Filmblog-Adventskalender 2014

Nachdem der von Filmblogger_innen gestaltete Adventskalender im letzten Jahr hoffentlich nicht nur mir viel Spaß gemacht hat, wird es dieses Jahr wieder einen geben: 24 Tage, 24 Blogger_innen, 24 Geschenkideen.

Aber weil man ja auch immer neue Dinge ausprobieren soll, wird es dieses Jahr ein kleines bisschen anders. Die Teilnehmenden publizieren Ihre Türchen-Artikel nicht hier im Blog, sondern in ihren eigenen Blogs. Ich verlinke nur. Täglich hier im Blog, überblicksweise in diesem Post.

Ich wünsche eine schöne Adventszeit.

Warum uns Mockingjay mehr in Erinnerung bleiben wird als Interstellar

© Warner, StudioCanal

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in unbeobachteten Momenten ist es, vorherzusagen, an was wir uns als typisch erinnern werden, wenn wir in zwanzig Jahren auf unsere jetzige Zeit zurückblicken (übrigens auch einer der Gründe, warum ich unbedingt beim Techniktagebuch mitmachen wollte). Wenn man beobachtet, wie zurzeit auf die 90er zurückgeblickt wird, ob mit Liedern oder “Buzzfeed”-Listen merkt man doch, dass nicht unbedingt die Dinge im Gedächtnis bleiben, die man damals für wichtig hielt.

Lenkt man die Zeitgeistforschung auf die aktuelle Kinolandschaft und dort spezieller auf die Blockbuster der letzten Wochen, fallen einem zwei Filme auf. Christopher Nolans Interstellar hat alles, was es für einen “großen Film” braucht: einen visionären Regisseur von solchem Kaliber, dass sein Name ausreicht, um Zuschauer ins Kino zu ziehen, ein massives Kinoereignis, ein Originalstoff und mindestens einige Effekt-Oscars am Horizont. Auf der anderen Seite erscheint Mockingjay – Part 1 wie der typische massenproduzierte Plastikblockbuster von der Art, wie sie Hollywood inzwischen am laufenden Band raushaut. Die letzte gedrehte Performance von Philip Seymour Hoffman genügt mit Sicherheit nicht, um ihn zu etwas Besonderem zu machen.

Und doch ist Interstellar aus Zeitgeist-Sicht ein Film, der genau wegen seiner Alleinstellungsmerkmale überhaupt nicht in unsere Zeit passt. Fast schon ein Relikt ist er, mit seiner Fetischisierung von Filmmaterial und seiner Besinnung auf konservative Werte wie die Kernfamilie und den einzelnen “Great Man“, den Pionier, der die Menschheit ins neue gelobte Land führt. Mockingjay – Part 1 hingegen ist voll und ganz ein Produkt seiner Zeit und wird in zwanzig Jahren als so typisch für die erste Hälfte der 2010er gelten können, wie kaum ein anderer Film. Warum? Ich bin froh, dass ihr fragt.

1. Er spielt in einer dystopischen Zukunft

Ja, Interstellar auch. Aber während Nolans Film seine vage und wenig erklärte Öko-Katastrophe nur als Mittel zum Zweck nutzt, um seine Hauptfiguren auf den Weg zu einer neuen Frontier zu schicken, ziehen die “Hunger Games”-Verfilmungen ihre graumelierte Zukunftsvision knallhart durch. Und eine gesellschaftliche Spaltung in Haber und Nicht-Haber, bei der die Nicht-Haber zu einem Leben in Staub und Knechtschaft verdammt sind, ist nicht nur in Panem Programm, sondern in großen Teilen der Mainstream-Science-Fiction – auch im Kino, von Elysium bis Snowpiercer. Die Arizona State University hat sogar ein Programm namens “Hieroglyph” aus der Taufe gehoben, um wieder hoffnungsvollere Visionen zu produzieren, die die Forscher der Zukunft inspirieren sollen. So gut es uns teilweise im Moment noch geht, wir blicken alle in den Abgrund, der sich vor uns auftut.

2. Er ist Teil eines Franchises

Genau die Eigenschaft, die Mockingjay – Part 1 zu einem generischen Stücken Hollywood-Schlock zu machen scheint, macht ihn auch zu einem typischen Produkt unserer Zeit. Die 2010er-Jahre werden die Dekade der Franchises und des seriellen Erzöhlens sein. Seit Harry Potter und die Lord of the Rings-Filme bewiesen haben, dass ein treues Publikum brav alle paar Jahre wieder in die Kinos schlappt, um der Weitererzählung einer nicht abgeschlossenen Geschichte beizuwohnen – die oft nicht viel mehr ist als die Bebilderung eines ohnehin erfolgreichen Buches – gibt es bei der Franchisisierung in Hollywood kein Halten mehr. Nicht nur durch den Aufbau von Shared Universes wie bei Marvel und Co, sondern durch das Auswalzen einer Story auf mehrere Filme. Mockingjay – Part 1 ist nur das jüngste Beispiel dieser merkwürdigen “Penultification” (Dan Kois), die durch den Erfolg von seriellen Fernseherzählungen (und jetzt auch Podcasts) nur befeuert wird. Ich gehe schwer davon aus, dass diese Welle in zwanzig Jahren ein wenig abgeflaut ist.

