Wie komponiert man einen Found-Footage-Film? – Interview mit Earth to Echo Editor Carsten Kurpanek

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Wie knuddelig kann ein Roboter sein? Einige Filme haben über die Jahre versucht, darauf die Antwort “sehr” zu geben – zuletzt und am prominentesten vermutlich Pixars Wall-E. Earth to Echo steht somit in einer lebendigen Tradition, und weil Echo, die eulenähnliche Titelfigur aus Metall, außerdem ein Außerirdischer ist, kann man E.T. gleich noch als zweiten Geburtshelfer dazupacken.

In der Tat folgt der Film, der in Deutschland diese Woche direkt auf Blu-ray und DVD erscheint, dem groben Handlungsmuster von E.T. fast eins zu eins: Kinder finden Außerirdischen, der wieder nach Hause möchte; Regierung jagt Kinder; Außerirdischer setzt “magische” Fähigkeiten ein, um Kindern zu helfen. Wer mag, kann dazu “Alles schon gesehen!” rufen, aber Earth to Echo aktualisiert das Thema gekonnt, indem er den Film zur Abwechslung aus “Found Footage” und Google Earth-Grafiken zusammenklebt und generell Technik eine große Rolle spielen lässt. Herzstück des Films ist eine Schnitzeljagd, die auch dann Spaß macht, wenn alles etwas vertraut erscheint.

Von Mainz nach L.A.

Carsten Kurpanek hat mit mir in Mainz Filmwissenschaft studiert, doch während bei mir immer klar war, dass ich zufrieden damit sein würde, über Filme zu schreiben, statt selbst welche zu machen (Die einzige Kopie meines Kurzfilmversuchs Der Tod hat ein Klemmbrett liegt unvollendet und gut versteckt in einem Bankschließfach in der Schweiz), hat sich Carsten spätestens nach einem Auslandsaufenthalt an der Ball State in Indiana in die Idee verbissen, in die Praxis zu wechseln.

Weil er trotz einiger Erfolge mit Kurzfilmen ahnte, dass er in Deutschland ohne formale Ausbildung nur schwer einen Fuß auf den Boden bekommen würde, entschied er sich, an die Quelle zu gehen und zog nach dem Studium in die USA. Mit Talent und Hartnäckigkeit hat er sich in Hollywood in relativ kurzer Zeit vom Hiwi in einer Produktionsfirma zum Feature Editor hochgearbeitet. Eine Tatsache, die mich immer noch manchmal staunen lässt. Am baffsten war ich sicher, als The Girl with the Dragon Tattoo vor zwei Jahren den Oscar für den besten Schnitt gewann und ich wusste, dass Carsten dort Assistant Editor war.

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Als Carstens Freund verfolge ich seine Arbeit so gut ich kann, und ab und zu muss er dann mal als Interviewpartner herhalten – so wie jetzt. Earth to Echo war Carstens erster Studiofilm, bei dem er tatsächlich als einer von zwei Editoren im Abspann steht. Aus New Orleans, wo er bereits am nächsten Projekt arbeitet, hat er mir per E-Mail auf meine Fragen geantwortet.

Die letzten beiden Male, die ich im Kino gejubelt habe, weil dein Name auf der Leinwand stand, war bei World War Z, wo du Assistant Editor warst. Wie hast du den Weg zu “Earth to Echo” gefunden?

Nach World War Z hatte ich das Glück, meinen ersten Spielfilm als Editor zu schneiden: Squatters vom deutschen Regisseur Martin Weisz. Danach ging es weiter mit ein paar Independent Filmen, Diving Normal und Fort Bliss. Ich hatte also schon ein paar Credits als der Anruf für Earth To Echo kam. Zudem bin ich seit etwa sechs Jahren mit dem Regisseur befreundet und habe einige seiner Kurzprojekte geschnitten (“Zombie Roadkill”, “Ham Sandwich” etc.).

Du bist “Co-Editor” und teilst dir den Credit mit deinem Kollegen Crispin Struthers. Was ist die Geschichte dazu?

Crispin hatte gerade Silver Linings Playbook geschnitten als Earth To Echo in Produktion ging. Earth To Echo war zu Beginn ja eine Disneyproduktion und wurde später an Relativity verkauft, und Studios gehen lieber auf Nummer sicher. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nur Squatters geschnitten. Glücklicherweise für mich wurde Crispin dann angeboten, American Hustle zu schneiden und zu sowas sagt man nicht nein. Er er hat also den Film vorzeitig verlassen und diesmal war der Regisseur Dave Green in der Lage, das Studio und die Produzenten zu überreden, mich einzustellen. Das war im Frühjahr 2013 und ich war bis zum Release in den USA im Juli 2014 am Projekt beteiligt.

Hat es dich angesprochen, dass die Hauptfigur im Grunde auch ein Filmemacher und Editor ist?

Ich wünsche mir oft, wir hätten als Kinder die Möglichkeiten gehabt, Filme zu drehen. Mir wäre das damals nie eingefallen. Und die digitale Revolution hat es Kids heutzutage viel leichter gemacht, audio-visuell kreativ zu sein. Earth To Echo ist definitiv für diese “Generation YouTube”. Einen Filmemacher als Hauptfigur zu haben (Spoiler Alert: der das Ende des Films überlebt), erlaubt einen stilistisch ein paar Freiheiten mit dem Found-Footage-Genre zu haben: wir haben zum Beispiel Voice Over und Score im Film.

Szenen nachdrehen mit dem iPhone

Das Found-Footage-Format hat uns gewissen kreative Freiheiten in der Post ermöglicht, die man in traditionellen Spielfilme nicht hat. Zum Beispiel ist Bildqualität nicht unbedingt ein Faktor. Wir waren in der Lage sehr spontan Szenen nachzudrehen und haben dabei nur ein iPhone verwendet. Da die Kamera oft eine POV ist und man die Kids nicht ständig im Bild sieht, hat man dadurch auch unglaublich viel Freiheit den Dialog im Nachhinein zu verändern. Der Film hat sehr viel ADR (additional dialog recording). Das wichtigste Stilmittel im Schnitt hinsichtlich eines Found-Footage-Films ist der Jump Cut.

