Ich hätte eigentlich einen Artikel drüber schreiben wollen, aber die Zeit hat nicht gereicht. Dankenswerter Weise hat mich Sascha stattdessen zum PewCast eingeladen, um über Edgar Wrights Rausschmiss bei Marvel zu sprechen. Ich nehme in der Sache (natürlich) ein bisschen die Rolle des Advocatus Marveli ein, doch die generelle Frage “Wie viel muss man als Zuschauer und als Filmemacher auf dem Opfer der erzählerischen Konsistenz opfern?” stellen wir auch The Amazing Spider-Man 2, X-Men: Days of Future Past, Star Trek und den anstehenden DC Filmen.
Tag: Marvel Cinematic Universe
Was taugte die erste Staffel von Agents of SHIELD?
Enthält keinerlei wirkliche Spoiler für Agents of SHIELD, nur für The Winter Soldier. Ich schreibe außerdem SHIELD statt S.H.I.E.L.D., weil Letzteres auf Dauer total behämmert zu tippen ist.
Um die ABC-Serie Marvel’s Agents of SHIELD hat sich in den vergangenen Wochen ein interessantes Narrativ gebildet. Es lautet: “Die Serie hatte einen sehr schwachen Start, aber in den letzten Wochen hat sie es echt rumgerissen und ist zu einem der besten Dinge im Fernsehen geworden.” Sehr praktisch für die Produzenten. Aber leider nur die halbe Wahrheit.
In Wahrheit sind einige Kritiker, ganz in meinem Sinne, totale Opfer der Operationellen Ästhetik geworden. “A true television marvel” nennt etwa Mary McNamara in der “Los Angeles Times die Serie, denn “never before has television been literally married to film, charged with filling in the back story and creating the connective tissue of an ongoing film franchise.”
Der einmalige Effekt
Und in der Tat ist das wohl der interessanteste und einmalige Effekt der Serie, mit dem sie vielleicht ein bisschen in die Annalen der Fernsehgeschichte eingehen darf. In Captain America: The Winter Soldier, der im Frühjahr ins Kino kam, bricht die Organisation SHIELD, die bis dahin das Marvel-Kinouniversium zusammengehalten hat, in sich zusammen. Und in der Serie gab es daraufhin die Folgen dieses Zusammenbruchs zu sehen.
In dieser Interaktion mit einem Kinostart hat lineares Fernsehen tatsächlich mal sein scheinbar größtes Defizit – das Festgelegtsein auf eine bestimmte Zeit – in eine Stärke umgewandelt. Wer Agents of SHIELD in Zukunft auf DVD oder VOD als Binge reinzieht, wird mit Sicherheit nicht so einen Aha-Effekt erleben, wie die Zuschauer, die frisch aus dem Kino kommend erleben durften, wie die Geschichte im Fernsehen weitergeht. Zuletzt hat solche Effekte wahrscheinlich Lost mit seinem allwöchentlichen Rästelraten erzeugt.
Was die Macher sagen
In einem Interview mit “Buzzfeed” haben die Showrunner Jed Whedon und Maurissa Tancharoen verraten, dass sie von Anfang wussten, was auf sie zukommt. Sie mussten also irgendwie mit dem Problem umgehen, dass sie eine Serie namens Agents of SHIELD leiten und SHIELD per Dekret von oben nach zwei Dritteln der Laufzeit aufhören würde zu existieren. Dabei durften sie das natürlich niemandem verraten. Die Geheimhaltung von Marvel scheint legendär, das bestätigen auch die Produzenten Jeph Loeb und Jeffrey Bell. Und auch Joe Quesada hatte ja vor zwei Wochen schon gesagt, dass die Schauspieler beispielsweise zu Anfang nicht wussten, was sie erwartet.
Doch so beeindruckend all das ist – ein interessanter Twist nach 17 Folgen rechtfertigt nicht automatisch die 16 schwachen, die ihm vorausgingen. Neuen Serien, besonders solchen im werbegetriebenen Network-Fernsehen, muss man ein paar Folgen Zeit geben, um ihren Tritt zu finden. Aber sie sind eben kein 22-stündiger Film, wie es im “Buzzfeed”-Stück heißt, sondern sie müssen ihre Existenz Woche um Woche rechtfertigen.
Eine Season – drei Phasen
Ich bin da eher bei Todd VanDerWerff, der im “A.V. Club” ein etwas weniger euphorisches Fazit zieht und die Staffel in drei Phasen einteilt:
For the first nine or 10 episodes, the show is too often a slog, an attempt to create a weird blend of NCIS and The X-Files with a chaser of superhero dramatics. […] Right after the first of the year, however, producers and showrunners Jed Whedon, Maurissa Tancharoen, and Jeffrey Bell started righting the ship. The episodes in this middle portion of the season are often clunky, but they do a better job of fleshing out the characters, and the superhero spy shenanigans start to coalesce into something more interesting than their disparate parts.
VanDerWerff gesteht schließlich zu, dass Agents of SHIELD ab Folge 17, wenn es mit den Folgen von The Winter Soldier umgeht, deutlich spannender wird. Allerdings notiert auch er, dass diese Spannung vor allem aus den vielen Storywendungen entsteht und weniger aus den lebendigen Charakteren. Devin Faraci von “Badass Digest” hingegen lässt kein gutes Haar an der Serie:
I got a show that continued to be about people having fights in hallways and empty rooms, about characters who constantly explain what happened in the last scene to each other and that felt like the kicked-to-the-curb step-sibling of the mighty Marvel Cinematic Universe.
Hoffnung für langweilige Charaktere
Faraci hat recht, wenn er am Ende schreibt: “[W]hat the show needs [is] better, wittier writing. The characters are so bland that they can be reshaped in season two by better writers”. Das große Problem von Agents of SHIELD ist nicht, dass es keine interessante Geschichte zu erzählen hat, sondern dass es diese nicht auf interessante Weise an den Mann und die Frau bringt.
Zu sehr verlässt sich schon das Ausgangspaket auf die typische Whedon-Formel des Teams als kaputte Familie, die er in Buffy und stärker noch in Firefly scheinbar perfektioniert hatte. Doch nur weil ein Team aus disparaten Teilelementen besteht, von denen jedes eine andere Ecke des Fanservice-Spektrums und seiner Mary Sues zu erfüllen scheint (die Indiegirl-Hackerin, die arschtretende Ninja-Lady, der gutaussehende mysteriöse Mann, die zwei nerdigen Wisenschaftler mit sexy britischem Akzent), existiert damit noch lange nicht automatisch ein Ensemble, mit dem man mitfiebert. Man muss es auch mit Leben füllen.
Der steinige Weg zum Finale
Wenn dazu noch Episodenplots kommen, die in der Summe einfach schrecklich beliebig erscheinen und den Zuschauer selten überraschen, hat eine Serie einfach verloren. Agents of SHIELD wirkte von Anfang an zu formelhaft und kalkuliert, um in der Fernsehlandschaft der gestiegenen Ansprüche (auch im Network TV, man denke an gefeierte Serien wie The Good Wife) bestehen zu können. Auch ich musste zeitweise sehr die Zähne zusammenbeißen, um die Serie trotz meiner Enttäuschung weiterzuschauen. Gehalten hat mich hauptsächlich professionelles Interesse.
Treue Zuschauer wurden am Ende definitiv belohnt. Nicht nur, dass die Plotwendungen einem am Ende mehrfach den Boden unter den Füßen wegziehen – die Aufstockung des Casts durch Bill Paxton, Patton Oswalt und B. J. Britt als Agent Triplett fügt dem Ensemble tatsächlich mal ein paar Charaktere hinzu, die so wirken, als wüssten sie was sie tun. (Clark “I Am the Glue” Gregg, der in den Marvel-Filmen ein perfekter Nebendarsteller war, wirkt in Agents of SHIELD als Anführer ziemlich fade.) Außerdem sorgt die Tatsache, dass SHIELD zum Ende der Staffel nicht mehr existiert, dafür, dass nun für die Charaktere viel mehr auf dem Spiel steht. Sie waren vorher nicht mehr als Tatortreiniger, jetzt sind sie Gejagte. Mit einer Mission. Und im August – also kurz vor Start der zweiten Staffel – wird das Marvel Cinematic Universe bekanntlich galaktisch.
Praxistipp: Diese Episoden lohnen sich
Wer sich nicht durch 22 Episoden wühlen will, nur um auf Stand zu sein, dem sei folgendes empfohlen: Schaut den Piloten, Episode 5 “Girl in a Flower Dress”, Episode 10 “The Bridge”, Episode 11 “The Magical Place”, Episode 13 “T.R.A.C.K.S.”, Episode 14 “T.A.H.I.T.I.” und dann alle Episoden von 17 bis 22. Wenn ihr noch weniger Zeit habt, schaut nur den Piloten, Episode 5 und die letzten sechs. So könnt ihr vorbereitet in die nächste Staffel und die nächste Phase des Marvel Cinematic Universe starten.
