Vier Filme, Vier Regisseure – Wieviel Autorenschaft verträgt ein Franchise? (mit Infografik)

© 20th Century Fox

Weil Franchise-Filme immer mehr den Mainstream-Hollywood-Betrieb übernehmen, stellt sich zunehmend die Frage, inwiefern Regisseure mit einer deutlichen individuellen Handschrift in das System hineinpassen. Schließlich versuchen die großen Studios seit der Blockbuster-Ära immer wieder, “besondere” Regisseure für ihre Filmreihen zu gewinnen, um aus einem generisch erscheinenden Instrument einzigartige Noten herauszukitzeln.

Solche Experimente können gelingen. Manch ein Regisseur scheint so gut zu einem Franchise zu passen, dass man es zeitweise ganz und voller Enthusiasmus mit seinem Stil identifiziert – man denke an die Batman-Filme von Tim Burton und Christopher Nolan oder die Bourne-Episoden von Paul Greengrass. Es gibt Fälle, bei denen einzelne Filme aus einer Reihe positiv herausstechen, gerade weil sie individuell gefärbt sind – Alfonso Cuaróns Harry-Potter-Beitrag.

Sie können aber auch nach hinten losgehen. Marc Forster und das James-Bond-Franchise waren in Quantum of Solace bespielsweise eindeutig kein gutes Paar. Und auch über die Chemie von Ang Lee und Hulk lässt sich sicherlich diskutieren.

Interessant ist, dass uns die Filmgeschichte gleich zwei langlebige Franchises geschenkt hat, denen kein einzelner Regisseur seinen Stempel aufdrücken konnte. Im Gegenteil: Ihr Merkmal ist es beinahe geworden, dass sie versuchen, ihr Quellenmaterial mit jeder Folge durch neue Augen zu sehen – und durchaus nicht durch irgendwelche Augen. Sowohl Alien als auch Mission: Impossible bestehen (bisher) aus jeweils vier Filmen, inszeniert von vier Regisseuren, die meisten von ihnen namhaft und innerhalb des Hollywoodsystems auch als “Autoren” anerkannt.

Mich interessierte, ob man die individuelle Prägung eines Films mit dessen finanziellen Erfolg korellieren kann. Und ich nehme es gleich vorweg: die relativ banale Antwort lautet Nein. Während dem Alien-Franchise zuviel Autorenschaft eindeutig geschadet hat, konnte Tom Cruises Actionfilmserie mit ihrem untypischsten Film am meisten Geld scheffeln:

Auf der Y-Achse der Grafik findet sich das US-Einspielergebnis der jeweiligen Filme, hochgerechnet auf heutige Ticketpreise. Auf der X-Achse ein von mir vergebener “Autoren-Index”, der ausdrücken soll, wie stark der Film von seinen Machern geprägt ist und wie speziell er sich dadurch anfühlt. (Update, 23.9.: Der Index ist mit Humor zu nehmen)

Aber der Reihe nach:

Der Prototyp

Grundsätzlich sollte man festhalten, dass Franchising nur dann möglich scheint, wenn der Ursprungsfilm nicht schon so speziell ist, dass man sich schwer vorstellen kann, den Stoff in eine neue Richtung zu drücken. Dass aus David Lynchs Dune nie eine Filmserie wurde, ist sicher kein Zufall.

Sowohl Ridley Scotts Alien als auch Brian De Palmas Mission: Impossible besitzen genug Individualität, um aus dem Einheitsbrei Hollywoods herauszustechen, sie gehören aber beide nicht unbedingt zu den persönlichsten Filmen der beiden Regisseure. Alien ist etwa längst nicht so introspektiv wie Blade Runner und Ridley Scott noch relativ unerfahren. Und Brian De Palma hatte gerade mit Carlito’s Way quasi Scarface II gemacht und war vielleicht ganz froh, mal wieder einen richtigen Hollywood-Mainstream-Film zu inszenieren.

Beide Filme trafen jedenfalls eine Art Sweet Spot, der sie nicht nur zu großen Geldmaschinen machte, sondern auch zu Startrampen für erfolgreiche Fortsetzungen.