Habt ihr euch Regeln aufgestellt, wie ihr diese Stilmittel einsetzen könnt? Man sieht ja zum Beispiel auch Einstellungen aus Echos Perspektive, die die Kids gar nicht als Video haben können. Habt ihr euch dazu eine Erklärung ausgedacht?

Wir hatten gewisse Regeln. Zum Beispiel habe ich vermieden Einstellungen zusammenzuschneiden, die das Gefühl von “Coverage” erwecken, also Aktion-Reaktion im Bild, vor allen in Dialogszenen. In der Diner-Szene haben wir die Regel ein, zwei Mal gebrochen. Das schaut dann fast zu “normal” aus, zu sehr nach Spielfilm – es schadet der Authentizität eines Found-Footage-Films. Ein Problem im Genre ist oft, dass der Kamera normalerweise die Batterie ausgehen würde, der Speicher nach ein paar Stunden Abenteuer voll ist und der Ton sehr mies wäre. Jeder Found-Footage-Film versucht, dieses Problem einfach unter den Tisch zu kehren. Wir sind da keine wirkliche Ausnahme. Wir erklären, dass Echo die Mobiltelefone quasi hijackt. Er gibt ihnen unbegrenzten Strom. Wie er seine persönlichen Videoaufzeichnungen auf den Telefonen der Kids speichern konnte, ist ein Geheimnis, das nur eine Fortsetzung lösen könnte.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Regisseur Dave Green allgemein? War ja sein erster Langfilm.

Dave und ich haben ein halbes Dutzend Kurzprojekte zusammen fertiggestellt. Wir sind schon seit 2008 befreundet und wir verstehen uns sehr gut privat und beruflich. Dave ist sehr involviert im Schnitt. Normalerweise schneide ich eine Version ohne seinen Einfluss, dann probieren wir mehrere Alternativen aus, bis wir entweder etwas Besseres gefunden haben oder überzeugt sind, dass die aktuelle Version die beste ist. Mein Job ist, Daves Ideen und seine Vision umzusetzen, so gut ich kann. Glücklicherweise schätzt er auch meine Meinung und es ist ihm wichtig, dass ich am Ende auch mit dem Schnitt zufrieden bin.

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Am Ende hauptsächlich VFX Reviews

Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Visual Effects-Team? Habt ihr die effektlastigen Sequenzen zuerst geschnitten und übergeben? Gab es Storyboards? Ich kann mir so schwer vorstellen, wie man bei so einem Film die VFX plant. Da muss die Zusammenarbeit mit dem Editorial doch bestimmt sehr eng sein.

Wir hatten Storyboards, Pre-Viz [bewegte Prävisualisierung, zum Beispiel mit groben Computeranimationen, -Alex] und auch etwas Post-Viz [Grobe Vorvisualisierung der geplanten Effekte im gedrehten Material -Alex]. Die schwersten Szenen waren der Lastwagen und das Raumschiff. Wir hatten auch zwei tolle Assistant Editors, Matt Sweat und Justin Yates, die in After Effects sehr gut sind und viele “temp” VFX erstellt haben, die dem VFX-Team als gute Vorlage gedient haben. Wir hatten etwa hundert VFX Shots und fast ein halbes Dutzend VFX-Firmen, die für uns sehr, sehr lange Tage und Nächte gearbeitet haben. Gegen Ende eines Projektes, wenn der Schnitt fast fertig ist, besteht der halbe Tag aus VFX Reviews. Wir schauen uns die neuesten Versionen an und geben Feedback.

Was war deine schwierigste Szene als Editor und welche kreative Lösung hast du dafür gefunden?

Die Opening Montage war die Szene an der ich am meisten gearbeitet habe. Um die hundert Versionen habe ich dafür erstellt, wenn auch zum Teil nur leichte Varianten. Wir haben in Testvorführungen oft die Kritik bekommen, dass der Beginn des Films zu langsam ist. Die Lösung war, das Interview mit Munch und Alex voranzustellen. Es hat ein paar humorvolle Momente was den Zuschauern die Erlaubnis gibt zu lachen. Wenn dann die sehr traurige Opening Montage anfängt, fühlt es sich nicht mehr ganz so schwer an.

Ich fand den Film wirklich knuffig. Die Verwandtschaft mit E.T. ist natürlich unübersehbar. Du magst den Film ja sehr gerne, soviel ich weiß. Ist das etwas, worüber ihr im Schneideraum gesprochen habt?

Natürlich. E.T. und Goonies wurden ständig als Referenz herangezogen. Wir lieben diese Filme. Wir sind mit ihnen aufgewachsen. Earth To Echo ist definitiv ein von den Amblin-Filmen der 80er inspirierter Kids-Adventure Film – ein Film, der die Kinder erst nimmt ohne dabei ein ernster Film zu sein. Manche Kritiker sahen nur einen Abklatsch, ich würde es Hommage nennen. Der Film ist zudem stilistisch so anders als .

Was hast du getrieben, seit Earth to Echo fertig ist und was sind deine nächsten Projekte?

Ich habe im Sommer ein paar Kurzfilme gedreht, Werbung und Musikvideos geschnitten – während ich darauf gewartet habe, meinen nächsten Spielfilm zu schneiden: Ich bin gerade in New Orleans, wo das Kickboxer Remake mit Jean Claude Van Damme gedreht wird – und ich habe das Glück, den Film mit meinem Freund und Kollegen Chris A. Peterson zusammen schneiden zu dürfen. Der zwölf Jahre alte Carsten ist überglücklich. Und ich bin es auch.

Earth to Echo ist seit 2. Dezember auf Blu-ray und DVD erhältlich

Film-Blog-Adventskalender – 4 – Henning Hönicke

Das vierte Türchen ist ein Wurmloch, das wieder zurück in dieses Blog führt. Unser heutiger Adventskalender-Wichtel, Henning Hönicke, ist Redakteur bei “Ygritte online”, Verzeihung, “Brigitte online”, und hat bisher nur ein Mikroblog unter twitter.com/hhoenicke, in das der Geschenktipp platzmäßig nicht so gut hineingepast hätte. Henning freut sich über Links zu Abrams-Trailer-Remixen und Lightsaber-Memes und hat mir versprochen, sich sehr bald ein Makro-Blog zuzulegen.

