Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2015

94. Diese traurige Zahl beschreibt die Menge an Filmen, die ich 2015 gesehen habe. Noch einmal zwölf weniger als im Jahr zuvor, gut 50 weniger als ich früher™ im Durchschnitt pro Jahr gesehen habe. Schuld ist – neben der Tatsache, dass Film nicht mehr mein Hauptberuf ist – vor allem das Fernsehen. Ich habe in meiner persönlichen Rückschau schon einmal aufgezählt, was ich dieses Jahr statt Filmen gesehen habe – insgesamt sicherlich 60 bis 70 Stunden Serien. Alles Zeit, die nicht in Filme fließen konnte.

Trotzdem fühle ich mich eigentlich ganz gut gerüstet für diese Top 10. Von den 94 Filmen stammt gut die Hälfte aus diesem Jahr. Nur wenige muss ich zähneknirschend in die “Nicht gesehen”-Ecke schieben, The Look of Silence, Wild und Sicario vor allem. Schade finde ich vielmehr, dass mir dieses Jahr keine Zeit für kleine Entdeckungen abseits des Mainstreams und des kritischen Konsens blieb, denn Festivals und andere filmische Forschungsreisen waren zeitlich einfach nicht drin. Ich habe also eine Meinung zu fast jedem “wichtigen” Film dieses Jahres, aber wenig private Perlen, für deren Hervorhebung Top-10-Listen ja irgendwie auch immer gut sind. Das erklärt leider auch den eklatanten Mangel an nicht-englischsprachigem Kino in der Liste.

In der Folge habe ich mich selbst ermahnt, diese Liste so persönlich wie möglich zu gestalten und mich nicht zu sehr von den Lobeshymnen anderer beeinflussen zu lassen, wozu ich manchmal durchaus neige. Carol, zum Beispiel, fand ich zwar sehr schön anzusehen, aber er hat mich kalt gelassen. Macbeth fand ich als filmische Interpretation eines Shakespeare-Stücks streckenweise sehr bemerkenswert, aber ich hatte auch den Eindruck, dass Justin Kurzel nicht wusste, wohin mit all den famosen Worten. Ich habe begriffen, dass Birdman viel zu bieten hat, aber was er mir genau sagen wollte, weiß ich heute genau so wenig wie Anfang des Jahres. Und während The Walk hat mich zwar plangemäß geschwindelt, aber ich konnte einfach nicht vergessen, wie viel begeisterter ich 2008 während Man on Wire war.

Lobende Erwähnungen

Star Wars: The Force Awakens hätte es fast noch auf die Liste geschafft, denn trotz aller Kritikpunkte muss ich seine reine Begeisterungsleistung einfach anerkennen, warum genau steht bei Letterboxd. Ich habe großen Respekt vor Avengers: Age of Ultron, nicht nur wegen seiner visuellen Ideen, sondern auch wegen der erfolgreichen Bewältigung eines fast unmöglich scheinenden Jonglage-Akts – am Ende hat mich aber die x-te Konfrontation mit einer Horde gesichtsloser Schergen mehr geärgert als gefreut. Und bei Steve Jobs, immerhin das Werk zweier Filmemacher, die ich sehr schätze, bin ich einfach mit den falschen Erwartungen ins Kino gegangen – der Film harrt seiner Zweitsichtung, jetzt wo ich weiß, dass “nichts davon passiert, aber alles wahr” ist, wie Aaron Sorkin es ausgedrückt hat.

Aber jetzt. Die Top 10.

