Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2015

94. Diese traurige Zahl beschreibt die Menge an Filmen, die ich 2015 gesehen habe. Noch einmal zwölf weniger als im Jahr zuvor, gut 50 weniger als ich früher™ im Durchschnitt pro Jahr gesehen habe. Schuld ist – neben der Tatsache, dass Film nicht mehr mein Hauptberuf ist – vor allem das Fernsehen. Ich habe in meiner persönlichen Rückschau schon einmal aufgezählt, was ich dieses Jahr statt Filmen gesehen habe – insgesamt sicherlich 60 bis 70 Stunden Serien. Alles Zeit, die nicht in Filme fließen konnte.

Trotzdem fühle ich mich eigentlich ganz gut gerüstet für diese Top 10. Von den 94 Filmen stammt gut die Hälfte aus diesem Jahr. Nur wenige muss ich zähneknirschend in die “Nicht gesehen”-Ecke schieben, The Look of Silence, Wild und Sicario vor allem. Schade finde ich vielmehr, dass mir dieses Jahr keine Zeit für kleine Entdeckungen abseits des Mainstreams und des kritischen Konsens blieb, denn Festivals und andere filmische Forschungsreisen waren zeitlich einfach nicht drin. Ich habe also eine Meinung zu fast jedem “wichtigen” Film dieses Jahres, aber wenig private Perlen, für deren Hervorhebung Top-10-Listen ja irgendwie auch immer gut sind. Das erklärt leider auch den eklatanten Mangel an nicht-englischsprachigem Kino in der Liste.

In der Folge habe ich mich selbst ermahnt, diese Liste so persönlich wie möglich zu gestalten und mich nicht zu sehr von den Lobeshymnen anderer beeinflussen zu lassen, wozu ich manchmal durchaus neige. Carol, zum Beispiel, fand ich zwar sehr schön anzusehen, aber er hat mich kalt gelassen. Macbeth fand ich als filmische Interpretation eines Shakespeare-Stücks streckenweise sehr bemerkenswert, aber ich hatte auch den Eindruck, dass Justin Kurzel nicht wusste, wohin mit all den famosen Worten. Ich habe begriffen, dass Birdman viel zu bieten hat, aber was er mir genau sagen wollte, weiß ich heute genau so wenig wie Anfang des Jahres. Und während The Walk hat mich zwar plangemäß geschwindelt, aber ich konnte einfach nicht vergessen, wie viel begeisterter ich 2008 während Man on Wire war.

Lobende Erwähnungen

Star Wars: The Force Awakens hätte es fast noch auf die Liste geschafft, denn trotz aller Kritikpunkte muss ich seine reine Begeisterungsleistung einfach anerkennen, warum genau steht bei Letterboxd. Ich habe großen Respekt vor Avengers: Age of Ultron, nicht nur wegen seiner visuellen Ideen, sondern auch wegen der erfolgreichen Bewältigung eines fast unmöglich scheinenden Jonglage-Akts – am Ende hat mich aber die x-te Konfrontation mit einer Horde gesichtsloser Schergen mehr geärgert als gefreut. Und bei Steve Jobs, immerhin das Werk zweier Filmemacher, die ich sehr schätze, bin ich einfach mit den falschen Erwartungen ins Kino gegangen – der Film harrt seiner Zweitsichtung, jetzt wo ich weiß, dass “nichts davon passiert, aber alles wahr” ist, wie Aaron Sorkin es ausgedrückt hat.

Aber jetzt. Die Top 10.

10. Victoria

© Senator

Ich gebe ehrlich zu, dass ich nach all dem Hype etwas enttäuscht war, als ich aus Victoria kam. Vielleicht auch, weil mich Sebastian Schippers Bravado im anschließenden Q&A ein bisschen genervt hat. Aber der Film hat einfach meine Anerkennung verdient. Nicht nur, weil er ein technisches und schauspielerisches Meisterstück ist und so viel für den deutschen Film getan hat wie wahrscheinlich seit Lola Rennt niemand mehr, sondern noch aus einem weiteren Grund, über den ich viel nachgedacht habe. Ich mag es, dass Victoria ein Film mit Geografie ist. Durch die ununterbrochene Einstellung gibt es hier einfach keine filmische Trickserei und ich plane nach wie vor, die Handlungsroute des Films bald mal abzulaufen. Darauf freue ich mich. Und ein Gutes hatte das Q&A außerdem: Ich weiß, warum der Film eine Cutterin brauchte.

9. Jupiter Ascending

© Warner Bros.

In der Zeit der Fortsetzungen, Remakes, Reboots, Legacyquels und Parakosmen ist es eine Freude, einen völlig eigenständigen Science-Fiction-Stoff auf der Leinwand zu sehen, selbst wenn er so batshit crazy ist wie Jupiter Ascending. Aber wie ich schon im Blog und im “Kino-Zeit”-Adventskalender erzählt habe – man darf das, was man hier sieht, einfach nicht für bare Münze nehmen. Man muss ein bisschen Camp-Leichtigkeit mitbringen, Spaß am Kitsch und am Über-Epischen. Dann klappt’s auch mit dem Genuss.

8. Whiplash

© Sony

Whiplash hat mich in einen emotionalen Taumel gestoßen. Ich war unglaublich begeistert von der Art und Weise, wie er das Spielen von Musik inszeniert – als fantastischen Rausch aus Klängen und Eindrücken, genau wie es wirklich ist – und wütend über seine Darstellung des Verhältnisses von Talent und Blutzoll bei dem, was eine_n “gute_n Musiker_in” ausmacht. Damien Chazelle verwechselt, ähnlich wie die Oscars, einfach “Best” mit “Most”. Aber ein Film, an dem ich mich reiben kann – noch dazu einer mit Schlagzeugsolo – ist mir trotzdem lieber als dutzende Biopics, die Talent einfach als eine Art Zaubertrick darstellen. Ausführlichere Gedanken dazu auf Letterboxd.

7. While We’re Young

© UFA

Noah Baumbachs Filme handeln immer ein bisschen davon, dass Leute gerne jemand wären. Das Schöne ist, dass sie am Ende irgendwie immer eine Ahnung davon bekommen, wer sie sind. Das ist natürlich der Hauptstrang von While we’re young, mit dessen zentralen Motiven (Kinder-FOMO, Eingefahrenheit) ich mich (obwohl erst 32) durchaus identifizieren kann. Was ich aber bemerkenswert finde, ist, dass der Film im letzten Drittel noch ein großes Diskussionsfass über dokumentarisches Erzählen aufmacht und seinen Charakteren keine eindeutige Antwort in den Mund legt. Hat Ben Stiller (beste Performance seit langem) Recht mit seinem egoistisch motivierten Kreuzzug der Wahrhaftigkit, oder hat Adam Driver einen Punkt, wenn er Erzählfluss höher bewertet als Chronistenpflicht. Durchaus auch für alle “narrativen Journalisten” was zum Nachdenken.

6. Inherent Vice

© Warner Bros.

Es ist eigentlich zu einfach, über diesen Film immer nur mit Drogenreferenzen zu schreiben, aber er ist einfach ein Trip. Ich könnte ohne nachzuschauen nicht mehr berichten, wovon er eigentlich handelt, aber ich habe noch viele seiner Bilder im Kopf, ich weiß, dass ich ihn toll fand und ich weiß, dass ich ihn bald noch einmal sehen will. Das mag nicht die gelehrteste aller Filmbewertungen sein, aber … äh, was wollte ich sagen? Hier, nimm.

5. It Follows

© UFA

Es gibt eine Szene in It Follows, wo das Wesen, das die Hauptfigur verfolgt, plötzlich wie aus dem Nichts in Form eines sehr großen Mannes aus einem Wohnungsflur durch eine Tür tritt – ein verdammt effektiver jump scare. Aber das Wahnsinnige ist, dass der Film ansonsten fast ohne solche Effekte auskommt, stattdessen setzt er auf Paranoia und die Angst vor dem Unausweichlichen. Hinzu kommen sein geschicktes Spiel mit filmischen Sehgewohnheiten und sein merkwürdiges Aus-der-Zeit-Gefallen-Sein. Mag sein, dass dieses postmoderne Meisterwerk am Ende seine Mythologie nicht nahtlos durchzieht, aber ich habe trotzdem nach dem Kinobesuch einen ganzen Tag gebraucht, um das ungute Gefühl loszuwerden, dass mich jemand verfolgt.