Der Topper

Die Fortsetzung muss immer größer sein als das Original. Auch in diesen beiden Franchises trifft diese Regel gnadenlos zu. James Cameron machte aus Scotts klaustrophobischem Horrorthriller ein gigantisches Science-Fiction-Action-Spektakel und schuf damit den in Fankreisen wohl beliebtesten, weil (sind wir mal ganz ehrlich) wichsvorlagigsten Film der Serie (nicht sexuell, nur in Sachen Ballerei und genereller Badassery). Und John Woo drehte in M:I-2 einfach alle Verstärker auf Elf und verwandelte De Palmas Spionage-Vexierspiel in ein relativ sinnfreies Explosionsfest mit Tauben.

Beide Filme gehören zu den bestverdienensten Instanzen ihrer Serien, doch dahinter scheint mir eher die positive Erwartungshaltung an eine Fortsetzung zu liegen als individueller Stilwille. Denn während De Palmas Film eindeutig eine deutliche Abkehr vom Prototypen darstellt und sogar dem Protagonisten einen völlig neuen Look verpasst, ist Camerons Anpassung subtiler und vor allem auf der thematischen Ebene zu finden.

Der Mutige

Wenn man als Filmstudio zweimal hintereinander erfolgreich war, scheint sich beim dritten Mal der Drang breitzumachen, etwas Neues zu versuchen. Bei den beiden Franchises in diesem Artikel führte das jeweils zu einem deutlich erfolgloseren, vielleicht aber auch zum interessantesten Film der Serie.

David Finchers Alien 3 ist mittlerweile einer dieser Legendenfilme. Der erste Spielfilm eines mittlerweile als genial verehrten Regisseurs, der im Kampf um die kreative Kontrolle zerrieben wurde. Für eine Neubewertung lohnt es sich, den Videoessay “The Unloved” anzusehen und ich persönlich liebe seinen Stil, doch es lässt sich nicht abstreiten, dass der Film innerhalb des Alien-Kosmos nur bedingt funktioniert.

© 20th century fox

Mission: Impossible 3 ist ebenfalls ein Spielfilmdebüt, und zwar von J. J. Abrams. Abrams kam vom Fernsehen und ist hier eindeutig noch auf Bewährung – seine inzwischen legendären Lens Flares etwa sind sehr spärlich eingesetzt. Ähnlich wie Cameron bei Aliens schafft es Abrams aber, sich der Serie inhaltlich überzustülpen. Das Kurtzman-Orci-Abrams-Drehbuch ist eine typische Mystery Box, gleichzeitig ist Ethan Hunt hier erstmals ein Familienmensch (eigentlich ungewöhnlich für eine so chamäleonhafte Figur) und sein Gegenspieler ist ein nihilistischer Businessman/Killer.

Der Vierte

Ein Franchise muss schon sehr erfolgreich sein, damit es auf vier Filme kommt. In den hier untersuchten Fällen entschied der vierte Film darüber, ob es weitere Fortsetzungen geben würde – wie im Fall von Mission: Impossible oder ob nicht eher ein Reboot angesagt wäre, wie bei Alien.

Alien: Resurrection ist eine so merkwürdige Kreatur, wie man sie nur selten findet. Die Markenzeichen von Drehbuchautor Joss Whedon und Regisseur Jean-Pierre Jeunet springen einen geradezu an. Die Einstellungen, Farbwelten und das Knautschgesichter-Casting von Jeunet; die Dialogzeilen und Figurenkonstellationen von Whedon. Aus der Schizophrenie von Drehbuch und Regie – Whedon hat mehrfach öffentlich erklärt, dass Jeunet seine Worte völlig falsch interpretiert hat – ergibt sich eine zwar filmwissenschaftlich interessante Spannung, aber leider kein wirklich guter Film, der entsprechend auch an den Kinokassen völlig versagte.