10. Victoria

© Senator

Ich gebe ehrlich zu, dass ich nach all dem Hype etwas enttäuscht war, als ich aus Victoria kam. Vielleicht auch, weil mich Sebastian Schippers Bravado im anschließenden Q&A ein bisschen genervt hat. Aber der Film hat einfach meine Anerkennung verdient. Nicht nur, weil er ein technisches und schauspielerisches Meisterstück ist und so viel für den deutschen Film getan hat wie wahrscheinlich seit Lola Rennt niemand mehr, sondern noch aus einem weiteren Grund, über den ich viel nachgedacht habe. Ich mag es, dass Victoria ein Film mit Geografie ist. Durch die ununterbrochene Einstellung gibt es hier einfach keine filmische Trickserei und ich plane nach wie vor, die Handlungsroute des Films bald mal abzulaufen. Darauf freue ich mich. Und ein Gutes hatte das Q&A außerdem: Ich weiß, warum der Film eine Cutterin brauchte.

9. Jupiter Ascending

© Warner Bros.

In der Zeit der Fortsetzungen, Remakes, Reboots, Legacyquels und Parakosmen ist es eine Freude, einen völlig eigenständigen Science-Fiction-Stoff auf der Leinwand zu sehen, selbst wenn er so batshit crazy ist wie Jupiter Ascending. Aber wie ich schon im Blog und im “Kino-Zeit”-Adventskalender erzählt habe – man darf das, was man hier sieht, einfach nicht für bare Münze nehmen. Man muss ein bisschen Camp-Leichtigkeit mitbringen, Spaß am Kitsch und am Über-Epischen. Dann klappt’s auch mit dem Genuss.

8. Whiplash

© Sony

Whiplash hat mich in einen emotionalen Taumel gestoßen. Ich war unglaublich begeistert von der Art und Weise, wie er das Spielen von Musik inszeniert – als fantastischen Rausch aus Klängen und Eindrücken, genau wie es wirklich ist – und wütend über seine Darstellung des Verhältnisses von Talent und Blutzoll bei dem, was eine_n “gute_n Musiker_in” ausmacht. Damien Chazelle verwechselt, ähnlich wie die Oscars, einfach “Best” mit “Most”. Aber ein Film, an dem ich mich reiben kann – noch dazu einer mit Schlagzeugsolo – ist mir trotzdem lieber als dutzende Biopics, die Talent einfach als eine Art Zaubertrick darstellen. Ausführlichere Gedanken dazu auf Letterboxd.

7. While We’re Young

© UFA

Noah Baumbachs Filme handeln immer ein bisschen davon, dass Leute gerne jemand wären. Das Schöne ist, dass sie am Ende irgendwie immer eine Ahnung davon bekommen, wer sie sind. Das ist natürlich der Hauptstrang von While we’re young, mit dessen zentralen Motiven (Kinder-FOMO, Eingefahrenheit) ich mich (obwohl erst 32) durchaus identifizieren kann. Was ich aber bemerkenswert finde, ist, dass der Film im letzten Drittel noch ein großes Diskussionsfass über dokumentarisches Erzählen aufmacht und seinen Charakteren keine eindeutige Antwort in den Mund legt. Hat Ben Stiller (beste Performance seit langem) Recht mit seinem egoistisch motivierten Kreuzzug der Wahrhaftigkit, oder hat Adam Driver einen Punkt, wenn er Erzählfluss höher bewertet als Chronistenpflicht. Durchaus auch für alle “narrativen Journalisten” was zum Nachdenken.

6. Inherent Vice

© Warner Bros.

Es ist eigentlich zu einfach, über diesen Film immer nur mit Drogenreferenzen zu schreiben, aber er ist einfach ein Trip. Ich könnte ohne nachzuschauen nicht mehr berichten, wovon er eigentlich handelt, aber ich habe noch viele seiner Bilder im Kopf, ich weiß, dass ich ihn toll fand und ich weiß, dass ich ihn bald noch einmal sehen will. Das mag nicht die gelehrteste aller Filmbewertungen sein, aber … äh, was wollte ich sagen? Hier, nimm.