4. 45 Years

© Piffl Medien

Manchmal braucht es so wenig. Ich bin vernarrt in die Idee des Films, dass ein einziger Windhauch ausreichen kann, um ein Kartenhaus, auch eins in der englischen countryside, zum Einstürzen zu bringen. Da leben zwei Menschen seit 45 Jahren zusammen, aber sie haben so viele unausgesprochene Ängste und Sorgen, dass mit nur einer neuen Information alles den Bach runter gehen kann. Klar, man kann sich zusammenraufen, aber es wird nichts mehr so sein, wie es schien. Als sachlicher Romantiker, der amour fou nie verstanden hat und ihre Darstellung in Filmen geradezu verabschaut, hat mich 45 Years tief bewegt, gerade weil er auch die Abgründe (no pun intended) scheinbar ausgeglichener Beziehungen so eindrucksvoll ausleuchtet. Nach zweieinhalb Jahren Ehe kann ich nur hoffen, dass ich nicht irgendwann in die gleiche Falle bzw. Gletscherspalte tappe.

3. Mad Max: Fury Road

© Warner Bros.

Als alle schon über den Trailer gejubelt haben, war ich noch skeptisch. Aber der Sog des Films hat mich dann doch erfasst. Diesen Stilwillen muss man einfach lieben, egal ob es um die hundertprozentige Hingabe zur Bewegung geht, um das phantasievolle Design oder um das angedeutete Worldbuilding, das tatsächlich schafft, was so viele Filme erfolglos versuchen – einen weiten Kosmos hinter der Filmhandlung anzudeuten, ohne dass man mit der Nase draufgestoßen wird. Nur Vorsicht vor dem Mythos des Realismus.

2. Ex Machina

© UPI

Ich stehe auf Alex Garland, nicht nur wegen seines Vornamens. Seine Stoffe haben immer schon die richtige Menge Intelligenz und sense of wonder gehabt, die in der Science Fiction so wichtig ist und im Kino so häufig dem Spektakel geopfert werden. Ex Machina, seine erste Regiearbeit, ist genau so gut geraten – verkopft, geschmeidig, schön und schrecklich, und das alles ohne Prätention und Selbstgefälligkeit. Ich kann kaum erwarten, was Garland als nächstes zaubert.

1. Inside Out

© Disney

Dem Inhalt des Films zum Trotz ist dieser erste Platz für Pixars Meisterwerk vor allem eine Bauchentscheidung. Ich habe im Kino einfach pausenlos geheult, außer wenn ich herzlich gelacht habe. Ich saß ständig da und dachte “Oh Gott, ich kann so gut nachvollziehen, was dort gerade passiert.” Manipulativ? Ja. Trotzdem meisterhaft? Auf jeden Fall! Ganz abgesehen davon, dass ich inzwischen mitbekommen habe, wie gut der Film sogar Fachleuten (also z. B. Kinderpsychologen) zu gefallen scheint. Deswegen geht für diesen return to form zum dritten Mal nach 2003 und 2008 die Krone nach Burbank. Bitte, bitte, Pixar, mehr davon.

Real Virtuality 2015 – Persönliche Höhepunkte

Baptism by Fur: Mit Äffle und Pferdle bei einem Termin zur Privatquartierkampagne in Stuttgart, März 2015

Das Jahr neigt sich dem Ende. Ich habe schon Musik und Bücher Revue passieren lassen. Bevor ich zur großen Filmliste komme, möchte ich wie in den vergangenen Jahren auch noch auf ein paar weitere Highlights des Jahres zurückblicken, die eher persönlicher, wenn auch nicht unbedingt privater Natur sind. Dinge, die ich erlebt oder beobachtet habe.

#rp15

Eigentlich habe ich zur diesjährigen re:publica schon alles geschrieben. Sie war eine Druckbetankung an Eindrücken, Begegnungen und Gefühlen, die es eben nur dort gibt (weil ich weder zum Zündfunk Netzkongress noch zum Chaos Communication Congress fahren konnte). Ein gutes halbes Jahr später sind mir vor allem drei Dinge in Erinnerung geblieben: Das Zusammensitzen mit der Redaktionskonferenz des “Techniktagebuch”, der Adrenalinrausch nach meinem eigenen Talk und ein gesprächiger Abend mit einer tollen Person. Für die #rpTEN habe ich erneut einen Vorschlag eingereicht.

Mad Men

Seit dem Beginn des neuen TV-Booms hat mich keine Serie so gefangen genommen wie Mad Men. Nicht The Wire, nicht Breaking Bad (bisher nur den Piloten gesehen) und schon gar nicht Lost (nach der ersten Staffel entnervt aufgegeben). Vielleicht liegt es daran, dass Mad Men grob in “meiner” Branche spielt, dass ich so schnell Zugang zu ihr gefunden habe. Aber viel mehr als den Werbekram habe ich es geliebt, an der Serie den Wandel der kulturellen Landschaft in den USA in der vielleicht wichtigsten Dekade des 20. Jahrhunhderts zu verfolgen. Obwohl Mad Men zwischenzeitlich etwas durchhing – ich war sowohl tieftraurig als auch erleichtert, als Matthew Weiners Magnum Opus im Mai endgültig zu Ende ging. Noch hat keine neue Serie ihren Platz einnehmen können.

35. Deutscher Evangelischer Kirchentag

Mein Brotjob erreichte seinen Höhepunkt vom 3. bis 7. Juni. Wieder einmal saß ich von einem Tag auf den anderen plötzlich mit 50 Leuten in einem Raum, die alle auf mein Kommando hörten. Das Tolle: Die “mittlere Management”-Ebene der sogenannten Multimediaredaktion, darunter Jens Albers, Ralf Peter Reimann, Christian De Zottis und Katharina Matzkeit (um nur mal die Leute mit eigener Webpräsenz zu promoten), funktioniert inzwischen so gut zusammen, dass ich mich aus dem operativen Geschäft fast völlig zurückziehen konnte/musste, was manchmal auch etwas einsam war. Vom Kirchentag selbst habe ich trotzdem wie immer nichts mitbekommen – außer durch die vielen tollen Artikel, Videos und Social-Media-Aktionen, die auch dieses Jahr wieder entstanden sind. Kaum zu glauben, dass ich jetzt schon wieder auf den nächsten hinarbeite, bei dem hoffentlich auch die Berliner Digitalszene eine Rolle spielen kann.

“Fortsetzung Folgt”

Mein Freund Martin musste eine Weile an mich hinreden, bis ich zugestimmt habe, mit ihm gemeinsam ein viertägiges Seminar zum Thema “Serielles Erzählen” für die Sommeruni des Evangelischen Studienwerks Villigst zu geben, und in meinem stressigen Sommer zwischen Kirchentag, Wohnungssuche und Umzug wäre ich noch mehrfach am liebsten abgesprungen. Am Ende war es den Stress aber doch wert. Wir wurden belohnt mit äußerst aufmerksamen und inquisitiven Studierenden, die auch selbst ein paar ganz ordentliche Serienideen entwickelt haben. Wenn also wieder mal jemand einen Seminarleiter braucht – ich bin zu haben.

Berlin

1999, auf Klassenfahrt in der elften Klasse, war ich das erste Mal in Berlin und ich war sofort wie verzaubert von dieser Stadt. Das nächste Mal war ich 2007 dort, zu einem Vorstellungsgespräch, und ich wäre gerne dort geblieben. Drei Jahre später dann erstmals zur Berlinale. Im Dezember 2010 habe ich eine Berlinerin kennengelernt und sie eine Weile fast jedes Wochenende in Berlin besucht, nur um sie dann im Sommer 2011 nach Mainz zu entführen. Irgendwie war uns aber insgeheim immer klar, dass wir irgendwann nach Berlin zurückkehren würden, und dieses Jahr war es dann so weit.