Mit Dank an Rochus
MCU: Markus & McFeely über Arbeitsweisen, Quesada über die Netflix-Shows
Oh boy, oh boy! Spätestens seitdem der Plot von Captain America: The Winter Soldier Elemente enthielt, die sich auf das ganze Marvel Cinematic Universe (und insbesondere die Agents of S.H.I.E.L.D.-Fernsehserie) durchschlägt und -schlagen wird, fangen auch andere Menschen, die sich nicht schon seit vier Jahren mit dem Thema beschäftigen, an, Fragen zu stellen.
Zum Beispiel Ben Blacker, der in seinem Nerdist Writers Panel letzte Woche die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely zu Gast hatte. Marcus und McFeely gehören mit Kevin Feige und Joss Whedon sicherlich zu den wichtigsten Architekten des MCU. Sie haben die Drehbücher zu Captain America und Winter Soldier geschrieben und waren an beiden Thor-Drehbüchern beteiligt. Entsprechend konnten sie im Podcast einiges von Interesse darüber sagen, wie die Arbeit am MCU vor sich geht.
Etwa über die Arbeit an Captain America: The First Avenger im Gefüge des MCU:
What was nice is that, by nature of being period, we came before everybody else, whether or not we were coming out before everybody else. We didn’t have to accomodate anybody. We didn’t have to be: Oh, they’re doing that in Thor. We’re 50 years prior to that, who cares?
Über das Pflanzen von Samen für spätere Filme.
If I was writing a standalone movie, things would tie up neatly. You wouldn’t make reference to things that aren’t going to resonate anywhere else. You wouldn’t have Howard Stark if there wasn’t a Tony Stark in a whole different section of it. It’s this sort of opportunity to take things that you would have to do anyway for the movie, you would need a scientist, or a mentor … to kind of draw the threads that everything connects. For things like Winter Soldier, we knew it existed (…) so we did things to Bucky in the first movie …
Sie beschreiben außerdem, dass sie von den großen Planungen für das Universum wenig wissen und sich um ihren einzelnen Film kümmern und nur einzelne Vorgaben bekommen. Etwa, dass Kevin Feige sagt: “I think it’s okay to take down S.H.I.E.L.D.”
Über die Rolle des “Marvel Creative Committee”, in dem auch Joe Quesada sitzt, sagen sie unter anderem:
They get to weigh in and we (…) don’t talk to them particularly and (…) Kevin [Feige] will filter their notes down (…). In some ways, they are the keepers of the bottom line standards of the characters.
Der ganze Podcast ist äußerst hörenswert, weil die beiden auch sehr sympathisch sind. Es geht viel um Cap 2, aber zum Beispiel auch um die “Agent Carter”-Fernsehserie, die derzeit noch in der Entwicklung ist und für die das Team den Pilotfilm geschrieben hat.
Fat Men on Cap Men
Joe Quesada, der Chief Creative Officer von Marvel Comics hingegen, war in Kevin Smiths “Fat Man on Batman“-Podcast zu Gast. Der Podcast ist längst nicht so informativ wie der oben beschriebene – er besteht zu großen Teilen aus Kevin Smith, wie er Winter Soldier lobt – aber zwischendurch lässt Quesada ein paar dokumentierwürdige Sätze fallen.
Unter anderem beschreibt er, dass zum Start der S.H.I.E.L.D.-Fernsehserie logischerweise bereits feststand, dass die Organisation S.H.I.E.L.D. am Ende nicht mehr existieren würde. Die Schauspieler hingegen wurden im Dunkeln gelassen. Fies!
Schließlich geht es noch um die für 2015 geplanten Marvel-Serien für Netflix, “Luke Cage”, “Jessica Jones”, “Daredevil” und “Iron Fist” auf die dann ebenfalls eine Teamup-Serie, “Defenders” folgen soll. Die Seite “Comicbook.com” hat die interessantesten Zitate gut zusammengefasst.
Abgesehen davon, dass die Netflix-Serien ebenfalls Teil des MCU sein werden und es spannend zu sehen sein wird, ob auch hier Crossover-Potenzial zu den Filmen genutzt wird (Mein Tipp: Wahrscheinlich sehr sehr wenig), denke ich ist die interessanteste Entwicklung, über die man nachdenken muss, der Faktor der Synchronität. Wenn die Serien in Gänze erscheinen, aber miteinander korrespondieren und verbunden sind, fällt der zeitliche Faktor der Crossovers wie bei Comics oder linearen TV und Film-Releases weg.
Angenommen also, ein Ereignis tritt ein, das alle vier Serien beeinflusst. In welcher Reihenfolge gucke ich sie dann am besten? Erst Serie A komplett, dann Serie B, dann C, dann D? Oder jeweils eine Folge von A, B, C und D? Oder eine andere Reihenfolge, die jemand vorschlägt – ähnlich wie die Machete-Reihenfolge von Star Wars?
Es bleibt spannend im MCU.
Full Talk: The Operational Aesthetic of Marvel’s Cinematic Universe
This is the full text of the talk I gave at the SAS Symposium “Adaptation: Animation, Comics and Literature“. To get the whole experience, call up the Prezi presentation (pictured above) and hit the next slide whenever there’s the word SLIDE in the text (as if you couldn’t tell).
I’m here to talk about the Operational Aesthetic of Marvel’s Cinematic Universe, so let’s get to it. (SLIDE)
First: Just a quick reitaration what the Marvel Cinematic Universe actually is. (SLIDE) It’s of course mostly a series of feature films that have come out since 2008. (SLIDE) and that share a narrative continuity, what you might call a Universe. (SLIDE)
But there’s also a series of short films, called “One Shots” (SLIDE) that explore smaller nooks and crannies of the universe and link them together. These short films are distributed as DVD extras. (SLIDE)
There is also, at the moment, one TV series, called “Agents of SHIELD”, airing on ABC (SLIDE), but four more are planned for distribution via Netflix, starting in 2016. (SLIDE)
Finally, there’s a number of tie-in comics, both digital and analog, that close narrative gaps and explore character Backgrounds. (SLIDE)
What’s important to note is that every one of these elements, every film, every series, every comic tells a self-contained story. But there are overarching narrative throughlines that connect them, like the rise and fall of SHIELD, the secret spy organization that plays a role in almost every one of them. (SLIDE) Now, Shared Universes are nothing new, of course. (SLIDE)
Crossovers have a rich tradition in literature, especially in serialized fiction narratives like the pulp novels that started becoming popular in the late 19th century. (SLIDE) A shared universe has also been a cornerstone of Marvel Comics’ success. (SLIDE) Starting with “Marvel Mystery Comics #7” in 1940, characters would start to share stories. (SLIDE) Superhero teams like “The Avengers” with a changing roster of members became regular comic series in the sixties. (SLIDE) And starting with “Secret Wars” in 1984, special comics would bring the whole universe together for big crossover events. (SLIDE)
Through the course of Marvel’s corporate history, these crossovers have become a valuable tool to, effectively, get readers to buy more comic books – if you want to participate in the momentous events, you have to buy them all. (SLIDE) Today, as you can tell by this screenshot from Marvel’s website, they are a regular thing. (SLIDE)
Now, as the last point notes, there is an obvious leaning of framing this principle simply in terms of business practice. If you cross over narratives you steer readers towards another serialized narrative and you hope to reap the synergy. You also strengthen the corporate brand, the umbrella over all other brands. Your customers consume more, but they stay inside the system that you provide for them.
But there is another component to these shared universe narratives and I personally believe it’s also a significant reason why they work so well. (SLIDE) Now, Television scholar Jason Mittell calls this the “Operational Aesthetic”. What he names “Complex Television”, he says (SLIDE)
“offers another mode of attractions: the narrative special effect. […] These moments of spectacle push the operational aesthetic to the foreground, calling attention to the constructed nature of the narration and asking us to marvel at how the writers pulled it off; […] we watch the process of narration as a machine rather than engaging in its diegesis.”
(SLIDE) Following Mittell, you could picture the operational aesthetic sort of Rube-Goldberg machine, where it’s simply a lot of fun to see all the elements work together to achieve an effect of awe. (SLIDE) I personally prefer to follow this guy, John “Hannibal” Smith, from the “A-Team”. Does anyone remember his catchphrase? That’s right: “I love it, when a plan comes together”.
Right. So let’s explore some of the opportunities and limitations that a shared universe – with its operational aesthetic – has. (SLIDE) Now, all these apply to comics as well as films. I will just use examples from the films, because I know them much better. (SLIDE)
A shared universe allows you to use the operational aesthetic for references to other parts of the universe with an audience that feels “in the know”, in what I call “Easter Eggs and Callbacks”. (SLIDE)
So, you can allude to things yet to come. This is most prominently done by adding so-called “stingers” to the films after the credits. The first one after Iron Man, pictured here, famously had Samuel L. Jackson saying: “You have become part of a bigger universe”, explicitly stating the mission of the studio. (SLIDE)
But you can also call back to things that already happened. In this scene in Thor: The Dark World, Thor’s brother Loki turns into Captain America with an inside joke that is only understandable to viewers who know The Avengers. (SLIDE)
Secondly, there is the aspect of coherence. An audience can explore different corners of the same universe and their investment is rewarded by narrative links that allow for a sense of recognition. I could quote Henry Jenkins here, but I’ve decided against it.