3. Es geht um Medien

Interstellar ist ein altmodisches Forscherabenteuer – es zählt nur, was man mit den Händen berühren kann. Zentrale Plotpunkte des Films basieren darauf, dass Pioniere und Heimatbasis nur eingeschränkt miteinander kommunizieren können und natürlich muss die Raumfähre auf jedem Planeten, den es zu erforschen gilt, landen, statt aus der Luft zu sehen, dass es da unten nur Wasser und turmhohe Wellen gibt. In Mockingjay und den anderen “Hunger Games”-Filmen spielt Kommunikation eine der Hauptrollen. Vom zentralen Plotpunkt der Reihe, den titelgebenden Hungerspielen, die im Grunde eine Weiterentwicklung von Reality Shows wie “Survivor” oder “Big Brother” sind – bis hin zu den Propaganda-Videos, die Katniss im jüngsten Teil drehen muss: Medien und mediale Inszenierung stehen im Mittelpunkt der Handlung. Was könnte besser passen zu unserem Informationszeitalter voller Selfies und sozialer Netzwerke, voller YouTube-Stars, die aus dem Nichts geboren werden, und Überwachungsstrukturen, die uns vielleicht schon bald dazu zwingen, unser tägliches Leben noch mehr zu inszenieren, um nicht unter Verdacht zu geraten? Mockingjay mag eine “Young Adult”-Version der Zukunft sein, in der die wichtigste Bezugsperson der eigene Kostüm- und Makeup-Designer ist, aber der Film trift damit genau die brachliegenden Nerven unserer Zeit.

© StudioCanal

4. Die Hauptfigur ist eine Frau

Fuck yeah! Die 2010er werden hoffentlich die Dekade sein, an die wir uns erinnern, wenn es darum geht, dass 150 Jahre Feminismus endlich soweit im Mainstream angekommen sind, dass selbst der dümmste Studioboss einsehen muss, dass die wichtigsten Mover und Shaker einer Welt, auch einer fiktionalen Welt, nicht Männer sein müssen. Katniss Everdeen ist der weibliche Superheld, der Hollywood auf den Pfad von Wonder Woman, Frozen und Captain Marvel geführt hat, die Anti-Bella, die ihr verdammtes Schicksal selbst in die Hand nimmt. Als zu großen Triumph sollte man das jetzt noch nicht feiern, dafür ist noch zu viel zu tun, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Zum Vergleich: Interstellar

5. Es geht um eine Revolution

Hiermit schließt sich der Kreis zu Punkt 1. Auch wenn Occupy Wall Street und der arabische Frühling schon wieder verebbt scheinen, erreichen uns auch 2014 immer wieder Nachrichten von Aufständen und Protesten auf der ganzen Welt, von Hong Kong über Ferguson bis Bangkok, wo Mockingjay nicht gezeigt wurde, weil Protestierer den Drei-Finger-Gruß des Films als Zeichen annahmen. Revolution liegt in der Luft – vielleicht nicht in Deutschland, dafür geht es uns noch zu gut, aber im globalen Zeitgeist definitiv. In zwanzig Jahren werden wir wissen, ob diese Stimmung der Anfang einer großen Umwälzung war oder doch nur ein Blip auf dem Radar des großen Weiter-als-wäre-nichts-gewesen.

Lege ich Mockingjay eine Last auf, die der Film nie im Leben tragen kann? Ist Interstellar vielleicht doch kein Relikt sondern nur seiner Zeit voraus? In die Kommentare, bitte.

Großes Interviewpaket zu Quentin Tarantino

Meine alte Redaktion bei 3sat und die Sendung “Kennwort Kino” haben durch meinen Weggang nicht aufgehört zu existieren. Und wie 2013 bemüht sich mein Ex-Kollege Maik Platzen auch heute noch, zu seinen Sendungen relativ viel Bonusmaterial anzubieten. Seine jüngste Sendung “Die blutige Poesie des Kinos” zu 20 Jahren Pulp Fiction und Tarantinos Oeuvre seitdem lief am vergangenen Freitag und auf der 3sat-Seite ist nicht nur die Sendung abrufbar, sondern auch jede Menge Interviews. Leider nicht mit Tarantino selbst, der Meister war wohl nicht zu erreichen, aber mit Georg Seeßlen, Volker Schlöndorff, Musikjournalist Olaf Karnik, “Tarantino Archives”-Betreiber Sebastian Haselbeck, August Diehl und mehr.