5. It Follows

© UFA

Es gibt eine Szene in It Follows, wo das Wesen, das die Hauptfigur verfolgt, plötzlich wie aus dem Nichts in Form eines sehr großen Mannes aus einem Wohnungsflur durch eine Tür tritt – ein verdammt effektiver jump scare. Aber das Wahnsinnige ist, dass der Film ansonsten fast ohne solche Effekte auskommt, stattdessen setzt er auf Paranoia und die Angst vor dem Unausweichlichen. Hinzu kommen sein geschicktes Spiel mit filmischen Sehgewohnheiten und sein merkwürdiges Aus-der-Zeit-Gefallen-Sein. Mag sein, dass dieses postmoderne Meisterwerk am Ende seine Mythologie nicht nahtlos durchzieht, aber ich habe trotzdem nach dem Kinobesuch einen ganzen Tag gebraucht, um das ungute Gefühl loszuwerden, dass mich jemand verfolgt.

4. 45 Years

© Piffl Medien

Manchmal braucht es so wenig. Ich bin vernarrt in die Idee des Films, dass ein einziger Windhauch ausreichen kann, um ein Kartenhaus, auch eins in der englischen countryside, zum Einstürzen zu bringen. Da leben zwei Menschen seit 45 Jahren zusammen, aber sie haben so viele unausgesprochene Ängste und Sorgen, dass mit nur einer neuen Information alles den Bach runter gehen kann. Klar, man kann sich zusammenraufen, aber es wird nichts mehr so sein, wie es schien. Als sachlicher Romantiker, der amour fou nie verstanden hat und ihre Darstellung in Filmen geradezu verabschaut, hat mich 45 Years tief bewegt, gerade weil er auch die Abgründe (no pun intended) scheinbar ausgeglichener Beziehungen so eindrucksvoll ausleuchtet. Nach zweieinhalb Jahren Ehe kann ich nur hoffen, dass ich nicht irgendwann in die gleiche Falle bzw. Gletscherspalte tappe.

3. Mad Max: Fury Road

© Warner Bros.

Als alle schon über den Trailer gejubelt haben, war ich noch skeptisch. Aber der Sog des Films hat mich dann doch erfasst. Diesen Stilwillen muss man einfach lieben, egal ob es um die hundertprozentige Hingabe zur Bewegung geht, um das phantasievolle Design oder um das angedeutete Worldbuilding, das tatsächlich schafft, was so viele Filme erfolglos versuchen – einen weiten Kosmos hinter der Filmhandlung anzudeuten, ohne dass man mit der Nase draufgestoßen wird. Nur Vorsicht vor dem Mythos des Realismus.

2. Ex Machina

© UPI

Ich stehe auf Alex Garland, nicht nur wegen seines Vornamens. Seine Stoffe haben immer schon die richtige Menge Intelligenz und sense of wonder gehabt, die in der Science Fiction so wichtig ist und im Kino so häufig dem Spektakel geopfert werden. Ex Machina, seine erste Regiearbeit, ist genau so gut geraten – verkopft, geschmeidig, schön und schrecklich, und das alles ohne Prätention und Selbstgefälligkeit. Ich kann kaum erwarten, was Garland als nächstes zaubert.

1. Inside Out

© Disney

Dem Inhalt des Films zum Trotz ist dieser erste Platz für Pixars Meisterwerk vor allem eine Bauchentscheidung. Ich habe im Kino einfach pausenlos geheult, außer wenn ich herzlich gelacht habe. Ich saß ständig da und dachte “Oh Gott, ich kann so gut nachvollziehen, was dort gerade passiert.” Manipulativ? Ja. Trotzdem meisterhaft? Auf jeden Fall! Ganz abgesehen davon, dass ich inzwischen mitbekommen habe, wie gut der Film sogar Fachleuten (also z. B. Kinderpsychologen) zu gefallen scheint. Deswegen geht für diesen return to form zum dritten Mal nach 2003 und 2008 die Krone nach Burbank. Bitte, bitte, Pixar, mehr davon.

Wie schneidet man eigentlich einen Filmjahresrückblick?