Während Alien also immer seltsamer wurde, ging Tom Cruise den Weg der Konsolidierung. Ghost Protocol, der vierte der Mission-Filme, ist vor allem solide. Brad Bird in seinem ersten Realfilm kadriert und erzählt präzise, sorgt für einige spektakuläre Setpieces und schafft damit einen gelungenen Actionthriller, aber “besonders” ist der Film eher nicht. Das wichtigste aber: er war erfolgreich genug, um einen fünften Film hervorzubringen. Mission: Impossible 5 unter der Regie von Christopher McQuarrie soll nächstes Jahr ins Kino kommen.

Alien hingegen kehrte mit Prometheus schließlich an seine Wurzeln zurück – zu Regisseur Ridley Scott und zu einer Zeit vor dem ersten Film. Das Ergebnis war durchwachsen. Sigourney Weaver, die ähnlich wie Tom Cruise irgendwann die treibende Kraft hinter den Filmen wurde, hat zum Ausdruck gebracht, dass sie Ellen Ripley gerne noch ein würdigeres Ende verschaffen würde. Sie müsste nur den richtigen Regisseur dafür finden. Die Frage bleibt aber: Wieviel Individualismus braucht es dafür?

Stuff I learned this week (and last) – #1/11

5 3D directors – and what we can expect from them

3D is coming at us from several angles at the moment, but has yet to prove that the medium is not the message. I take a look at five directors who drive 3D forward and try to predict what role they will play in the future of stereoscopic filmmaking.


Rise to Power: Made two of the best, action packed Science-Fiction Sequels and created some of the most memorable effects scenes in cinema history with Aliens, the Terminator films and The Abyss. Then went off and realized the highest-grossing film ever. Twice.

Claim to Fame: Almost single-handedly convinced the movie industry that 3D is worth pursuing.

Defining Characteristics: Epic epicness coupled with sentimentality of the highest degree.

Lined up: Two sequels to Avatar that will continue to explore the world he created.

The Verdict: Cameron is a force of nature. What his films lack in artistic merit, they make up for in sheer, inescapable, gripping bombast. There are no signs of this changing in the near future.


Rise to Power: Married effects, character drama and the manipulation of the space-time continuum in classics like the Back to the Future trilogy and Forrest Gump.

Claim to Fame: Pioneered and developed “perfomance capturing”, and with it digital 3D, in a series of films that were really not great but succesful enough to keep him going.

Defining Characteristics: Creates settings that eerily sit between animation and live action aesthetics with few cuts and sweeping camera moves to explore 3D.

Lined up: As producer, Mars needs Moms for Disney in which Seth Green plays his inner child. As director, Yellow Submarine, the remake of a film about a band whose latest achievement is making it onto iTunes.

The Verdict: Zemeckis has left his mark in the development of 3D but his style has become a bit predictable and even seems slightly old-fashioned compared to the general zeitgeist.


Rise to Power: After directing several commercials, he revived the American zombie film and brought a new quality of aestheticized violence to Hollywood cinema with 300 and Watchmen.

Claim to Fame: Directed an animated fantasy film about, of all things, owls, which looked stunning but suffered from an overcrowded story.

Defining Characteristics: Applies 3D to both space and time with his signature slow motion fight scenes. Seems to like the grandiose iconography of fascism.

Lined up: His first original screenplay, Sucker Punch, will be converted to 3D, while he tackles the next reboot of the most boring of all superheroes, Superman: Man of Steel.

The Verdict: One of the most challenging visual directors around, to whom 3D seems to come naturally. However, the quality of his films seems to be very dependent on that of the source material.


Rise to Power: Gave stop-motion animation its mainstream groove back by directing Tim Burton’s phantasmagoria The Nightmare before Christmas.

Claim to Fame: Coraline, a film that reads like the book on how 3D should work, especially in animation.

Defining Characteristics: Builds worlds that are slightly askew, both visually and storywise.

Lined up: Has returned to Disney/Pixar to work on more stop motion films.

The Verdict: Might produce the first film for Pixar that actually embraces 3D in its mise-en-scene.


Rise to Power: Made films about maniacs of all colours as part of Germany’s new wave in the 70s, then became one of the most leftfield directors around, creating motion pictures in every genre, form and country.

Claim to Fame: Got exclusive access to ancient French caves to film them in 3D in Cave of Forgotten Dreams.