Es ist mal wieder soweit: Ein neuer Star-Wars-Trailer taucht auf, und die halbe Welt zebricht sich den Kopf, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Immerhin wurden zu viele Fans schon einmal aufs Härteste von dem „Es gibt wieder Star Wars“-Versprechen enttäuscht (oder auch nicht, je nach Alter). In der endlosen Debatte darüber, ob jetzt die Star-Wars-Prequels sehens- oder hassenswert sind, kommt eines meiner Lieblingsargumente aus der aufwändigen Abrechnung des Redletter-Media-Teams.

Gleich zu Beginn der Kritik von Episode 1 werden Menschen gebeten, doch mal die Protagonisten kurz zu beschreiben. Und, oh Wunder, keiner Sau fällt irgendwas ein, was man zu Queen Amidala, Anakin Skywalker oder Darth Maul sagen könnte. Bei der Original-Trilogie hingegen hat niemand Probleme sofort zu beschreiben, was man sich denn so unter „Han Solo“ vorstellen kann.
An so einem Punkt merkt man dann wieder: Die Original-Trilogie steht vor allem auch deshalb noch so hoch im Kurs, weil sie einfach eine gute Story mit interessanten Figuren erzählt (eingesprenkelte Ewoks jetzt mal ausgenommen). Und diese Story funktioniert, Achtung, Blasphemie, fast noch besser ohne Bild.

Klingt eher unwahrscheinlich, die Filme sind ja aus gutem Grund für die bahnbrechenden Special Effects, detailverliebte Ausstattung und Metall-Bikinis bekannt. Das wusste man natürlich auch vor etlichen Jahrzehnten beim National Public Radio – und sagte sich spontan: „Egal, machen wir jetzt“. Ergebnis: “Star Wars – The Original Radio Drama”.

Dass Star Wars in der Hörspielfassung so unglaublich gut ist, liegt an mehreren Dingen:

1. Star Wars hat schon immer sehr stark über das Ohr funktioniert, nicht nur wegen John Williams. In der Hör-Fassung entdeckt man noch einmal ganz neu, was für eine enorme Leistung es von Sounddesigner Ben Burtt war, ein komplettes Science-Fiction-Universum zu vertonen. Brummende Laserschwerter, kreischende Tie-Fighter, brüllende Wookies – mir fällt kein anderer Film ein, wo es so eine Masse von Sound-Effekten gibt, die gleich ein so starkes Bild im Kopf erzeugen.

2. Die Besetzung ist unglaublich gut. Mark Hamill, Anthony Daniels und Billy Dee Williams haben ihre Rollen sogar noch einmal komplett selbst neu fürs Radio gespielt und auch der Rest ist perfekt getroffen – Perry „Trio mit vier Fäusten“ King ist ein sehr überzeugender Han Solo, und John Lithgow ist fast noch Yoda-hafter als das Original (selbst Lisa-Simpson-Darstellerin Yeardley Smith ist in einer Nebenrolle dabei).

3. Die Story – jaja, habe ich schon erwähnt. Aber da Star Wars so nachhaltig von Flash-Gordon-Serials der Dreißiger inspiriert war, funktioniert die Geschichte auch umgekehrt hervorragend in halbstündigen Radio-Drama-Episoden mit Cliffhanger am Ende. Außerdem ist in der Radiofassung genug Zeit für Handlungsstränge, die aus dem Film gekürzt wurden. Wie deprimierend ist Lukes Alltag auf Tattooine? Wie lebt es sich so als Prinzessin auf Alderaan? Gar nicht erst nach Fan-Fiction suchen, die diese Fragen beantwortet – das Radio Drama ist offiziell von Lucasfilm als Kanon abgesegnet worden.

Falls ich mal wieder stundenlang Auto fahren oder den Kessel Run in 12 Parsecs reißen muss – ich weiß schon, was ich mir dabei anhören werde.

Warum uns Mockingjay mehr in Erinnerung bleiben wird als Interstellar

© Warner, StudioCanal

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in unbeobachteten Momenten ist es, vorherzusagen, an was wir uns als typisch erinnern werden, wenn wir in zwanzig Jahren auf unsere jetzige Zeit zurückblicken (übrigens auch einer der Gründe, warum ich unbedingt beim Techniktagebuch mitmachen wollte). Wenn man beobachtet, wie zurzeit auf die 90er zurückgeblickt wird, ob mit Liedern oder “Buzzfeed”-Listen merkt man doch, dass nicht unbedingt die Dinge im Gedächtnis bleiben, die man damals für wichtig hielt.

Lenkt man die Zeitgeistforschung auf die aktuelle Kinolandschaft und dort spezieller auf die Blockbuster der letzten Wochen, fallen einem zwei Filme auf. Christopher Nolans Interstellar hat alles, was es für einen “großen Film” braucht: einen visionären Regisseur von solchem Kaliber, dass sein Name ausreicht, um Zuschauer ins Kino zu ziehen, ein massives Kinoereignis, ein Originalstoff und mindestens einige Effekt-Oscars am Horizont. Auf der anderen Seite erscheint Mockingjay – Part 1 wie der typische massenproduzierte Plastikblockbuster von der Art, wie sie Hollywood inzwischen am laufenden Band raushaut. Die letzte gedrehte Performance von Philip Seymour Hoffman genügt mit Sicherheit nicht, um ihn zu etwas Besonderem zu machen.

Und doch ist Interstellar aus Zeitgeist-Sicht ein Film, der genau wegen seiner Alleinstellungsmerkmale überhaupt nicht in unsere Zeit passt. Fast schon ein Relikt ist er, mit seiner Fetischisierung von Filmmaterial und seiner Besinnung auf konservative Werte wie die Kernfamilie und den einzelnen “Great Man“, den Pionier, der die Menschheit ins neue gelobte Land führt. Mockingjay – Part 1 hingegen ist voll und ganz ein Produkt seiner Zeit und wird in zwanzig Jahren als so typisch für die erste Hälfte der 2010er gelten können, wie kaum ein anderer Film. Warum? Ich bin froh, dass ihr fragt.