Jeden Dezember begeistern uns findige Menschen aufs Neue mit ihren Video-Rückblicken auf das vergangene Filmjahr. Egal ob David Ehrlich mit seinem Countdown, JoBlos “Final Cut” oder Ben Zuks “Salute to Cinema” – das Ergebnis ist immer das gleiche. In nur wenigen Minuten können wir das komplette Jahr noch einmal erleben, uns an die Filme erinnern, die wir gesehen haben und die wir noch sehen müssen, und wir haben Gelegenheit “to feel all the feels”, wie sie im Meme-Land wohl sagen würden.

Dieses Jahr hat sich auch Filmblogger und “Real Virtuality”-Freund Matthias Hopf vom “Film Feuilleton” an einen visuellen Jahresrückblick gewagt. Sein wunderbares Video “The Beauty of Cinema 2015” dauert satte acht Minuten und zeigt alles von Carol bis Victoria, was wir 2015 sehen durften.

Ich wollte gerne wissen, wie Matthias als Laie an diese Mammutaufgabe herangegangen ist und habe ihn deswegen schriftlich interviewt.

Ich erinnere mich, dass du vor einem Jahr schon mal einen Marvel-Supercut gemacht hast. Wie lange verfolgst du das Thema schon?

Puh, das ist eine gute Frage. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht genau daran erinnern, wann ich den ersten Supercut meines Lebens gesehen habe. Ich weiß nur, dass es damals auch ein Zusammenschnitt war, der die besten Filme des entsprechenden Jahres Revue passieren ließ und “Nostrand” von Ratatat im Hintergrund zu hören war. Das waren vielleicht nur ein paar Sekunden, aber diese paar Sekunden waren von ihrer Dynamik das Perfekteste, was ich bis dahin im Internet gesehen habe. In dieser Erinnerung liegt vermutlich der Großteil meiner Faszination für derartige Video begründet, die dann allerdings erst mal für eine gewisse Zeit abgeflacht ist, bis ich durch meinen Blog wieder einen neuen Zugang zu Supercuts gefunden habe.

Wie bist du an den diesjährigen rangegangen? Wann hast du angefangen Material zu sammeln, wieviel Zeit hast du dir für den Schnitt eingeplant?

Nachdem ich letztes Jahr, auch im Dezember, den Marvel-Supercut geschnitten hatte, war ich eigentlich ziemlich demotiviert, überhaupt noch einmal so ein Video zu machen, weil ich mit dem Ergebnis nur sehr bedingt zufrieden war und das Video bis heute keine 300 Mal aufgerufen wurde. Erst, als ich dieses Jahr ein paar kleinere Video-Ideen umgesetzt hatte, konnte ich mich wieder für einen größeren Supercut begeistert – und da fangen die Probleme an. Tausend Fragen schwirren da in meinem Kopf herum: Gehe ich nach US-Starts oder deutschen Veröffentlichungsterminen? Werden Festivalfilme mit eingeschlossen und haben Serien auch ihren Platz? Gibt es ein bestimmtes Thema oder verfolge ich eine Top-Liste? Welche Filme will ich überhaupt erwähnen – und vor allem: welche Musik?

Gerade in puncto Musik kommen zehntausendfünfhundertmillionen weitere Probleme dazu: Welche Songs kommen für so einen Supercut überhaupt in Frage? Wie kann ich sie miteinander kombinieren? Müssen sie etwas mit den Filmen zu tun haben? Oder reicht ein ordentlicher Rhythmus aus und den Rest erledigen die Bilder? Und noch viel schlimmer: Darf ich überhaupt die Stücke verwenden, die ich verwenden will? Die Fragen in meinem Kopf nehmen kein Ende und dann gelange ich ziemlich schnell an den Punkt, wo ich aufgebe, weil ich aufgrund der vielen Einschränkungen irgendwann in einem schwarzen Loch versinke, wo ich nur noch versuche, bestimmte Parameter zu erfüllen und keinen kreativen Freiraum mehr habe.

