9 Gedanken zum #Podcapril 2023

Wie schon im letzten Jahr habe ich den April damit zugebracht, Podcasts zu hören, die ich noch nicht kannte. Viele wurden mir freundlicherweise von Followern auf Twitter empfohlen, diesmal habe ich mich aber auch an anderen Empfehlungen orientiert, etwa im “Mixdown” der Podstars – und wo immer ich sie finden konnte. Am Ende habe ich 53 neue Podcasts gehört, von denen ich kurze Höreindrücke in einem Thread gesammelt habe. Der Blogpost zum Thread folgt in den nächsten Tagen.

Über die Einzelmeinungen hinaus hatte ich aber natürlich auch wieder allgemeinere Gedanken, die nun folgen. Keine großen Gedanken, aber dennoch Gedanken. Der #Podcapril ist ein bisschen

1. “Irgendwie interessant” ist nicht mehr gut genug

Als ich vor rund 15 Jahren angefangen habe, Podcasts zu hören, habe ich so ziemlich alles gehört, was mir zwischen die Klickfinger kam und vage in mein Interessensgebiet passte. Aber inzwischen gibt es so viele Podcasts zu jedem Thema und in so vielen verschiedenen Variationen, dass ein Podcast wirklich besonders sein muss, um mich zu packen. Themenzuschnitt, Host, Machart, Struktur, Ansprache – es muss möglichst viel dabei sein, bei dem ich das Gefühl habe, es passt entweder genau auf meinen Geschmack oder es ist wirklich neu. Aber zum Beispiel ein Podcast mit einem cleveren Konzept aber einem Host, der mich eher anödet, wird direkt wieder rausgeworfen aus dem Podcatcher. Es gibt ja genug anderes.

2. Es gibt sie noch, die neuen guten Ideen

Manchmal habe ich, allen Beteuerungen von anderen zum Trotz, das Gefühl, dass Podcasts als Geschichte auserzählt sind. Es gibt eine Handvoll Formate und eine Handvoll Host-Typen, alles andere ist Inhalt oder Sympathie. Aber tatsächlich waren auch dieses Jahr wieder einige Formate dabei, die mich überrascht haben. 1plus1 macht Staffeln, die Reihen von Gesprächen zwischen den immer gleichen Menschen sind. Too Many Tabs kombiniert Lo-Fi-Comedy mit Unnützem Wissen. In 1000 Erste Dates lässt sich die Host eine gute Geschichte von einem Hörer oder einer Hörerin erzählen. We Didn’t Start the Fire hängt sein ganzes Konzept an einem Aufzähl-Song auf und macht zu jedem Item eine Folge. Die Innovationen sind klein, aber ich habe mich über jede von ihnen gefreut.

3. Ich kann nicht mehr “lehrreich und unterhaltsam” denken ohne mich vor mir selbst zu ekeln

Sind so viele Podcasts Edutainment oder streben Podcasts aufgrund ihrer persönlichen Ansprache natürlicherweise zu einer Edutainment-ähnlichen Form hin`? Egal was der Grund ist, mir sind dieses Jahr sehr viele Podcasts begegnet, bei denen ich diesen Gedanken hatte: Aha, ich lerne was und ich werde unterhalten. Zack, zwei Relevanzkriterien abgehakt. Aber erst wenn man es so merkwürdig ähnlich aus vielen verschiedenen Richtungen spürt, kommt es einem gruselig vor.

4. Es gibt einen Sweet Spot für Ansprache und Haltung

Ich lege immer wieder (vielleicht unfairerweise) eine bestimmte Haltung und Ansprache an Podcasts als Maßstab an, die ich selbst gut finde. Podcasts sollten zeigen und nicht behaupten, sie sollten sich selbst reflektieren, sich ernst, aber nicht zu ernst nehmen, sie sollten die Hörenden als Publikum mitdenken, dem man gezielt etwas bietet, aber sie nicht für dumm verkaufen. Oft verfehlen Podcasts diesen Anspruch auf die eine oder andere Weise, aber ich freue mich immer wieder, wenn ich auch solche finde, die meiner Ansicht nach genau den Sweet Spot treffen. Was beweist, dass er existiert und kein unlösbarer Anspruch ist.

5. Macht bitte auch weiterhin einfach Podcasts, die scheinbar keinen interessieren

Wie im vergangenen Jahr hatte ich auch diesmal ein buntes Menü aus Indie- und kommerziellen Produktionen. Es waren auch einige dabei, zu denen ich inhaltlich keinen Zugang gefunden habe, weil sie eine andere Nische bedienen als die, in der ich mich bewege, aber gerade für diese würde ich sofort in die Bresche springen. Ich hätte so gerne die Zeit und Ambition, einen Podcast zu machen, den ich in allererster Linie für mein privates Vergnügen mache. Deswegen feiere ich alle, die sich diesen Traum erfüllen.

6. Bitte, erzählt nicht so viel nach

Ich habe mehrere Indie-Podcasts zu Filmen und Serien gehört, die einen großen Teil ihrer Zeit darauf verwenden, Handlungen Stück für Stück nachzuerzählen und zu kommentieren. In einem Fall habe ich das ausgehalten, weil mir die Hosts sehr sympathisch waren, aber sonst fand ich es leider ziemlich hart zu ertragen.

7. Wo sind die Oral Histories?

Noch ein Podcast, der mich überrascht hat, war der Bobcast. Als jemand, der kein “Drei ???”-Fan ist, dachte ich, ich muss mich durch Fan-Diskussionen zu Hörspielen kämpfen, die ich nicht kenne (siehe 6., ich bekam das dann später mit Bibi Blocksberg und das Erbe der Kassettenkinder), aber stattdessen bekam ich Hörspiel-Geschichte in lockeren Anekdoten und nerdigen Nachforschungen von Bastian Pastewka. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich nur zum wiederholten Mal dazu auffordern kann, in Podcasts nicht nur investigative und dramatische Geschichten zu erzählen, sondern mit Hilfe von “Zeitzeugen” und Anekdoten auch popkulturelle Momente in Doku-Interviews wiederaufleben zu lassen. Origins ist ein Podcast, der das erfolgreich gemacht hat. Ich glaube, es könnte sich wirklich lohnen, auch in Sachen Hörerzahlen.

8. Ich bin tatsächlich älter geworden und muss damit klarkommen

Es ist immer schräg, wenn man merkt, dass man eine Zielgruppe ist. Aber ich fühlte mich dieses Jahr von manchen Podcasts mehr angesprochen, die sich eindeutig an Leute/Männer in meinem Alter richteten. Gleichzeitig spürte ich, wie mir einige Produktionen von und für Leute in ihren Zwanzigern ein wenig durch die Finger rannen. Nicht nur wegen der hart anglisierten Sprache (die benutze ich selbst noch genug), sondern auch wegen des eindeutig weniger erfahrenen Blicks, der mir manchmal etwas zu kurz erschien, aber den ich vor 20 Jahren vermutlich genau so gebraucht hätte.

9. Es gibt gute Podcasts, die trotzdem nicht für mich sind

Das schließt an Punkt 8 an. Ich habe ein paar Sachen gehört, die ich sofort und ohne Probleme weiterempfehlen würde, die für mich aber die Relevanzschwelle nicht überschreiten konnten. Das klingt wirklich banal und egozentriert, aber was ich damit meine ist: Das Feld hat sich soweit diversifiziert und es gibt tatsächlich so viel Qualität, dass für jeden etwas dabei ist.

(Bild: Midjourney und ich, Prompt: polaroid of a bald man in his 30s, short cropped beard, listening to podcasts, thoughtful, wistful, smiling to himself –ar 3:2 –v 5.1 // Es ist lustig zu sehen, welche Schauspieler Midjourney jeweils castet, um “mich” darzustellen. Ich weiß auch, dass ich offiziell nicht mehr “in my 30s” bin, aber ein bisschen Eitelkeit wird ja wohl erlaubt sein. Mehr zu Midjourney bald an dieser Stelle.)

69 kurze Podcast-Höreindrücke

Eines Tages werden uns allen die Symbolbilder ausgehen.

Im #Podcapril habe ich als Selbstversuch einen Monat lang nur Podcasts gehört, die ich noch nicht kannte. Hier im Blog steht auch warum und was ich dabei gelernt habe. Zu jedem Podcast habe ich auf Twitter einen kurzen Höreindruck geteilt, den ich hier an manchen Stellen etwas ergänzt habe. Da ich von jedem Podcast nur eine Folge gehört habe, möchte ich die Höreindrücke nicht als echte Kritiken verstanden wissen, das wäre den Podcasts gegenüber unfair.