1. Er spielt in einer dystopischen Zukunft

Ja, Interstellar auch. Aber während Nolans Film seine vage und wenig erklärte Öko-Katastrophe nur als Mittel zum Zweck nutzt, um seine Hauptfiguren auf den Weg zu einer neuen Frontier zu schicken, ziehen die “Hunger Games”-Verfilmungen ihre graumelierte Zukunftsvision knallhart durch. Und eine gesellschaftliche Spaltung in Haber und Nicht-Haber, bei der die Nicht-Haber zu einem Leben in Staub und Knechtschaft verdammt sind, ist nicht nur in Panem Programm, sondern in großen Teilen der Mainstream-Science-Fiction – auch im Kino, von Elysium bis Snowpiercer. Die Arizona State University hat sogar ein Programm namens “Hieroglyph” aus der Taufe gehoben, um wieder hoffnungsvollere Visionen zu produzieren, die die Forscher der Zukunft inspirieren sollen. So gut es uns teilweise im Moment noch geht, wir blicken alle in den Abgrund, der sich vor uns auftut.

2. Er ist Teil eines Franchises

Genau die Eigenschaft, die Mockingjay – Part 1 zu einem generischen Stücken Hollywood-Schlock zu machen scheint, macht ihn auch zu einem typischen Produkt unserer Zeit. Die 2010er-Jahre werden die Dekade der Franchises und des seriellen Erzöhlens sein. Seit Harry Potter und die Lord of the Rings-Filme bewiesen haben, dass ein treues Publikum brav alle paar Jahre wieder in die Kinos schlappt, um der Weitererzählung einer nicht abgeschlossenen Geschichte beizuwohnen – die oft nicht viel mehr ist als die Bebilderung eines ohnehin erfolgreichen Buches – gibt es bei der Franchisisierung in Hollywood kein Halten mehr. Nicht nur durch den Aufbau von Shared Universes wie bei Marvel und Co, sondern durch das Auswalzen einer Story auf mehrere Filme. Mockingjay – Part 1 ist nur das jüngste Beispiel dieser merkwürdigen “Penultification” (Dan Kois), die durch den Erfolg von seriellen Fernseherzählungen (und jetzt auch Podcasts) nur befeuert wird. Ich gehe schwer davon aus, dass diese Welle in zwanzig Jahren ein wenig abgeflaut ist.

3. Es geht um Medien

Interstellar ist ein altmodisches Forscherabenteuer – es zählt nur, was man mit den Händen berühren kann. Zentrale Plotpunkte des Films basieren darauf, dass Pioniere und Heimatbasis nur eingeschränkt miteinander kommunizieren können und natürlich muss die Raumfähre auf jedem Planeten, den es zu erforschen gilt, landen, statt aus der Luft zu sehen, dass es da unten nur Wasser und turmhohe Wellen gibt. In Mockingjay und den anderen “Hunger Games”-Filmen spielt Kommunikation eine der Hauptrollen. Vom zentralen Plotpunkt der Reihe, den titelgebenden Hungerspielen, die im Grunde eine Weiterentwicklung von Reality Shows wie “Survivor” oder “Big Brother” sind – bis hin zu den Propaganda-Videos, die Katniss im jüngsten Teil drehen muss: Medien und mediale Inszenierung stehen im Mittelpunkt der Handlung. Was könnte besser passen zu unserem Informationszeitalter voller Selfies und sozialer Netzwerke, voller YouTube-Stars, die aus dem Nichts geboren werden, und Überwachungsstrukturen, die uns vielleicht schon bald dazu zwingen, unser tägliches Leben noch mehr zu inszenieren, um nicht unter Verdacht zu geraten? Mockingjay mag eine “Young Adult”-Version der Zukunft sein, in der die wichtigste Bezugsperson der eigene Kostüm- und Makeup-Designer ist, aber der Film trift damit genau die brachliegenden Nerven unserer Zeit.

© StudioCanal

4. Die Hauptfigur ist eine Frau

Fuck yeah! Die 2010er werden hoffentlich die Dekade sein, an die wir uns erinnern, wenn es darum geht, dass 150 Jahre Feminismus endlich soweit im Mainstream angekommen sind, dass selbst der dümmste Studioboss einsehen muss, dass die wichtigsten Mover und Shaker einer Welt, auch einer fiktionalen Welt, nicht Männer sein müssen. Katniss Everdeen ist der weibliche Superheld, der Hollywood auf den Pfad von Wonder Woman, Frozen und Captain Marvel geführt hat, die Anti-Bella, die ihr verdammtes Schicksal selbst in die Hand nimmt. Als zu großen Triumph sollte man das jetzt noch nicht feiern, dafür ist noch zu viel zu tun, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Zum Vergleich: Interstellar

5. Es geht um eine Revolution

Hiermit schließt sich der Kreis zu Punkt 1. Auch wenn Occupy Wall Street und der arabische Frühling schon wieder verebbt scheinen, erreichen uns auch 2014 immer wieder Nachrichten von Aufständen und Protesten auf der ganzen Welt, von Hong Kong über Ferguson bis Bangkok, wo Mockingjay nicht gezeigt wurde, weil Protestierer den Drei-Finger-Gruß des Films als Zeichen annahmen. Revolution liegt in der Luft – vielleicht nicht in Deutschland, dafür geht es uns noch zu gut, aber im globalen Zeitgeist definitiv. In zwanzig Jahren werden wir wissen, ob diese Stimmung der Anfang einer großen Umwälzung war oder doch nur ein Blip auf dem Radar des großen Weiter-als-wäre-nichts-gewesen.

Lege ich Mockingjay eine Last auf, die der Film nie im Leben tragen kann? Ist Interstellar vielleicht doch kein Relikt sondern nur seiner Zeit voraus? In die Kommentare, bitte.

Großes Interviewpaket zu Quentin Tarantino

Meine alte Redaktion bei 3sat und die Sendung “Kennwort Kino” haben durch meinen Weggang nicht aufgehört zu existieren. Und wie 2013 bemüht sich mein Ex-Kollege Maik Platzen auch heute noch, zu seinen Sendungen relativ viel Bonusmaterial anzubieten. Seine jüngste Sendung “Die blutige Poesie des Kinos” zu 20 Jahren Pulp Fiction und Tarantinos Oeuvre seitdem lief am vergangenen Freitag und auf der 3sat-Seite ist nicht nur die Sendung abrufbar, sondern auch jede Menge Interviews. Leider nicht mit Tarantino selbst, der Meister war wohl nicht zu erreichen, aber mit Georg Seeßlen, Volker Schlöndorff, Musikjournalist Olaf Karnik, “Tarantino Archives”-Betreiber Sebastian Haselbeck, August Diehl und mehr.