Also habe ich irgendwann alle Planungen über Bord geworfen und mich von der Idee verabschiedet, einen zweiten Supercut zu basteln – und dann hat David Ehrlich seinen Video-Countdown der 25 besten Filme des Jahres veröffentlicht, der den Funken der Motivation wieder entfacht hat. Daraufhin habe ich eine Liste mit allen Dingen dieses Filmjahres angefangen, die ich gerne erwähnen wollte. Gleichzeitig habe ich unzählige Trailer und Clips angeschaut, diese heruntergeladen und noch mehr Notizen gemacht. Was ich am Ende wirklich zeigen wollte, wusste ich allerdings nicht. Ablenkung habe ich in meiner Spotify-Playlist gefunden, die ich seit fast zwei Jahren beständig um Titel erweitere, die in dieser Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen eine besondere Bedeutung für mich erlangt haben. Daraus ist schließlich die Tonspur entstanden, wie sie jetzt im Video zu hören ist, das erste Grundgerüst sozusagen.

Matthias Notizen

Matthias’ Notizen

Welche Songs hast du genommen und warum gerade die?

Mein Einstieg stand überraschend schnell fest: “You Got the Love” von The Retrosettes. Das habe ich erst vor ein paar Wochen im Opening von Youth gehört. Wenngleich mich der Rest des Films doch eher enttäuscht zurückgelassen hatte, war ich von dieser Eröffnungssequenz sehr begeistert, denn sie hat mich genau in den Film katapultiert, den ich eigentlich sehen wollte. Genau dieses Gefühl wollte ich mitnehmen, habe allerdings beim ersten Anschwellen der Musik einen harten Schnitt gemacht, die Pause mit einen Soundfetzen aus Guy Maddins The Forbidden Room überbrückt und im Anschluss “Runaway” von Kanye West eingesetzt, das direkt von David Ehrlich stammt: Während er die ersten Takte des Stücks, die nur aus einzelnen Klaviertönen bestehen, für den Anfang seines Video verwendet, setzt “Runaway” bei mir genau an der Stelle ein, an der es bei David Ehrlich abreißt.

Da sich das Motiv der einzelnen Klaviertöne des Stücks zieht, habe ich gewaltig im Mittelteil gekürzt und eine Passage vom Ende vorgezogen, die langsam ausgeblendet wird. Was bleibt, sind die Klaviertöne, die in “Bundle of Joy” aus dem Inside Out-Score von Michael Giacchino aufgegriffen werden. Ein praktischer Nebeneffekt war, dass ich so von der rhythmischen Komposition problemlos in eine ruhige, verträumte Atmosphäre wechseln konnte, der sich danach – auch wieder mit einem Klavieranschlag – in der epischen Musik des The Force Awakens-Trailers verliert. Als nächstes stand “Uptown Girl” von Billy Joel auf dem Plan, das ich dieses Jahr durch Trainwreck kennengelernt habe. Zwar habe ich in Erinnerung, dass er im Film selbst nicht gerade gut wegkommt (sagt Amy Schumer nicht sogar, es sei der langweiligste Song von Billy Joel?), habe ich mich komplett in das Stück verliebt, so lebendig ist es.

Für den Abschluss habe ich dann das wundervoll zerbrechliche “Them” von Nils Frahm genommen, das mich seit der Berlinale, wo ich Victoria zum ersten Mal gesehen habe, verfolgt. Das könnte ich stundenlang hören, so einen intimen Sog entwickelt es. Gerne hätte ich auch einen Auszug aus dem Jurassic World-Soundtrack integriert oder die Musik, die It Follows untermalt. Auch von Iggy Azalea, den Sleigh Bells und M83 habe ich Songs ausprobiert, ebenso Kompositionen von Daniel Pemberton (Steve Jobs, Man from U.N.C.L.E.) und Dan Romer (Digging for Fire, Beasts of No Nation). Ach ja, und dann wäre da noch Taylor Swift, die ich leider streichen musste, in einer sehr frühen Version aber zusammen mit Hailee Steinfeld zu hören gewesen wäre.