Say “What” again

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 8 “The Things We Bury”

“The Things We Bury” enthält drei Handlungsstränge auf zwei Zeitebenen. Die Folge schließt wieder einige Lücken auf dem Weg zur Enthüllung unseres großen Staffelmysteriums. Das ganze ist spannend erzählt, mit guten Dialogen und schönen Comic-Schauspielmomenten und enthält sogar einige nette Regieschnörkel. Vielleicht die beste Folge der Staffel bisher, nachdem schon die letzte Woche ein Erfolg war. Warum nicht gleich so, Jed und Maurissa? Warum nicht gleich so?

Nachdem ich dieses übliche Daumen-Urteil getroffen habe, sollten wir diese Woche mal syuzhet und fabula trennen und zusammenfassen, was zur Hölle eigentlich Sache ist. Der Zeitpunkt für eine ausführlichere Analyse ist günstig, da die Folge, wie erwähnt, viele bisher aufgeworfene Fragen beantwortet und die ganze Serie relativ sicher auf die Schienen setzt, die schon bald vermutlich erst in einer Art Zwischenfinale vor Weihnachten und dann wahrscheinlich in Age of Ultron enden werden. Dazwischen steht uns ja auch noch Agent Carter, die Serie, bevor, aber dazu später mehr.

Was bisher geschah

Also: 1945 erhält Werner Reinhard, einer der engeren Vertrauten des Hydra-Gründers Red Skull, den Obelisk auf seinen Raubzügen in Europa und testet ihn in einer Burgruine in Österreich. Er kann noch feststellen, dass einzelne Menschen – darunter eine junge Frau – nicht von dem Artefakt getötet werden, bevor Agent Carter und die Howling Commandos seine Basis hops nehmen. Carter verhört Reinhardt, kann jedoch nichts aus ihm herausbekommen und bringt ihn lebenslang hinter Gitter. 1989 wird Reinhard befreit, trifft die gleiche Frau wieder, die im Gegensatz zu ihm nicht gealtert ist, und experimentiert so lange mit ihr, bis er den Stoff gefunden hat, der ihr ewige Jugend beschert. Die Frau, die augenscheinlich die Mutter von Skye ist, stirbt und Reinhard wird, frisch verjüngt, zu Whitehall. Der Mann der toten Frau, Skyes Vater – der immer noch keinen Namen außer “Doctor” hat – findet den verstümmelten Leichnam seiner Frau und schwört Rache. (Größtes Fragezeichen in dieser Geschichte: Was machen all die Menschen, die asiatisch aussehen und eine asiatische Sprache sprechen, in Österreich? Wurde hier eine Location später geändert?)

Weitere 25 Jahre später, im Jetzt, treffen Whitehall (immer noch jung) und der Doctor bei HYDRA zusammen und beschließen, ihr Wissen zusammenzutragen. Der Obelisk, oder auch “Diviner”, was man mit “Erkenner” übersetzen könnte, kam vor langer Zeit auf die Erde – einem Mythos nach von “blauen Engeln” überbracht. Höchstwahrscheinlich sind dies die blauen Aliens, aus deren Gewebe das Serum gewonnen wurde, mit dem sowohl Coulson als auch Skye dem Tod entronnen sind. (Marvel hat inzwischen enthüllt, zu welcher Comic-Rasse die Aliens gehören, aber aus Spoilergründen behalte ich das hier mal für mich) Der Diviner soll ein Schlüssel sein, mit dem diejenigen, die würdig sind, ein Tor öffnen und die Welt erobern oder beenden können. Es ist davon auszugehen, dass es sich um das Tor in oder zu der Stadt handelt, nach der SHIELD sucht. Das also wird das Ziel sein, auf das wir 2014 noch hinsteuern. Nur: was wird dort passieren? Wird sich Agents of SHIELD trauen, ein Weltraumtor zu öffnen? Und was bedeutet das für Skye (“That’s not her name!”) und ihre Alien-DNS? Und nur, um das Wort noch einmal zu sagen – schließlich steht uns 2017 ein Film gleichen Namens bevor: Inhumans?