Defining Characteristics: Embraces everything that fascinates him and turns it into something strange … and good.

Lined up: No word yet if there’s more 3D to come.

The Verdict: Herzog, with his oddball mentality and his talent for tearing down cinematic borders, might be one of those who leads 3D from childhood to maturity.

Photos by Steve Jurvetson, David Shankbone, rwoan, Thomas Crenshaw and erinc salor, used under a Creative Commons 2.0 licence.

Stuff I learned this week – #44/10

This is the attempt to install a new weekly link feature in this blog, similar to the way Worte zum Wochenende used to be.

James Cameron erklärt die Beam-Splitter-Kamera

In diesem Video erklärt Avatar-Regisseur James Cameron das “Cameron-Pace 3D Camera Rig”, mit dem sein Regenwald-Epos gedreht wurde, wenn schon nicht für Profis, dann doch zumindest für interessierte Laien wie mich. Das ist nicht nur amüsant anzusehen, sondern dürfte auch dem ein oder anderen die Augen darüber öffnen, wo die Probleme bei schlechter und die Chancen bei guter 3D-Inszenierung liegen, wie sie Cameron bei Avatar bewiesen hat.

Wird Avatar beim zweiten Sehen besser?

Lang, lang ist es her, dass ich für einen Film zweimal (bezahlt) ins Kino gegangen bin.* Avatar war es mir aber wert. Erstens weil ich den Film noch einmal sehen wollte ohne vom 3D-Effekt so überrollt zu werden, dass der Rest des Films ein wenig verblasst, zweitens weil ich den Film das erste Mal am Startwochenende gesehen hatte und ihn noch einmal nach dem Hype, dem Erfolg an den Kassen und dem Golden Globe-Gewinn begutachten wollte. Ich wollte sehen, ob er einem zweiten Blick standhält.

Interessanterweise tut er es, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass James Cameron in der Tat saubere Arbeit geleistet hat. Der Film ist nach dem Lehrbuch aufgebaut und zieht einen, nachdem man den etwas plumpen hard-boiled-voiceover-Einstieg überstanden hat, mit seinen klar strukturierten Szenen (mir ist aufgefallen, wie viele Schwarzblenden der Film hat) und Charakteren, die sich wie auf einem Schachbrett bewegen, direkt in die Story hinein. Spätestens nach zwanzig Minuten ist man auf Pandora angekommen, denkt kaum noch über 3D und über Computeranimation nach und nach anderthalb Stunden beginnt man, sich auf das große Actionspektakel am Ende zu freuen – und wird schließlich auch belohnt.

Auch seine anderen Stärken behält der Film bei: Den Aspekt von Avatar, der am deutlichsten ein klassisches Science-Fiction-Thema ist – die ethische und emotionale Seite des “Lebens” in einem fremden Körper – wird meistens eher ausgeblendet, dafür aber an einigen Schlüsselstellen in den Vordergrund gerückt: Zu Beginn von Jakes Trainingssequenz, wenn er kommentiert dass das Wirklichkeit-Traum-Verhältnis auf dem Kopf steht, am “Morgen danach”, als Neytiri Jake nicht aufwecken kann, weil er eben nicht in seinem Körper steckt, sowie kurz darauf, als er seine Rede nicht halten kann, weil Quaritch ihm den Saft abdreht – und schließlich kurz vor Schluss des Films in dem beeindruckenden Bild, als die drei Meter große Neytiri zum ersten Mal Jakes wahren Körper in ihrer Hand hält. Durch diese punktuelle Betonung des Avatar-Konflikts ruft der Film seinen eigentlich interessantesten Aspekt (der dem Film immerhin seinen Namen gibt) immer wieder gezielt ins Gedächtnis zurück – und mit der Auflösung des Konflikts endet der Film ja schließlich auch.