Kannst du beschreiben, wie der Montageprozess war? Hast du die Momente gruppiert oder dich Stück für Stück vorgetastet? Warum tauchen manche Filme öfter auf als andere?

Ich habe dieses Mal mit iMovie gearbeitet, ein Programm, das noch ziemlich neu für mich ist, aber zumindest hundert Mal besser als der Windows Movie Maker, mit dem ich zuvor das Marvel-Video geschnitten hatte. Insofern war im Montageprozess noch viel Ausprobieren dabei, was zur Folge hatte, dass ich mehr oder weniger unstrukturiert dabei vorgegangen bin. Klar, ein paar Kombination und Bewegungen hatte ich im Kopf, letzten Endes habe ich aber immer und immer wieder einzelne Clips nur hin und hergeschoben, um auszuprobieren, was passiert. Vieles ist dann auch ganz intuitiv zusammengekommen, so richtig beschreiben kann ich den Prozess nicht. Es ist vielleicht am ehesten so wie früher beim LEGO-Bauen: Da sitzt du mitten in deinem Zimmer auf den Boden, hast eine Kiste voller Steine und fängst dann einfach an, dich durch die ganzen Einzelteile zu wühlen, bis du was Passendes für die Raumstation gefunden hast, die du gerade aufbauen willst.

Warum jetzt manche Filme öfter auftauchen als andere? Hm, von Filmen wie Carol, Victoria, Knight of Cups, The Assassin und Cemetery of Splendour war ich dieses Jahr so begeistert, dass ich so viele Aufnahmen wie möglich einbringen wollte. Andere Filme wie The Force Awakens, The Hateful Eight und Joy habe ich noch gar nicht gesehen, trotzdem sind sie sehr dominant vertreten. Das liegt dann an meiner Vorfreude und den sagenhaften Bildern, die schon in den jeweiligen Trailern versteckt waren. Ich glaube, am meisten hat mich selbst überrascht, dass so viele Ausschnitte aus Meadowlands, Alice of Venice und Queen of Earth ihren Weg in den Supercut gefunden haben. Aber das ist vielleicht auch eine schöne Begleiterscheinung der umfangreichen Materialsichtung: Man entdeckt Filme wieder völlig neu, die vorher im Eifer des Gefechts des Kinojahres ein bisschen untergegangen sind. Gerade im Fall von Queen of Earth bin ich unglaublich froh, noch einmal einen zweiten Blick gewagt zu haben, da er – entgegen meiner übermüdeten Berlinale-Erinnerung – wirklich richtig toll ist.

Letzte Frage: Wenn du die das fertige Video anschaust, was würdest du nächstes Jahr anders machen?

Hehe, je öfter ich das fertige Video anschaue, desto weniger gefällt es mir. Insofern gibt es mittlerweile vieles, das ich das nächste Mal – sollte ich überhaupt noch mal die Zeit und Motivation finden – anders machen würde. Einen Punkt, den ich jetzt mehrmals aus dem Feedback, das ich bekommen habe, herausgehört habe, war die Länge. Das ist sicherlich ein Punkt, den man ganz einfach verbessern kann. Das grundlegendere Problem ist allerdings ein anderes: In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass sich Perfektionismus und Ungeduld überhaupt nicht vertragen. Mit dem Schneiden hatte ich – überstürzt vor Tatendrang – angefangen, obwohl ich noch nicht einmal das komplette Material gesammelt hatte. Zwischenzeitlich war ich dann sehr frustriert, weil einfach gar nichts so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt hatte. Gerne würde ich mir da mehr Zeit nehmen, nicht alles auf einen Schlag machen, sondern in Ruhe überlegen und Ideen zusammentragen – und dadurch schlussendlich auch mehr Distanz zum eigentlichen Projekt bekommen.