Dunkelstellen

HYDRA hat den Schlüssel, SHIELD hat die Karte. Der Zuschauer hat alle Informationen, die beiden Schatzsucherteams nur jeweils einen Teil. Auf geniale Weise treffen die Köpfe beider Unternehmungen, Coulson und der Doktor, in dieser Folge einmal kurz zusammen, müssen sich aber unentschieden wieder trennen, weil Zeit und Umstände nichts anderes erlauben. Die Verbindung zwischen beiden Seiten ist Grant Ward, die dritte Storyline der Folge, der beide Lager kennt und von dem wir nicht wissen, was er vorhat (außer seinen Bruder und dessen Familie zu töten – aber warum? Um seine HYDRA-Loyalität vorzutäuschen und sich bei Whitehall beliebt zu machen, oder weil er tatsächlich nur ein kaltblütiger Killer ist?). Und es gibt noch immer einige Dunkelstellen: Welches Pferd haben beispielsweise Mockingbird und Hunter in diesem Rennen? Nach dem Gespräch, das Hunter mit Mac in dieser Folge führt ist fast abzusehen, dass es bald wieder zu einem Split – oder zumindest einem Streit – in der SHIELD-Familie kommen könnte.

Außerdem nicht zu verachten ist, wie Coulson darüber philosophiert, dass Nick Fury immer dem Rest der Welt fünf Schritte voraus war – eine wichtige Voraussetzung für Plot-Twists wie in Avengers, wo Coulsons scheinbar zufälliger Tod sich als geplantes Mittel zum Zweck des Zusammenstehens der Avengers entpuppt, und in The Winter Soldier, wo Fury seinen eigenen Tod vortäuscht, um HYDRAs Klauen zu entkommen. Wenn Coulson ab sofort in die gleiche Richtung denkt, sollten wir jetzt schon damit rechnen, dass nicht alle seine Pläne das sind, was sie scheinen.

Agent Carter, I presume

Bleibt zum Schluss noch festzuhalten, wie geschickt Marvel Peggy Carter in dieser Folge ein zweites Mal – sowohl sichtbar in Form von Haley Atwells Szene, als auch indirekt durch ihre Akten und Simmons’ Schwärmerei – auftauchen lässt, um das Publikum für die bevorstehende, sechsteilige Agent Carter-Serie im Januar in Stimmung zu bringen. Für Shared-Universe-Nerds wie mich wird es spannend sein, inwieweit die beiden Serien und der Rest des MCU über die reinen Figuren hinaus miteinander zu tun haben werden. Da Agent Carter tendenziell die Serie mit dem höheren Profil sein wird, könnte ich mir vorstellen, dass die Verknüpfungen mit Age of Ultron oder Ant-Man durchaus etwas größer sein könnten.

Beste Szene: Die einfache aber schicke “Zeit vergeht”-Sequenz in Whitehalls Gefängniszelle.

Bester Dialog: Simmons spricht noch einmal auf erschreckend entwaffnende Weise aus, wie es sich anfühlt, eines Tages in einem kosmischen Superheldencomic-Universum aufzuwachen, nachdem jemand es als unmöglich bezeichnet, dass Reinhard und Whitehall die gleiche Person sind.: “I would agree with you, before ‘alien’ was a word we used daily.”

Note: 1 –

Crosspost mit “Serien.Ninja”

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 6 “The Writing on the Wall”

Diese Woche beginnt Agents of SHIELD mit einer der komplexesten “Previously on …”-Montagen, die man sich vorstellen kann. Die Ereignisse, die auf das hinführen, was in den nächsten 45 Minuten passieren wird, liegen sehr weit zurück. Gezeigt wird nur, was irgendwann ab Mitte der ersten Staffel geschehen ist, aber eigentlich müsste man fast bis zum Kinofilm The Avengers zurückgehen, um zu wissen, womit man es zu tun hat: Tod, Wiederauferstehung, ein eingebildeter Urlaub in Tahiti, die Entdeckung, dass T.A.H.I.T.I. vielmehr ein experimentelles Wiedererweckungsprogramm von SHIELD mit Alien-DNS ist, Löschung der Erinnerung durch eine traumatische Roboter-Operation, der Drang, merkwürdige Zeichen in die Wände zu ritzen – erst bei Garrett, dann bei Coulson; die Realisation, dass Skye ebenfalls Alien-DNS zu besitzen scheint und schließlich die Erkenntnis, dass die Zeichen eine Karte sein könnten.