Ich staune immer noch jeden dritten Tag darüber, dass ich jetzt hier wohne. Manchmal – wenn ich in einem Supermarkt oder einem Kaufhaus bin, das auch sonstwo stehen könnte – vergesse ich, dass ich in Berlin bin und erst beim Verlassen des Ladens trifft mich die Erkenntnis wieder mit voller Wucht und ich jubiliere ein bisschen. Nicht nur dass ich jetzt in Deutschlands Film- und Medienhauptstadt wohne (suck it, München! ?), ich bin auch immer wieder tief bewegt von der Geschichte dieser Metropole, die einem von jeder Ecke entgegenleuchtet, egal ob ich durch Grunewald jogge oder in Friedrichshain mit meiner neuen Band probe. Ich mag die Menschen hier, diese merkwürdige Mischung aus Treibholzwesen aus der ganzen Welt und alteingesessenen Nörglern mit weichem Kern. Ich bade so gut es geht im Kulturangebot, den Kinos, den Theatern, den Ausstellungen, den Konzerten – manchmal reicht es schon, nur zu wissen, dass man hingehen könnte, um sich daran zu erfreuen. Ich liebe die Tatsache, dass hier nirgendwo Berge sind und dafür überall Seen.

Nach einem knappen Monat Anfangshoch hatte ich durchaus ein paar Wochen Großstadtdepression und Heimweh. Lässt sich wohl nie vermeiden. Jetzt aber bin ich angekommen und wenn es nach mir geht, bleibe ich noch lange hier.

Volunteer Planner

Im Sommer hatte ich noch genug Gründe, um vor mir selbst zu rechtfertigen, warum ich gerade nichts für geflüchtete Menschen tun kann. Spätestens im Oktober war Schluss damit, ich war umgezogen und angekommen und hatte genug freie Zeit. Den letztendlichen Ausschlag hat aber der Volunteer Planner gegeben, mit dem man sich einfach und unkompliziert für Helferschichten in den Flüchtlingsunterkünften eintragen kann. Die Website eliminiert die letzte Hürde für jeden, der irgendwie vielleicht ja doch gerne helfen würde, aber Angst vor dem ersten Kontakt hat. Ich gebe zu, dass ich die Seite im Endeffekt nicht so oft genutzt habe, wie ich mir vorgenommen hatte, aber die Tatsache, dass ich jetzt überhaupt mehrfach Kontakt mit Geflüchteten und Helfenden hatte, hilft mir zusätzlich in Gesprächen mit alljenen, die noch Ängste und Vorurteile mit sich herumtragen. Ich kann jedem nur empfehlen, die Seite (und vergleichbare Seiten) zu nutzen – ich werde es 2016 auch wieder tun.

© Netflix

Master of None

Master of None

Was das reine Zeitinvestment angeht, hat Fernsehen bei mir das Kino derzeit endgültig überholt. Ich habe 2015 neue Staffeln von The Good Wife, Downton Abbey, Mad Men, Brooklyn Nine-Nine, Modern Family, Game of Thrones, Transparent, Agents of SHIELD und New Girl gesehen sowie endlich Sherlock nachgeholt und mit Battlestar Galactica angefangen. Aber nichts hat mich von Anfang an so begeistert wie Aziz Anzaris Master of None. Ich kannte Anzari aus Parks and Recreation, und Master of None ist am Ende auch nicht viel mehr als die Auserzählung von Gedanken, die er in seinen Standup-Specials schon öfter hatte, aber dass es möglich ist, diese Art von freundlicher und leiser Comedy zu machen, die sich gleichzeitig einiger kontroverser Themen annimmt, ist trotzdem etwas besonderes. Master of None ist eine Serie, wie sie nur 2015 entstehen konnte. Die Folgen hängen mal lose, mal eng zusammmen. Sie sind aufwändig produziert, funktionieren ohne Werbepausen und eignen sich perfekt, um sie an einem Wochenende zu verschlingen (wie wir es gemacht haben). Leider kann man sie auch nur sehen, wenn man ein Netflix-Abo hat. Dazu bald mehr in diesem Blog.

Peak Marvel

Ich habe jede Menge Respekt vor Age of Ultron, ich fand Ant-Man streckenweise sehr unterhaltsam. Aber ich gebe zu: Mit meiner Marvel-Begeisterung hat es so langsam ein Ende. Bei Daredevil kam ich nicht über zwei Folgen hinaus, Jessica Jones (derzeit Folge 6) werde ich wohl zu Ende gucken, aber ich weiß noch nicht wann. Zum Weiterschauen von Agents of SHIELD konnte ich mich bisher noch nicht durchringen und 2016 freue ich mich fast mehr auf Batman v Superman (wegen der Hybris) als auf Civil War. Ich finde es nach wie vor erzählerisch spannend, was da passiert (und wie jeder versucht, es zu kopieren), aber die echte Fanboy-Begeisterung, die ich noch während The Avengers gespürt habe, ist 2015 endgültig ausgelaufen – spätestens als mein Lieblings-“Wired”-Autor Adam Rogers über das neue Franchisezeitalter einen Feature-Artikel geschrieben und darin die meisten Aspekte auf den Punkt gebracht hat, an denen ich mich an dieser Stelle seit fünf Jahren abarbeite. Marvel-Produkte fühlen sich immer mehr wie eine Pflicht und immer weniger wie etwas Besonderes an. Dass Joss Whedon sich verabschiedet hat, macht es nicht besser. Es könnte also gut sein, dass ich mir bald eine neue Obsession suche.

“Kommerzkacke”

Ich schreibe ja inzwischen seit einigen Jahren regelmäßig-unregelmäßig für epd film und epd medien, die ich gemeinsam so ein bisschen als meine berufliche Alma Mater betrachte. Ich habe mich sehr gefreut, als ich dieses Jahr aus dem Nichts bei einer weiteren Publikation in den Autorenstamm aufgenommen wurde. Für “kino-zeit.de” habe ich ja schon zuvor ab und zu kleinere Geschichten geschrieben, aber jetzt habe ich dort eine regelmäßige Kolumne, die das nächste Mal Anfang Januar erscheinen wird. Ich fühle mich sehr geehrt, zur Kino-Zeit-Truppe zu gehören, und ein bisschen stolz bin ich auch.

Vielen Dank allen, die mich 2015 gefördert und herausgefordert, gelesen und verlinkt haben. Danke an jeden, der hier im Blog oder auf anderen Plattformen kommentiert, favorisiert und auf “Like” geklickt hat. Danke an alle Kolleginnen, Kollegen und Netzgemeindeglieder, die meine Arbeit verfolgen, auch wenn mich viele von ihnen nicht persönlich kennen. Ihr könnt nicht ahnen, wie viel mir das bedeutet. Ich hoffe, euer 2015 hatte auch ein paar Highlights zu bieten und euer 2016 wird noch besser.

Real Virtualinks 52/15 – Mostly Star Wars Edition

Wie sollte es anders sein? Diese Woche ist sehr Star Wars-lastig.

“RETURN OF THE JEDI: A Bad Lip Reading”

Was die “Bad Lip Readings” von den meisten anderen Parodieformaten des Internets unterscheidet, ist ein unübersehbarer Dada-Einfluss. Die Star Wars-Performancekunstwerke, die das Team jetzt geschaffen hat, sind in ihrem Humor relativ konkret, aber deswegen streckenweise nicht weniger “weird”. Muss man gesehen haben.

‘The Force Awakens’ Is the Least Interesting Star Wars Yet

Ich war nach dem ersten Kinobesuch sehr “in two minds” was Star Wars VII angeht. Ich hatte eine spaßige Zeit im Kino und ich mag die neuen Figuren, aber das krasse Zurückgreifen auf Vertrautes erschien mir auch ein bisschen mut- und ideenlos. (“Star Wars: The Apology“, wie es die Simpsons 2009 vorhergesagt haben). Sehr typisch für die derzeitige Filmbranche insgesamt natürlich – wie Brian Merchant gut zusammenfasst. (Meine Meinung nach der Zweitsichtung)

26 Unanswered Questions of ‘Star Wars: The Force Awakens’: We Have the Answers

Servicejournalismus im Zeitalter des Parakosmos. Peter Sciretta hat alle Bücher und Comics gelesen, die begleitend zu “The Force Awakens” erschienen sind und trägt die Infos zusammen, die im Film fehlen.

Star Wars: Das Erwachen der Macht. 100 Probleme, Fragen, Ideen.

Stefan Mesch denkt laut nach.

Will STAR WARS Just Be Fanfic From Now On?

Devin Faraci hat auf seiner Seite “Birth. Movies. Death.” über The Force Awakens als Fanfic (ebenfalls ein großes Thema im Blog dieses Jahr) geschrieben und nennt es sehr prägnant “ice cream for dinner”. Ähnlich wie bei mir und vielen anderen liegen seine Hoffnungen auf Gareth Edwards und Rian Johnson.