  1. Rice and Shine #54 – Mai Thi Nguyen-Kim / Sympathische Moderatorinnen, gut geführtes Interview, der persönliche Blick aus einem anderen Hintergrund bereichert immer. “Rice and Shine” wäre die Art Produktion, die ich mir bei unendlich viel Zeit sicher auch öfter anhören würde – und eine, für die eine Programmzeitschrift für herausragende Folgen sich für mich lohnen würde.
  2. Fix und Vierzig #7 – Onlinedating / Auch hier: immer gut, mal eine andere Seite zu hören. Männer sind anscheinend wirklich ziemlich armselig. Ich bin nicht die Zielgruppe, und kann mich daher wohl nicht so oft nickend bestätigen lassen, wie es das Konzept vorsieht – Podcast als Selbstbestätigung, als ein dankbares “Ich bin also nicht allein”, scheint mir ohnehin ein beliebtes Motiv zu sein.
  3. Feel the News #5 – Toxic Wokeness / Fand ich gerade zu einem Thema, in dem es um Perspektivwechsel geht, erschreckend selbstbestätigend und noch schwach in der Balance zwischen Script und Spontaneität. Als Bonus kann man zählen, wie oft Sascha Jule das Wort abschneidet.
  4. Vollkommen unperfekt 30.3. / Dispatch aus der Achtsamkeits-Influencer-Bubble. Obwohl ich dafür inhaltlich nur bedingt zu haben bin, mag ich diese Solo-Erzählform immer noch und bewundere das Selbstbewusstsein der Menschen, ihr eigenes Leben so selbstverständlich zu präsentieren. Ich finde es auch für Influencer und ähnliche Menschen mit Jünger*innen eine einfache und sehr intime Art, mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die mir etwas nachhaltiger erscheint als Instagram-Stories.
  5. Drinnies #64 / Ich kann völlig verstehen, warum Menschen das gerne hören. Es ist sympathisch, low-key witzig und verlangt den Hörenden nichts ab – reine Entspannung. Irgendwie sind diese “Lustige Geschichten aus dem Leben”-Comedy-Podcasts einfach nichts für mich. Das zeigt auch, mit welchen unterschiedlichen Motiven Menschen Podcasts hören.
  6. Sport Inside – Das perfekte Verbrechen / Sehr gut, dass es diesen Podcast gibt, aber die konkrete Folge (Teil 3 der verteilten Miniserie) hat mich leider aufgrund der Präsentation und des Tonfalls des Interviewpartners immer wieder geistig aussteigen lassen.
  7. Zeitansage – 15:26 / Ziemlich sicher von allen Folgen dieses Tagesereignisses die beste.
  8. Women in War – Folge 1 / Ich finde die Idee so gut, aber ich wünschte, man könnte solche Geschichten ohne diese Mischung aus Sensationalismus (vor allem im Sound Design) und ausgestellter Betroffenheit erzählen. Eine Abneigung gegen diese Art von Präsentation, die den Hörenden immer wieder erzählt, was sie gerade fühlen sollten und wie krass das ist, was sie hören, ist aber ein Pet Peeve von mir. Viele andere scheinen sie ja zu mögen, sonst würde sie nicht immer wieder bedient.
  9. Audio:viel 29 / Bisher war ich immer von der Länge abgeschreckt, aber ich fand’s ganz wunderbar (nachdem ich Teile des Anfangsgeplänkels übersprungen hatte). Christiane Attig mag ich sowieso, aber hab mich hier insgesamt sofort zu Hause gefühlt. Menschen, mit denen ich rumhängen will. (Spoiler: Das werde ich auch. In der nächsten Ausgabe von Audio:viel darf ich zu Gast sein.)
  10. 9/12 #1 / Wie wurde aus dem Ereignis 9/11 die Erzählung 9/11, die als Rechtfertigung für alles Mögliche herhalten musste. Von Dan Taberski (Running from Cops) gewohnt souverän erzählt und eine interessante Idee. Hat Preise gewonnen und werde ich vermutlich bei Gelegenheit bingen.
  11. Narcoland #1 / Sympathisch und mit der richtigen Mischung aus Naivität und Professionalität. Das Thema interessiert mich wahrscheinlich nicht genug zum Weiterhören.
  12. Tadschu #1 – Hat mich als selbst Enkelkind eines staatenlosen Ausländers sehr interessiert. Super produziert und recherchiert. Persönlich. Manchmal etwas sprunghaft. Dennoch Empfehlung. Erstaunlich, dass Menschen solche Projekte auf eigene Faust realisieren. (Der Podcast-Podcast Ohrensessel hat gerade noch einmal ausführlicher hingehört.)
  13. Kein Mucks – Besuch nach Büroschluss / Bastian Pastewka präsentiert alte Krimihörspiele, liebevoll und mit genau der richtigen Mischung aus ironischer Distanz und echtem Interesse. Viel besser als erwartet! (Empfehlung dazu: das Interview mit Redakteurin Lina Kokaly im Newsletter “Mixdown”)
  14. Plastisphere #7 – Bioplastics / Lots of Germans speaking to each other in English, just like Twitter. Superviel gelernt, top produziert (gerade auch Musik- und Atmoauswahl, es ist erstaunlich wie der Anbieter “Blue Dot Sessions” einen Sound geschaffen hat, in dem ich mich, von NPR Podcasts kommend, sofort zu Hause fühle) und kompakt. Klasse!
  15. Geschichten aus der Geschichte #243 – Irischer Whisky / Dieses “Einer erzählt dem Anderen etwas zuvor Recherchiertes”-Format finde ich schon länger total gut. Interessemäßig werden mich diese Historien-Anekdoten nie ganz abholen, aber sympathischer kann man es kaum machen.
  16. All Good Podcast #71 – grim104 / Lockeres Interviewformat im Kumpelgespräch-Modus. Der Interviewer Jan Wehn stellt keine unangenehmen, aber doch tief bohrende Fragen. Am Ende weiß man ein bisschen mehr über den Künstler.
  17. Fashion the Gaze – Damengambit / Eine echte Entdeckung für mich! Ein leicht verschobener, auch anders professionell geprägter Blick auf Realität, Fiktion und das Verhältnis dazwischen. Zum Glück wurde die Aufnahmetechnik inzwischen noch verbessert. Abo!
  18. Der Hörbuchwelten Podcast – Female Audiobooks / Das war nicht mein Fall. Wirkte trotz halbwegs professioneller Produktion unbeholfen und oberflächlich. Trotz des Service-Charakters des Formats hatte ich nicht das Gefühl, etwas zu lernen oder einen Überblick zu erhalten. Sorry
  19. Die Skorpion und Batterie Show – Ausgabe vom 19.12.21 / Wie bereits erwähnt, bin ich Solo-Podcasts gar nicht abgeneigt – mit einer Late Night Show hat das Ganze für meine Ohren aber wenig zu tun, insofern war ich verwirrt.
  20. Die akustische Enttäuschung #75 / Gutes, professionelles (nie ins insiderige abdriftende) und dennoch persönliches Gespräch. Gerne gehört und was gelernt. Die Ironie im Podcasttitel finde ich allerdings … enttäuschend.
  21. 99% Invisible #450 – Stuff the British Stole / Eigentlich gar keine 99pi-Folge, sondern Folge 1 eines eigenen Podcasts mit einem sehr charismatischen Host, Marc Fennell. Tolles Konzept super umgesetzt und ich mag diese Art der Kuration mit anschließendem Interview sehr!
  22. Quoted #1 / Interessante Hosts, die sich aber erst noch finden müssen; Thema war mir trotz guter Gedanken und gutem Gast etwas unfokussiert und mäandernd betrachtet. Und warum heißt der Podcast “Quoted” wenn niemand zitiert wird?
  23. Sternenbuch #100 / Wenn die Gästin den Moderator am Anfang erst animieren muss, läuft irgendwas falsch. Dann sagt er am Ende sogar, es sei ein Lieblingsfilm von ihm. Ich war verwundert, denn er klang die ganze Zeit eher gelangweilt. Pluspunkt für’s kompakte Gespräch.
  24. Der ganz formale Wahnsinn #41 / Nicht ganz so begeistert wie der Kollege von Übermedien, aber diese Art kompaktes Laien-Fachgespräch dürfte es gerne öfter geben und gerne auch immer so locker wie hier.
  25. Kino 90 Podcast 17 / Konzept und Hosts durchaus nicht verkehrt. Viel Wissen vorhanden, das Bedürfnis, der eigenen Nostalgie nachspüren zu wollen, kann ich total nachempfinden. Das Format ist mir nur persönlich zu laberig. It’s not you, it’s me.
  26. FRÜF Podcast #004 / Sehr differenzierte Diskussion und journalistische Aufarbeitung eines Themas, das an mir völlig vorbeigezogen war, nämlich der Vergewaltigungsworwürfe gegen Cristiano Ronaldo. Jetzt weiß ich Bescheid, danke.
  27. Our Opinions are Correct – Monstrous Women / Sachverstand und gute Vorbereitung trifft auf angenehme Gesprächskultur. Habe ich abonniert und auch schon weiterempfohlen – die weiteren Folgen fand ich aber bisher nicht so gut, wie diese erste, die ich gehört habe. Steht also wieder auf dem Prüfstand.
  28. Queek #86 / Gute Gedanken, aber diesmal hätte ich es wahrscheinlich wirklich lieber gelesen als gehört (da ich auch die Filme alle nicht gesehen hatte).
  29. Schamlos #40 – Böse / Wie genial ist bitte diese Idee, Diskussion mit Impro-Comedy zu kombinieren? Warum gibt es das nicht öfter? Thematisch ebenfalls gut. Diesmal muss ich sagen, dass ich zum Glück nicht mehr viel dazuzulernen hatte.
  30. Team Schere – Candyman / Selbst wenn man wie hier durch den Film geführt wird, machen mich Analysen von Filmen, die ich nicht gesehen habe, insbesondere akustisch, nach wie vor nicht an. Ansonsten aber solide.
  31. Skip Intro – Eldorado Kadewe / Professionelles Format. Gut gestaltetes Gespräch. Ich mag es ja, wenn Interviews mal nicht in Gänze gespielt werden, sondern wie hier in Einspieler aufgeteilt und persönlich eingeordnet werden.
  32. Man nerdet nie aus – Spider-Man / Was ich schön fand, war die persönliche Ebene. Wenn viel wissende Menschen auch mal erzählen, was Geschichten für sie persönlich bedeuten, welche Ereignisse und Gefühle für sie damit verbunden sind, erlaubt das viel Empathie und ist angenehm.
  33. Mittermeiers Synapsen-Mikado 21 / Klar, “Familiodologie” ist die logische Folge von “Paardiologie”. Ich finde das (anders als bei Roche) über den reinen Voyeurismus einer berühmten Familie hinaus nicht wirklich interessant, aber der und eine gewisse Grundsympathie tragen schon eine Weile.
  34. Conspirituality #21 / Dichter Essay-Podcast mit O-Tönen. Inhaltlich sehr gut und gruselig. Dass für einige (wie schon Bannon, aber vielleicht auch Putin) ihre Politik nicht nur ideologisch, sondern richtiggehend religiös aufgeladen ist, macht Angst.
  35. Des Pudels Kern #5 / Das war die Art Empfehlungsperle, auf die ich gehofft hatte. Just außerhalb meines Radars aber genau mein Ding – Gedanken anregend und durchdacht. Und es geht sogar um Horizonterweiterung.