Bei all der Flachheit, die ich Agents of SHIELD so gerne vorwerfe, man muss der Serie applaudieren für die Chuzpe ein Mysterium über so lange Zeit aufzubauen und Stück für Stück immer weiter zu entwickeln. Der Showdown, auf den “The Writing on the Wall” hinausläuft, mag wieder einmal antiklimaktisch inszeniert sein und mich endgültig darin bestätigen, dass Clark Gregg – so sympathisch ich ihn als Schauspieler finde – schlicht und einfach nicht in die Rolle passt, die man ihm zugedacht hat. Aber das Mysterium zieht einen in diese Folge hinein und die Enthüllung des nächsten Schritts wirkt tatsächlich wie eine große Erleichterung ohne tatsächliche Auflösung – ein Spiel dass die X-Files über neun Jahre vorgemacht haben. (Nur leicht getrübt wird das alles durch die Tatsache, dass man die Enthüllung über 15 Minuten kommen sieht, von dem Moment an, als die Modelleisenbahn das erste Mal im Bild ist.)

Die George-Lucas-Schauspielschule

Und obwohl Clark Gregg schon sehr stark die George-Lucas-Schauspielschule channelt, während er sich bemüht, seine Erinnerungen zurückzuerlangen: Seine Flashbacks in die kritische Phase des T.A.H.I.T.I.-Programms besitzen genuine Psychothriller-Spannung, inklusive all der paranoiden Momente, die man dabei erwartet. Das Bild der bewussten OP am offenen Gehirn, bei dem der Patient um Gnade winselt und die Ärzte nüchtern daneben stehen, bleibt ein monströs schreckliches Comicpanel, das kein Marvel-Zeichner besser hätte treffen können.

Wenn es nur mehr davon gäbe. In einer parallelen Storyline müssen wir leider stattdessen miterleben, wie dumm sich ausgebildete Superspione bei einer einfachen Beschattung anstellen, bei der sie natürlich nicht davon ausgehen, dass die Kneipe, in der sich das Zielobjekt mit seinen Vorgesetzten trifft, einen Hinterausgang haben könnte. Nur Brett Daltons eiskalter und undurchschaubarer Charme rettet diesen Teil der Folge vor dem Totalausfall. Natürlich bin ich jetzt doch irgendwie gespannt, wie sich Ward zwischen den Fronten durchschlagen wird, nachdem er den Namen Daniel Whitehall gehört hat.

Schließlich wäre da noch zu erwähnen, dass Skye und Mac eiskalt an Hank Thompsons Schweißerladen vorbeigefahren wären, wenn dieser nicht praktischerweise winkend auf der Straße gestanden hätten. Das Marvel Cinematic Universe hat schon angenehme Zufälle manchmal.

Beste Szene: Coulsons Flashback

Bester Dialogsatz: “I like my bosses unjumbled at all times.” (Mac)

Note: 2

Quotes of Quotes (XXV)

You start out imitating your heroes, and the way you fuck up becomes your style.
– attributed to Elvis Costello by Too Many Cooks creator Chris Kelly in “Entertainment Weekly

I have heard tons of supposedly inspiring quotes about “finding your voice” for writers and other creatives, but this is the most brilliant way anyone has ever put it. I could, however, not verify if Costello is really the source. Take it as apocryphal.

In eigener Sache: Podiumsdiskussion beim FILMZ Festival Mainz

Am 30. November werde ich auf dem FILMZ Festival in Mainz an einer Podiumsdiskussion “Zur Lage der Filmkritik in Deutschland” und zum Flugblatt für aktivistische Filmkritik teilnehmen. Mit mir sitzen einige alte Bekannte auf dem Podium: Norbert Grob hat meine Magisterarbeit betreut, Rudolf Worschech ist mein Chef bei “epd film” und Dennis Vetter hat mit mir studiert. Mit Marli Feldvoß war ich immerhin schon in Pressevorführungen, glaube ich.

Hier ist der Text aus dem Programmheft:

Lesen Sie Filmkritiken noch in gedruckten Fachzeitschriften oder informieren Sie sich über aktuelle Kinostarts über Blogs im Internet? Reicht Ihnen vielleicht schon der Trailer oder das Staraufgebot für Ihre Entscheidung ins Kino zu gehen? Oder schauen Sie Filme sowieso nur noch auf dem Tablet? Um für ihre Rezipienten auch im 21. Jahrhundert attraktiv zu bleiben, müssen Filmkritiker_innen auf diese Fragen Antworten finden. Der Verband der deutschen Filmkritik hat mit ihrem „Flugblatt für aktivistische Filmkritik“ ein Zeichen gesetzt: Um gesellschaftlich relevant zu bleiben, soll sich die Filmkritik gegen eine Anpassung an die Marktlogik und einem Eigenverständnis als Dienstleister für Filmverleiher und Programmkinos stellen. Stattdessen sollen Filmkritiker_innen wagemutige Positionen einnehmen und dabei ästhetisch wie kulturpolitisch Stellung beziehen. Auf Basis des Flugblatts diskutieren einige der renommiertesten Filmkritiker_innen über die Potentiale einer „aktivistischen“ Filmkritik unter Berücksichtigung neuer Rezeptionsbedingungen des Publikums:
Dennis Vetter (Vorstand im Verband der Deutschen Filmkritik VDFK)
Marli Feldvoss (Publizistin, Filmkritikerin und Lehrbeauftragte für Filmgeschichte)
Prof. Dr. Norbert Grob (Wissenschaftler, Autor, Essayist / Professur für Mediendramaturgie und Filmwissenschaft in Mainz)
Alexander Matzkeit (Freier Journalist und Blogger)
Rudolf Worschech (Verantwortlicher Redakteur epd film)
Moderation: Andreas Heidenreich (Vorstandsmitglied im Bundesverband kommunale Filmarbeit, Programmgestalter beim Kommunalen Kino Weiterstadt und der Caligari FilmBühne, Leiter des Filmfests Weiterstadt u.v.m.)