Marc-Uwe Kling – Wir hängen im Wohnzimmer ab

»Mich würden mehr diese Momente interessieren, in denen total dumme Entscheidungen getroffen wurden.«

Starkiller Base: The Contractor Memos

Sehr lustiges Zeug von Dan Kois

How ‘Revenant’ star Tom Hardy helped me realize I am out of the junket business

Über die unsägliche Kultur der Pressejunkets hatte ich es ja schon öfter im Blog. Nachdem ein unangenehmes Erlebnis (und eine Reihe unnötiger Ad-Hominem-Tweets) von “HitFix”-Autor Drew McWeeny Schlagzeilen gemacht hat, hat er sich entschieden, fortan Junkets den Rücken zu kehren. “My decision is for me alone, but I would urge my fellow journalists to consider the real balance of power here. When there are hundreds of identical interviews online, nobody is benefiting from that.”

Daily Cartoon: Thursday, December 24th

Frohe Weihnachten an alle!

Der kleine Prinz als metatextuelle Verfilmung – und andere Varianten, Kinderbücher ins Kino zu bringen

© Warner Bros.

Wer heutzutage ein Kinderbuch verfilmen möchte – ein richtiges Kinderbuch, für eher kleinere Kinder, keinen “Young Adult”-Roman – scheint zwei Möglichkeiten zu haben. Entweder, er bleibt dem Werk ziemlich treu. Dann entsteht vielleicht so etwas wie Der Grüffelo, eine knuffige, witzige Bebilderung des Buchs von Julia Donaldson mit einigen prominenten Sprecherinnen und Sprechern, die allerdings leider nur 30 Minuten lang ist. Gut für’s Fernsehen, unpassend für heutige Kinostrukturen.

Die andere Möglichkeit ist eine Erweiterung des Bekannten, eine Einbettung der Kerngeschichte in eine größere Erzählwelt, die Kinoformat hat, was immer das heißt. Peter Jacksons Hobbit-Filme könnten in diese Kategorie fallen, Spike Jonzes Where the Wild Things Are, und seit diesem Jahr auch Der kleine Prinz in einer neuen Fassung von Regisseur Mark Osborne und den Drehbuchautorinnen Irena Brignull und Bob Persichetti.

Ein Film über die Ereignisse

Die Hobbit-Filme, was immer man sonst von ihnen halten mag, stehen dabei wahrscheinlich noch auf den sichersten Füßen. J. R. R. Tolkiens Roman The Hobbit beschreibt eine größere Geschichte aus einer sehr beschränkten Sicht. Figuren verschwinden während der Handlung und kehren irgendwann wieder und die Hauptfigur erfährt nie, was sie in der Zwischenzeit getrieben haben. Das erklären erst die Anhänge zu Lord of the Rings. Einiges, etwa die “Schlacht der fünf Heere”, die dem dritten Jackson-Film ihren Titel gibt, wird im Buch nur in Mauerschau erzählt. Jackson adaptiert in seinen Filmen nicht das Buch, er dreht einen Film über die Ereignisse (und ein paar zusätzliche Dinge, die er erfunden hat). Damit verliert er über große Strecken das “Gefühl” des Buches, für viele der größte Kritikpunkt an den Filmen, aber er kann seine Geschichte in ähnlich epischer Breite erzählen, wie er es bereits in seiner letzten Trilogie getan hat.

Spike Jonzes Verfilmung von Where the Wild Things Are unterscheidet sich weniger von Jacksons Ansatz, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Maurice Sendaks Buch ist berühmt dafür, dass es nur 100 Wörter hat, was aber daran liegt, dass es sich erzählerisch auf das Allernötigste beschränkt. Es ist dafür geschaffen, vorgelesen zu werden – so dass der vorlesende Mensch und der zuhörende Mensch gemeinsam, auch anhand der wunderbaren Bilder, darüber spekulieren können, was zwischen den Wörtern alles passiert.

Eine Vision der eigenen Gefühle

Im Endeffekt ist es genau das, was Jonze und sein Koautor Dave Eggers gemacht haben. “And Max the king of all wild things, was lonely and wanted to be where someone loved him best of all”, ist vielleicht der zentrale Satz im Buch. In solchen Sätzen ist viel Raum für Interpretation. Jonze und Eggers hatten die Gelegenheit, über ihre Ideen mit Sendak zu sprechen, der ihnen zwar Input gab, aber sie grundsätzlich bestärkte, ihre eigene Interpretation der Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Das also ist der Film zu Where the Wild Things Are – eine Vision dessen, was zwei Autoren spürten, als sie ein 100-Wörter-Kinderbuch lasen. (Ich mag das Resultat sehr, aber der Film hat ja auch nicht nur Fans.)

© Warner Bros.

Vielleicht lässt sich Osbornes Der kleine Prinz auf ähnliche Weise beschreiben. Der Film versucht, einen emotionalen Kern aus Antoine de Saint-Exupérys Buch zu destillieren und ihn auf moderne Weise neu zu interpretieren. Allerdings geht er einen zusätzlichen, metatextuellen Weg. Er ist “nicht wirklich eine Verfilmung im klassischen Sinne, sondern erzählt vielmehr davon, wie ein Kind die Geschichte vom kleinen Prinzen entdeckt”, wie Rochus Wolff es ausdrückt. In einigen Sequenzen werden Passagen aus Der kleine Prinz in bezaubernden Bildern animiert zum Leben erweckt, aber der weitaus größere Teil des Films stellt sich die Frage, welche Rolle Der kleine Prinz heutzutage in unserer Welt noch spielt.

Nachdenkliche Sprüche mit Bilder

Das Ergebnis gleicht im Plot ein wenig der Unendlichen Geschichte. Ein kleines Mädchen, gefangen in einem gefühlskalten Leben, entdeckt durch die Lektüre eines Textes erst eine fremde Welt und kann sie schließlich sogar betreten und ihr Schicksal beeinflussen. Die computeranimierten Sequenzen des Films stellen dabei die “Außenwelt” dar, während die Welt des Buchs in sehr stark auch im Look auf Handarbeit getrimmten Stop-Motion-Animationen visualisiert wird. Wie im Buch taucht auch Saint-Exupéry selbst auf, als alter, irrer-aber-liebenswerter Mann, der dem Mädchen überhaupt erst vom kleinen Prinzen erzählt. Schwer zu sagen, was der echte Saint-Exupéry über diese Interpretation seiner Figur gedacht hätte.

Der kleine Prinz gilt unter Menschen, die sich für schlau halten, gerne als der Inbegriff des Philosophie-Kitsches. “Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar” ist so ein Satz, der mir, wie bestimmt vielen anderen Menschen auch, erstmals als Kind über den Weg gelaufen ist, vielleicht sogar wirklich in einem Poesiealbum, und den man als Erwachsener gerne mal in die ”Nachdenkliche Sprüche mit Bilder”-Ecke abschiebt. Aber mal ganz abgesehen davon, dass der Satz durch seine naive Einfachheit nicht weniger wahr wird, ist Der kleine Prinz auch deutlich mehr als dieser Spruch. Er ist sowohl eine sehr persönliche Reflektion Saint-Exupérys über sein Leben und seine Umwelt als auch eine eindrucksvolle Parabel – manchmal eben die einzige Art, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

© Warner Bros.

Das Ende der Parabel

Dass Mark Osborne das in seinem Film anders sieht, mag der Grund sein, warum der Film Der kleine Prinz mit seiner Öffnung des Buches nach außen nur teilweise erfolgreich ist. Die Geschichte des Mädchens, dessen Leben von seiner ambitionierten Mutter bis zum Erwachsenwerden durchgeplant ist, ist eine passende und visuell in Form eines gigantischen “Lebensplan”-Bords auch gut umgesetzte Aktualisierung jener Dinge, über die sich auch Saint-Exupéry schon gesorgt hat. Doch nicht nur wird die Nacherzählung des Buchs auf einige seiner bekanntesten Passagen reduziert, im letzten Drittel bricht der Film jede Parabelhaftigkeit und jeden persönlichen Bezug zu Saint-Exupéry auf und lässt das Mädchen die Charaktere der Geschichte in einem neuen Setting wiedertreffen. Das gibt dem Abenteuer zwar ein actionreiches Finale, es transformiert den emotionalen Kern der Geschichte – anders als bei Sendak/Eggers/Jones – aber auch in eine völlig andere Dimension. Der kleine Prinz, der Film, hat eine andere Aussage und eine andere Wirkung als Der kleine Prinz, das Buch.