Now, the commitment to a coherent universe and lasting characters allows for an exploration of plot “holes” and “What if”-Scenarios. (SLIDE) For example: at the end of Thor the Bifrost, a magical bridge that allows the citizens of Asgard to travel to other worlds, is destroyed. At the beginning of Thor: The Dark World it is whole again and the film doesn’t explain why. He doesn’t have to, because the story is explained in one of the comics leading up to the film. (SLIDE)
And since one of the favourite pastimes of geeks around the globe seems to be to pit their heroes against each other to see which one would win in a fight, a shared universe allows for these things to actually happen and canonically answer “What if”-questions like “What happens, if Thor’s hammer” hits Captain America’s shield”? (SLIDE)
These are the opportunities (SLIDE), but of course, there are also downsides. “Limitations and Pitfalls”. (SLIDE) For one thing, having a coherent universe, means that even slight narrative incoherences risk destroying the whole operational aesthetic. Extra care needs to be taken that all odds and ends are tied up. There are two mechanics that come into play here.
One is the act of retroactively explaining inconsistencies away, what is called “Retroactive Continuity” or “Retcon”. For example, there was a stinger at the end of The Incredible Hulk in which Tony Stark meets General Ross and tells him, that he’s “putting a team together”. The filmmakers later decided that it wouldn’t actually be Stark who puts the Avengers together and produced a whole short film that explained, that SHIELD sent Stark to see Ross as a decoy to distract from their actual plan. (SLIDE)
The second mechanic is simply one of convention. After The Avengers, viewers had to simply accept that the individual members of the team would continue to have solo adventures for which the other Avengers will not be available to help them. (SLIDE)
There is also the limitation that the individual narratives have to stay self-contained because, audiences might not have seen all other instalments. So you have to provide some exposition every time. There are, of course, clever ways to do this (SLIDE). In Captain America: The Winter Soldier, Steve Rogers relives his own history, which is the plot of the first film, by visiting an exhibition at the Smithsonian Museum in Washington. (SLIDE)
Finally, you have to take care that you don’t overuse the operational aesthetic and rely to heavily on it to avoid the so-called “Small Universe Syndrome”, where a reference to everyone else in the universe pops up at every corner. At this point, you both alienate casual viewers, who are not deep into the mythology, and you lessen the impact of the operational aesthetic’s mechanics.
This means: A succesful operational aesthetic allows for longterm, earned narrative payoffs of previously established coherences. Too much narrative entanglement ultimately leads to narrative cul-de-sacs and a need to “reboot” the universe. (SLIDE) This has actually happened several times in comics history. DC Comics famously destroyed its whole universe at the end of the 80s to be able to start fresh. (SLIDE)
Since this conference is dealing with adaptation, let’s finally deal with the way these more or less established principles of serialized fiction present a challenge in the world of movies. Here, you are not only dealing with writers, artists and characters that have to be shared, but also with large financial risks, large logistical undertakings, huge crews of people and possibly the egos of the people embodying the characters.
So how did Marvel pull it off anyway? (SLIDE) The first thing they did was to secure longterm funding. In 2005, the newly-founded Marvel Studios secured $525 Million dollars of Credit from Merrill Lynch to produce ten films over eight years. This financial independence allowed them to plan ahead in a way that they could not have, if they were just licensing their characters out to other studios, like they did with Spider-Man. (SLIDE)
They also signed long-term contracts with actors that commited them to as many as 9 films for a fixed wage. In this way they kept the overhead costs for the films stable. (SLIDE) There is tight creative supervision and control through central figures like Studio President Kevin Feige and writer/director/producer Joss Whedon. They basically play the same role a so-called “showrunner” would play in a television series, keeping the individual parts of the universe in line with the overall vision. (SLIDE)
Finally, as Derek Johnson has noted, Marvel Studios used a lot of good self-marketing and so succeded to create a positive industry narrative for themselves. An “origin myth”, as Salon puts it here. (SLIDE)
So, these are the components that made it possible. However, I believe that the fact that it is quite a bit harder to create a shared universe in the world of feature films, actually strengthens the operational aesthetic. Viewers that are aware of narrative machinations, probably also have a faint idea of the complicated logistics involved in producing films like these. (SLIDE)
Now, can I prove this? The short answer is no. In my further research (SLIDE), I want to explore factors of social pychology that might figure into, for example, theories of consonance. (SLIDE)
However, there’s the evidence of the side of the creators that suggests that an operational aesthetics figures into what they are doing, beyond monetary considerations. The filmmakers often grew up with comics and loved the mechanics there. (SLIDE)
Joe Russo, one of the directors of Captain America: The Winter Soldier, recently said in an interview that he “gets off” on the fact that his film is connected to the others. (SLIDE)
Clark Gregg, the star of the SHIELD T.V. series even joked that viewers who can’t wait for the longterm payoffs to affect them are “losers”. (SLIDE)
Marvel has also started leaning heavily on the connectedness of the universe in their marketing, airing a TV special called “Assembling a Universe” and suggesting the hashtag #itsallconnected for people tweeting about “Agents of SHIELD”. (SLIDE)
Finally, other studios have started to imitate the Marvel model. I guess we can safely say that their main motivation is to make money. (SLIDE) However, there is not a lot of justification for a film like the upcoming X-Men: Days of Future Past, which connects the films from the early 2000s with the more recent Prequel First Class – beyond a general feeling of “Wouldn’t it be cool, if we joined these universes together”. (SLIDE) So to summarize all this on a most basic level, I conclude (SLIDE)
The construction of a shared universe across feature films, a tv series and accompanying texts creates an operational aesthetic, where the shared universe exists both as a narrative challenge of adapting serialized comic book mechanics to the screen and as an exploration of the gratifying nature of a complex but coherent narrative construct and the commitment of the company to keep it coherent.
I hope this all made some sort of sense to you and I (SLIDE) Thank you for listening.
Thank you so much to Hannes Rall and Susanne Marschall for accepting my proposal and letting me talk at their event. Thanks also goes out to all those helping me with my ongoing research, especially Jochen Ecke, Janina Wildfeuer, Sascha Brittner, Martin Skopal, Bernd Zywietz, Andreas Rauscher and, of course, Katharina.
Immer diese Nazis – Haben Comic-Filme eine soziale Verantwortung?
Dem am Donnerstag startenden neuen Marvel-Film Captain America: The Winter Soldier könnte man mit einiger Berechtigung manche kritische Frage stellen. Zum Beispiel: Ist es wirklich notwendig, dass ein Film, der so vielversprechend als Paranoia-Thriller anfängt, am Ende doch wieder in einem krawalligen Showdown münden muss, in dem jede Menge Pixel explodieren und dessen zentrales Plotelement an der selten dämlichen Idee hängt, dass tödliche futuristische Flugzeugträger ihre hochsensiblen Zieldaten in einer offen zugänglichen Platine gespeichert haben, die sich in einem zentralen, verglasten und unbewachten Versorgungsschacht an der Unterseite des Gefährts befindet?
Oder: Hat der sogenannte “Winter Soldier” eigentlich irgendeine wirkliche Funktion, außer moralisch ambivalenter Gegenpart für Captain America zu sein, und ist es nicht eigentlich schade, eine so wichtige Umkehr der zuvor als sicher geltenden Ereigniskette für so eine generische Handlanger-Rolle zu verbraten? Wäre insofern der deutsche Verleihtitel sogar fast wirklich (*schluck*) der passendere?
Mit diesen Fragen will ich mich aber im Folgenden nicht beschäftigen, sondern mit der zentralen Verschwörungsthematik des Films.
Eine länger angelegte Entwicklung
Captain America: The Winter Soldier greift in seinem Spionage-Setting geschickt und ziemlich bewusst aktuell schwelende gesellschaftliche Themen rund um Überwachung und Verdachtsjustiz auf. Die Entwicklung ist seit längerer Zeit schon in den Marvel-Filmen angelegt. Die Mutation von S.H.I.E.L.D. zu einem autokratischen Machtapparat, dem auch dann nicht zu trauen ist, wenn er behauptet, auf der Seite der “good guys” zu stehen, klang in den Avengers schon an und ist auch einer der Handlungsstränge in der ABC-Serie “Agents of S.H.I.E.L.D.”.