Beim zweiten Ansehen kann sich der Zuschauer auch noch deutlicher daran ergötzen, wieviel Detailüberlegung in die Entwicklung von Pandora geflossen ist, in das exotische aber in sich schlüssige Design von Kreaturen und Pflanzen und in die absolut hundertprozentige Glaubwürdigkeit der Charakterbewegung in dieser Welt. Überhaupt die Charakterbewegung: Es ist beeindruckend, wie gut das Performance Capturing beispielsweise die schwerfälligen Bewegungen von Grace und Norm – und anfangs auch von Jake – einfängt, in denen man so eindeutig die Menschen hinter den Na’vi erkennen kann. Schaut man sich zum Vergleich Zemeckis’ fast zeitgleich gestarteten A Christmas Carol an, in dem sich immer noch große Teile der Charaktere bewegen wie von der Augsburger Puppenkiste rekrutiert, kann man sehen, wie hoch Cameron die Meßlatte hier gelegt hat.

Und schließlich ist die 3D-Mise-en-scène nicht nur der herausragenden Actionszenen – die wie immer bei Cameron erste Sahne sind – sondern des ganzen Films nach wie vor beeindruckend. Immer wieder streut Cameron Shots ein, die einem den 3D-Effekt eindrucksvoll vor Augen führen ohne aufdringlich zu wirken: Größenvergleiche, POV-Shots, Fluchten, lange Close-Ups. Doch er lässt sie nicht zum Selbstzweck werden, schneidet einfach nach regulärem Continuity-Rhythmus.**

Gleichzeitig fallen beim zweiten Sehen aber auch die Schwächen des Films noch stärker ins Auge. Beispielsweise dass die komplette zweite Hälfte des Films von einer einzigen Szene abhängig ist, in der ein von Anfang an zweidimensionaler Charakter (Ribisis Businessmann Selfridge), eine Entscheidung fällt, deren Motivation vollständig auf der Strecke bleibt, nämlich den Heimatbaum der Na’vi zu zerstören und Graces Bedenken dabei einfach wegzuwischen. Selfridge ist als Charakter so flach, dass seine Entscheidung wie eine Art negativer Deus-Ex-Machina wirkt. Hätte man ihm von Anfang an mehr Tiefe gegeben – wo liegen seine Abwägungen bei der Führung des Unternehmens, welchen Werten und Zwängen ist er verpflichtet – oder ihn zumindest genauso durchgeknallt überzogen wie Quaritch, in dessen Wahnsinn wenigstens Methode steckt, wäre diese Entscheidung wohl nachvollziehbarer und der ganze doofe Gut-Böse-Dualismus des Films glaubwürdiger gewesen.

Und schließlich ist da der meistkritisierte Aspekt des Films, die typisch westliche Vision des Edlen Wilden, der reiner ist als der von der Zivilisation verseuchte Weiße. Dass dieser Edelmut in einer kriegerischen, heteronormen Gesellschaft liegt, die auch die positiven Aspekte des Fortschritts (beispielsweise Medizin und Selbstverwirklichung) zugunsten von Naturverbundenheit und vager Spiritualität ablehnt – andererseits aber einen “zivilisierten” Außenseiter als Messias braucht, um sie zu einen und zur Vernunft zu bringen – ist eine der großen Schwachstellen von Avatar und allen anderen kolonialistischen Erzählungen dieser Art, denen ich in diesem Fall nicht mal Rassismus, sondern einfach nur Eindimensionalität vorwerfen würde. Wann immer solche Gesellschaften dargestellt werden, wird beispielsweise immer ausgeblendet, wie es wohl denjenigen innerhalb beispielsweise der Na’vi geht, die eben keine Lust auf Jagen und Sammeln haben. Werden sie ebenso ausgestoßen wie die Kolonialisten?

Da sich bei Avatar die beeindruckenden und die entäuschenden Aspekte also so gut die Waage halten, wird der Film beim zweiten Sehen weder besser noch schlechter – er bleibt so solide und oberflächlich wie beim ersten Sehen. Das wiederum zeichnet ihn eigentlich als guten Film aus, der sich immerhin selbst treu ist.

Für die weitere Betrachtung des Films empfehle ich Dan Norths sortierten Querschnitt durch Kritiken und Essays, die Avatar hervorgebracht hat.

* Interessanterweise ist der einzige Film, seit Beginn meines Filmtagebuchs im Mai 2003, ausgerechnet Matrix: Reloaded, weil ich zum Start von Revolutions noch einmal in eine Dreier-Nacht gegangen bin.