  36. Dissens #122 / Dass sich Menschen in Gesprächen zuhören, miteinander nachdenken, voneinander lernen und nicht nur performen, ist auch in der Podcastlandschaft selten geworden – daher auf jeden Fall sehr gerne gehört. Super Tipp!
  37. Verrückt #3 / Nee, das war nicht mein Fall. Obwohl das Thema interessant war, hat mir die Art der Gesprächsführung und Produktion (z.B. das Intro) gar nicht gefallen. Muss es ja auch geben.
  38. Tech Won’t Save Us – Annalee Newitz / Schon das 2. Mal, dass mir Newitz empfohlen wird, aber obwohl Newitz gute Sachen sagt, fand ich das Interview nur mittelgut. Viel Stichwortgeben und gegenseitiges Bekräftigen, nicht mal vorsichtig ein paar Gegenargumente ins Feld führen.
  39. In trockenen Büchern – Monster / Alexandra Tobor kenne ich von “Anekdotisch Evident”. Die Idee, Sachbuchkritik als persönlichen Essay aufzuziehen, finde ich super. Ich höre trotzdem nicht so gerne zu, wie anderswo. Muss persönlicher Geschmack sein.
  40. Freiheit Deluxe mit Golineh Atai / Sehr aufschlussreiches und sympathisches Gespräch. Tolle Gesprächspartnerin. Wäre die Art Podcast, die ich sicher öfter hören würde, wenn sie sich nicht wie Hausaufgaben anfühlen würden. Hier wäre wieder die Programmzeitschrift praktisch.
  41. Hamburg hOERt ein HOOU – Christian Stöcker/ Schönes Gespräch mit dem Journalisten über sein neuestes Buch, darüber, warum exponentielles Wachstum für die Welt wichtig ist und Medienbildung. War aber keine typische Folge für den Podcast, dessen Mission mir nur vage klar geworden ist.
  42. Schläfst du schon? – Des Kaisers neue Kleiderkammer / Was für ein lustiges Konzept, bekiffte Unterhaltung ohne Kiffen aufzunehmen und sich absurde Theorien auszudenken. Nix für auf Dauer für mich, aber ich ziehe meinen Hut vor der Kreativität.
  43. Safe for Work #3 / So schön ich die Idee finde, vom eigenen Heimwerkerfortschritt zu berichten, so anstrengend und langweilig fand ich leider das Gespräch. Zu mäandernd für mich, nach 30 Minuten abgebrochen.
  44. Plötzlich Pirat:in #1 / Unglaublich, was hier an Einfallsreichtum und von vorne bis hinten an brillanter Umsetzung drinsteckt, Sound Design, Schauspiel usw. Ich persönlich finde es nur leider trotzdem einfach nicht interessant, anderen Leuten beim Rollenspielen zuzuhören, das habe ich auch schon an diversen anderen Stellen festgestellt. Mit Johannes Wolf würde ich trotzdem total gerne mal über seine Methode sprechen.
  45. Malikfm – Linus Neumann / Obwohl ich Logbuch Netzpolitik nicht höre, fand ich dieses lange Interview über die private Seite von Linus Neumann sehr interessant und hab es gerne gehört. Malik ist ein guter, entspannter Interviewer, der viel von seiner eigenen Neugier einbringt
  46. Clean Electric #138 / Super-Idee, sich für eine Einstiegsfolge einen echten Use Case als Gast zu laden, und sehr spannend, dann zu beobachten, wie schwer es Nerds manchmal fällt, ihre eigenen Fachgebiete auch zu erklären (denke ich ja auch nicht zum ersten Mal drüber nach). Ich hab auf jeden Fall viel gelernt!
  47. Tell me a History #46 / Mit Wissenschaftler*innen über ihre Spezialthemen (hier Geschichte aus dem Nahen Osten) zu sprechen, ist grundsätzlich klasse. Hier wurde mir aber zu viel Wissen und Vorinteresse vorausgesetzt. Nicht uninteressant, aber auch nicht fesselnd genug. (Hierauf habe ich mich auf Twitter in eine Diskussion mit meinem Freund Martin Fischer verwickeln lassen, der vielleicht auch ein Stückweit zurecht angemahnt hat, dass Vorinteresse ja wohl immer eine Voraussetzung ist und das Grundlagenwissen in früheren Folgen vermittelt wird. Ich finde dennoch – das habe ich in meinem “Gelerntes”-Post in Punkt 16 angerissen – dass man sich sehr wohl Gedanken machen darf, wo man seine Zuhörenden abholt. Ebenso wieviel Vorinteresse man voraussetzt und wieviel man durch seine Gestaltung wecken will. Als Hörer finde ich es dann auch legitim zu sagen, dass sich das Format wohl nicht an mich richtet und mich nicht genug fesselt.)
  48. Chaosköppe #5 / Mischung aus Selbsthilfegruppe und Aufklärung (nicht negativ gemeint). Ich kannte jetzt das in dieser Folge erklärte “Löffel”-Modell schon, aber der Refresher war hilfreich.
  49. Agnes trifft … Hoffnung / Ein schönes Sinn suchendes und Sinn stiftendes Gespräch. Auch wenn es nicht sehr in die Tiefe geht, höre ich solchen Gesprächen gerne zu.
  50. 1LIVE Der Raum – Tim Bendzko / Ein so einfaches wie gutes Konzept (Promis, ein Raum mit Mikrofon, eine halbe Stunde Zeit), dass man auch Tim Bendzko gerne mal eine halbe Stunde beim Nachdenk-Reden zuhört.
  51. Radio Freies Ertrus #29 / Es stellt sich heraus, ich kann auch anderthalb Stunden (in doppelter Geschwindigkeit) zwei Nerds beim Nerden über ein Thema (Perry Rhodan) zuhören, von dem ich keinerlei Ahnung habe. Es liegt einfach eine gewisse anthropologische Faszination darin.
  52. Weltendieb #3 / Die Art von Gespräch, der ich vor 15 Jahren vermutlich noch gerne zugehört hätte, die mir heute aber zu beliebig ist, wenn ich die Leute nicht kenne. Wenn ich nicht schnell erkennen kann, warum ich genau euch zuhören sollte, bin ich raus.
  53. Eskapodcast #197 / Tendenziell verkopfte Art, übers Rollenspielen zu reden, die mir als langjährigem aber nicht mehr wirklich aktivem Spieler aber sehr liegt. Moderationstonfall gewöhnungsbedürftig, aber nicht unsympathisch. Macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Den Eskapodcast habe ich nach dieser Probe abonniert und er erfreut mich weiterhin. Ich bin für Meta-Herangehensweisen zu Kulturthemen irgendwie immer zu haben.
  54. Warpcast #171 / Nee, sorry, noch mal 45 Minuten Perry-Rhodan-Besprechungen, und dann auch noch solo, schaffe ich nicht.
  55. Feminist Shelf Control #1 / War mir zu langatmig und zu chaotisch, insbesondere der Einstieg. Ich habe bei Podcasts nur selten Interesse daran, Teil einer Insider-Runde zu sein und passiv mitzulachen, das ist einfach persönlicher Hörgeschmack (vielleicht drösele ich dieses Thema irgendwann noch mal breiter auf, aber es ist wohl wirklich meine eigene Psychologie). In diesem Fall haben die beiden Sprecherinnen ja viel Ahnung von ihren Themen, setzen sie aber nur spärlich ein. Ich hätte gerne mehr über die Vergleiche und Ähnlichkeiten zur christlichen Rechten gehört, die zum Beispiel von Annika Brockschmidt anklangen.
  56. Serienoase – A Taxi Driver / Gut strukturiertes und mit sehr viel Hintergrundwissen angereichertes Filmgespräch – weil ich den Film nicht gesehen habe, hab ich die eigentliche Inhaltsdiskussion übersprungen und mich mit den Fakten zur Revolution in Gwangju begnügt.
  57. Stichwort Drehbuch – Der Überfall / Große Teile des Gesprächs und Intros fand ich aufgrund der Haltung einzelner Männer sehr unangenehm, aber Katja Wenzel hat tapfer dagegengehalten – dem Klang nach in einem Badezimmer in Stereo wie 1965.
  58. Hohe Tiere – Magawa / Informatives und unterhaltsames Format mit guten Tiergeschichten, das ich ganz sicher weiterempfehlen werde.
  59. Fux und Bär – Scout / Finde dieses knappe Rezensionsformat sehr sympathisch. Es bleibt aber schwierig, Spiele verständlich nur zum Hören zu erklären. Das verwirrt manchmal minimal.
  60. Diverse Kinderbücher – Gewalt / Mag das magazinige Format, das insgesamt einen guten Überblick gibt. Abgelesene Interviews leider eher nicht so, aber ich ahne warum. Sehr umfangreiche Shownotes.
  61. Memoranda #13 / Interview mit dem SF-Historiker Hans Frey, nicht unbedingt sehr lebendig, aber doch interessant, wenn man sich gerne historisch mit SF beschäftigt.
  62. Request for Comments #15 / Stell dir vor, der Kumpel mit Ahnung erklärt dir abends beim Bier, wie Verschlüsselung funktioniert, bis du es kapiert hast. Guter Service. Dass mir das ausgerechnet @dentaku empfahl, der das mal für mich mit Programmiersprachen machen musste. 👌
  63. Studio Komplex #1 / Ganz ehrlich, ich bin kein Fan dieser obercleveren Mixtur aus Flapsigkeit, Selbstgeilfinden, Provokation durch Thesen und x-facher Metaebene. Da hat man nichts mehr woran man sich festhalten kann und behält im Zweifelsfall nichts. Kann ja noch wachsen.
  64. Weibers #77 / Kannte die beiden Sprechenden nicht (einfach nicht meine Bubble), aber fand es eine angenehme Mischung aus Gossip und Verstand. Allerdings unangenehm lange Werbeunterbrechungen.
  65. Schicke Frise – Die Thaartortreinigerin / Super Idee, gutes Interview, gute Gästin, die viel Überraschendes zu erzählen hat, und übers Haareschneiden lernt man auch noch was. Finde es einfach echt klasse, Interviews so mal neu zu denken.
  66. Betreutes Fühlen #133 / Eigentlich ganz sympathische Darbringungsform des üblichen, immer wieder gern gekauften Psychotipp-Formats, aber Atze Schröder mag ich deswegen trotzdem nicht mehr.
  67. Freitagnacht Jews – Jew Noir! / Das war für mich die richtige Mischung aus Nachdenklichkeit und Quatsch – vor allem im direkten Vergleich zu “Studio Komplex”. Der entscheidende Punkt war die persönliche Perspektive von Daniel Donskoy und die Kunstfigur, die er für seine Provokation erschafft, während “Studio Komplex” für mich so daherkommt, als würde mich irgendein Journalist ankumpeln, was ich unangenehm fand.
  68. Apokalypse und Filterkaffee – Malcolm Ohanwe / Meh. Merkwürdige Mischung aus Nachrichten, semi-qualifizierten Kommentaren und Comedy. Hat mich nicht angesprochen, obwohl ich Malcolm super finde.
  69. Not another F**king Elf – Boromir / Joah. Die Idee, sich dem Text mal über die verschiedenen Interpretationen der Rolle zu nähern, finde ich gut, hält mich aber nicht auf Dauer interessiert. Der Ton ist dazu leider sehr unangenehm.