In The Winter Soldier blüht sie vollends auf. Nach einer Entscheidung des ominösen “Weltsicherheitsrates” plant S.H.I.E.L.D. mit seiner Helicarrierflotte einen signifikanten Teil der Menschheit ohne Gerichtsverfahren (!) auf Basis von gesammelten Daten (!!) automatisiert von Weitem (!!!) hinzurichten. Steve Rogers, der ewige Anwalt der Unterdrückten und Verteidiger des Gerechten, muss quasi zum Edward Snowden werden, wenn sich ein wichtiger Teil der Handlung darum dreht, einen S.H.I.E.L.D.-gebrandeten USB-Stick zu bergen und seinen entlarvenden Inhalt in die Welt zu spielen. “This isn’t freedom, this is fear”, hält Rogers auch im Trailer Nick Fury entgegen.
Am Ende von The Winter Soldier liegen S.H.I.E.L.D. und seine größenwahnsinnigen Machenschaften in Trümmern. Ein konsequenter und durchaus mutiger Move, was die Mythologie des “Marvel Cinematic Universe” angeht und als Kommentar auf die momentane Weltlage nicht zu unterschätzen.
Wäre da nicht die Begründung, die der Film für die Pläne von S.H.I.E.L.D. liefert.
HYDRA ist überall
Wie Cap und Black Widow nämlich in den Geheimräumen eines alten Bunkers erfahren müssen, ist S.H.I.E.L.D. nur deswegen so faschistisch geworden, weil es seit Ende des Zweiten Weltkrieges systematisch von Nazis unterwandert wurde. Nicht von Nazis im übertragenen Sinne, also von engstirnigen Menschen, sondern von echten, deutschen Weltkriegs-Nationalsozialisten mit Schurken-Akzent und “Heil”-Rufen, Mitgliedern des Nazi-Forschungstrupps HYDRA und deren Rekruten.
Nun könnte man den Filmemachern gegenüber gnädig sein, wie es einige Kritiker getan haben, und daraus schlussfolgern, dass sie die momentanen Methoden der US-Regierung und ihrer Geheimdienste in die Nähe von Nazi-Ideologien rücken. Man könnte aber auch sagen, dass sie sich genau mit diesem Nazi-Unterwanderungs-Plot aus der Verantwortung stehlen. “Wahre Amerikaner”, sagt der Film aus, “wären von sich aus nicht auf solche Teufeleien gekommen. Die Nazis haben es ihnen eingeflüstert.” Deportation nach Guantanamo Bay abgewendet. Doppelt zynisch: Sharon Carter wechselt am Ende des Films von S.H.I.E.L.D. zur C.I.A. – scheinbar den wahren good guys.
The Winter Soldier reiht sich damit ein in die Polonaise der Comicfilme, die irgendwie was zu sagen haben, aber eigentlich dann doch wieder nicht so richtig. Iron Man über Waffen. The Dark Knight Rises so insgesamt. In letzter Instanz ist es wichtiger, dass die großen Blockbuster-Zeltpfosten möglichst alle Teile des politischen und demografischen Spektrums zufriedenstellen, als dass sie eine klare Haltung zeigen. Das entspricht auch durchaus der Geschichte ihrer gezeichneten Vorbilder, die sich etwa durch die bewegten 60er Jahre ebenfalls mit einer vagen “Für Gutes, gegen Schlechtes”-Haltung hindurchlavierten, aber im Zweifelsfall lieber einem klassischen Comicschurken die Schuld gaben, als gesellschaftliche Übel zu benennen.
Es geht auch anders
Dabei ist das kein Muss. In den X-Men-Filmen von Bryan Singer ist die Parabelhaftigkeit, mit der “Mutanten” für quasi alle ausgegrenzten Minderheiten, insbesondere aber für Homosexuelle, einstehen, nicht zu übersehen und die Filme sind trotzdem unterhaltsam. Mit der Figur von General Stryker, der bereit ist, seinen eigenen mutierten Sohn zu quälen und zu opfern, um sein Bild von Reinrassigkeit aufrecht zu erhalten, gelingt Singer ein erschreckendes Bild für blinden Fanatismus, weit weg von den hämisch kichernden Schießbuden-Nazis aus dem Captain-America-Kosmos.
Ist das, was Marvel in The Winter Soldier wagt, schon mehr, als man eigentlich erwarten darf? Oder sollten sich Comic-Verfilmungen mit ihrer Leitkultur-Funktion, die sie mittlerweile fast wahrnehmen, noch stärker auf die soziale Verantwortung besinnen, die sie besitzen? Für Cap wird die Antwort darauf wohl erst Age of Ultron geben. Autor und Regisseur Joss Whedon ist ja gemeinhein nicht dafür bekannt, in gesellschaftlichen Dingen ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
The Operational Aesthetic of Marvel’s Cinematic Universe
This is a paper proposal that was just accepted at the SAS Symposium “Adaptation: Animation, Comics and Literature” in Stuttgart on 24 April. I’m both thrilled and very intimidated that I get to test the main thesis of my planned book in front of an expert audience. I hope to share the full version of the paper with you after the fact.
When Guardians of the Galaxy hits movie theatres this August, it will probably be yet another box office success for Marvel Studios. It will also be another piece in the astounding puzzle that Marvel Studios is building, producing a series of big budget films that share a universe and a sort of supra-narrative, but not a linear story. And while people will come for the action and the talking raccoon, they might stay for the experience of watching a plan come together.
Jason Mittell, writing about complex contemporary TV shows, calls this fascination with narrative consonance the “Operational Aesthetic”, a term he borrowed from Neil Harris, who used it to describe the success of 19th century showman P. T. Barnum. The “narrative special effect” (Mittell) that is at work here, fits perfectly for a cinematic continuity adapted from comic books, because it has long been established there. American superhero comics have gone to great lengths to keep their interweaving, decade-old narratives aligned in the same universe, even staging cataclysmic events across all series to retroactively explain continuity errors and escape narrative cul-de-sacs.
The paper will highlight both the narrative and economic intricacies of Marvel Studio’s cinematic universe plan, link it to the concept of the operational aesthetic and trace back its origins to their comic book counterparts. It will show where the “shared universe” concept of the Marvel comic books finds both limitations and new opportunities in the adaptation process and how the operational aesthetic differs in each medium.
Quotes of Quotes (XX) – The Russos on Working in the MCU
Captain America: The Winter Soldier wird derzeit für die Presse gezeigt und die ersten Reaktionen sind sehr positiv – unter anderem auch, weil das Ende des Films anscheinend einige Auswirkungen auf die Zukunft des Marvel Cinematic Universe, besonders in Avengers: Age of Ultron zu haben scheint. Inzwischen haben für Age of Ultron sogar bereits die Dreharbeiten begonnen, aber schon im vergangenen Juli haben die Regisseure von The Winter Soldier, Joe und Anthony Russo, einer Gruppe von Bloggern ein Roundtable Interview gegeben, in dem sie einige interessante Aussagen dazu treffen, wie es ist, in einer fortlaufenden Continuity wie dem Marvel Cinematic Universe zu arbeiten. Joe Russo erklärt:
the fun part of that, if you are a comic book geek like me, you get off on [easter eggs and connections]. That’s the exciting component of that, “What can we set up for the future?” And they’re constantly pitching out ideas that not only just effects your movie, but might also have a ripple effect in the other films, and Joss [Whedon] is reading the scripts, the Thor script and the Cap script, and going, “Okay, this is where I’m getting the characters and this is where I have to pick them up in the next movie.” So, it’s a a weird sort of, I don’t know, tapestry of writers and directors working together to create this universe. It’s sort of organic, it’s not structured.
Das im Endeffekt doch relativ wenig fest vorgeplant ist, scheint mir interessant, vor allem, wenn man bedenkt, dass Marvel ja auch noch eine Supra-Storyline über Thanos und die Infinity Gems aufbaut. Anthony Russo ergänzt an dieser Stelle, dass ihnen ihre Erfahrung mit metatextuellen, komplexen Fernsehserien wie “Arrested Development” und “Continuity” “Community” ihnen gute Voraussetzungen lieferte. (Eine Verbindung, auf die ich vor einem Jahr zum ersten Mal hingeweisen habe.)
I think it comes very natural to us […], we played with a lot of foreshadowing and callbacks and […] tracking that stuff over a season of television, or multiple seasons, it’s just something [that] we’re sort of patterned for […] It’s like we sort of understand how you take a larger story and wrangle it into a moment, yet keep them connected.
Joe Russo weist zudem explizit darauf hin, wie wichtig die zentrale Figur von Studiopräsident Kevin Feige ist, um den Filmkosmos inhaltlich wie kommerziell zusammenzuhalten. Feige fungiert also als eine Art Showrunner und passt sich somit auch perfekt ins zunehmend mythologische Konstrukt ein, das um diese Aufgabe herum gebaut wird.
If you knew how difficult it is to line up those kinds of salaries, stars, get that material pushed through, have ownership of that material, have control of that material, quality control, to the extent that he did, it’s almost impossible.
Feige selbst geht schließlich in einem anderen Interview kurz auf die Verbundenheit der MCU-Filme mit der “Agents of SHIELD”-Fernsehserie ein. Wenig überraschenderweise trumpfen hier interne Konzernstrukturen nach wie vor das kreative Gewebe.