Ich bin explizit als Blogger geladen, werde mich also bemühen, die Rolle gut zu spielen. Das heißt, ich werde einen Kapuzenpulli tragen, vom Podium twittern und generell eher pöbeln als argumentieren. Logo.

Das ganze findet statt in meinem alten Hörsaal
im Mainzer Medienhaus, Wallstraße 11, am 30. November 2014, um 11 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
Mehr Infos zu FILMZ auf deren Homepage.

“True Detective” zum Hören. Der Podcast “Serial”

Adnan Syed sitzt in Baltimore im Gefängnis für einen Mord, den er 1999 begangen haben soll. Damals war er 18 Jahre alt. Das Opfer: seine Exfreundin Hae Min Lee, die ihn wenige Wochen zuvor verlassen hatte. Doch es gibt Unstimmigkeiten. Das Urteil fußt vor allem auf der Aussage einer Person. Weitere Beweise gibt es nicht. Adnan sagt, er sei unschuldig. Seine Verteidigerin ist vor ein paar Jahren gestorben. Eine Reporterin, die den Fall zugespielt bekommen hat, nimmt sich der Sache an und versucht herauszufinden, was wirklich geschehen ist.

Weiterlesen in epd medien 45/2014, für eine Woche auch online

Der Audiokommentar – Liebeserklärung an einen Paratext

Paratext, grob gesprochen, ist alles, was um einen Text herum passiert und mit ihm veröffentlicht wird, aber nicht der Kerntext selbst ist. Der Begriff stammt aus der Literaturwissenschaft, aber wenn man einen Film als Text definiert, wären Paratexte zum Beispiel Marketing-Materialien wie Poster, Trailer und Pressetexte. Auch DVD-Menüs sind Paratexte, Schnittfassungen (zum Beispiel Director’s Cuts) und je nach Definition auch transmediale Erweiterungen wie Videospiele oder Merchandising-Artikel.

Audiokommentare sind jedenfalls mit Sicherheit Paratexte und ich finde, sie gehören zu den interessantesten überhaupt. Allerdings fühle ich mich oft ziemlich allein mit dieser Meinung, denn selbst viele Filmliebhaber, die ich kenne, haben kaum je einen Audiokommentar gehört. Vielleicht ist der Grund, dass die Rezeption eines Audiokommentars recht zeitaufwendig ist, immerhin dauert diese genauso lang wie der Film selbst und manch einer denkt sich vielleicht: da gucke ich lieber den Film noch einmal.

Commentary Commentaries

Audiokommentare sind so sehr die Stiefkinder der paratextuellen Familie, dass die “Film School Rejects” eine Kategorie namens Commentary Commentary haben, in der sie anderen Filmfans das Anschauen von Audiokommentaren abnehmen und in praktische “X Things we learned from the Y Commentary”-Listicle ummünzen. Audiokommentare sind nicht mehr als eine weitere Quelle, aus der man Trivia destillieren kann.

Dabei gilt bei Audiokommentaren mehr als sonstwo “The Medium is the Message”. Es geht auch um Informationen, natürlich, aber vor allem geht es um die Möglichkeit, einen Film gemeinsam mit den Menschen zu gucken, die ihn gemacht haben. Besonders wenn man Audiokommentare mit Kopfhörern hört, kann das eine sehr intime Erfahrung sein.

Filmerzähler

Audiokommentare in ihrer jetzigen Form sind eine Erfindung des digitalen Zeitalters. Ihr Debüt feierten sie, laut Wikipedia, auf der Criterion Laserdisc-Edition von King Kong (1933), die einen erklärenden Kommentar von Filmhistoriker Ronald Haver enthielt. Doch wenn man es nicht so genau nimmt, liegen die Ursprünge deutlich weiter zurück. In den Anfangstagen des Kinos waren so genannte Filmerzähler, die erklärten und kommentierten, was auf der Leinwand passierte, Teil des Kinoerlebnisses. (Mein Filmwissenschaftsprofessor Thomas Koebner, der auch die Aura eines großen Conferenciers hat, schlüpfte in Vorlesungen beim Zeigen von Ausschnitten oft unbewusst in diese Rolle. Es war großartig.)