23 Dinge, die ich durch einen Monat unbekannte Podcasts gelernt habe

Kleiner Ausschnitt aus meinem Hörverlauf

Im April hatte ich für mich den #Podcapril ausgerufen. Ich wollte meinen Horizont erweitern und einen Monat lang nur Podcasts hören, die ich noch nicht kenne. Welche Podcasts ich gehört habe, lässt sich am besten in meinem Twitter-Thread nachlesen, ein Blogpost wird dazu noch folgen.

1. Es war super

Alles in allem hat mir der Podcapril, trotz seines total doofen Namens, genau das gebracht, was ich mir erhofft habe. Ich habe sehr viele neue Podcasts gehört und damit auch viele neue Hörerfahrungen gemacht. Die wenigsten Sachen haben mir so gut gefallen, dass ich sie weiterhören wollte, aber erkenntnisreich war es allemal!

2. Ich habe es nicht durchgehalten

Ich habe unterschätzt, wie sehr Podcasts auch Comfort Food sind, die einen regelmäßig mit Vertrautem abholen. Nur neue Hörerfahrungen hingegen sind auf Dauer anstrengend. Deswegen habe ich mir ab und zu Pausen gegönnt und ein paar Folgen meiner Lieblings-Entspannungspodcasts nicht einfach weggewischt, sondern gehört. Der Unterschied war enorm.

3. Menschen sind gut im Podcast empfehlen

Ich hatte ja bereits eine kleine Liste von Podcasts begonnen, in die ich schon länger reinhören wollte, aber es war schon auch ein großes Glück, dass mir meine Follower auf Twitter, und die, an die der Ursprungstweet weitergereicht wurde, wirklich eine große und breite Auswahl an Formaten und Genres empfahlen. Dass die Liste am Ende ziemlich exakt so lang wurde, dass sie den Monat abdeckte, war ein glorreicher Bonus.

4. Naja, die meisten Menschen

Ich hatte ja explizit auch “erlaubt”, eigene Podcasts zu empfehlen, so lange irgendeine Qualifizierung stattfand. Das haben viele Podcaster*innen ganz toll gemacht und mir ihre persönlichen Lieblingsepisoden geschickt (sehr aufschlussreich!) oder Episoden, die gut für Einsteiger geeignet sind. Aber manche empfahlen mir doch einfach nur ganze Feeds oder, noch besser, ganze Netzwerke! Twitter halt.

5. Es fiel mir erstaunlich leicht, auf meine übliche Podcast-Diät zu verzichten

An den meisten Tagen empfand ich es geradezu als befreiend, wartende Folgen mit einem Wisch ins Nirwana zu schicken und nie wieder anzuschauen. Nur wenige Episoden warten noch darauf, nachgehört zu werden, hauptsächlich, weil sie irgendeine übergeordnete Relevanz für mich haben. Und natürlich musste Karina Longworth ausgerechnet im April ihre neue Staffel You Must Remember This starten.