[T]he studio is not involved in the day-to-day of the show. Jeph Loeb and the TV division is overseeing that. But of course there’s crossover. I was just in a meeting with those guys and I’m about in two minutes to go back to a meeting with those guys to hear the overall picture and to, you know, to hear their ideas and how they deal with the events and Thor and the events of the Cap. Their ideas for season two, should there be one, to make sure they lead into Avengers and don’t … the key to that show, just like they key to all the movies is that, it has to stand alone. It has – if you stripped out all the connective tissue, is it worth watching? And it has to be – and then it’s all bonus and it’s all gravy when there’s that connective tissue.
Übrigens: Erstmals seit einer Featurette auf der Avengers-DVD stellt Marvel sein Worldbuilding auch mal wieder öffentlich in den Mittelpunkt. In einem Fernseh-Special namens “Assembling a Universe”, das am 18. März auf ABC läuft. Für mich bleibt zu hoffen, dass es eine nette Seele anschließend irgendwo online stellt.
Großer Überblick: Die Franchise-Entwicklungen des Jahres 2014
Um diese Zeit des Jahres sind Vorschau-Listen sehr populär. Ich habe mir gedacht, statt euch zu erzählen, auf welche Filme ich mich 2014 besonders freue, konzentriere ich mich auf meine Spezialthema, das auch in Continuity im Mittelpunkt stehen wird. SPOILER-WARNUNG für alle bisherigen Filme der jeweiligen Franchises.
Mit dem Marvel-Klassentreffen The Avengers, in dem die Figuren aus mehreren Filmen in einem weiteren Film aufeinandertrafen, wurde 2012 ein neuer Meilenstein in Sachen Kinofilm-Franchising gelegt. Im vergangenen Jahr hatten die restlichen Studios Zeit, sich Gedanken zu machen, ob und wie sie ihre eigenen Filmserien an das Disney-Marvel-Modell anpassen wollen. Und obwohl die nächste große Höhepunkt-Runde erst im Sommer 2015 ansteht, werden bereits 2014 einige wichtige Räder in Gang gesetzt.
Marvel Cinematic Universe
Marvel Studios hat 2014 zwei Kinofilme in den Startlöchern. Captain America: The Winter Soldier (in Deutschland The Return of the First Avenger) startet am 4. April in den USA und am 1. Mai in Deutschland. Zur Handlung verrät wohl der Titel am meisten: Der Winter Soldier ist eine bekannte Figur in den Comics – eine “umgedrehte” Version von Steve Rogers’ Kumpel Bucky, der ja eigentlich im ersten Captain America in eine tödliche Schlucht gefallen ist.
Interessant wird, wie sehr sich die Handlung von The Winter Soldier, in der die Auseinandersetzung mit der immer hegemonialer agierenden S.H.I.E.L.D.-Organisation eine größere Rolle spielen wird, mit dem Season Finale der Serie “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” interagieren wird. In “Agents” wurde über’s Jahr ein ähnlicher Handlungsstrang aufgebaut: Entscheidungsfreiheit vs. Bevormundung – durchaus auch ein interessantes Echo der Rolle der USA in der Welt. Die Crossover-Folge von “Agents” mit Thor: The Dark World war, um ehrlich zu sein, lachhaft, und beschränkte sich auf eine Aufräumszene mit einigen Wegwerf-Witzen in den ersten paar Minuten, aber die stärkere Rolle von S.H.I.E.L.D. in The Winter Soldier könnte attraktivere Möglichkeiten bieten.
Die wahre Integrations-Herausforderung für das Worldbuilding des MCU wird allerdings Guardians of the Galaxy, der ebenfalls in den USA einen Monat (1. August) vor dem deutschen Release (4. September) zu sehen sein wird. Einen winzigen Einblick in den farblich sehr eigenwilligen Look des Films bot der “Stinger” am Ende von Thor: The Dark World, in dem Volstagg und Sif bei dem von Benicio del Toro gespielten Collector vorbeischauen, um den Aether bei ihm in Obhut zu geben. In der Szene wird nebenbei darauf hingewiesen, dass sowohl Aether als auch Tesseract aus den Avengers zu den sogenannten “Infinity Stones” gehören. Comicfans erkennen hier den Bezug zu Thanos, dem geheimen Strippenzieher-Bösewicht aus den Avengers, der in den Comics versucht hat, die Infinity-Steine zu vereinen, um dem Tod den Hof zu machen.
Insgesamt hat Guardians MCU-technisch eine Menge zu leisten: Eine völlig neue Ecke des Marvel-Kosmos erschließen, den Rückbezug zu Thanos klarstellen – der in Guardians erneut als Oberbösewicht auftauchen wird und so den Über-Über-Plot vorantreibt, aber sich ansonsten durch seinen Handlanger Ronan the Accuser vertreten lässt – und irgendwie den Weg ebnen für den nächsten Avengers-Film Age of Ultron. Der kommt im Sommer 2015 ins Kino – und die Guardians, um aus Zitaten von Joss Whedon zu orakeln, werden dort erstmal noch nicht auftauchen. Ich tippe auf den Ultron-Stinger um die Verbindung herzustellen.
Seit Captain America im Sommer 2012 ist Guardians also das erste Mal, dass Marvel wirklich neue Helden einführt – und noch dazu ziemlich abgefahrene, denn zu den Guardians gehören nicht zuletzt ein Waschbär und ein Baum. Wir dürfen gespannt sein, ob der Stoff des Franchises sich an dieser Stelle einfach nur etwas weiter dehnt, oder vielleicht erste Risse bekommt. Die MCU-Serien für Netflix folgen übrigens erst 2015.
Marvel bei Fox: X-Men und Fantastic Four
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel den Studios mittlerweile daran liegt, ihre Figuren neu zu erfinden ohne das bisher etablierte Universum damit zu negieren. Was Paramount mit den neuen Star Trek-Filmen schon ziemlich wagemutig angeht (nicht zur Zufriedenheit aller), treibt Fox dieses Jahr mit X-Men: Days of Future Past auf die Spitze: sie inszenieren den größten Retcon der Filmgeschichte.
Es passiert immer wieder, dass Filmserien einzelne Folgen haben, mit denen man im Nachhinein nicht zufrieden ist. Bisher bestand die Lösung darin, einfach ganz am Anfang neu anzufangen, so bei Batman mit Batman Begins nach Batman und Robin, bei James Bond mit Casino Royale nach Die Another Day oder mit Spider-Man als The Amazing Spider-Man nach Spider-Man 3. Auch bei Fox schien man nach dem (nicht finanziellen aber kreativen) Misserfolg von X-Men 3: The Last Stand diesen Weg zu gehen und legte mit X-Men: First Class zunächst eine Origin-Story der Mutanten-Truppe vor. Irgendjemand, vielleicht sogar Regisseur Bryan Singer selbst, muss dann aber die Idee gehabt haben, dass man die Ereignisse von The Last Stand ja durch eine Zeitreise ungeschehen machen könnte.
Mit anderen Worten: Es wird ein kompletter, sehr teurer Film inszeniert, der eigentlich nur das Ziel hat, bisher als “gesetzt” geltende Ereignisse in Zukunft ignorieren zu können. In Days of Future Past, der anscheinend nur sehr grob den Ereignissen des Comic-Erzählstrangs von 1981 orientiert ist, müssen die überlebenden X-Men aus The Last Stand mit ihren jüngeren Versionen aus First Class-Kontakt aufnehmen, um diese auf einen neuen Pfad zu setzen. Im Grunde also das gleiche, was Spock im neuen Star Trek macht, nur das hier nur die “Seele” von Wolverine durch die Zeit reisen wird, um sich in seinem jüngeren Ich zu manifestieren. Der nächste X-Men-Film ist auch bereits in Planung: X-Men: Apocalypse soll 2016 kommen und vermutlich der “alten” Riege um Patrick Stewart und Ian McKellen ein zufriedenstellenderes Ende bescheren.
Fox hält neben X-Men außerdem die Rechte an den Fantastic Four, die 2015 einen Reboot bekommen sollen. Das Studio hat ein Gerücht, dass die beiden Universen schon bald aufeinandertreffen sollen, vor ein paar Tage dementiert, aber es könnte auch gut sein, dass sie erstmal abwarten, wie Days of Future Past und die Konkurrenz bei Sony sich so schlägt.
Marvel bei Sony: Das neue Spider-Man-Universum
Während man bei Fox lieber noch eine Weile die Füße stillhält und erstmal versucht, die X-Men zu retten, gibt man sich bei Sony mutiger, obwohl man dort an wesentlich weniger Helden-Charakteren die Rechte hält. Mitte Dezember gab das Studio bekannt, dass The Amazing Spider-Man 2: The Rise of Electro, der am 17. April in Deutschland und am 2. Mai in den USA startet, den Auftakt für ein größeres Franchise-Universum bildet, dass sich hauptsächlich an den Spider-Man-Bösewichten entlang hangeln soll.