** Auch hier bietet sich der Vergleich mit A Christmas Carol kurz an, der darauf hindeutet, dass es künftig zwei “Schulen” der 3D-Inszenierung in computergenerierten Umgebungen geben könnte. Eine (Cameron) inszeniert weiter als gebe es 3D gar nicht und versucht damit auf die zukünftige Alltäglichkeit der Technik hinzuweisen, die andere (Zemeckis) zelebriert ihr Medium: Sie setzt beispielsweise Schwenks und Innere Montage statt Schnitten ein, wann immer sie kann, und setzt stärker auf Tiefenschärfe um die Integrität der diegetischen Welt zu waren.

Ein paar Gedanken zu Avatar, James Cameron und 3D

Der ursprünglich geplante Titel dieses Blogeintrags war “Wie James Cameron mich immer wieder Glauben macht”. Aber nachdem ich heute wieder einige Sachen in 2D gesehen habe (Where the Wild Things Are und The Princess and the Frog und die Trailer davor), wollte ich den Bogen noch etwas weiter spannen und noch einmal allgemein über 3D und das momentane Effektkino schreiben wie ich es hier schon mal gemacht habe.

Aber trotzdem zunächst zu James Cameron. Terminator 2 ist vermutlich der wichtigste Film meiner Jugend, nicht zuletzt weil er ein Schlüsselstein in meinem Interesse für Spezialeffekte und CGI war. Superman hatte 1978 mit dem Spruch geworben You will believe a man can fly und T2 bedeutete für mich, dass ich daran glaubte, dass ein Roboter aus frei formbarem Flüssigmetall bestehen kann. Erst als ich mir viele Jahre später die DVD kaufte und ein paar Making ofs sah, begriff ich, dass gar nicht der ganze T-1000-Kram tatsächlich im Computer gemacht wurde, nur einige wenige Szenen. Aber die Illusion war (wie zwei Jahre später bei Jurassic Park) perfekt.

1997 lehrte mich dann wiederum Titanic eine neue Lektion in Glaubwürdigkeit. Nachdem ich ihn gesehen hatte (und die Story nicht so mochte aber ihn sonst okay fand), sah ich irgendwann mal ein Making of im Fernsehen und begriff da erst, wie viele Szenen, die ich für echt gehalten hatte, hier im Computer entstanden waren. Heute kann ich solche Shots erkennen, aber damals war ich noch ein CG-Newbie. Wiederum war es also James Cameron gelungen, mich an der Nase herumzuführen, diesmal im Bereich der “unsichtbaren” Effektshots, die nicht als solche wahrgenommen werden können.

Und dieses Jahr, 2009, hat mich Avatar zum dritten Mal an CG glauben lassen. Nach all den Effektschlachten der letzten Jahre, beispielsweise bei Harry Potter und den anderen SF/Fantasy-Konsorten hatte ich mich darauf eingestellt, dass man eine gute CG/Live-Action-Verschmelzung nur hinkriegt, wenn man dafür den Colour Grade so hochschraubt, dass das ganze unwirklich wird (für mich die erste Kategorie meiner Theorie von der “Neuen Digitalen Ästhetik”).

Avatar macht das allerdings nicht so. Die Welten von Pandora sind, wenn auch farblich mit ihren ganzen phosporeszierenden Pflanzen etwas psychedelisch ziemlich photorealistisch glaubwürdig. Hier verschwimmt nicht alles in weißen Rändern und Composting-Glows und gephotoshoppen Himmeln. Zugegeben, manchmal drückt Cameron auch hier etwas zu sehr auf die Weißabgleich-Taste, aber viele viele Shots draußen im Dschungel wirken echt und anfassbar. Und auch das Einfügen von menschlichen Charakteren (vor allem bei emotionalen Höhepunkten wie dem Treffen zwischen Neytiri und Sams echtem Körper) funktioniert perfekt.