Say “What” again

In eigener Sache: Podiumsdiskussion beim FILMZ Festival Mainz

Am 30. November werde ich auf dem FILMZ Festival in Mainz an einer Podiumsdiskussion “Zur Lage der Filmkritik in Deutschland” und zum Flugblatt für aktivistische Filmkritik teilnehmen. Mit mir sitzen einige alte Bekannte auf dem Podium: Norbert Grob hat meine Magisterarbeit betreut, Rudolf Worschech ist mein Chef bei “epd film” und Dennis Vetter hat mit mir studiert. Mit Marli Feldvoß war ich immerhin schon in Pressevorführungen, glaube ich.

Hier ist der Text aus dem Programmheft:

Lesen Sie Filmkritiken noch in gedruckten Fachzeitschriften oder informieren Sie sich über aktuelle Kinostarts über Blogs im Internet? Reicht Ihnen vielleicht schon der Trailer oder das Staraufgebot für Ihre Entscheidung ins Kino zu gehen? Oder schauen Sie Filme sowieso nur noch auf dem Tablet? Um für ihre Rezipienten auch im 21. Jahrhundert attraktiv zu bleiben, müssen Filmkritiker_innen auf diese Fragen Antworten finden. Der Verband der deutschen Filmkritik hat mit ihrem „Flugblatt für aktivistische Filmkritik“ ein Zeichen gesetzt: Um gesellschaftlich relevant zu bleiben, soll sich die Filmkritik gegen eine Anpassung an die Marktlogik und einem Eigenverständnis als Dienstleister für Filmverleiher und Programmkinos stellen. Stattdessen sollen Filmkritiker_innen wagemutige Positionen einnehmen und dabei ästhetisch wie kulturpolitisch Stellung beziehen. Auf Basis des Flugblatts diskutieren einige der renommiertesten Filmkritiker_innen über die Potentiale einer „aktivistischen“ Filmkritik unter Berücksichtigung neuer Rezeptionsbedingungen des Publikums:
Dennis Vetter (Vorstand im Verband der Deutschen Filmkritik VDFK)
Marli Feldvoss (Publizistin, Filmkritikerin und Lehrbeauftragte für Filmgeschichte)
Prof. Dr. Norbert Grob (Wissenschaftler, Autor, Essayist / Professur für Mediendramaturgie und Filmwissenschaft in Mainz)
Alexander Matzkeit (Freier Journalist und Blogger)
Rudolf Worschech (Verantwortlicher Redakteur epd film)
Moderation: Andreas Heidenreich (Vorstandsmitglied im Bundesverband kommunale Filmarbeit, Programmgestalter beim Kommunalen Kino Weiterstadt und der Caligari FilmBühne, Leiter des Filmfests Weiterstadt u.v.m.)

Ich bin explizit als Blogger geladen, werde mich also bemühen, die Rolle gut zu spielen. Das heißt, ich werde einen Kapuzenpulli tragen, vom Podium twittern und generell eher pöbeln als argumentieren. Logo.

Das ganze findet statt in meinem alten Hörsaal
im Mainzer Medienhaus, Wallstraße 11, am 30. November 2014, um 11 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
Mehr Infos zu FILMZ auf deren Homepage.

Der Audiokommentar – Liebeserklärung an einen Paratext

Paratext, grob gesprochen, ist alles, was um einen Text herum passiert und mit ihm veröffentlicht wird, aber nicht der Kerntext selbst ist. Der Begriff stammt aus der Literaturwissenschaft, aber wenn man einen Film als Text definiert, wären Paratexte zum Beispiel Marketing-Materialien wie Poster, Trailer und Pressetexte. Auch DVD-Menüs sind Paratexte, Schnittfassungen (zum Beispiel Director’s Cuts) und je nach Definition auch transmediale Erweiterungen wie Videospiele oder Merchandising-Artikel.

Audiokommentare sind jedenfalls mit Sicherheit Paratexte und ich finde, sie gehören zu den interessantesten überhaupt. Allerdings fühle ich mich oft ziemlich allein mit dieser Meinung, denn selbst viele Filmliebhaber, die ich kenne, haben kaum je einen Audiokommentar gehört. Vielleicht ist der Grund, dass die Rezeption eines Audiokommentars recht zeitaufwendig ist, immerhin dauert diese genauso lang wie der Film selbst und manch einer denkt sich vielleicht: da gucke ich lieber den Film noch einmal.

Commentary Commentaries

Audiokommentare sind so sehr die Stiefkinder der paratextuellen Familie, dass die “Film School Rejects” eine Kategorie namens Commentary Commentary haben, in der sie anderen Filmfans das Anschauen von Audiokommentaren abnehmen und in praktische “X Things we learned from the Y Commentary”-Listicle ummünzen. Audiokommentare sind nicht mehr als eine weitere Quelle, aus der man Trivia destillieren kann.

Dabei gilt bei Audiokommentaren mehr als sonstwo “The Medium is the Message”. Es geht auch um Informationen, natürlich, aber vor allem geht es um die Möglichkeit, einen Film gemeinsam mit den Menschen zu gucken, die ihn gemacht haben. Besonders wenn man Audiokommentare mit Kopfhörern hört, kann das eine sehr intime Erfahrung sein.

Filmerzähler

Audiokommentare in ihrer jetzigen Form sind eine Erfindung des digitalen Zeitalters. Ihr Debüt feierten sie, laut Wikipedia, auf der Criterion Laserdisc-Edition von King Kong (1933), die einen erklärenden Kommentar von Filmhistoriker Ronald Haver enthielt. Doch wenn man es nicht so genau nimmt, liegen die Ursprünge deutlich weiter zurück. In den Anfangstagen des Kinos waren so genannte Filmerzähler, die erklärten und kommentierten, was auf der Leinwand passierte, Teil des Kinoerlebnisses. (Mein Filmwissenschaftsprofessor Thomas Koebner, der auch die Aura eines großen Conferenciers hat, schlüpfte in Vorlesungen beim Zeigen von Ausschnitten oft unbewusst in diese Rolle. Es war großartig.)