Erster Schritt ist die bereits erfolgte Formation eines sogenannten “Franchise Brain Trust”. Die Rolle die bei Disney-Marvel also Kevin Feige und Joss Whedon zufällt, das Zusammenhalten des Story-Gefüges und die Abstimmung der Filme untereinander, ruht hier auf den Schultern des Kreativ-Teams hinter Rise of Electro – Regisseur Marc Webb, die Drehbuchautoren/Produzenten Alex Kurtzman, Roberto Orci (die auch bereits Star Trek rebooteten) und Jeff Pinkner – sowie der weiteren Autoren Ed Solomon (Men in Black) und Drew Goddard (Cabin in the Woods). Zweiter Schritt soll ein Venom-Film sein, den Kurtzman mit Solomon schreibt und selbst inszenieren will und ein Film über die “Sinister Six”, der in den Händen von Drew Goddard liegt.
Wie Gerold von “DigitaleLeinwand” auf Facebook richtig bemerkte, erinnert die Konstellation an den “Writer’s Room” bei TV-Serien, bei dem Autoren die Drehbuch-Rohfassungen einzelner Episoden gemeinsam mit den restlichen Autoren in einem iterativen Prozess finalisieren. Das Prinzip dürfte sowohl Kurtzman und Orci, als auch Goddard aus ihrer langjährigen TV-Erfahrung bei J. J. Abrams Produktions-Schmiede Bad Robot bekannt vorkommen.
Daten für die beiden neu angekündigten Filme gibt es noch nicht, allerdings sind bereits weitere Spider-Man-Teile für 2016 und 2018 angekündigt, zwischen die sie sich dann wohl quetschen werden. Interessant wird es sein, zu sehen, ob in Rise of Electro bereits erste Leinen in Richtung der Bösewicht-Filme ausgeworfen werden und ob Figuren aus den Spider-Man-Filmen etwa in Venom auftauchen werden. Klingt jedenfalls, als hätte man hier ein Modell gefunden, das sich am MCU orientiert, aber in den Begrenzungen, die Sony rechtemäßig auferlegt sind, trotzdem anders funktionieren könnte. Was lang angelegte Pläne wie diese außerdem bedeuten: die Hoffnung, dass Spider-Man in näherer Zukunft zu Marvel-Disney “nach Hause” wandern könnte, dürfte sich erledigt haben.
Mittelerde
Im Dezember 2014 wird The Hobbit: There and Back Again den Schlussstein unter die sechsteilige Peter-Jackson-macht-in-Tolkien-Saga setzen, die 13 Jahre zuvor mit The Fellowship of the Ring begann. Es gäbe zwar in Mittelerde noch eine Menge andere Geschichten zu erzählen, die Welt hat eine 3000-Jährige Geschichte, doch Tolkiens Erben haben klar gemacht, dass sie die Rechte am “Silmarillion” und ähnlichen Schriften, niemals verkaufen werden – was schon im Hobbit zu einigen Dialogverrenkungen führte.
Wie sehr Jackson vom Worldbuilding-Franchise-Floh gebissen wurde, zeigte sich in The Desolation of Smaug fast noch deutlicher als in An Unexpected Journey. Begnügte sich der erste Teil der Reihe noch mit einem Intro, dass die Handlungsstränge der Hobbitfilme mit ihren Vorgängern verknüpfte, wurden für Smaug ganze Figuren aus der einen in die andere Filmserie transportiert, die dort laut Vorlage eigentlich gar nicht sein sollten. Für There and Back Again bleibt gar nicht mehr viel Handlung übrig, es dürfte vor allem viel gekämpft werden, aber es wird interessant sein zu sehen, wie Jackson den Film beendet und die Klammer zu den 60 Jahre später spielenden Herr-der-Ringe-Filmen schließt.
Und nachdem ja schon der “Hobbit” wesentlich freier adaptiert wurde als der “Herr der Ringe” ist – allen Beschränkungen zum Trotz – natürlich nicht ausgeschlossen, dass Warner/MGM sich irgendwann überlegen, weitere Spinoffs in Auftrag zu geben. “Die Abenteuer des jungen Gimli”, anyone?
DC Universum
Bei DC wird, ebenso wie bei Star Wars, 2015 das große Jahr. Der noch immer unbetitelte Superman/Batman-Crossover-Film soll im Juli die Kinos erobern und nicht nur Clark Kent aus Man of Steel auf einen gealterten Batman, gespielt von Ben Affleck, treffen lassen, sondern auch einen weiteren Pflock auf dem Weg zu einem größeren DC-Filmuniversum in den Boden rammen. Anders lassen sich weder die geplante Anwesenheit von Wonder Woman noch die anderen Anspielungen auf ein größeres Universum in Man of Steel erklären. Das ultimative Ziel wäre dann ein Justice-League-Film. Aber bis dahin dürfte es noch etwas dauern.
Interessanter für 2014 dürfte sein, ob DC sich entscheidet, das Man of Steel-Universum tatsächlich mit dem der äußerst erfolgreichen CW-Fernsehserie Arrow zu integrieren, wie es sich viele Fans wünschen. Warner Bros. steht rechtemäßig hinter beidem. Die Fusionierung wäre also theoretisch möglich, allerdings wurde von den Verantwortlichen bisher immer bestritten, dass eine Kooperation geplant ist. Diagnose: unwahrscheinlich.
Und sonst …
DreamWorks leistet sich 2014 eine interessante Franchise-Fortsetzung. How to train your Dragon 2 lässt seine Charaktere, ungewöhnlich für einen Trickfilm, deutlich ein paar Jahre altern – und scheint sich ansonsten, der Trailer verrät es, eine Scheibe von The Empire Strikes Back abzuschneiden.
Jack Ryan: Shadow Recruit führt im Februar mit Chris Pine den insgesamten vierten Schauspieler ein, der Tom Clancys legendäre Figur spielt. Sollte der Film, der ebenfalls eine Art Origin Story zu haben scheint, erfolgreich sein, wird man Pine sicher die Gelegenheit geben, die Rolle erneut auszufüllen. Damit wäre er nach Harrison Ford der erste Schauspieler, der mehr als einmal Jack Ryan war – und ein “neues” Action-Franchise geboren.
300: Rise of an Empire wird sich als Prequel sicherlich bemühen, nicht nur in Titel und Look Bezüge zum Original-300 herzustellen. Bibi & Tina – der Film scheint nicht im gleichen Universum zu spielen wie der erste Bibi Blocksberg-Film von 2002, da keine Schauspieler ihre Rollen erneuern. Dawn of the Planet of the Apes wird versuchen, seinem Vorgänger Rise of the Planet of the Apes zu folgen ohne den Original-Filmen aus den 70ern zu widersprechen. Und die große Frage bleibt: Wie viele Gastauftritte wird wohl der zweite Spinoff des Cars-Universums Planes: Fire and Rescue haben?
Die Länge dieses Artikels zeigt jedenfalls: Es werden derzeit einige neue Universen gebaut. Und auch wenn sich deren Einsatzgebiet nach wie vor hauptsächlich im Comic-Bereich bewegt, würde ich mal voraussagen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis irgendjemand das gleiche Prinzip auch in anderen Genres anwenden wird.
Keine neuen Facetten? – Ein Gespräch über den Stand des Marvel Cinematic Universe
Wenn mich ein Thema umtreibt, aber ich mich nicht für fähig halte, alleine darüber zu reflektieren, suche ich mir einen Gesprächspartner. Zum Stand des “Marvel Cinematic Universe” erschien mir Matthias Hopf die perfekte Wahl. Matthias hatte schließlich in seinem frisch relaunchten Blog “Das Film Feuilleton” gerade erst eine Abrechnung mit dem Status von Marvels großem Transmedia-Experiment veröffentlicht, das sich inzwischen, nach dem Start von Thor: The Dark World und der ABC-Serie Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. mitten in der sogenannten Phase 2 befindet. (Leichte Spoilerwarnung für alle MCU-Filme bis einschließlich The Dark World)
Alex: Iron Man 3 und The Dark World sind an den Kinokassen extrem erfolgreich. Agents of S.H.I.E.L.D. hat ordentliche Quoten. Aber, Matthias, wenn ich das richtig verstanden habe, bist du von der Phase 2 des “Marvel Cinematic Universe” enttäuscht, oder?