Diese Art von metatextueller Kinderbuch-Verfilmung scheint aber gerade beliebt zu sein. Im Februar kommt der bereits zu Halloween in den USA gestartete Film Goosebumps auch in die deutschen Kinos. Statt eine der Geschichten der Buchserie von R. L. Stine zu verfilmen, auf der er basiert, strickt auch er eine Handlung um eine fiktive Version von R. L. Stine und ein Buch, dessen Figuren plötzlich lebendig werden. Vielleicht funktioniert das Prinzip mit Gruselgeschichten besser als mit nachdenklichen Parabeln. Vielleicht muss es aber auch einfach nicht immer ein epischer Kinofilm sein.

Der kleine Prinz sollte noch in vielen Kinos laufen. Ich habe ihn in einer Pressevorstellung gesehen und wollte diesen Artikel eigentlich zum Kinostart fertighaben. Dann passierten Dinge.

Real Virtualinks 51/15

Wenn englische Titel gegen andere englische Titel ausgetauscht werden – Frankreich-Edition 2014

Titelübersetzungen bleiben ein Faszinosum der Marketingwelt. Zum Glück tragen die Kollegen von “Die Academy” jedes Jahr wieder die schönsten Exemplare zusammen – zum Beispiel die Übertragung von englischen Titeln in andere englische Titel aus Frankreich. (In Deutschland ja genauso weit verbreitet)

Disney needs to calm the fuck down

Stephen Colbert hat sich vor einigen Wochen in seiner Sendung über den grenzenlosen Tie-in-Wahnsinn von Star Wars noch anhand von Lippenstift lustig gemacht und mit fiktiven “Star Wars Eggs” für Lacher gesorgt. Dieses Bild zeigt mal wieder, dass Realität schlimmer ist als jede Satire.

Access Denied

John Hermans Artikel ist schon zwei Wochen alt, aber er fasst so gut zusammen wie schon lange niemand mehr, wie die Veränderung von Gatekeeper-Mechanismen die journalistische (und vor allem kritische) Landschaft verändert. Und er schreibt den wichtigen Satz, den ich ab sofort in Filmkritiker-Debatten immer wieder zitieren werde: “A reporter that depends on access to a compelling subject is by definition a reporter compromised.”

EKD-Medienbeauftragter: “Star Wars” keine Konkurrenz zu Weihnachten

Wäre das auch geklärt. Ich weiß nicht, worüber ich mich hier am meisten wundern soll. Über die “HAZ”, dass sie dem EKD-Medienbeauftragten Markus Bräuer die Frage gestellt hat (Original-Interview auf Blendle), über Bräuer, dass er darauf eine ernsthafte Antwort gegeben hat oder über den epd, dass er aus dieser Nicht-Nachricht noch eine Meldung gemacht hat.

Get rich or die vlogging: The sad economics of internet fame

Ruhm und Reichtum müssen keinen direkten Bezug zueinander haben, wie dieser (etwas zu lange) Report eindrücklich zeigt. Das lässt einen über das Wort “Aufmerksamkeitsökonomie” noch einmal ganz neu nachdenken und darüber, ob die derzeitige Professionalisierung der YouTube-Branche wirklich das beste ist, was dem Medium passieren konnte. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie künftige Vlog-Generationen in ein paar Jahren die Sache angehen. (Klassische Textblogger*innen habe ja immerhin den Vorteil, auf der Straße in der Regel nicht erkannt zu werden.)

Real Virtualex – Mixtape 2015

Mit jeder veröffentlichten Liste fällt ein Stück Jahresends-Depression von mir ab. Wir beginnen mit Musik. 19 großartige Songs von Everything Everything, Gavin Harrison, Ibeyi, Ryley Walker, Little Simz, Lianne La Havas, C Duncan, Miya Folick und alten Bekannten wie Steven Wilson und sogar Neal Morse.

Goodreads | Alex’s Year in Books

Wieviel ich in einem Jahr lese steht in Korrelation mit der Anzahl von Zugreisen, die ich in diesem Jahr unternehme

Wie schneidet man eigentlich einen Filmjahresrückblick?

Jeden Dezember begeistern uns findige Menschen aufs Neue mit ihren Video-Rückblicken auf das vergangene Filmjahr. Egal ob David Ehrlich mit seinem Countdown, JoBlos “Final Cut” oder Ben Zuks “Salute to Cinema” – das Ergebnis ist immer das gleiche. In nur wenigen Minuten können wir das komplette Jahr noch einmal erleben, uns an die Filme erinnern, die wir gesehen haben und die wir noch sehen müssen, und wir haben Gelegenheit “to feel all the feels”, wie sie im Meme-Land wohl sagen würden.

Dieses Jahr hat sich auch Filmblogger und “Real Virtuality”-Freund Matthias Hopf vom “Film Feuilleton” an einen visuellen Jahresrückblick gewagt. Sein wunderbares Video “The Beauty of Cinema 2015” dauert satte acht Minuten und zeigt alles von Carol bis Victoria, was wir 2015 sehen durften.

Ich wollte gerne wissen, wie Matthias als Laie an diese Mammutaufgabe herangegangen ist und habe ihn deswegen schriftlich interviewt.

Ich erinnere mich, dass du vor einem Jahr schon mal einen Marvel-Supercut gemacht hast. Wie lange verfolgst du das Thema schon?

Puh, das ist eine gute Frage. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht genau daran erinnern, wann ich den ersten Supercut meines Lebens gesehen habe. Ich weiß nur, dass es damals auch ein Zusammenschnitt war, der die besten Filme des entsprechenden Jahres Revue passieren ließ und “Nostrand” von Ratatat im Hintergrund zu hören war. Das waren vielleicht nur ein paar Sekunden, aber diese paar Sekunden waren von ihrer Dynamik das Perfekteste, was ich bis dahin im Internet gesehen habe. In dieser Erinnerung liegt vermutlich der Großteil meiner Faszination für derartige Video begründet, die dann allerdings erst mal für eine gewisse Zeit abgeflacht ist, bis ich durch meinen Blog wieder einen neuen Zugang zu Supercuts gefunden habe.

Wie bist du an den diesjährigen rangegangen? Wann hast du angefangen Material zu sammeln, wieviel Zeit hast du dir für den Schnitt eingeplant?

Nachdem ich letztes Jahr, auch im Dezember, den Marvel-Supercut geschnitten hatte, war ich eigentlich ziemlich demotiviert, überhaupt noch einmal so ein Video zu machen, weil ich mit dem Ergebnis nur sehr bedingt zufrieden war und das Video bis heute keine 300 Mal aufgerufen wurde. Erst, als ich dieses Jahr ein paar kleinere Video-Ideen umgesetzt hatte, konnte ich mich wieder für einen größeren Supercut begeistert – und da fangen die Probleme an. Tausend Fragen schwirren da in meinem Kopf herum: Gehe ich nach US-Starts oder deutschen Veröffentlichungsterminen? Werden Festivalfilme mit eingeschlossen und haben Serien auch ihren Platz? Gibt es ein bestimmtes Thema oder verfolge ich eine Top-Liste? Welche Filme will ich überhaupt erwähnen – und vor allem: welche Musik?

Gerade in puncto Musik kommen zehntausendfünfhundertmillionen weitere Probleme dazu: Welche Songs kommen für so einen Supercut überhaupt in Frage? Wie kann ich sie miteinander kombinieren? Müssen sie etwas mit den Filmen zu tun haben? Oder reicht ein ordentlicher Rhythmus aus und den Rest erledigen die Bilder? Und noch viel schlimmer: Darf ich überhaupt die Stücke verwenden, die ich verwenden will? Die Fragen in meinem Kopf nehmen kein Ende und dann gelange ich ziemlich schnell an den Punkt, wo ich aufgebe, weil ich aufgrund der vielen Einschränkungen irgendwann in einem schwarzen Loch versinke, wo ich nur noch versuche, bestimmte Parameter zu erfüllen und keinen kreativen Freiraum mehr habe.