Die Marketingkampagnen rund um Filme sind heutzutage stark kodifiziert. Im Zeitalter der Press Junkets kann man sich darauf einstellt, dass man in seinem 5-Minuten-Interview mit dem Filmemacher die gleichen Antworten bekommt, wie die zwanzig Journalisten vor und nach einem – nicht zuletzt, weil auch alle die gleichen Fragen stellen (interessante Dekonstruktionen dieses Prozesses gibt es immer wieder, zum Beispiel von Peter Jackson (nur noch über Torrent) oder von Mila Kunis). Es gibt wenige Situationen, in denen diese Marketing-Maschinerie aufbricht. Eine davon sind lange Interviews, besonders in Podcast-Form, wie man sie zum Beispiel bei “The Q&A” oder dem “Nerdist Podcast” findet. Eine andere sind Audiokommentare, wie man sie inzwischen fast auf jeder DVD oder Blu-ray findet (falls sie die vollständige Ausstattung enthält).

Der Zeitpunkt zählt

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist der Zeitpunkt, zu dem Audiokommentare aufgenommen werden. Häufig sind sie der Abschluss des Postproduktionsprozesses, bevor der Film der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Das heißt: zu diesem Zeitpunkt haben die Filmemacher sich noch nicht dabei zugehört, wie sie hunderte Male die gleichen Marketing-Blasen von sich geben, sie sind frisch fertig und stolz auf ihren Film. Das kann manchmal sogar herzzereißend sein, wie im Audiokommentar des Millionenflops John Carter, wo Regisseur Andrew Stanton lange über mögliche Sequels philosophiert. Die Alternative, gerade bei älteren Filmen, sind Audiokommentare, die lange Zeit nach dem Kinostart entstehen. Hier haben die Filmemacher wie bei jeder Retrospektive zwar den Nachteil der Nostalgie und verschwommenden Erinnerung, aber auch den Vorteil der Reflexion, der einen freier sprechen lässt.

Die bestmögliche Form des Audiokommentars entsteht, wenn die wichtigsten kreativen Köpfe des Films, am besten nicht mehr als vier, gemeinsam in einem Raum sitzen, den Film gucken und sich vorher ein paar Notizen gemacht haben. Für Filmfans unbezahlbar ist dabei nicht nur die Kommentierung des eigenen Werks, sondern auch die Möglichkeit, Filmemacher akustisch dabei zu beobachten, wie sie in einer nicht knallhart als Publicity erkennbaren Situation miteinander interagieren, scherzen und diskutieren. Diese psychologische Komponente mag nicht für Jeden interessant sein, ich finde sie faszinierend. Zu meinen persönlichen Lieblingsmomenten gehört der Audiokommentar von Jurassic Park III, bei dem VFX- und SFX-Supervisor streckenweise selbst nicht mehr sagen können, welche Einstellungen computergenerierte Dinos enthalten und welche animatronische. Oder der Audiokommentar von X2, in dem Bryan Singer und sein Kameramann Tom Sigel während des Abspanns todernst beginnen, Teil 3 als Musical zu planen – inklusive Gesang.


Nicht grundsätzlich gut

Das soll nicht heißen, dass Audiokommentare grundsätzlich gut sind. Filmemacher fallen sehr gerne in die Falle, über weite Strecken nur die Arbeit ihrer Kollegen (oder auch ihre eigene) zu loben. Schauspieler sind fast immer recht langweilige Kommentatoren – außer sie sind Arnold Schwarzenegger. Falls sie nicht in einer übergeordneten Funktion auch anderweitig am Film beteiligt waren, haben sie wenig über den Prozess des Filmemachens zu erzählen und sitzen gerne stumm da, um einfach nur mal in Ruhe den Film zu gucken. Schließlich spürt man auch im Audiokommentar oft die eiserne Klaue der Publicists, die ihre Klienten ermahnen, nicht vom Marketing-Skript abzuweichen. Da kann man sich stattdessen auch eine jener unsäglichen “Featurettes” anschauen, die häufig bei DVDs dabei sind. Die sind kürzer.

Aber die besten Audiokommentare sind wundervoll. Der Wikipedia-Artikel enthält eine eindrucksvolle Liste an Highlights, Variationen und auch Parodien, an denen man sehen kann, dass die Form längst ihre eigenen Konventionen und Stile entwickelt hat. Doch selbst abseits dieser Highlightliste eröffenen Audiokommentare einem einen neuen Blick auf einen Film während man diesen sieht. Sie sind Filmanalyse am offenen Herzen und Filmemacher Meet-and-Greet in einem. Und dafür sollte es sich immer lohnen, einem Film noch einmal seine Zeit zu schenken.

Andere Länder haben auch schlechte Filme

Epigraph:

Ich komme gerade aus Istanbul zurück, wo meine Frau ein Auslandssemester macht. Und weil es viel geregnet hat, wir beide gerne Filme sehen und Kino in der Türkei a) OmU und b) nicht sehr teuer ist, haben wir uns an einem Abend The Judge angeschaut. Doch in diesem Post geht es nicht um triefig-sentimentale Nostalgie-Seifenopern mit Robert Downey Jr. (Mannomann! Als der Rain Man-Bruder mit der Kamera um die Ecke kam, wusste ich schon: das wird nix). Es geht um das Vorprogramm.

In mir fremden Ländern studiere ich mit Vorliebe Werbung und andere popkulturelle oder kommerzielle Ergüsse, weil ich finde, dass sie oft deutlich mehr über die Gesellschaft vor Ort aussagen, als die hochkulturellen Highlights, die zu uns herüberschwappen. Zum Beispiel fiel mir in Istanbul auf, dass die meisten Menschen auf Werbeplakaten dort sehr hellhäutig und überhaupt nicht türkisch aussehen (ähnlich wie all die blonden, heilen Familien der deutschen Werbelandschaft, schätze ich).

Ich freute mich also auf die Trailer im türkischen Kino. Leider gab es nur zwei, aber oh!, was wurde ich belohnt. Hier ist zum Beispiel Olur Olur!, was so viel heißt wie “Na gut, na gut!”.