Matthias: Obwohl ich mich vor ein paar Monaten mit Iron Man 3 noch bestens unterhalten gefühlt habe, ist die Begeisterung für Phase 2 momentan auf ihrem bisherigen Tiefpunkt meinerseits angelangt. Natürlich verfolge ich immer noch mit viel Interesse die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich verheißungsvoller Querschläger wie James Gunns Guardians of the Galaxy, Edgar Wrights Ant-Man und auf Captain America: The Winter Soldier freue ich mich nach dem großartigen ersten Teil sowieso – allerdings ist rückblickend betrachtet in der zweiten Runde bisher sehr wenig Nachhaltiges passiert. Sowohl Iron Man 3 als auch Thor: The Dark World haben sich zugunsten kurzweiliger Blockbuster-Unterhaltung irgendwo im Nirgendwo des Mikrokosmos verlaufen, stets darauf bedacht, einander nur in puncto Gigantomanie zu übertreffen. Auch mit Agents of S.H.I.E.L.D. bin ich bis dato noch nicht so richtig warm geworden. Vieles läuft auf Autopilot, die mittlerweile etablierten Mechanismen greifen routiniert ineinander und am Ende rattert ein Standardprotokoll durch, das die wichtigsten Brotkrumen für den noch bevorstehenden Ausbau des filmgewordenen Comic-Universums streut. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Dennoch bin ich der Meinung, dass Phase 2 bisher viel Potenzial unangetastet gelassen hat und die bisherigen Vertreter eher unbeholfen auf dem schmalen Grat zwischen Eigenständigkeit und Franchise-Abhängigkeit balanciert sind.
Alex: Ich glaube ich stimme durchaus mit dir in der ein oder anderen Sache überein, aber lass mich einfach mal pro forma zum Advocatus Diaboli werden und die Sachen eine nach dem anderen durchgehen. Iron Man 3 zum Beispiel hat Iron Man doch quasi neu erfunden, das war doch sein großer Punkt. Tony ist relativ viel ohne Anzug unterwegs und der Film dreht sich nicht um eine so mechanistische Rivalität wie die ersten beiden Filme, sondern es ist persönlich. Dazu kommt dieser clevere Twist mit dem Mandarin und einige andere politische Seitenhiebe wie der Iron Patriot. Was kann man mehr wollen?
Matthias: Die Neuerfindung von Tony Stark/Iron Man war an und für sich ein schöner Gedanke. Sowohl die Ereignisse in The Avengers als auch die eigenen Selbstzweifel sind stimmig zusammengelaufen, bis Shane Black außer den obligatorischen Ansagen – gebrochener Ritter ohne Rüstung – nichts mehr eingefallen ist. So eine richtige Charaktervertiefung war das nicht wirklich – eher ein Best of der Dinge, die wir an Tony Stark lieben. In ein paar Szenen blickt er sogar selbstkritisch in die Kamera, um sich schließlich wieder als Iron Man zu bekennen. Am Ende schließt sich also ein Kreis. Leider ist dieser Kreis auch nur ein überschaubarer. Sprich: Die Entwicklung des titelgebenden Protagonisten wurde mit lobenswerten Ansätzen eingeleitet, aber nicht sonderlich einfallsreich und konsequent durchgezogen. Eigentlich ärgerlich, dass Iron Man, trotz seines mittlerweile dritten Solo-Abenteuers, dem Figurentypus Superheld im 21. Jahrhundert keine neuen Facetten abgewinnen kann. Der Mandarin-Twist hingegen hat mir gut gefallen. Zumal er aus den eintönigen Marvel-Antagonisten heraussticht – selbst wenn nach der Enthüllung die politischen Seitenhiebe schnell im Spektakel der explodierenden Iron Legion untergegangen sind.
Alex: Oh, da hat am Ende definitiv zu viel gekracht. “How it should have ended” hat doch sehr schön aufgeführt, warum diese Materialschlacht am Schluss sowieso völliger Blödsinn ist. Aber ich würde dir wirklich widersprechen, dass keine neuen Facetten offengelegt wurden. Klar, der Mythos vom Selfmade-Man wird weiter vorangetrieben und so weiter, aber ich hatte auch das Gefühl, dass der Charakter in Filmform auserzählt war. Eine radikale Abkehr vom bisherigen hätte ich sehr merkwürdig gefunden – man darf ja auch nicht vergessen, dass das Blockbusterkino ein paar Zugeständnisse verlangt, wie ein serielles Comic eben auch. Bei Thor: The Dark World, den ich ja vor allem ganz schrecklich uninspiriert inszeniert fand, fand ich die Weiterentwicklung zwar sichtbar – Thor macht eigentlich eine gute Persönlichkeitsreise durch und ist am Ende eben eigentlich weiser als sein weiser Vater, aber dafür war alles andere irgendwie so konfus. Ein ganz typisches Sequel, irgendwie, so wie Iron Man 2 – mehr ist mehr ist mehr – und dabei gerät die Beziehung zwischen Jane und Thor zum Beispiel völlig unter die Räder. Am Anfang wird ein Liebesdreieck mit Sif angedeutet, das dann einfach ignoriert wird. Ein ziemliches Kuddelmuddel, das Drehbuch, in der Hoffnung, alle zufriendenzustellen. Ist es das, was dich auch gestört hat oder Anderes?
Matthias: „Ganz schrecklich uninspiriert inszeniert“ und „Kuddelmuddel“ sind schon ganz passende Umschreibungen. Da greift sogar der Iron Man 2-Vergleich, denn der war ein ganz schlimmer Franchise-Bastard – irgendwo zwischen Fortsetzung und Vorbereitung, aber in sich kein runder Film. Auch The Dark World schwankt unglücklich auf dem schmalen Grat dieser Ausrichtung. Letzten Endes war Alan Taylor diesem Balanceakt wohl kaum gewachsen. Am besten lässt sich das Tohuwabohu als willkürliches Stückwerk beschreiben, das erschreckend unmotiviert angerichtet wurde. Die von dir angesprochene Entwicklung hinsichtlich Thors Werdegang habe ich zwar entdeckt, so richtig mitgenommen hat mich das Schicksal des Donnergotts allerdings nicht. Der Film macht es einen dadurch, dass er unkontrolliert von Schauplatz zu Schauplatz springt und dem Zuschauer eine Handlung nach der anderen zeigt, regelrecht unmöglich, sich in die Thematik hineinzudenken. Selbst wenn mir einzelne Passagen aufgrund ihrer Stimmung und der zweifelsohne vorhandenen Dynamik im Ensemble gefallen haben, ist mir immer noch unklar, warum wer in welcher herum gehüpft ist. Zudem hatte ich oft das Gefühl, dass sich The Dark World ein bisschen für den eigenen Mikrokosmos schämt. Soll heißen, dass er es nicht wirklich ermöglicht, die vielen fantastischen Welten und Abenteuer zu entdecken und zu erleben. Alles wirkt wie ein kalkulierter Haufen aus dem großen Marvel-Topf: Austauschbar und uninspiriert. Und am Ende funktioniert er als Bindeglied genauso unausgegoren. Oder wo würdest du Thor: The Dark World (und die Rolle von Iron Man 3 und Agents of S.H.I.E.L.D.) im Marvel Cinematic Universe positionieren?
Alex: Ich muss zugeben, dass ich – egal wie unausgegoren die einzelnen Teile zum Teil wirken mögen – immer noch in Ehrfurcht vor dem großen Puzzle erstarre, das Kevin Feige und die Leute bei Marvel versuchen, zusammenzusetzen. Der Teaser nach den Main-on-End-Credits in The Dark World deutet an, dass das Ganze Konstrukt auf diese Infinity Gem-Geschichte hinausläuft, von der ich schon viel gehört habe. Auf diese Weise, in vielen kleinen Puzzlestücken, am Ende ein gigantisches Bild zusammenzusetzen, das ist schon etwas besonderes und ich hoffe sehr, dass sie auch dazu kommen, es zu vollenden und nicht vorher bankrott gehen. Wenn man noch die Tie-in-Comics zu den Filmen hinzunimmt, die streng genommen Teil des MCU sind, erklären sich zudem einige Lücken, die die Filme haben. Insofern bin ich bereit, bei den einzelnen Elementen Zugeständnisse zu machen. “Agents of S.H.I.E.L.D.” ist sicherlich kein Meisterstück des dramatischen Erzählens im Fernsehen, aber ich weiß auch nicht, ob es das wirklich sein will. Die Serie ist ein Monster-of-the-Week-“Procedural” wie es im Buche steht und die Charaktere wirken alle auf den ersten Blick relativ flach und bekommen erst im Laufe der Zeit ein bisschen Hintergrundgeschichte verpasst. Aber sie ist eben sehr plotgetrieben und deswegen muss sie wohl so funktionieren, schätze ich. Ich bezweifle sehr, dass die Whedons und Maurissa Tancharoen sich an Mad Men und Breaking Bad orientiert haben – und wenn wir ehrlich sind war Buffy anfangs und selbst Firefly (so sehr man es auch mythologisieren mag) nicht viel anders. Firefly war toll, weil es so Genre-bending war, aber die Charaktere waren jetzt auch kein Exempel für besonderen Tiefgang – zumindest nicht mehr als ihre Konterfeis in Agents of S.H.I.E.L.D.. Wenn es dann aber gelingt, wie in der für nächste Woche angekündigten S.H.I.E.L.D.-Folge einen Crossover mit The Dark World hinzukriegen, der wieder mal aufzeigt, dass das Universum, in denen sich diese Charaktere bewegen, größer ist als der Rahmen ihrer kleinen Fernsehserie, dann finde ich das einfach verdammt cool. Für Netflix wurden jetzt schon die ersten beiden Serien angekündigt und dieses Universum wird immer weiter wachsen. Das beeindruckt mich so sehr, dass ich dafür bereit bin, ein paar Flachheiten in Kauf zu nehmen. Zumal der Season-Plot für Agents of S.H.I.E.L.D. und der Trailer von Captain America: The Winter Soldier andeuten, dass eines der großen Themen von Phase 2 die Umkehrung der Rolle von S.H.I.E.L.D. sein könnte, die ja auch in den Avengers schon anklang – sie sind eben nicht uneingeschränkt die “Good Guys” und vielleicht müssen sich die Superhelden im Endeffekt gegen S.H.I.E.L.D. wenden. Das wäre eine Wendung, die mir gefallen würde. Was wünscht du dir denn am ehesten für die Fortsetzung des MCU?