6. Wer labert, braucht entweder Charme oder Sachverstand

Die meisten Podcasts, die ich regulär höre, sind eher journalistisch, insofern war es super, auch mal ein bisschen breiter in die beliebte Gattung der “Laberpodcasts” reinzuschnuppern. Dabei ist mir mal wieder eine Sache klargeworden: Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Menschen nicht immer zielgerichtet oder mit Publikum im Hinterkopf sprechen, aber sie müssen mir einen Grund geben, ihnen zuzuhören. Für mich ist dabei relevant, dass sie entweder wirklich außergewöhnlich viel Ahnung von dem haben, wovon sie reden, oder so charmant sind, dass ich ihnen zuhören würde, egal worüber sie reden. Es gibt leider immer noch Podcasts, die beides nicht bieten können, und ich frage mich nach wie vor, für wen sie sind – abgesehen von Leuten, die die Sprechenden ohnehin kennen, und extradiegetischen Kontext beisteuern können.

7. Zwei Sprechende sind eine gute Menge Sprechende

Ich habe über 69 Podcasts immer wieder festgestellt, wie angenehm ich Gespräche zwischen zwei Menschen finde. Es ist ist wirklich kein Wunder, dass sich das gerade bei Promis als ein Standardformat herausgeschält hat. Bei einer normalen Podcastlänge kommt in einem Zwiegespräch jeder genug zu Wort, zwei Personen sind in der Regel leicht unterscheidbar, das Gespräch moderiert sich selbst und findet bei geübten Sprechenden meist auch natürliche Spannungsbögen und Dramaturgien. Bei mehr als zwei Personen ist das viel schwieriger und gelingt selten so gut (schrieb er als Teil eines Kulturkritik-Podcasts mit vier Panel-Teilnehmer*innen).

8. Low-Key Podcasthumor ist nichts für mich

Ich hatte vor Jahren schon mal in Gästeliste Geisterbahn reingehört, kenne natürlich Fest und Flauschig und war jetzt auch mal hörend bei Drinnies und evtl. sogar bei Apokalypse und Filterkaffee zu Gast. Ich kann total verstehen, warum dieses Genre – Menschen, die einen natürlichen Witz besitzen, erzählen sich lustige Geschichten aus ihrem Leben – beliebt ist. Es fordert von den Hörenden quasi überhaupt keine Eigenleistung. Es ist einfach nur gemeinsames Abhängen. Die Leute sind charmant (s.o.) und können Geschichten gut erzählen. Ich verwende meine Podcasthörzeit gerne anders und habe meinen Humor gerne fordernder (der Podcast Schamlos zum Beispiel baut in seine Plauderrunden unerwartet Improcomedy-Szenen ein – mag für manche wie ein Albtraum klingen, ich fand es genau die richtige Form von komödiantischer Übung).

9. Ich bin für jeden dankbar, der meinen Blick verändert

Ich denke öfter an die Formel zurück, die besagt, dass wer im Internet erfolgreich sein will, etwas entweder zuerst, am besten oder anders machen muss. Ich habe mich sehr über Podcasts gefreut, die vertraute Themen aus einem unerwarteten Blickwinkel neu aufgerollt haben. Die Macherinnen von Fashion the Gaze beispielsweise blicken auf Medienkultur sehr kundig mit dem expliziten Schwerpunkt Selbstinszenierung. Sport Inside schaut auf die Welt des Sports mit dem Blick von investigativem Journalismus. Not Another F**king Elf blickt auf Tolkiens Charaktere und vergleicht deren Interpretation in verschiedenen Adaptionen.

10. Ich bin für jeden dankbar, der das Format aufmischt

Ebenso habe ich mich jedes Mal gefreut, wenn ich das Gefühl hatte, dass jemand formell etwas Ungewöhnliches probiert. Mit Plötzlich Pirat:in habe ich endlich mal eins der berüchtigten Rollenspiel-Hörspiele aus der Schmiede von Johannes Wolf und Co (Puerto Patida) gehört, und obwohl ich das Format persönlich nicht so spannend finde, ziehe ich doch meinen Piratenhut vor der Idee und der Umsetzung. Der 1LIVE-Podcast Der Raum setzt Prominente einfach alleine in einen Raum und lässt sie 30 Minuten reden. Schicke Frise verlegt das Interview in den Friseurstuhl, aber nicht nur als Gimmick, sondern es werden tatsächlich währenddessen Haare geschnitten. Auch Studio Komplex, ein neuer Podcast des HR, hat mir zwar selbst nicht gefallen, ist aber als investigatives Format mit hoher Selbstreferentialität formell auf jeden Fall ein bemerkenswertes Experiment.

11. Interviewen ist ein Handwerk

In meinen Empfehlungen fanden sich auch diverse Interviewformate, und es war besonders im direkten Vergleich schon noch einmal deutlich zu hören, dass Interviews gut und schlecht sein können und das nicht nur an der interviewten Person liegt. Vorbereitete Fragen ablesen, die im Zweifelsfall nicht besonders interessant sind, machen leider noch kein Interview. Wer denkt “Ich muss ja einfach nur irgendwelche Leute was fragen, dann habe ich einen guten Podcast”, ist auf dem Holzweg.

12. Manche Vorurteile bestätigen sich

Natürlich hatte ich über einige Formate, die ich noch nicht gehört hatte, oder bestimmte Ecken der Podcastlandschaft, Vorurteile. Manche haben sich leider bestätigt. Andere dafür zum Glück nicht.

13. Wenn man viele Podcasts hört, hört man wie unterschiedlich Leute reden

Das klingt wie eine Binsenweisheit, war für mich aber ein interessanter Aspekt der Horizonterweiterung. Nicht mehr nur Leute zu hören, die einen gewissen professionellen Hintergrund haben oder aus den gleichen Subkulturen stammen wie ich, fand ich sehr wertvoll. Besonders aufgefallen ist mir, dass schon Menschen, die nur rund zehn Jahre jünger sind als ich (Jahrgang 83), zum Beispiel die Moderatorinnen von Rice and Shine oder Weibers, einfach einen ganz anders geprägten Duktus haben. Podcasts zu hören, die außerhalb der unmittelbaren eigenen Lebenswelt stattfinden, und von denen man vielleicht auch gar nicht die direkte Zielgruppe ist, sensibilisiert einen damit auch für’s restliche Leben – Empathie und so.

14. Podcast-Kuration ist etwas Tolles

Einer der empfohlenen Podcasts war eigentlich ein Podcast im Podcast, die Debütfolge von Stuff the British Stole, eingebettet in 99% Invisible. Zusätzlich zur Folge gab es aber auch ein Intro von 99PI-Moderator Roman Mars und ein anschließendes Interview mit dem Macher. Ich wünsche mir, dass noch mehr Podcasts diese Art der Cross-Promo nutzen, weil sie einfach für mich als Hörer so bequem für Neuentdeckungen, und durch die redaktionelle Einbettung mehr als reine Werbung ist.

15. Es gibt Themen, die mich einfach nicht genug interessieren

Auch das ist eine Erkenntnis. Podcasts erlauben es sehr gut, Nischen zu bedienen, aber auch ich als professioneller Podcasthörer kann nicht einfach so in jede Nische hineinschlüpfen. Bei manchen Themen, die alleine mit meinem persönlichen Geschmack zu tun haben, kann auch ein guter Podcast meine Aufmerksamkeit nicht halten, wenn er sich primär an Leute richtet, die ein Vorinteresse mitbringen.

16. Ansprache ist wichtig

Das folgt aus dem letzten Punkt, und es ist etwas, über das ich schon länger nachdenke. Ich glaube, es machen sich immer noch zu wenige Nicht-Profis (denn Profis müssen es tun) Gedanken darüber, wer eigentlich ihre Zielgruppe ist. Mache ich meinen Podcast für Leute, die das Thema sowieso interessiert? Oder möchte ich möglichst viele Menschen erreichen und ihnen beweisen, dass mein Thema interessant ist? Der zweite Ansatz sorgt wahrscheinlich dafür, dass ich mein eigenes Niveau senken muss, und darauf habe ich wahrscheinlich auf Dauer keine Lust oder halte es auch nicht durch. Aber: Es kann sich lohnen, immer mal wieder Einsteigerfolgen einzustreuen und an Leute zu denken, die später dazukommen und vielleicht noch ein bisschen ins Boot geholt werden müssen. Solche Folgen kann man dann zum Beispiel mir empfehlen, wenn ich Podcapril mache. Clean Electric hatte zum Beispiel so eine Folge parat, und das fand ich klasse.