Also habe ich irgendwann alle Planungen über Bord geworfen und mich von der Idee verabschiedet, einen zweiten Supercut zu basteln – und dann hat David Ehrlich seinen Video-Countdown der 25 besten Filme des Jahres veröffentlicht, der den Funken der Motivation wieder entfacht hat. Daraufhin habe ich eine Liste mit allen Dingen dieses Filmjahres angefangen, die ich gerne erwähnen wollte. Gleichzeitig habe ich unzählige Trailer und Clips angeschaut, diese heruntergeladen und noch mehr Notizen gemacht. Was ich am Ende wirklich zeigen wollte, wusste ich allerdings nicht. Ablenkung habe ich in meiner Spotify-Playlist gefunden, die ich seit fast zwei Jahren beständig um Titel erweitere, die in dieser Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen eine besondere Bedeutung für mich erlangt haben. Daraus ist schließlich die Tonspur entstanden, wie sie jetzt im Video zu hören ist, das erste Grundgerüst sozusagen.

Matthias Notizen

Matthias’ Notizen

Welche Songs hast du genommen und warum gerade die?

Mein Einstieg stand überraschend schnell fest: “You Got the Love” von The Retrosettes. Das habe ich erst vor ein paar Wochen im Opening von Youth gehört. Wenngleich mich der Rest des Films doch eher enttäuscht zurückgelassen hatte, war ich von dieser Eröffnungssequenz sehr begeistert, denn sie hat mich genau in den Film katapultiert, den ich eigentlich sehen wollte. Genau dieses Gefühl wollte ich mitnehmen, habe allerdings beim ersten Anschwellen der Musik einen harten Schnitt gemacht, die Pause mit einen Soundfetzen aus Guy Maddins The Forbidden Room überbrückt und im Anschluss “Runaway” von Kanye West eingesetzt, das direkt von David Ehrlich stammt: Während er die ersten Takte des Stücks, die nur aus einzelnen Klaviertönen bestehen, für den Anfang seines Video verwendet, setzt “Runaway” bei mir genau an der Stelle ein, an der es bei David Ehrlich abreißt.

Da sich das Motiv der einzelnen Klaviertöne des Stücks zieht, habe ich gewaltig im Mittelteil gekürzt und eine Passage vom Ende vorgezogen, die langsam ausgeblendet wird. Was bleibt, sind die Klaviertöne, die in “Bundle of Joy” aus dem Inside Out-Score von Michael Giacchino aufgegriffen werden. Ein praktischer Nebeneffekt war, dass ich so von der rhythmischen Komposition problemlos in eine ruhige, verträumte Atmosphäre wechseln konnte, der sich danach – auch wieder mit einem Klavieranschlag – in der epischen Musik des The Force Awakens-Trailers verliert. Als nächstes stand “Uptown Girl” von Billy Joel auf dem Plan, das ich dieses Jahr durch Trainwreck kennengelernt habe. Zwar habe ich in Erinnerung, dass er im Film selbst nicht gerade gut wegkommt (sagt Amy Schumer nicht sogar, es sei der langweiligste Song von Billy Joel?), habe ich mich komplett in das Stück verliebt, so lebendig ist es.

Für den Abschluss habe ich dann das wundervoll zerbrechliche “Them” von Nils Frahm genommen, das mich seit der Berlinale, wo ich Victoria zum ersten Mal gesehen habe, verfolgt. Das könnte ich stundenlang hören, so einen intimen Sog entwickelt es. Gerne hätte ich auch einen Auszug aus dem Jurassic World-Soundtrack integriert oder die Musik, die It Follows untermalt. Auch von Iggy Azalea, den Sleigh Bells und M83 habe ich Songs ausprobiert, ebenso Kompositionen von Daniel Pemberton (Steve Jobs, Man from U.N.C.L.E.) und Dan Romer (Digging for Fire, Beasts of No Nation). Ach ja, und dann wäre da noch Taylor Swift, die ich leider streichen musste, in einer sehr frühen Version aber zusammen mit Hailee Steinfeld zu hören gewesen wäre.

Kannst du beschreiben, wie der Montageprozess war? Hast du die Momente gruppiert oder dich Stück für Stück vorgetastet? Warum tauchen manche Filme öfter auf als andere?

Ich habe dieses Mal mit iMovie gearbeitet, ein Programm, das noch ziemlich neu für mich ist, aber zumindest hundert Mal besser als der Windows Movie Maker, mit dem ich zuvor das Marvel-Video geschnitten hatte. Insofern war im Montageprozess noch viel Ausprobieren dabei, was zur Folge hatte, dass ich mehr oder weniger unstrukturiert dabei vorgegangen bin. Klar, ein paar Kombination und Bewegungen hatte ich im Kopf, letzten Endes habe ich aber immer und immer wieder einzelne Clips nur hin und hergeschoben, um auszuprobieren, was passiert. Vieles ist dann auch ganz intuitiv zusammengekommen, so richtig beschreiben kann ich den Prozess nicht. Es ist vielleicht am ehesten so wie früher beim LEGO-Bauen: Da sitzt du mitten in deinem Zimmer auf den Boden, hast eine Kiste voller Steine und fängst dann einfach an, dich durch die ganzen Einzelteile zu wühlen, bis du was Passendes für die Raumstation gefunden hast, die du gerade aufbauen willst.

Warum jetzt manche Filme öfter auftauchen als andere? Hm, von Filmen wie Carol, Victoria, Knight of Cups, The Assassin und Cemetery of Splendour war ich dieses Jahr so begeistert, dass ich so viele Aufnahmen wie möglich einbringen wollte. Andere Filme wie The Force Awakens, The Hateful Eight und Joy habe ich noch gar nicht gesehen, trotzdem sind sie sehr dominant vertreten. Das liegt dann an meiner Vorfreude und den sagenhaften Bildern, die schon in den jeweiligen Trailern versteckt waren. Ich glaube, am meisten hat mich selbst überrascht, dass so viele Ausschnitte aus Meadowlands, Alice of Venice und Queen of Earth ihren Weg in den Supercut gefunden haben. Aber das ist vielleicht auch eine schöne Begleiterscheinung der umfangreichen Materialsichtung: Man entdeckt Filme wieder völlig neu, die vorher im Eifer des Gefechts des Kinojahres ein bisschen untergegangen sind. Gerade im Fall von Queen of Earth bin ich unglaublich froh, noch einmal einen zweiten Blick gewagt zu haben, da er – entgegen meiner übermüdeten Berlinale-Erinnerung – wirklich richtig toll ist.

Letzte Frage: Wenn du die das fertige Video anschaust, was würdest du nächstes Jahr anders machen?

Hehe, je öfter ich das fertige Video anschaue, desto weniger gefällt es mir. Insofern gibt es mittlerweile vieles, das ich das nächste Mal – sollte ich überhaupt noch mal die Zeit und Motivation finden – anders machen würde. Einen Punkt, den ich jetzt mehrmals aus dem Feedback, das ich bekommen habe, herausgehört habe, war die Länge. Das ist sicherlich ein Punkt, den man ganz einfach verbessern kann. Das grundlegendere Problem ist allerdings ein anderes: In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass sich Perfektionismus und Ungeduld überhaupt nicht vertragen. Mit dem Schneiden hatte ich – überstürzt vor Tatendrang – angefangen, obwohl ich noch nicht einmal das komplette Material gesammelt hatte. Zwischenzeitlich war ich dann sehr frustriert, weil einfach gar nichts so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt hatte. Gerne würde ich mir da mehr Zeit nehmen, nicht alles auf einen Schlag machen, sondern in Ruhe überlegen und Ideen zusammentragen – und dadurch schlussendlich auch mehr Distanz zum eigentlichen Projekt bekommen.

Am Ende der zwei Tage, an denen ich geschnitten hatte, war ich der Meinung, dass keine Sekunde zu viel ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch bereits jeglichen Überblick verloren, obwohl ich die Schnittfolgen längst auswendig kannte. Trotzdem fehlte irgendwie der Blick fürs Ganze. Da hätte ich gerne mehr Ordnung gehabt. Womöglich muss ich mich das nächste Mal einfach nur darauf einlassen, dass ein Supercut kein Zwei-Tages-Projekt ist, sondern tatsächlich ein langwieriger Prozess, der viele Nerven kostet. Die Aufregung, wenn man zum Schluss auf den Upload-Button drückt und nicht genau weiß, was passieren wird, ist trotzdem unvergleichlich und entschädigt alle Anstrengungen zuvor. Ich glaube, das kannst du als Blogger ziemlich gut nachvollziehen: Den Moment, wenn man etwas, an dem man lange gesessen und gefeilt hat, endlich mit der Welt teilen kann.

Danke an Matthias, dass er seine Erfahrungen mit mir geteilt hat!