Matthias: Ich bin hin und her gerissen: Einerseits wäre es mal wieder klasse, einen in sich stimmigen Film aus dem Marvel Cinematic Universe zu sehen. Auf der andererseits will ich jedoch auch mehr Vernetzung, da es aktuell vermutlich in keinem anderen Mikrokosmos derartige Möglichkeiten zur Interaktion auf der großen Leinwand gibt. Ich schließe nicht aus, dass beide Ansprüche in einem Film realisierbar sind – immerhin hat Joss Whedon in den Avengers mit seiner federleichten Regieführung demonstriert, wie die Essenz eines Comic-Universums in Filmform am besten funktionieren kann. Dennoch liest sich hinsichtlich solcher Erwartungen ein Film wie Thor: The Dark World als schlampiger Flüchtigkeitsfehler, der definitiv vermeidbar gewesen wäre. Außerdem: Mehr Experimentierfreude, Marvel und Disney! Die Marke ist etabliert und die Einspielergebnisse stimmen immer noch. Lasst bitte James Gunn und Edgar Wright ihre eigene Virtuosität mitbringen und ihre eigene Vision verwirklichen – selbst wenn dabei so ein schräger respektive erfrischender Film wie Kenneth Branaghs Thor herauskommt. Es wäre schade, wenn fortan jegliche Comic-Verfilmung als berechenbares Kalkül in die Kinos stürmt und im Grunde bereits seit dem ersten Trailer nichts Ergänzendes mehr zu erzählen hat. Wo, wenn nicht im Marvel Cinematic Universe, ist es denn momentan möglich, das Superheldentum von derartig vielen Seiten zu beleuchten und in all seinen Facetten zu präsentieren? Vor allem wenn parallel dazu vier Netflix-Serien inklusive zusammenführender Miniserie entstehen. Hier gibt es sowohl Platz für mitreißende Abenteuer als auch für die tiefgreifende Reflexion des eigenen Genres.
Alex: Auf “Mehr Experimentierfreude” kann ich mich einigen. Marvel hat schließlich schon einmal etwas gewagt, als sie Tony Stark am Ende von Iron Man “I am Iron Man!” sagen ließen und nach den Credits Nick Fury aus dem Hut zogen. Vielleicht ist das, was wir im Moment sehen, jetzt die Konsolidierung nach dem großen Experiment The Avengers. Ich hoffe mal, dass es spätestens mit Guardians of the Galaxy wieder nach vorne ruckt im MCU.
Matthias: Die spannende Frage ist, ob Marvel und Disney den Blick über den eigenen Tellerrand wagen und über ihren eigenen Schatten springen. Wenn allerdings eine Autorin wie Melissa Rosenberg engagiert wird, um die Marvel-Heldin Jessica Jones in ein serientaugliches Gewand zu pressen, muss ich leider zugeben, dass ich wenig optimistisch bin. Nicht zuletzt ist Rosenberg beispiellos daran gescheitert, Stephenie Meyers fragwürdigem Frauenbild in ihren Twilight-Adaptionen etwas Lobenswertes entgegensetzten. Mit solch einem Gedanken soll unser Gespräch allerdings nicht enden: Auf den Wintersoldat und allem, was dazugehört, freue ich mich wie verrückt!
Zum Start von Thor: The Dark World waren Matthias und ich natürlich nicht die einzigen, die sich Gedanken über den Stand der Dinge gemacht haben. Ein weiteres Gespräch zum Thema findet sich bei “The Dissolve” und Devin Faraci hat bei “Badass Digest” mal einen Vergleich mit DCs Aussichten gewagt.
Return of Whatever – Die Titelentscheidungen von Marvel Deutschland
Badesalz kennt wahrscheinlich außerhalb Hessens kaum noch jemand. Das dritte Album des Frankfurter Comedy-Duos, auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1993, hieß jedenfalls “DIWODASO”. Was wie Kauderwelsch wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als der Mittelteil eines Satzes: “Ich hätt gern die Platt von dene zwei, diwodaso Spass mache, habbe sie die?” – Wie schafft die Comedy das bloß immer, so prophetisch zu sein?
In diesem Fall prophetisch in Bezug auf die äußerst merkwürdige Titelpolitik von Disney Deutschland, bzw. Marvel Deutschland – oder welche Ebene dort auch immer die Entscheidungen trifft. Es geht mir nicht einmal um die pseudo-witzigen behämmerten Titel der Trickfilme, das haben andere bereits getan, sondern um die Betitelung der Marvel Cinematic Universe-Filme, die sich nur mit sehr viel Hirnverbiegung erklären lässt.
Ich weiß, ich sollte mich dazu gar nicht mehr äußern. Und es sei auch gnädig geschenkt, dass Thor: The Dark Kingdom überall außer in Deutschland Thor: The Dark World heißt. Laut Presseagentur steht ein Titelschutzproblem dahinter, wobei ich immer noch das Original-Werk suche, das den Titel versperrt. The Avengers hieß in Großbritannien auch Avengers Assemble um Verwechslungen/Rechtsstreitigkeiten mit gewissen beschirmten, charmanten Melonenträgern zu vermeiden. Sowas passiert.
Aber was bitteschön soll das?
Ich fand es ja von Marvel damals einen einigermaßen mutigen Move, überhaupt einen Captain-America-Film zu machen. Bei allem, was man darüber liest, wie wichtig die ausländischen Märkte für Hollywood geworden sind; in Zeiten, in denen für Iron Man 3 Extra-Szenen für die chinesische Fassung gedreht werden – macht man einen Film über einen Superhelden, der den “American Way” in die Welt trägt und der sogar Captain America heißt. Und dann macht man noch einen Film mit ihm, in dem er der Anführer der Avengers wird. Das hat schon was. Und bei all dem latenten und überhaupt nicht latenten Anti-Amerikanismus, der außerhalb Amerikas herrscht, ist es dann auch kein Wunder, wenn ein teutonisch angehauchter Film wie Thor in Deutschland 11 Millionen Euro einspielt und Captain America nur drei.
Aber kann man wirklich daraus schließen, dass man nur den Titel ändern muss, um diese Balance auszugleichen? Für wie blöd muss man sein Publikum halten, um davon auszugehen, dass es eher auf das Wort “Avenger” anspringt, als sich daran zu erinnern, dass der Typ mit dem Sternenschild in den Avengers mitgespielt hat? (Gibt es Leute, die Avengers zwar nicht gesehen haben, aber in den nächsten Film reinrennen würden, wo “Avenger” draufsteht?) Dass es sich eher an den Untertitel von Captain America erinnert (“The First Avenger”), als an den Haupttitel? Und warum überhaupt “Return”? Der Captain war doch nie weg …
Ich habe großes Verständnis für Marketing-Entscheidungen. Produkte sollen sich verkaufen und dafür muss der Kunde sie verstehen. Aber den Namen eines Filmhelden hinter einem dämlichen, umständlichen deutschen Titel zu verstecken, DER DANN NOCH NICHT EINMAL IN DEUTSCHER SPRACHE IST, da hört mein Verständnis auf. Wahrscheinlich könnte mir die Marketing-Abteilung von Disney Deutschland sogar zeigen, dass sie Tests mit verschiedenen Titeln gemacht haben und dass dieser bei den Publikumsschafen am besten ankam – aber dennoch: “DIWODASO” kann doch nicht die Lösung sein.
Ich bin entsetzt, dass ausgerechnet Disney, eine Firma, die sonst weltweit wie ein Luchs darauf achtet, dass ihre Marken erhalten bleiben – sich sogar als Studio eine eigene Übersetzungs- und Synchro-Division leistet – solche albernen Sperenzchen mitmacht, über die sich in ein paar Jahren noch alle mokieren und ärgern werden. Es wird doch wohl NIEMAND in der Zukunft diesen Film “The Return of the First Avenger” nennen. Es hätte ja nicht The Winter Soldier bzw. “Der Wintersoldat” sein müssen. Es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben, und wenn es nur eine “2” gewesen wäre.
Bitte, Disney, bitte bitte bitte, packt den Zynismus ein und nehmt Vernunft an. Zeigt Integrität gegenüber euren eigenen Marken. Sie haben es sich verdient.
P.S.: Bonustrack