17. Ich respektiere Podcasts, die nur entstehen, weil die Macher Bock drauf hatten

Das ist die andere Seite der Medaille. Nicht jeder Podcast braucht eine Zielgruppe, und ich finde es auch super, wenn Leute einfach ihr Ding machen, genau so, wie sie es machen wollten. Podcast, as if no one is listening.

18. Ich kenne quasi keine Podcastpromis

Seit Podcasts auch ein Vehikel für Promis und Influencer geworden sind, hat sich nach meinem Empfinden so eine Art Podcast-Personality-Bubble etabliert, mit der ich aber wenige Berührungspunkte habe, weil ich mich dem Medium aus einer anderen Richtung genähert habe. Einigen dieser Menschen, die dem Anschein nach sonst jeder kennt, Micky Beisenherz und Leila Lowfire, zum Beispiel, bin ich durch den Podcapril das erste Mal begegnet. Ich fand es einfach irgendwie witzig, wie man innerhalb des gleichen Medums so aneinandervorbeileben kann – man darf einfach nie vergessen, dass Podcasts nur ein Medium und kein Genre sind und es so viele Startpunkte wie Podcasts gibt.

19. Ich sollte mal auf ein Podcast-Treffen gehen

Ich höre ja wirklich schon lange Podcasts (seit 2007), bin aber überhaupt nicht in der deutschen Indiepodcast-Szene vernetzt – eben weil ich an einem anderen Startpunkt begonnen habe und im Internet eher aus der Blogosphäre als der Podcastosphäre stamme. Als mein Interesse an Podcasts so weit gereift war, dass ich mich gerne mehr vernetzt hätte, bekam ich in kurzer Abfolge erst ein Kind und dann eine Pandemie, so dass Veranstaltungen wie die Subscribe oder Podstock leider keine Option mehr waren. Das möchte ich in Zukunft ändern. Schon das Hören einiger Podcasts aus dieser Szene hat meinen Blick verändert – jetzt würde ich sehr gerne auch die Menschen dazu kennenlernen. (Podstock dieses Jahr passt leider zeitlich nicht.)

20. Ich hasse exklusive Podcasts

Ich hatte einige Podcasts auf der Liste, die ich eigentlich noch hören wollte, die aber exklusiv bei Spotify eingemauert sind. Als ich alle anderen Podcasts, die ich einfach in meinem Podcatcher in den Queue werfen konnte, geschafft hatte, war der Monat vorbei. Die zusätzliche Hürde, eine extra App zu öffnen (ich bin sonst auch kein Spotify-Nutzer), um dort bestimmte Podcasts zu hören, war für mich schon zu viel. Ich habe auch aufgehört, mindestens einen sehr guten Podcast zu hören (Heavyweight), weil er exklusiv zu Spotify gewandert ist. Podcasts sind ein Routinen-Lean-Back-Medium. Ich höre sie nicht, wenn ich sie nicht gut in diese Routinen einbauen kann. Gilt auch für die ARD-Audiothek.

21. Ich weiß, dass ich nichts weiß

Der Podcapril hat mir gezeigt, wie wenige Podcasts ich überhaupt kenne und wie viele es noch zu entdecken gibt. Das ist zwar manchmal etwas erschreckend, aber bedeutet eben auch, dass es immer noch das Potenzial gibt, etwas zu finden, dass einem wirklich gut gefällt. Podcasts wie Our Opinions Are Correct, Des Pudels Kern, Freitagnacht Jews und das schon erwähnte Fashion the Gaze habe ich meinen regulären Abos hinzugefügt. Bei anderen Podcasts wäre ich jederzeit bereit, einzelne Folgen zu hören, wenn sie mir gut empfohlen werden.

22. Ich werde es wieder tun

So anstrengend der Podcapril war, die ständige Auseinandersetzung mit dem Neuen und die teilweise langen Strecken mit Podcasts, die sich wie Hausaufgaben anfühlten, so bereichernd war er auch. Ich mache daraus also ziemlich sicher eine Tradition. Mal schauen, ob wieder nächstes Jahr im April, oder wann sich die nächste gute Zeit dafür findet.

23. Vielleicht brauche ich auch einen festen Platz für Neues

Alternativ oder ergänzend habe ich überlegt, ein Backlog an Podcasts anzulegen, in das ich reinhören möchte und mir einen festen Platz in der Woche oder im Monat zu reservieren (s.o., Routinen) in denen einer dieser Podcasts im Queue nach vorne springt und gehört wird. So könnte ich meinen Horizont regelmäßig und in kleinen Inkrementen erweitern, statt nur auf einen Schlag. Auf jeden Fall gilt: Wer immer das liest, darf mir immer und jederzeit Podcasts empfehlen, auch die eigenen (bitte Punkt 3 und 4 beachten)! Ich werde einen Zeitpunkt finden, um reinzuhören.

Podcastempfehlungen gerne als Kommentar unter diesem Post, auf Twitter oder per Mail an bonjour@realvirtuality.info.

Was könnte eine Programmzeitschrift für Podcasts leisten?

Bild: Rolf Unterberg, CC-BY-3.0 (cropped)

Ich bin jetzt zu knapp zwei Dritteln durch mit meinem #Podcapril-Projekt, und ein Aspekt reckt mir immer wieder sein Köpfchen entgegen: Wie hätte ich einige der wirklich guten Podcast-Perlen, die mir empfohlen wurden, finden sollen, wenn nicht mit einer solchen Aktion? Die verlangt nämlich drei Dinge:

  1. Ich schaffe mir Platz in meinen Hörgewohnheiten für Neues
  2. Ich bitte Menschen um Empfehlungen
  3. Menschen kommen der Bitte nach

Der erste Punkt mag für die Ottonormalpodcasthörerin nicht so entscheidend sein. Wahrscheinlich haben nur wenige Menschen ihre Hörzeiten so vollgestopft wie ich und deswegen tendenziell sowieso Zeit für neue Podcasts. Aber auch Punkt zwei und drei finde ich nicht selbstverständlich. Ich habe das Glück, auf Social Media ein Netzwerk von anderen Podcastbegeisterten aufgebaut zu haben, so dass das Fragen leichtfiel und die Antworten prompt und reichlich kamen. Aber wo bekäme ich gute Empfehlungen her, wenn dem nicht so wäre?

Ich rede dabei explizit nicht davon, einfach irgendwelche neuen Podcasts zu finden. Auch wenn fundierte Podcastkritik in Deutschland nach wie vor selten zu finden ist, gibt es ja viele Empfehlungslisten, es gibt Charts, Start- und Rubrikenseiten bei den großen Anbietern. Aber es gibt nach wie vor wenig redaktionelle Kuration, die einem aus dem Wust des Angebots die Perlen herausfischt. Die einem sagt: Wenn du Zeit hast, lohnt es sich diesen Monat, das hier zu hören.

Ich lande immer wieder bei dem Bild einer Podcast-Programmzeitschrift.

Redaktionelles Drumherum

“Zeitschrift” ist hier natürlich im übertragenen Sinne zu verstehen. Ein Online-Format wäre wahrscheinlich sinniger, auch wenn es für die Manufactum-Crowd vielleicht auch ein gedrucktes Magazin auf schwerem Papier mit ganzseitigen Anzeigen für edle Kopfhörer sein könnte. Entscheidend wäre nur, dass mir dieses Medium immer für einen bestimmten Zeitraum Podcasts und vor allem auch einzelne Podcastfolgen empfiehlt, die es sich wirklich lohnt zu hören. Und zwar nicht als reinen Link (denn diese Art von Kuration kann Fyyd ja), sondern mit redaktionellem Drumherum.

Podcasts haben eine Eigenschaft, die diesem Gedanken komplett entgegensteht: Sie sind eigentlich nicht für gezieltes Reinhören gedacht. Der typische Use Case bei den meisten Podcasts besteht eher darin, Menschen zu finden, denen man gerne zuhört, und ihnen dann in regelmäßigen Abstand immer wieder zuzuhören, bis man eine parasoziale Beziehung aufgebaut hat. Abonnement und Feed sind nicht nur technisch die zentralen Merkmale des Podcasts, sie bestimmen auch die Programmgestaltung. Abgeschlossene Podcasts oder Mini-Serien (um mal eine Terminologie aus dem Fernsehen zu verwenden) brechen inzwischen zwar regelmäßig aus diesem Paradigma aus, aber selbst sie bekommen inzwischen oft im Nachhinein weitere Staffeln, um aus dem einmal abgeschlossenen Abo das Maximum rauszuholen (siehe zum Beispiel “Wild Wild Web“, das sich jüngst mithilfe eines Projekts der DJS eine zweite Staffel geradezu einkaufte.)