Am Ende der zwei Tage, an denen ich geschnitten hatte, war ich der Meinung, dass keine Sekunde zu viel ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch bereits jeglichen Überblick verloren, obwohl ich die Schnittfolgen längst auswendig kannte. Trotzdem fehlte irgendwie der Blick fürs Ganze. Da hätte ich gerne mehr Ordnung gehabt. Womöglich muss ich mich das nächste Mal einfach nur darauf einlassen, dass ein Supercut kein Zwei-Tages-Projekt ist, sondern tatsächlich ein langwieriger Prozess, der viele Nerven kostet. Die Aufregung, wenn man zum Schluss auf den Upload-Button drückt und nicht genau weiß, was passieren wird, ist trotzdem unvergleichlich und entschädigt alle Anstrengungen zuvor. Ich glaube, das kannst du als Blogger ziemlich gut nachvollziehen: Den Moment, wenn man etwas, an dem man lange gesessen und gefeilt hat, endlich mit der Welt teilen kann.

Danke an Matthias, dass er seine Erfahrungen mit mir geteilt hat!

Die Lieblingsfilme der Filmblogosphäre 2014

Wie schon vor einem Jahr habe ich die letzten Tage damit verbracht, so ziemlich alle deutschsprachigen Filmblogs, die ich finden konnte, nach Bestenlisten zu durchforsten, diese in Daten zu übersetzen und in eine Tabelle einzutragen. Daraus konnte ich am Schluss diese Liste destillieren.

Der Film, der auf Platz eins steht, zeigt eine interessante Tendenz dieser Aggregatsliste auf: Die wenigsten Filmblogger_innen sind Profi-Filmkritiker_innen, das heißt sie gehen nicht unbedingt auf viele Festivals oder bekommen die Möglichkeit, jeden mit kleiner Kopienzahl startenden Film (kostenlos) zu sehen. Auf den Lieblingslisten landet am Ende des Jahres also nicht nur, was bei allen Geschmäckern irgendwie ankommt, sondern vor allem auch, was einfach zu sehen war.

Boyhood kam im Sommer relativ breit ins Kino. Wer ihn damals verpasst hat, hatte spätestens im Dezember davon gehört und konnte ihn im Heimkino nachholen. Das gleiche Prinzip hat sicher auch Under the Skin geholfen, der einen erstaunlichen geteilten zweiten Platz erringen konnte, obwohl er nicht breit im Kino lief. Ansonsten sind mit Ausnahme von Interstellar und Nightcrawler auch alle anderen Filme der Top 10 inzwischen mindestens auf VOD erhältlich. Sicher kein Zufall.

Obwohl ich Boyhood auch auf meiner persönlichen Lieblingsliste habe, bin ich dennoch ein bisschen erstaunt, wie viel Liebe der Film abbekommen hat. Ich bin ja für große sentimentale Gesten sowieso immer zu haben, aber Richard Linklater scheint selbst die Herzen der Zyniker erweicht zu haben. Auch die hohe Platzierung von Under the Skin überrascht mich ein kleines bisschen – der Film ist wirklich kein Crowd Pleaser, aber er scheint bei Filmliebhabern einfach einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Qualität setzt sich eben doch durch.

Wie breit das geschmackliche Feld trotz solcher Konsensfavoriten ist, zeigt die Tatsache, dass auf den 54 ausgewerteten Listen insgesamt 163 Filme Erwähnung fanden – alles von obskuren Festivalperlen bis großen Action-Blockbustern. Um eine Gleichschaltung der Lügenpresse müssen wir uns in der Internet-Filmkritik also so schnell keine Gedanken machen.