Die Marketingkampagnen rund um Filme sind heutzutage stark kodifiziert. Im Zeitalter der Press Junkets kann man sich darauf einstellt, dass man in seinem 5-Minuten-Interview mit dem Filmemacher die gleichen Antworten bekommt, wie die zwanzig Journalisten vor und nach einem – nicht zuletzt, weil auch alle die gleichen Fragen stellen (interessante Dekonstruktionen dieses Prozesses gibt es immer wieder, zum Beispiel von Peter Jackson (nur noch über Torrent) oder von Mila Kunis). Es gibt wenige Situationen, in denen diese Marketing-Maschinerie aufbricht. Eine davon sind lange Interviews, besonders in Podcast-Form, wie man sie zum Beispiel bei “The Q&A” oder dem “Nerdist Podcast” findet. Eine andere sind Audiokommentare, wie man sie inzwischen fast auf jeder DVD oder Blu-ray findet (falls sie die vollständige Ausstattung enthält).

Der Zeitpunkt zählt

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist der Zeitpunkt, zu dem Audiokommentare aufgenommen werden. Häufig sind sie der Abschluss des Postproduktionsprozesses, bevor der Film der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Das heißt: zu diesem Zeitpunkt haben die Filmemacher sich noch nicht dabei zugehört, wie sie hunderte Male die gleichen Marketing-Blasen von sich geben, sie sind frisch fertig und stolz auf ihren Film. Das kann manchmal sogar herzzereißend sein, wie im Audiokommentar des Millionenflops John Carter, wo Regisseur Andrew Stanton lange über mögliche Sequels philosophiert. Die Alternative, gerade bei älteren Filmen, sind Audiokommentare, die lange Zeit nach dem Kinostart entstehen. Hier haben die Filmemacher wie bei jeder Retrospektive zwar den Nachteil der Nostalgie und verschwommenden Erinnerung, aber auch den Vorteil der Reflexion, der einen freier sprechen lässt.

Die bestmögliche Form des Audiokommentars entsteht, wenn die wichtigsten kreativen Köpfe des Films, am besten nicht mehr als vier, gemeinsam in einem Raum sitzen, den Film gucken und sich vorher ein paar Notizen gemacht haben. Für Filmfans unbezahlbar ist dabei nicht nur die Kommentierung des eigenen Werks, sondern auch die Möglichkeit, Filmemacher akustisch dabei zu beobachten, wie sie in einer nicht knallhart als Publicity erkennbaren Situation miteinander interagieren, scherzen und diskutieren. Diese psychologische Komponente mag nicht für Jeden interessant sein, ich finde sie faszinierend. Zu meinen persönlichen Lieblingsmomenten gehört der Audiokommentar von Jurassic Park III, bei dem VFX- und SFX-Supervisor streckenweise selbst nicht mehr sagen können, welche Einstellungen computergenerierte Dinos enthalten und welche animatronische. Oder der Audiokommentar von X2, in dem Bryan Singer und sein Kameramann Tom Sigel während des Abspanns todernst beginnen, Teil 3 als Musical zu planen – inklusive Gesang.


Nicht grundsätzlich gut

Das soll nicht heißen, dass Audiokommentare grundsätzlich gut sind. Filmemacher fallen sehr gerne in die Falle, über weite Strecken nur die Arbeit ihrer Kollegen (oder auch ihre eigene) zu loben. Schauspieler sind fast immer recht langweilige Kommentatoren – außer sie sind Arnold Schwarzenegger. Falls sie nicht in einer übergeordneten Funktion auch anderweitig am Film beteiligt waren, haben sie wenig über den Prozess des Filmemachens zu erzählen und sitzen gerne stumm da, um einfach nur mal in Ruhe den Film zu gucken. Schließlich spürt man auch im Audiokommentar oft die eiserne Klaue der Publicists, die ihre Klienten ermahnen, nicht vom Marketing-Skript abzuweichen. Da kann man sich stattdessen auch eine jener unsäglichen “Featurettes” anschauen, die häufig bei DVDs dabei sind. Die sind kürzer.

Aber die besten Audiokommentare sind wundervoll. Der Wikipedia-Artikel enthält eine eindrucksvolle Liste an Highlights, Variationen und auch Parodien, an denen man sehen kann, dass die Form längst ihre eigenen Konventionen und Stile entwickelt hat. Doch selbst abseits dieser Highlightliste eröffenen Audiokommentare einem einen neuen Blick auf einen Film während man diesen sieht. Sie sind Filmanalyse am offenen Herzen und Filmemacher Meet-and-Greet in einem. Und dafür sollte es sich immer lohnen, einem Film noch einmal seine Zeit zu schenken.