Real Virtualinks 50/15

War eine volle Woche. Bin nicht viel zum Internetlesen gekommen.

Netflix Will Nearly Double Its Original Programming in 2016

Ein weiterer Beleg dafür, dass sich Streamingportale primär zu Content-Anbietern und nicht zu Dienstleistungs-Anbietern entwickeln – interessanterweise eigentlich die gegenteilige Entwicklung zu den meisten anderen Internetdiensten, die ihr Geschäftsmodell vor allem im Durchreichen von Inhalten anderer begreifen. Für die Qualität des Contents ist das bisher vergleichsweise gut, es bedeutet aber auch, dass wir NIE den erhofften “Alles. Immer. Überall.”-Dienst haben werden. Ich will dazu bald hier im Blog noch mal ausführlicher nachdenken.

Advent, Advent: Alex Matzkeit über “Jupiter Ascending

“kino-zeit.de” macht gerade einen Adventskalender mit den Filmerlebnissen des Jahres ihrer Autoren. Ich erinnere mich an Jupiter Ascending.

Season Two: Episode 01: DUSTWUN

“Serial”, der Podcast-Spinoff von “This American Life” hat sich ein bisschen überraschend (aber nicht wirklich) zurückgemeldet. Alle vertrauten Elemente sind wieder vorhanden – ein ungelöster Fall, ein moralischer Konflikt, eine Geschichte mit vielen Perspektiven. Doch der Horizont ist größer: Es geht um den US-Einsatz in Afghanistan und um das Innenleben der Taliban. Für Filmfans interessant: Autor Mark Boal (Zero Dark Thirty, The Hurt Locker) und Indie-Produzentenqueen Megan Ellison sind involviert.

The Beauty of Cinema 2015

Einen Supercut-Jahresrückblick verlinke ich noch, weil er von Matthias von “Das Film Feuilleton” stammt. Ich führe gerade ein Interview mit ihm über die Entstehung, dass ich am Wochenende veröffentlichen werde.

Warum haben die Medien so ein Problem mit Jan Böhmermann?

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, was die restlichen Medien des Landes für ein Problem mit Jan Böhmermann​ haben. Erst das ganze Bohei um Varoufakis, dann die Aufregung um “Ich hab Polizei”, als ihm unterstellt wurde, er würde sich über niedrigere soziale Schichten lustig machen.

Und auch im aktuellen Interview mit dem Stern (Blendle-Link) zeigen sich die Journalisten wieder überrascht, dass der Mann im Herzen Moralist ist. Sie werfen ihm vor, einen Ironie-Panzer zu tragen und scheinen sich auf’s härteste zu bemühen, hinter sein dunkles Geheimnis zu kommen.

Dabei gibt es das doch augenscheinlich nicht. Es ist doch einfach glasklar, dass Jan Böhmermann persönlich sehr bestimmte Werte vertritt. Er ist für Offenheit und kritisches Denken und er steht auf der Seite der Unterdrückten, wie es jeder kluge Mensch tun sollte. Trotzdem schlägt er mit seiner Satire natürlich gegen alle, die sich wie Idioten verhalten – egal ob das Gangsterrapper oder Polizisten, Politiker, YouTube-Stars oder Sportfunktionäre sind. Er kämpft einen Kampf gegen Ignoranz und Dummheit, ist sich aber trotzdem für selbstbewusste Albernheit nicht zu schade. Warum ist das so schwer zu verstehen? South Park macht das seit 18 Jahren.

Ist die deutsche Medienkaste wirklich immer noch nicht aus ihrem Jacuzzi aus Selbstgefälligkeit und Intrigantentum aufgestanden? Kann sie wirklich nicht verstehen, dass es Menschen in ihrer Branche gibt, die Überzeugungen haben und Intelligenz demonstrieren wollen und nicht nur darauf aus sind, den eigenen Ruhm und das eigene Geld zu mehren?

Stefan Niggemeier​ hat mal einen entscheidenden Satz geschrieben, nachdem er in der “Bild- und Tonfabrik” zu Gast war: “Das sind keine Hipster hier, es sind Nerds.” Darin liegt der entscheidende Unterschied. Die einen nutzen Ironie, um sich vor der Welt zu verstecken, die anderen, um der Welt offensiv entgegenzutreten. Es ist traurig, dass an so vielen Orten nur die erste Art bekannt zu sein scheint.

Mit diesen drei Richtlinien können Nerds dem Empfehlungsdilemma entgehen

Mein Freund Simon ist der größte Brettspiel-Nerd, den ich kenne. Er arbeitet freiberuflich in der Spielebranche und seine Wohnung gleicht einem Ausstellungsraum für Brettspiele jeder Form und Farbe. Mir war also klar, an wen ich mich Ende Oktober wenden würde, als ich vorhatte, ein neues Spiel zu kaufen. Bis sich folgender Dialog im Facebook-Messenger entspann:

Alex: Hi! Kathi und ich fahren nächste Woche in Urlaub. Kennst du noch ein gutes kompaktes Spiel für zwei, das ich mitnehmen könnte?

Simon: Ich kenne einige, habe auch einige und kann entsprechend einige empfehlen… :) Kommt ein bisschen drauf an, was ihr mögt.

Alex: Ich weiß nicht so richtig, was wir mögen. Wir hatten Spaß am “Siedler”-Kartenspiel und an “Mr. Jack“. Ich wollte gestern am liebsten “Munchkin” kaufen, aber das geht ja erst ab 3 Spielern. Ist das eine Orientierung?

Simon: Du meinst, das 2-Personen-Kartenspiel für Siedler, richtig? Ja, das finden wir auch super. Schon lange nicht mehr gespielt, allerdings – kostet dann doch etwas Zeit. So, wie ich das herauslese, sollte das Spiel thematisch eingekleidet sein, weniger abstrakt. Und auch eher kein 2-Stunden-Spiel, sondern eher was kürzeres, das man ggf. öfter spielen kann. Und sollen es primär 2-Personen-Spiele sein (also reine ebensolche), oder Spiele, die auch mit mehreren gespielt werden können?

Alex: Meistens sind wir zu zweit. Das Thematische ist wurscht. Wir wollen nur im Urlaub auch mal was anderes machen als Fernsehen gucken, essen und lesen :)

Simon: Ah. Wie schauts mit der Spiellänge aus? Ich hab da durchaus involvierte, lange Spiele, aber auch Spiele mit “normaler” Länge, oder sogar kurze :) Ist die Frage – lieber ein Spiel lang, oder ein Spiel mehrfach… :)

Alex: Egal. Kurz ist praktischer, aber wenn das lange Spiel gut ist nehm ich auch das

Simon: Okay, dann lass mich mal überlegen. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass es die Spiele noch alle gibt. In Berlin solltet ihr aber mehr Chancen haben, denke ich… Das dauert jetzt etwas, da ich eine etwas größere Liste bzw. Auswahl vorschlage. Jeweils mit Link zu einschlägigen Foren, damit ihr weitere Infos/Bilder kriegt, falls es interessant klingt
Ich mach mir grade nen Tee, dann setz ich mich dran… :)

Alex: Simon, empfiehl mir doch einfach was Einfaches, was ich überall bekomme und womit wir zu zweit ein bisschen Spaß haben können.

Simon: Wenn das so einfach wäre.

Ich war hin- und hergerissen. Einerseits war ich zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich genervt, weil ich doch eindeutig einen Experten gefragt hatte. Warum war dieser Experte nicht in der Lage, meine doch irgendwie einfache Frage auch einfach zu beantworten? Andererseits konnte ich Simon verstehen. Wenn man als Experte schon mal gefragt wird, dann möchte man natürlich auch sein gesamtes Expertenwissen anwenden (was ja schließlich sonst so selten Leute interessiert).

Die vermittelnde Instanz fand ich im Journalismus. Dort geht es schließlich auch darum, umfangreiches Wissen so zu filtern und aufzubereiten, dass es auch von jenen verstanden werden kann, die das Wissen nicht besitzen. Und auch wenn die Verfechter der aktivistischen Filmkritik den Charakter der Filmkritik als Dienstleistung ablehnen, ist es doch genau eine Dienstleitung, die sich viele Konsumenten mindestens von einer Filmkritik erwarten. Eine Antwort auf die Frage: Sollte ich mir diesen Film ansehen? Ich weiß, “Here I am, brain the size of a planet, and they ask me to take you to the bridge.” Aber trotzdem.

