei gute Freunde, als Begleitung für deren gemeinsame lange “Driving home for Christmas”-Autofahrt von der Uni nach Hause. Selbstredend ohne dieses grauenhafte Lied. Inzwischen schaffe ich das aber nicht mehr alles in der Adventszeit, daher hat sich daraus ein Jahresrückblick im Januar entwickelt, gehalten haben sich aber die 24 Häppchen, und gebrannt muss es immer noch auf eine CD passen. Wer jetzt mal in vergangene Ausgaben reinhören will, bitteschön. Im Januar gibt’s die nächste Ausgabe unter dem gleichen Link, für die ich schon das ganze Jahr über Samples und coole Songs gesammelt habe – Dank einem Tweet von Alex ist übrigens “Cholla” von The Joy Formidable dabei.

So entwickelt sich alles schleichend bis radikal weiter, ich liebe und lebe von der Montage, ob als Cutter von Werbespots für Katzenfutter bis hin zu Spiel- und Kurzfilmen, Produzent vom torrent-magazin Podcast, dem Entwurf und Bau von eigenen Lego-Modellen, sowie dem Schreiben von Filmbesprechungen, Texten und Drehbüchern. Angetrieben werde ich von einem Hauch Nostalgie, höre dabei auf mein Bauchgefühl und folge meinem Herzen. Die meiste Energie widme ich im Augenblick wohl dem von mir ins Leben gerufenen “writers’ room” auf wasbleibtistprost.de, wo ich gemeinsam mit 23 ;) anderen Pionieren öffentlich an einer deutschen Mystery-Horror-Serie schreibe: “Woipating” bzw. “W.” – ein bisschen wie TWIN PEAKS im Bayrischen Wald. Dementsprechend schließe ich einigermaßen passend mit Dale Cooper: “I’m gonna let you in on a little secret: Every day, once a day, give yourself a present. Don’t plan it, don’t wait for it, just let it happen. It could be a new shirt at the men’s store, a cat nap in your office chair, or two cups of hot black coffee.”

(Jens Prausnitz)

Film Blog Adventskalender – 20 – Xander von “Xanders Blog”

Im Januar sind es nun schon sechs Jahre, in denen ich meine bescheidene Meinung zu diversen Filmen mit dem sogenannten Internet teile. Knapp ein Fünftel meines Lebens hat mich “Xanders Blog” nun schon begleitet, dabei war das am Anfang ja nur ein spontanes Projekt, um in der Fremde die Zeit totzuschlagen, wie im Interview bei “Review Corner” geschildert. Mittlerweile ist der Blog fester Bestandteil meines Lebens, wenn auch nur noch ein kleiner Teil davon.

Trotz dessen bin ich gemeinsam mit ein paar Bloggerkollegen im Juni 2013 das nächste Projekt angegangen, die “Film-Blogosphäre“, kurz gesagt: Eine Sammlung aller Kritiken aus der Filmblogosphäre. Ganz einfach gehalten, man sucht sich einen Film und sieht direkt im Überblick wer aus der Blogosphäre hierzu schon eine Kritik verfasst hat. Hätte ich also einen Wunsch frei: Es wäre Zeit. Also, zusätzliche Zeit, wie bei einem Bonus-Level, um endlich mal sämtliche Wunschfilme und Filmkritiken nachzutragen.

Und wo wir grad bei Filmkritiken sind, hier meine elegante Überleitung für ein Weihnachtsgeschenk an alle Filmfreunde: Das Buch “1001 Filme die Sie gesehen haben sollten, bevor das Leben vorbei ist” aus der Edition Olms. Das ist so ein bisschen wie ein analoger Blog voller Filmkritiken, aber ohne Kommentarfunktion. Über 1.000 Filmempfehlungen von 77 Kritikern, vom Jahr 1900 bis 2010. Wer es noch nicht hat, wird sich drüber freuen – und nebenbei bietet es wunderbaren Gesprächsstoff wenn es darum geht, warum dieser und jener Film in der Liste steht und manch anderer nicht.

Film Blog Adventskalender – 19 – Christian von “Second Unit”

Die Wände in meinem kleinen WG-Zimmer sind nicht sonderlich geschmückt. Als Student verstehe ich mich hier eh nur auf der Durchreise. Und generell halte ich nicht viel von Nippes wie Bildern und Deko-Artikeln.
Doch zwei wunderschöne Film-Poster haben es in eigene Bilderrahmen und an die Wände geschafft. Ich bin kein großer Freund von den immer selben Poster-Motiven. Deshalb empfehle ich hinter meinem Adventskalender-Türchen die Künstler-Plattform society6.com. Dort können Künstler ihre kreativen Werke anbieten und ihr diese kaufen. Egal ob als Druck, T-Shirt oder iPhone-Hülle, bei den Ergebnissen sind auch viele Film-Titel am Start. Die Qualität der Kunstwerke steht und fällt natürlich mit den jeweiligen Künstlern. Meine beiden Bilder stammen von Bill Pyle und sind zu meinen Lieblingsfilmen Eternal Sunshine of the Spotless Mind bzw. (500) Days of Summer. Für weniger kahle Wände und mehr Originalität!