Einstiegspunkte

Nichtsdestotrotz gibt es auch bei fortlaufenden Formaten besonders gute Folgen (zum Beispiel Interviewpodcasts mit besonders gelungenen Interviews) oder gute Punkte, an denen es sich lohnen könnte, ins Hören einzusteigen oder dem Format eine Bühne zu bieten. Teilweise passiert das ja sogar organisch, wenn Podcasts zum Beispiel für Preise nominiert werden, ein Jubiläum feiern oder doch irgendwie mal einen viralen Moment haben (leider meistens eher wegen hässlicher als wegen schöner Dinge). Dann gibt es oft einen sprunghaften Anstieg von neuen Hörer*innen. (Dass die schwierige “Shareability” von Podcasts dennoch ein Hindernis für Neueinsteiger*innen ist, ist hinreichend bekannt.)

Um Podcasts auf diese Art gut kuratieren und redaktionell auswählen zu können, bräuchte es idealerweise ein Team an Redakteur*innen, die viel und breit hören. Die Podcastlandschaft ist so weit und vielfältig, das stelle ich gerade im Podcapril wieder fest, dass es unmöglich scheint, mit nur wenigen Leuten einen Überblick zu behalten. Einige Überlappungen sollte es geben, damit gemeinsam informierte Entscheidungen getroffen werden können, aber ansonsten gilt: je weiter das Netz desto besser.

Ein bisschen funktioniert das bei Piqd ja schon so. Die dortigen Piqer*innen sind explizit nach Unterschiedlichkeit in Interessen und Hintergründen zusammengestellt und decken gemeinsam ein weites Feld an Themen und Medien ab, immer auf der Suche nach besonders Hervorhebenswertem. Leider ist nur ein kleiner Teil davon Audiocontent. Ich bin auch ziemlich beeindruckt davon, was Constanze Marie Teschner für Hört Hört! von Pool Artists alles so querhört. Sie scheint inzwischen ein festes Hörkontingent für Neuentdeckungen zu haben (und war auch vor kurzem zum Thema im Über Podcast zu Gast).

Screenshot: Shelfd

Beispiel Shelfd

Einer, der das gleiche Prinzip ja schon länger für ein verwandtes Medium verfolgt, ist David Streit mit Shelfd. Die Kurationsplattform verspricht gut ausgewählte, tägliche Tipps für Bewegtbild-Streaming sowohl von den großen Diensten als auch aus den Mediatheken der deutschen Sender. Im Shelfd-Teamfoto zähle ich 13 Menschen. Wie einigen die sich darauf, was sie abseits der großen, ohnehin beworbenen Produktionen hervorheben?

Das hat mir David dazu geschrieben:

Da wir in der Redaktion alle zeitunabhängig arbeiten, muss diese Entscheidung auch von allen unabhängig von großen Abstimmungsschleifen getroffen werden können. (…) Heute wollen wir für allem Filme, Serien und Dokus empfehlen, die mit Liebe gemacht sind (unabhängig wer dahinter steckt und wie viel Geld der Anbieter hatte). Das ist insofern wichtig, weil damit eine gewisse Erwartungshaltung einher gehen soll. Denn unsere Community soll sich ja denken: Wenn ich Lust auf so einen Inhalt habe, dann schaue ich bei Shelfd vorbei. Vorher war das gar nicht umrissen.

David Streit, Gründer von Shelfd

Nun ist “mit Liebe gemacht” sicher ein sehr subjektives Kriterium, aber ich mag die Idee einer redaktionellen Linie, über die zwischen Empfehlenden und Lesenden kommuniziert wird. Laut David basieren 80 Prozent aller geschauten Videos nach eigenen Erhebungen auf Empfehlungen. Das wird bei Podcasts kaum anders sein.

Anlaufstelle

Eine Programmzeitschrift für Podcasts sollte meiner Meinung nach also einen Schwerpunkt auf Abgeschlossenes und einfache Quereinstiege legen und von einer möglichst breit hörenden Redaktion bespielt werden, die nicht nur in der Lage ist, Empfehlungen auszusprechen, sondern auch zu begreifen und zu formulieren, warum ein Podcast gerade jetzt gut passt. Somit könnte sie Menschen, die nach neuen Empfehlungen suchen, eine verlässliche Anlaufstelle bieten, bei der die Suchenden auch wissen, was sie bekommen. Nicht nur irgendwelche Empfehlungen aus dem persönlichen Geschmacksbereich einiger Expert*innen oder Kritiker*innen, sondern ein Angebot, das mit einer Zielgruppe im Hinterkopf gestaltet wurde, die interessiert ist, aber eben auch nur begrenzte Zeit zur Verfügung hat.

Und warum mache ich das nicht einfach, ich Schlauberger? Weil ich gerne erst noch länger darüber nachdenken und andere Meinungen hören will. Was denkst du, der du das hier gerade liest, dazu? Ich will es wissen. Schreib mir.

Diesen April höre ich nur neue Podcasts – hilf mir oder mach mit! #Podcapril

Ah … ein Podcast, den ich noch nicht kenne. Foto: Katharina Matzkeit

In einer durchschnittlichen Woche höre ich etwa 25 bis 30 Podcasts.*

Ich bin mir nicht mal sicher, ob das auf den ersten Blick nach viel oder wenig aussieht, aber ich vermute, dass es etwa zwei bis zweieinhalb Stunden pro Tag sind, je nach Tagesablauf.

Mein Problem dabei: Die meisten dieser 25 bis 30 sind Podcasts, die ich schon lange und gerne höre. In meinem Leben, das neben Podcasts ja auch noch voll ist mit anderen Dingen wie Arbeit, Familie und Hobbys, ist wenig Zeit für regelmäßige Entdeckung neuer Podcasts. Ab und zu finde ich mal etwas, was mich so sehr fasziniert, dass ich einen Platz dafür finde. Immer wieder committe ich mich auch auf Podcasts-Seasons mit einer begrenzten Menge Folgen. Und manchmal darf ich Dinge hören und bezahlt darüber schreiben. Aber eine wirkliche Lücke für Neuentdeckungen besteht in meinem Zeitplan nicht.

Das ändere ich dieses Jahr. Im April werde ich all meine regulären Podcast-Abos ignorieren und stattdessen

  1. endlich mal in all die Podcasts reinhören, von denen ich schon so viel gehört habe (auf meiner Liste stehen bisher Rice and Shine, Narcoland, Fix und Vierzig, Fomo, 190220 – Ein Jahr nach Hanau, Lost in Neulich, Das perfekte Verbrechen, 9/12, Vollkommen unperfekt und Drinnies)
  2. weitere Podcasts hören, die mir andere Menschen empfehlen.

Ich hoffe, damit meinen Horizont mal systematisch zu erweitern und etwas von meiner doch sehr stark von einer bestimmten US-amerikanischen Radioschule geprägten Podcast-Kost loszukommen. Komfort-Hören ist bei Podcasts natürlich auch total wichtig, aber sollte für Möchtegern-Kritiker wie mich nicht der einzige Modus sein.

Wer möchte, kann mir bei der Horizonterweiterung helfen und mir Podcasts empfehlen, gerne auch den eigenen. Ich bitte dabei nur um Folgendes: Mein Ziel ist Breite, nicht Tiefe, bitte empfehlt mir auch bei lange laufenden Gesprächspodcasts nur einzelne Folgen und schreibt mir idealerweise noch dazu, warum die Folge sich lohnt. Auf Wunsch bedanke ich mich mit einer kurzen Rezensionsnotiz hier im Blog, auf Twitter und/oder bei Apple Podcasts. Wenn ich tweete, dann unter dem auf maximale Blödheit optimierten Hashtag #Podcapril.

Haben vielleicht andere Podcasthörer*innen Lust, sich mir anzuschließen? Dann sagt mir doch Bescheid und/oder benutzt den gleichen Hashtag.

Ihr erreicht mich auf Twitter unter @alexmatzkeit oder per Mail an bonjour@realvirtuality.info.

Einen fröhlichen #Podcapril allerseits!