Ich spreche kein Türkisch, aber der Trailer (ich mag das türkische Wort “Fragman”) sagt einem alles, was man wissen muss, oder? Mehrere Männer mit unterschiedlichen Bedürfnissen, ein paar Frauen mit unterschiedlichen Vorlieben, ein Badeort. Das ist der Stoff, aus dem die Lachflashs sind. Vor allem wenn zwischendurch ein Kind mit dem Gesicht in einen Schokokuchen gedrückt wird, zwei Leute “Party Time!” rufen und ein Mann peinlich und schief singt. Ich kann den gleichen Film auf Deutsch mit Jürgen Vogel, Matthias Schweighöfer, Axel Stein und Nora Tschirner in den Hauptrollen quasi riechen.

Und dann war da noch Karişik Kaset.

“Karişik”, wie ich zwei Tage später beim Bestellen einer Kumpir feststellte, heißt “gemischt”. Eine “Karişik Kaset” würde man hierzulande also mit dem wunderbaren deutschen Wort “Mixtape” übersetzen. Und auch hier braucht man keinen Dolmetscher, um zu verstehen, mit welchem Film man es zu tun hat. Eine junge Uschi Glas, ein gutaussehender Mann. Jugendliebe und erwachsenes Wiedersehen. Ein Schiff. Küsse im Dunkeln. Traurige Musik, die zum Montage-Teil des Trailers in einen Song umschlägt, der aussagt: “Das Leben ist wild und unberechnbar.” Ich würde die Remake-Rechte sehr gerne an eine deutsche Fernsehfilm-Redaktion verkaufen.

Wann immer ich das Bedürfnis habe, auf den deutschen Mainstream-Film zu schimpfen, werde ich künftig an Olur Olur und Karişik Kaset denken und daran, dass man die gleiche Diskussion wahrscheinlich in jedem Land der Erde führen könnte. Irgendwie entspannt einen das ein bisschen.

(Aber immerhin: Im Istanbuler Szeneviertel Beyoğlu fand sich dieser Schriftzug an einer Hauswand.

Ich kaufe mir demnächst eine Spraydose und sprühe “Dietrich Brüggemann” an eine Wiesbadener Mauer.)

(Mit Untertiteln ist der Olur Olur Trailer fast langweiliger.)

Nachhaltigkeit (III)

Das Internet mag ein ewiges Langzeitgedächtnis haben, doch sein Kurzzeitgedächtnis ist miserabel. In der Rubrik “Nachhaltigkeit” gehe ich zurück zu meinen Blogeinträgen der letzten Monate und verweise auf interessante Entwicklungen in den angerissenen Themen.

Cinematic Universes

First things first. Mein Lieblingsthema, das Marvel Cinematic Universe, erfährt dieser Tage einen harten Backlash. Wobei, es ist nicht einmal das MCU, dass beschimpft wird, sondern die Studios, die jetzt alle versuchen, das Prinzip zu kopieren. Egal ob Universal Monster, Robin Hood oder Ghostbusters. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben mit Filmen, die das Avengers-Modell kopieren, das Marvel so viel Geld eingebracht hat. Und wie immer scheitern die Nachahmer. Dracula Untold, der Film, den Universal noch nachträglich zum ersten Franchise-Film umgebaut hat, muss einsamer Mist sein und jetzt ist mehreren Kritikern der Kragen geplatzt. Peter Sciretta, Chef von “/Film” hat in seinem Artikel 9 Current Movie and Television Trends I hate die Universen gleich an erste Stelle gepackt – und direkt seine Kollegin Angie Han zitiert.

Bei “The Dissolve” hat Scott Tobias sogar eine längere Abhandlung namens “The Case Against Cinematic Universes” verfasst und ganz klar die Schwächen solcher Filmreihen benannt: Die Filme müssen sich ähneln, sie müssen Szenen enthalten, die eigentlich nicht in den Film gehören, und sie werden schwerfälliger, weil sie Zukünftiges aufbauen müssen. Tobias hat natürlich absolut recht. Ich glaube trotzdem, dass diese Art Filmemachen – wenn es clever angestellt ist – dennoch seinen (popkulturellen) Wert haben kann. Aber wann hat der Kopierwahn in Hollywood jemals zu etwas Gutem geführt? Sam Adams hatte schon im August festgestellt, dass die After-Credit-Scene in Guardians of the Galaxy noch der beste Kommentar auf Marvels Synergiebemühungen ist.

Ein weiterer Aspekt dieser Art von Franchising, den ich schon vor zwei Jahren aufgeschrieben hatte, ist, dass Filme durch die über den einzelnen Film hinaus geplante Produktion, stärker wie Fernsehserien werden. Für den “Hollywood Reporter” hat Richard Greenfield das Argument vorgebracht, dass sich das noch verstärken sollte.

In a sense, movie studios will need to morph into television studios, which tell ongoing stories. This is a logical evolution for a movie industry that is now obsessed with the creation of “franchises,” with increasingly little to no interest in midbudget films. How many wannabe Jedis and their families would pay for an everything Star Wars subscription? Avengers? Frozen? Spider-Man? Batman? Avatar? Whereas the movie industry has resisted change in the past decade(s), major change over the next decade feels inevitable.

Eigentlich eine schreckliche Vorstellung.

Das neue Star Wars Universum

Das einzige Medienuniversum, dem die Kritikerinnen noch etwas zuzutrauen scheinen, liegt in den Händen der “Lucasfilm Story Group”. Es geht natürlich um Star Wars, dessen neue Serie Rebels ich ja in einem Podcast besprochen habe. Außerdem hat Lucasfilm ja in diesem Jahr das alte Expanded Universe dichtgemacht und durch einen neuen, zentral gesteuerten Kanon ersetzt. Hierzu sehr lesenswert: “The Star Wars Expanded Universe: A Eulogy“, John Jackson Millers Bericht über seinen Weg zum ersten Roman im neuen Kanon, A New Dawn sowie der erste Teil des Interviews mit Simon Kinberg, einem der Masterminds in der Story Group.

Über Dawn of the Planet of the Apes schreibend habe ich versucht zu erfassen, wie Prequels funktionieren können, nämlich indem sie möglichst indirekt auf ihren Ur-Text Bezug nehmen. Noel Murray hat auf “The Dissolve” allgemeiner auf “The Problem with Prequels” hingewiesen und sie vor allem vom Flashback abgesetzt. Warum steht das hier noch unter der Star Wars-Überschrift? Weil Rebels den Schuss anscheinend nicht gehört hat.