Den Schlüssel für diese Glaubwürdigkeit sehe ich in der Dreidimensionalität. Cameron packt einfach noch eine Lage Effektkino auf seine Computerbilder drauf, die einen mit ihrer Attraktion so gefangen nimmt, dass man gar keine Kapazität mehr übrig hat, um auf die Unwirklichkeit der CG-Welt zu achten. Sie gibt dem Film die Glaubwürdigkeit, die er ohne vielleicht nicht hätte. 3D ist bei Avatar das, was Colour Grading bei Lord of the Rings war: Das Extra-Sahnehäubchen, das es braucht, um die Welt zum Leben zu erwecken.

Und das scheint mir der momentane Sinn von 3D zu sein. Es ist der zusätzliche WOW-Effekt, der den Sense of Wonder im desillusionierenden Computerkino (das mir extrem beispielsweise in den nur noch künstlich wirkenden Welten von 2012 aufgefallen ist) wieder herstellt. Der neue Schub für das Cinema of Attractions der zweiten Zehner Jahre in der Filmgeschichte.

Sehr bewusst geworden ist mir das heute nochmal, als ich die Trailer für Cloudy with a chance of Meatballs, Alice in Wonderland und How to Train Your Dragon, die ich bisher nur in 3D gesehen hatte, noch einmal in 2D gesehen habe. Plötzlich erschien mir hier alles wesentlich flacher und langweiliger als noch zuvor, es hatte ein bisschen was von seinem Reiz verloren.

3D ist und bleibt also nur ein Gimmick, aber ein wichtiges Gimmick, dass dem CG-überfrachteten Kino seinen Groove und damit seine Glaubwürdigkeit zurück gibt. Ohne gehts auch im Neuen Digitalen Ästhetik-Kino, aber es ist wesentlich langweiliger. Ich glaube, damit hat das 3D-Kino endgültig seine zweite Phase erreicht, analog zum Farbfilm (diese Analogie sehe ich nach wie vor) also diejenige, wo man sich bestimmte Filme ohne 3D (=Farbe) nur noch schlecht vorstellen kann.

Jetzt muss es nur noch die dritte Phase erreichen, in der es Normal (ja, mit großem N) wird und anfängt zum Kino-Establishment zu gehören, auch außerhalb von Filmen mit viel Computerzeugs.

Worte zum Wochenende

Doch nichts liegt ProSiebenSat.1 derzeit ferner, als eine eigene “Gebühr” zu fordern. Der Senderverbund möchte lediglich mehr direkte Erlösquellen erschließen, “etwa über Pay-TV, Video-on-Demand oder andere Geschäftsmodelle”, wie der Vorstandsvorsitzende Ebeling mit Gespräch mit dem Handelsblatt betont. Das Wort “Gebühr” benutzt Ebeling nicht ein einziges Mal. Das Handelsblatt nimmt das Wort “Nutzungsgebühren” in den Vorspann und spricht selbst noch von “Bezahl-TV”.

Robin Meyer-Lucht , Carta
// GEZ-Gebühr: Schlagzeilen-Bingo auf dem Boulevard

I can’t help but think that many newspaper-doomsayers are conflating hope with analysis.

Daniel Gross , Slate
// Paper Hangers

This time we tried to push the envelope, and the envelope pushed back. So we pushed a little harder.

James Cameron , in einer Featurette für Avatar
// Avatar Behind the Scenes Featurette

Mögen Verlage das noch so unfair finden: Es gibt kein staatlich verbrieftes Recht auf die Verlängerung nicht mehr funktionierender Geschäftsmodelle in die Zukunft.

Ulrike Langer , Medial Digital
// Keine Sahnehäubchen in Sicht

Spektakuläre Bilder

Am 17. Dezember erst kommt er in die deutschen Kinos: der erste Spielfilm von James Cameron seit Titanic. Avatar heißt das 237 Millionen Dollar schwere Werk, das als erster Film ausschließlich in 3D veröffentlicht werden und in Sachen visuelle Effekte und Performance Capturing alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen soll.

Ganzer Artikel erschienen in epd Film 10/09 – pünktlich zur Buchmesse mit einem Schwerpunkt Krimiverfilmungen sowie einem Blick in die amerikanische Indie-Regisseursszene.