`* Montag: This American Life, The Commander Sphere, The Command Zone, The Upkeep; Dienstag: The Best Advice Show, WTFM 100,0, Switched on Pop, Das Coronavirus-Update, All Songs Considered; Mittwoch: Slate’s Culture Gabfest, Planet Money; Donnerstag: Good One, Limited Resources; Freitag: New Music Friday, Drive to Work, Die Wochendämmerung, Über Podcast, Holger ruft an; Sonntag: Working, Ein Filmarchiv, dazu Podcasts die monatlich oder unregelmäßig erscheinen oder von denen ich nur manche Folgen höre wie Tasty MTG, The 11th, Hit Parade, Decoder Ring, Death, Sex and Money, Alles ist Film, Sexy und Bodenständig. Song Exploder, Das Tropenhaus, Casual Magic, CUTS, The Q&A with Jeff Goldsmith, MKL, HowSound, King Kong Klima, Alles gesagt?, Alexander’s Ragtime Band, Slow Burn, You Must Remember This, VFX Notes und Mediasres.

Preis und Wert – für welche digitalen Abos zahle ich und warum?

Pieter Breughel der Jüngere – Die Zahlung des Zehnten (Ausschnitt) – Quelle: Wikimedia Commons

Abo-Modelle gelten für Inhalte-Erschaffer*innen im Internet oft als große Hoffnung. Wenn es gelingt, in der persönlichen Nische einen Kundenstamm aufzubauen, der groß genug ist, dass sich zumindest (im ersten Schritt) ein bestimmtes Produkt refinanziert oder (im zweiten Schritt) der Grund-Lebensunterhalt bestreiten lässt, entsteht gemeinsam mit anderen Einkünften durch Werbung, Anschlussaufträge o.ä. Sicherheit und Ruhe für ambitioniertere Projekte, größere Gedanken und bessere Arbeit. So lautet stark vereinfacht die Maxime.

Ich finde dieses Modell gut und unterstütze es gerne, allerdings auch nicht immer und überall, deswegen habe ich mich entschieden, mein eigenes – vermutlich höchst erratisches – Online-Abo-Verhalten mal unter die Lupe zu nehmen. Ich hoffe dadurch auf Reaktionen – handeln andere Menschen ähnlich? Anders? Warum?

Bevor ich auf die Realität gucke, sind hier meine theoretischen Gedanken: Bevor ich mich entscheide, ein Crowdfunding-Abo abzuschließen, überlege ich meistens:

1. Signifikanz Wie wichtig sind mir diese Inhalte in meinem Leben? Wäre ich unglücklich, wenn die Schöpfer*innen dahinter sie nicht mehr produzieren könnten, oder ist es nur ein “nice to have”?

2. Nutzen Was habe ich davon? Bietet mir eine Abo-Unterstützung einen spürbaren Vorteil, zum Beispiel gegenüber den oft ebenfalls existierenden kostenlosen Angeboten? Damit meine ich nicht unbedingt ein mehr an Inhalt – die Vorteile können ganz unterschiedlicher Natur sein.

3. Wohltätigkeit Möchte ich die Schöpfer*innen unabhängig vom persönlichen Wert für mich unterstützen? Habe ich das Gefühl, dass meine Unterstützung einen Unterschied macht? Dieser Punkt ist nicht unerheblich, er ist aber – bei aller Liebe – nicht der wichtigste für mich, und er kann sich auch im Laufe der Zeit ändern.

Also, wofür zahle ich, wieviel und warum?

Patreon

Judith Holofernes (Künstlerin) / $5 im Monat / exklusiver Zugang zu Kapiteln der Post-Wir-sind-Helden-Autobiografie, an der Judith gerade arbeitet, exklusiver Zugang zu Fragen-Podcasts, frühzeitiger Zugang zu Interview-Podcasts, Möglichkeit direkt mit einer Künstlerin zu interagieren, die ich sehr schätze

65daysofstatic (Band) / $6 im Monat / exklusiver Zugang zu Blogposts und Musikreleases, Unterstützung einer Lieblingsband, die derzeit nicht auf Tour gehen kann

The Command Zone (Magic Podcast) / $1 im Monat / früherer, werbefreier Zugang zu Videos, Unterstützung von hochwertigen Inhalten

Limited Resources (Magic Podcast) / $1 im Monat / Unterstützung der Moderatoren, Möglichkeit, Fragen zu stellen und On Air beantwortet zu bekommen

Rhystic Studies (Magic YouTube Channel) / $1 im Monat / Unterstützung des Schöpfers, Nachbesprechung der Videos per Podcast

Steady

Wochendämmerung (Podcast) / €1 im Monat / Unterstützung der Schöpferin und ihres Podcast-Labels

Filmlöwin (Website) / €2,50 im Monat / Unterstützung der Schöpferin, die ich persönlich kenne, und der Sache (feministische Filmkritik)

Cuts – der kritische Filmpodcast / €1 im Monat / Unterstützung des Formats

Übermedien (Website) / €5 im Monat / Zugang zu Artikeln und Abonnenten-Newsletter, wichtige berufliche Ressource

Außerdem

Slate Plus (Website und Podcasts) / $35 im Jahr (einmalig, auf dem Prüfstand) / Zusätzliche Segmente in und früherer Zugang zu Podcasts, gut kuratierter Newsletter

Letterboxd Pro (App/Datenbank) / $12 im Jahr / Möglichkeit, mein externes Archiv zu importieren, Unterstützung der Plattform

Bilanz

Wenn man alles zusammenrechnet komme ich somit auf rund 25 Euro, die ich jeden Monat für Online-Abos ausgebe, also etwa 300 Euro im Jahr. Damit ist auch meine Grenze dafür erreicht, was ich grundsätzlich auszugeben bereit bin. Zusätzliche Kosten müsste ich mit einem hohen (zum Beispiel beruflichen) Nutzen für mich persönlich rechtfertigen.

Ich würde gerne mehr Formate auch nur deswegen unterstützen, weil ich sie gut finde oder sie mich bereichern. Die Zusatzangebote, die dann häufig mit einem Abo verbunden sind, seien es weitere Inhalte oder das Versprechen einer Online-Community, etwa auf einem Discord-Server, kann ich in der Regel überhaupt nicht nutzen. Mir würde es meist völlig reichen, das sieht man auch an der Übersicht oben, guten Zugang zu haben – zu den Inhalten und manchmal zu den Schöpfer*innen, zum Beispiel durch Interaktion in Kommentaren.

Wieviel bekomme ich für 5 Dollar im Monat?

Deswegen ärgert es mich allerdings, dass bei vielen Newslettern oder Podcasts die niedrigste Unterstützungsstufe häufig bei 4,50 Euro/5 Dollar angesetzt ist. Bei dem Preis kann ich einfach nicht so viele Schöpfer*innen unterstützen, wie ich gerne würde. Newsletter wie Anne Helen Petersens Culture Study oder Berit Glanz’ Phoneurie finde ich eigentlich bereichernd genug, dass ich gerne einen Beitrag leisten würde, ähnlich der Podcast The Commander Sphere, aber wenn ich für jedes Angebot 5 Dollar im Monat zahle, müsste ich dafür wieder einem anderen Creator die Finanzierung entziehen. (Im Fall von Berit habe ich daher einen kleinen Betrag per Paypal am Ende des Jahres überwiesen.)

Ich würde mir wünschen, dass es noch öfter die Möglichkeit gibt, kleine Beiträge zu leisten, für die es eigentlich keine Perks geben muss außer dem erwähnten Zugang. Schöpfungen wie die drei Magic-Podcasts würde ich nicht unterstützen, wenn es nicht die Möglichkeit gäbe, nur 1 Dollar im Monat zu zahlen. Gäbe es diese Option öfter, könnte ich mein Abo-Budget breiter streuen, mehr Schöpfer*innen unterstützen. Aus diesem Grund habe ich auch ein Abo bereits wieder beendet. Den vor einem Jahr gestarteten Newsletter Zwischenzeit_en von Teresa Bücker fand ich manchmal sehr gut, aber insgesamt eher durchwachsen. Bei einem geringeren monatlichen Betrag hätte ich ihn vielleicht weiter bezahlt.

An meiner Aufstellung sieht man: Mehr Geld zahle ich vor allem für Dinge, die ich nur auf diese Art bekomme und die für mich einen nachhaltigen Wert haben, etwa Musik oder die Teilhabe an einem kreativen Prozess. Gerade bei Schöpfungen, die auch kostenlos angeboten werden, möchte ich mit einem Abo weniger die Arbeit der Schöpfer*innen oder den Nutzen für mich direkt entlohnen (dafür wäre der Betrag in der Tat zu niedrig und den Nutzen bekomme ich ja ohnehin), als meine Wertschätzung zeigen. Ich weiß nicht, ob andere Menschen ähnlich handeln würden wie ich. Aber wenn die Gründe für die Zahlungsbereitschaft verwechselt werden, kommt es zu einem Unterschied in Wahrnehmung zwischen Preis und Wert. Das ist zumindest mein Eindruck.