Christian Steiner ist eine Hälfte des Film-Podcasts „Second Unit“. Jede Woche bespricht er mit Partner-in-Crime Tamino Muth einen Film in erschöpfender Ausführlichkeit. Das können Klassiker, Kino-Filme oder Gurken sein. Das Ergebnis gibt es jede Woche auf secondunit-podcast.de oder bei iTunes zum Abonnieren.

(Christian Steiner)

Film Blog Adventskalender – 18 – Wulf vom “Medienjournal”

Ich heiße Wulf, bin 28 Jahre und blogge seit mehr als zweieinhalb Jahren Kritiken zu Filmen, Büchern und vielem mehr im Medienjournal und habe damit meine Leidenschaft in die Weiten des Internet getragen. Mein Tipp für ein ausgefallenes Weihnachtsgeschenk an Filmbegeisterte ist so simpel wie einleuchtend, zumal ich mir kürzlich zum Geburtstag ein ähnlich geartetes Geschenk selbst gemacht habe, da meine liebe Familie mir eben meist nur Bargeld zur freien Verfügung zukommen lässt.

Orientiert euch an den Lieblingsfilmen oder -serien des zu Beschenkenden und tut euch einmal im Netz um, was es nicht alles an entsprechendem Merchandise zu entdecken gibt. Denn seien wir mal ehrlich, das sind alles ziemlich unnütze Dinge, für die man nur schwerlich Geld auszugeben bereit ist, die aber dennoch das Herz so manches Fans höher schlagen lassen. Das kann eine Tasse, ein Kochbuch, eine Skulptur oder Figur oder auch ein Behind-the-Scenes-Fotoband sein, Hauptsache es entspricht der Passion der Person. Und ihr könnt mir glauben, sie/er wird sich riesig darüber freuen, auch wenn sie/er sich derartiges längst hätte selbst kaufen können, denn als Geschenk sieht die Sache schlicht anders aus und Geschenke sollen ja gerade nicht unbedingt praktisch orientiert sein. Sucht vor allem auch in ausländischen Shops, denn nicht alles ist in Deutschland erhältlich und so kommt ihr an ein bezahlbares, schnell zu besorgendes und trotzdem individuelles Geschenk, das nicht jeder hat oder hätte schenken können.

(Wulf Bengsch)

Film Blog Adventskalender – 17 – Hendrik von “SchönerDenken”

Alex hat gefragt, welches Geschenk wir machen würden, und einem Blog medienverliebter Autorinnen und Autoren fällt es schwer, jetzt nicht einfach in diese Medienkiste zu greifen und einen weiteren Stapel rechteckiger Geschenkideen zu generieren. Wir wissen ja selbst: es ist schön, auf dem Gabentisch Verpacktes zu entdecken, dessen Form man ansieht „Ah, da wird wieder ein DVD-Abend fällig“ oder „Sieht schwer aus. Muss der neue Eco sein.“ – aber zuweilen auch etwas unreizvoll. Wie belebt man das Ganze also und erfüllt zugleich die Erwartung (denn ein Geschenketisch ohne irgendwas zum Hören/Anschauen/Lesen ist ja doch irgendwie kein Gabentisch)?

Das schönste Geschenk ist eigentlich immer schön verbrachte Zeit, und so etwas kann man per se nicht verpacken. Derzeit kann man nicht einmal das Erzählen darüber verpacken, denn auf DVD ist uns der jüngst begeistert habende Film Alles eine Frage der Zeit noch nicht erschienen. Sobald dies der Fall ist, wird es jedoch eine wunderbare Gabe sein, diese DVD zu verschenken und dafür einen Gutschein für Lesezeit (z.B. in Form einer angehaltenen Uhr): dem Beschenkten Raum und Lesesessel, Verpflegung und Ruhe anzurichten und Werke von Charles Dickens bereitzulegen. Wir finden, das ist auch ohne die DVD mit dem Film, dem die Idee entnommen ist, eine sehr schöne Idee. Zeit mit Schleifchen. Und danach gemeinsame Zeit mit Freunden und Schleifchen zum Nachtisch.

Die Grundidee lässt sich natürlich variieren: Wer es politisch und edel mag, der kann im Dezember die erste Staffel der Serie House of Cards verschenken und das Ganze um einen edlen schwarzen Füllfederhalter ergänzen, welchselbigsoeiner im Rahmen der Serie an einer Stelle eine hübsche Nebenrolle spielt. Muss ja nicht wirklich gleich der Füller des Präsidenten sein. Wer Jasper Fforde verschenkt, kann einen edlen Käse beilegen, sollte sich aber vorab vergewissern, dass keine Waliser Grenzbeamte bei der Geburtstagsfeier anwesend sind. Und so fort.

Meine persönliche Alternative wäre eine Ausgabe des wunderschönen Films Moonrise Kingdom, verpackt in eine dazu passende schöne weiche Waschbärfellmütze (natürlich nur der Look, bekanntlich sind die einzigen Lebewesen, denen Waschbärfell gut ansteht, Waschbären). Das ist nicht nur unausgepackt durch Tasten völlig unerratbar und daher besonders reizvoll, es wärmt dem/der beschenkten Liebsten auch die Ohren, und wir Medienmöger wissen, was die Ohren wärmt und dem Auge schmeichelt, wärmt manchmal auch Herz und Seele. Und darum geht’s doch beim Schenken, oder?

(Hendrik Schulthe)