Recap: Agents of SHIELD – Season 2, Episode 6 “A Fractured House”

© ABC

Wie im letzten Post erwähnt, war ich vergangene Woche unterwegs. Daher konnte ich die neue Folge erst heute sichten und beschreiben.

Lance Hunter habe sich noch nicht entschieden, sagt er, ob er bei SHIELD bleiben will oder nicht. Glücklicherweise wissen wir mehr als er. Nick Blood, der Herrn Hunter Stimme und Körper leiht, rückt mit Episode 6 der zweiten Staffel von Agents of SHIELD in den Stammcast der Serie auf. Das heißt: Er taucht im Abspann vor den zahlreichen “Guest Starring” Credits auf.

Ich schreibe “Glücklicherweise”, weil diese Tatsache für uns Zuschauer fast nur Gutes bedeuten kann. Seit Blood und Hunter in der zweiten Staffel aufgetaucht sind, haben sie das SHIELD-Team nur bereichert, auch wenn ihnen die Autoren hauptsächlich einen Stapel One-Liner von wechselnder Qualität zugeschoben haben. Mit dem Auftauchen von Bobbi “Mockingbird” Morse auf der Bildfläche hat Hunter endlich eine würdige Gegenspielerin bekommen. Als Ex-Paar liefern die beiden diese Woche eine ziemlich gut funktionierende Mr. and Mrs. Smith-Nummer ab, die – mit Unterstützung von wohlplatzierten Schweigepausen durch Melinda May – für einige pointierte Momente sorgt.

Überhaupt funktionieren in “A Fractured House” so viele Dialoge und Szenen richtig gut, dass ich mir zum Ende der Folge hin fast ungläubig die Augen reiben wollte. Das Autoren-Duo Rafe Judkins/Lauren LeFranc, das auch für die exzellente Season-1-Folge “T.R.A.C.K.S.” verantwortlich zeichnete, und Regisseur-Veteran Ron Underwood (City Slickers, Tremors), der in den letzten zehn Jahren viel Fersnsehen gemacht hat, aber hier sein SHIELD-Debüt gibt, schaffen es tatsächlich, der Folge den Drive und Witz zu geben, den ich sonst so oft vermisse. Nicht nur im ungelenken Hin und Her zwischen Lance Hunter und Bobbi Morse, sondern auch in der exzellenten Parallelmontage der zwei Dialogszenen von Coulson und Skye mit den beiden Ward-Brüdern, in der sich im Sekundentakt die Vermutung verändert, wem man gerade vertrauen kann.

Kampf mit Charakter

Die Qualität hält bis zum Ende. Das belgische Safe House, das dem obligatorischen Schlussfight als Kulisse dient, sieht endlich mal nicht aus wie ein beliebiges Bürogebäude in Kalifornien und bietet Raum für einige Moves jenseits der Standard-Kicks und -Schläge. In der Szene zeigt sich außerdem, dass es hilft, einem Kampf Charakter zu geben. Entweder, indem man persönliche Waffen wie Mockingbirds Schlagstöcke und Scarlottis Nunchaku-Konstruktion einbaut, oder dadurch, dass man während des Kampfes etwas erzählt – zum Beispiel die vorsichtige Annäherung zweier zerstrittener Ex-Eheleute. Selbst die Kombi Schluss-Monolog/Montagesequenz wirkt diesmal gut, weil Christian Wards Worten über den Edelmut von SHIELD eine Doppelbödigkeit innewohnt, über die wir als Zuschauende Bescheid wissen, und die den Pathos der Szene gelungen untergräbt.

Das alles, zackiges Schreiben und sinnvolle Inszenierung, funktioniert – nur mal so – übrigens ohne erhöhtes Effekt-Budget und übermäßiges Action-Gedöns. Jetzt müssen nur noch Fitz und Mack auf die Art und Weise zueinanderfinden, wie es die Shipper ihnen bestimmt eh schon ewig und drei Tage nahelegen, und gemeinsam mit Marvels jüngst enthülltem 5-Jahres-Plan wären wir auf einem richtig guten Weg.

Beste Szene: (Coulson vs Christian Ward) vs (Skye vs Grant Ward)

Bester Dialogsatz: “Deception is her forte … I mean that sincerely, not passive-aggressively, as in: it’s a good attribute for a spy to … oh, bloody hell.” (Lance Hunter)

Note: 2+

Crosspost mit “Serien.Ninja”