“Kannst du mir einen Film empfehlen?” ist die Frage, die ich als Filmmensch nach “Kannst du Filme noch normal gucken?” und “Was ist dein Lieblingsfilm?” wahrscheinlich am häufigsten gestellt bekomme. Und weil ich ungerne ein Snob bin und gerne gute Antworten gebe, halte ich mich bei dem, was ich daraufhin sage, an drei einfache Richtlinien, die ich hiermit allen Nerds ans Herz legen will. Eure Freunde werden sich bei euch bedanken und euch als Empfehlungsgeber weiterempfehlen. Garantiert!*

1. Denkt in breiten Kategorien

Ihr seid Experten und kennt euer Feld viel feinkörniger als jeder Laie. Ihr sortiert euer Interessensgebiet nach Schulen, Ländern, Branchenkategorien. Aber mit diesem Insiderwissen verwirrt ihr euer Gegenüber nur. Dem genügen vermutlich die Einordnungen, wie sie in einer Kaufhausabteilung gemacht wurden. “Komödie”, “Drama”, “Musical”. “Rock”, “Pop”, “Dance”. “Krimi”, “Historischer Roman”, “Liebesschnulze”. Zwingt euch, für einen Moment ebenfalls in diesen Kategorien zu denken. Wenn eure Gesprächspartnerin ein Beispiel nennt, was sie gerne mochte, ordnet dieses Beispiel möglichst weit ein. Wenn sie sagt: “Ich mochte Willkommen bei den Sch’tis.”, denkt nicht: Okay, sie mag französische Filme von und mit Dany Boon, die sich über lokale Besonderheiten lustig machen und mindestens zehn Millionen Zuschauer hatten. Denkt: “Sie mag lustige Filme. Und sie hat nichts gegen europäisches Kino.” Empfehlt ihr schweren Herzens Ziemlich beste Freunde, falls sie den nicht eh schon kennt.

2. Sortiert nach Erhältlichkeit

Simons erste Empfehlung auf meine Frage oben (“7 Wonders – Duel”) hätte ich online bestellen oder in einem Fachhandel suchen müssen. Ich hatte aber tatsächlich relativ wenig Zeit und wollte am liebsten in den nächsten Karstadt marschieren und es noch schnell mitnehmen. Aus demselben Grund empfehle ich Leuten, die mich nach Filmen fragen, am liebsten Filme, die gerade noch im Kino laufen oder überall einfach auf DVD zu haben sind. Denn auch wenn ihr bereit seid, für die perfekte Perle lange und hartnäckig zu graben, heißt das nicht, dass euer Gegenüber genau so denkt. Wenn ihr bei eurer Empfehlung seine Bedürfnisse mitdenkt, heißt das auch, dass ihr es ihm einfach machen solltet, eurer Empfehlung auch nachzukommen. Sonst steht die Chance hoch, dass ihr euch viele Gedanken gemacht habt, aber nie erfahren werdet, ob der Tipp ein guter war.

3. Macht es euch selbst nicht so schwer

Auch wenn es euch vielleicht Spaß macht, euer ganzes Wissen in den Ring zu werfen, lange an einer perfekten Lösung zu tüfteln und die Fragenden im Zuge dessen ein bisschen zu bilden, ihnen am besten noch eine Auswahl zu geben, aus der sie selbst wählen können: Widersteht der Versuchung! Sie macht dem anderen unnötige Arbeit. Als Experten solltet ihr auch wissen, welche Kulturprodukte allgemein beliebt sind. Nennt erstmal das nächstbeste, was euch passend vorkommt. Wenn die Fragende das Empfohlene schon kennt, geht eine Schicht tiefer und nennt etwas, was viele, aber nicht alle mögen (in Reiseführern und Fernsehzeitschriften gerne hyperbolisch “Geheimtipps” genannt). Ein solches Schichtensystem sorgt im besten Fall dafür, dass ihr die fragende Person sanft an einen (eurer Meinung nach) guten Geschmack heranführt, statt von vornherein dutzende Kategorien abzufragen, über die sie sich vermutlich vorher nie Gedanken gemacht hat.

Diese Richtlinien sind übrigens genau das: Richtlinien. Keine in Stein gehauenen Gebote. Wenn euer Gegenüber ebenfalls so seine Obsessionen und Zeit hat, kann es Spaß machen, gemeinsam auf die Suche nach der perfekten Empfehlung zu gehen. Oder die Fragende ist ohnehin so informiert, dass sie bitte einen außergewöhnlichen Tipp haben will und eben nicht eine allgemeine, einfache Empfehlung. Ich selbst stelle solche Fragen allerdings eher selten, selbst in Gebieten, in denen ich mich nicht auskenne, weil die Gefahr, danebenzulangen, viel größer ist. Und ich bekomme sie auch nur selten gestellt.

Case in Point:

Simon: Stell Dir mal vor, ich frag Dich nach nem spannenden, lustigen Film

Alex: Naja, ich werde das ja auch öfter gefragt und ich habe das geübt ;). Zum Beispiel würde ich dir bei spannend und lustig momentan empfehlen … Man from UNCLE.

Simon: Ja, Man from U.N.C.L.E. steht auf der Liste.

* nicht garantiert

Bild: Allan Ajifo, CC-BY 2.0

Real Virtualinks 49/15

videotheken: weggeströmt

Felix Schwenzel antwortet auf einen Vox-Artikel, in dem ein Videothekar seinen Arbeitsplatz verteidigt, und widerlegt seine Argumentation nach meinem Dafür- und Streamingdienstverhalten) sehr schlüssig.

Der Verlust der Physischen Realität (Teil 1)

Sven von Reden zeigt auf kino-zeit gerade ausführlich und angenehm systematisch auf, wie unser Computer-Leben immer schwieriger filmisch darstellbar wird. Meiner Ansicht nach hat das ganze allerdings auch noch eine ideologische Dimension (dazu im nächsten Jahr zu gegebener Zeit mehr).

Home Invasion

Peter Jackson kann immer noch nicht schauspielern. Seine Tochter Katie hingegen, die Mittelerde-Fans ja ebenfalls auf der Leinwand haben aufwachsen sehen, macht sich ganz gut.

2015 Salute to Cinema

Jetzt geht es wieder los mit jener gleichzeitig schönsten und schlimmsten Zeit des Jahres, in der wir zurückblicken, weil wir bestimmt haben, dass an einem willkürlichen Termin etwas Neues beginnt. (Final Cut ist eigentlich noch besser)

573: Status Update

Die jüngste Folge von This American Life geht in zwei ihrer Segmente sehr interessanten Fragen nach: Welche geheime Statussprache benutzen Teenager-Mädchen in der Kommentierung ihrer Selfies? (Hier als Text zusammengefasst) Wie verändert sich das Verhältnis zum besten Freund, wenn dieser plötzlich reich und berühmt wird?

Die Zukunft des Kinos. Oder in Zukunft ohne das Kino? Teil 3

Joachim Kurz hat in Mannheim einen Vortrag zur Zukunft des Kinos gehalten, der in drei Teilen auf kino-zeit.de online steht. Er bietet einen guten Überblick, enthält aber wenig Neues für Leute, die sich sowieso mit Digitalisierung, Video on Demand und co beschäftigen. Im dritten Teil jedoch wagt Joachim auch eine Zukunftsvision, die ich gar nicht so abwägig finde. Multiplexe und Arthäuser werden zu Event-Palästen, jedes auf seine Art – und die FIlmkunst könnte sich im kommunalen Kino wiederfinden: In “zentral gelegenen, fachkundig geführten, offenen Orten der Begegnungen mit anspruchsvollen Filmen, mit Meisterwerken aus der Vergangenheit, mit Reihen, die Epochen, Genres, Ländern und manchmal auch Seiten- und Holzwege der Filmgeschichte präsentieren. In meiner zugegeben vielleicht etwas naiven Vorstellung besitzt eine solche Kinemathek die gleiche Wichtigkeit und eine nahezu identische finanzielle Ausstattung wie ein Stadttheater, ein städtisches Orchester oder eine Stadtbücherei.”

Sisters – The Farce Awakens

Tina Fey und Amy Poehlers Film Sisters kommt am gleichen Tag wie Star Wars in die US-Kinos. Also haben die Comedy-Göttinnen eine unfassbar gute Parodie auf das Star Wars-Comic Con-Reel gedreht. ‪#‎youcanseethemboth‬