Einheitstheorien

Ich habe in der berüchtigten “Pixar Theory” ja eine Sehnsucht nach einem gemeinsamen Universum gesehen, in dem sich unsere fiktionalen Helden begegnen könnten. Nicht nur hat die Pixar Theory vor kurzem durch ein YouTube-Video neuen Aufwind bekommen, sondern auch einen ebenso genialen Cousin: Die Stan-Lee-Theorie.

Diese Theorie postuliert, dass Stan Lee – der in jedem Marvel-Film einen Cameo-Auftritt hat – in Wirklichkeit immer die gleiche Figur spielt. Die Theorie existiert in zwei Varianten. Eine Möglichkeit ist, dass Lee den “Watcher” spielt, eine schräge Figur aus dem “kosmischen” Teil des Marvel-Universums, die alles beobachtet, aber nie eingreift. Viel besser finde ich Variante Nummer zwei: Stan Lee ist ein ganz normaler Typ, der Superhelden scheinbar magisch anzieht und darüber nicht gerade glücklich ist. Hochamüsant.

Internet im Film

Mein Artikel vom letzten Jahr, “Unser vernetztes Leben ist im Kino nur eine Randnotiz” bekommt dieser Tage wieder Aufwind, weil Jason Reitmans Film Men, Women and Children in den USA gestartet ist. Darin geht es um mehrere Geschichten, die sich um Kommunikation, Beziehungen und das Internet drehen und der Film scheint in die gleiche technophobe Kerbe zu hauen, die man seit Jahren im Hollywood-Kino beobachten kann. (“Hackers and Nerds” ist übrigens Punkt 8 auf Scirettas Hassliste). Kate Erbland fragt auf “Screencrush” zurecht: “Why are Movies still afraid of the Internet?

Der reinen Darstellbarkeit von moderner Kommunikationstechnologie hat sich auch Tony Zhou angenommen, dessen Videoserie “Every Frame a Painting” sich zunehmend zu einer der “Must Watch”-Dinge für Filmfans entwickelt.

A Brief Look at Texting and the Internet in Film from Tony Zhou on Vimeo.

Und außerdem

David Bordwell sieht Filmarchive mit anderen Augen als ich (logo). Während ich bei jeder Gelegenheit für mehr Humor in Comic-Verfilmungen plädiere, hat Warner/DC tatsächlich eine No Jokes Policy. Zu meinem Rant über das Kritikerspiel passt ganz gut David Bordwells Sammlung von Erste-Welt-Problemen großer Kritiker. (Außerdem werde ich übrigens im November zum Thema in einer Podiumsdiskussion sitzen.)

Und noch habe ich keinen Job bei “Wired”. Aber ich habe dank der App Timehop diesen Facebookpost von vor 5 Jahren wiedergefunden. Ich liebe das Heft wirklich.

Podcast: Star Wars: Rebels – Spark of Rebellion

© Disney

Heute abend ist Premiere für die neue Star Wars-Serie Rebels auf Disney XD. Sascha von Pew Pew Pew, Philipp von Serien.Ninja und ich haben den “Pilotfilm” Spark of Rebellion auf der “Kinotour” vorab gesehen und gemeinsam besprochen.

(Für jemanden, der sich gerne über die Klangqualität anderer Podcasts beschwert klingt meine eigene Stimme diesmal extrem nach Echokammer. Leere Konferenzräume sind eben keine guten Aufnahmestudios. Besserung ist gelobt.)

Wir spoilen den Film in der ersten Hälfte des Podcasts in groben Beats und sagen dann irgendwann an, wenn wir richtig ins Detail gehen.

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Shownotes:

Crosspost mit “Pew Pew Pew”

Blick in die Blogosphäre: #Horrorctober

Ich mach’s kurz, weil ich’s eigentlich länger machen wollte. Seit letztem Jahr haben einige Filmbloggende angefangen, die Film-Blogosphäre in Themenmonaten zusammenzubringen. Der Plan: Alle gucken einen Monat lang Filme zu einem bestimmten Thema und unterhalten sich währenddessen darüber. Mit Hashtag. Angefangen hat das ganze letztes Jahr mit dem “Horrorctober”, in dem es darum geht, im Oktober 13 Horrorfilme zu gucken. Die Liste soll man am besten noch auf Letterboxd anlegen, das ist aber keine Pflicht.

Ich wollte eigentlich mit dem Erfinder des Ganzen, Patrick Thülig von “Kontroversum” (derzeit sanft entschlafen), ein Interview machen, aber die Zeit hat mich aufgefressen. Zum Glück hat Jan auf “CineCouch” das Wichtigste zusammengefasst und – viel besser – eine Liste mit Teilnehmern erstellt – da ist echt ein ziemlich großer Teil der Film-Bloggerszene vertreten. Hurra! Weitere Mitmacher sind gerne gesehen!

Ich stehe auch in dieser Liste, aber meine Letterboxd-Zusammenstellung ist eher so ein “Was wäre wenn”. Ich bin nicht der größte Fan von Horrorfilmen (wie man an den Filmen in der Liste sieht, habe ich auch viele Klassiker noch nicht gesehen) und ich weiß nicht so recht, ob ich meinen ganzen Oktober damit verbringen möchte. Außerdem nehme ich ungerne an Unternehmungen teil, bei denen ich nicht sicher bin, ob ich sie zeitlich schaffe. Aber vielleicht nehme ich die (ansonsten grandiose) Aktion zum Anlass, um wenigstens mal das ein oder andere Objekt zu studieren und anschließend in Formaldehyd einzulegen und es später mit elektrischen Aalen wieder zum Leben zu erwecken. IT’S ALIVE!

(Mit an Bord ist übrigens auch noch das Streamingportal MUBI, das im Rahmen des Horrorctober dann auch verstärkt Horrorfilme im Angebot hat. Der Kontakt kam übrigens beim Bloggertreffen im Februar zustande. Nur mal so.)

Ergänzung, 2.10.
Felix sammelt in seinem “Felham”-Blog die Blogposts zum #Horrorctober. Danke an Jan in den Kommentaren für den Hinweis.