1. Boyhood

2. Guardians of the Galaxy / Under the Skin

4. Grand Budapest Hotel

5. Snowpiercer

6. The Wolf of Wall Street

7. Her

8. Nymphomaniac

9. Interstellar

10. Nightcrawler

11. The Lego Movie
12. Die Wolken von Sils Maria
13. Gone Girl
14. Captain America: The Winter Soldier
15. X-Men: Days of Future Past
16. All is Lost
17. Maps to the Stars
18. 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club
20. Locke

Zur Methode: Datengrundlage sind insgesamt 54 Listen oder Lieblingsfilm-Nennungen aus deutschsprachigen Filmblogs. Grundlage waren das Filmblogverzeichnis auf “SchönerDenken” und einige Ergänzungen, die dort noch fehlten. Bei mehreren Listen pro Blog von verschiedenen Autor_innen wurde jede Liste einzeln gezählt.

Die Filme wurden nach einem Punktesystem geordnet. Bei nummerierten Top-10-Listen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter bis zum 10. Platz, der 1 Punkt bekam (gesamt: 55 Punkte). Bei nicht nummerierten Listen bekam jeder Film 5,5 Punkte (gesamt: 55 Punkte). Bei weniger als 10 genannten Filmen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter absteigend, fehlende Plätze wurden ignoriert. Bei mehr als 10 genannten Filmen wurden nur die ersten 10 gewertet.

Punkteverteilung: Boyhood (185), Guardians of the Galaxy / Under the Skin (jeweils 88,5), Grand Budapest Hotel (82), Snowpiercer (81), Wolf of Wall Street (70), Her (68), Nymphomaniac (65,5), Interstellar (63,5), Nightcrawler (49,5), The Lego Movie (45), Sils Maria (41), Gone Girl (38,5), Captain America (38), X-Men (35,5), All is Lost (32), Maps to the Stars (29), 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club (jeweils 28), Locke (27,5).

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2014

© Senator

Under the Skin

Ich hatte ein gutes Filmjahr, obwohl ich es, wie immer, natürlich nicht geschafft habe, alles zu sehen, was potenziell Bestenlisten-Material gewesen wäre. Aber ich wurde auch mit den Filmen, die ich gesehen habe, gut unterhalten und zum Nachdenken gebracht, ästhetisch überwältigt und narrativ herausgefordert. Es folgt der übliche Countdown.

Nicht gesehen

Obwohl ich oft und gerne ins Kino gehe, sind auch 2014 wieder einige Filme an mir vorbeigegangen, die sicherlich in den Listen anderer Filmgucker_innen auftauchen werden. Dazu gehört der Cannes-Gewinner Winterschlaf von Nuri Bilge Ceylan (ein besonderer Schandfleck, da ich diese Liste gerade in Istanbul verfasse) und der europäische Filmpreis-Gewinner Ida. Jim Jarmuschs Only Lovers left Alive habe ich ebenso verpasst wie Locke und die beiden Doppelgängerfilme Enemy und The Double. Dazu kommen natürlich jede Menge Festival-Filme, die in Deutschland keinen regulären Kinostart hatten, etwa Blue Ruin, Adieu au Langage und Jodorowsky’s Dune, die ich alle gerne noch sehen möchte.

Das Feld

Es gab wiederum genug Filme, die mir gefielen, aber nicht in die Top 10 vordringen konnten. Dazu gehörte der gelungene Franchise-Verbinder X-Men: Days of Future Past und das Affen-Prequel Dawn of the Planet of the Apes, die beide gezeigt haben, dass es selbst innerhalb der Hollywood-Maschine Raum für interessante erzählerische Konstruktionen gibt. Ich mochte das schwindelerregende 70er-Schaulaufen American Hustle, die Mediensatire (?) Nightcrawler, das Sozialdrama Deux Jours, Une Nuit und den Zeitgeist-Film Mockingjay – Part 1 und selbst Captain America: The Winter Soldier und The Lego Movie hatten ihre Stärken. Weniger Liebe konnte ich The Babadook entgegenbringen, der mir seine Metapher doch etwas überstrapazierte. Aber das ist halt Geschmack.

10. Under the Skin

Der Film, der in Deutschland wahrscheinlich vor allem für die Diskussion um seinen Kinostart in Erinnerung bleiben wird, ist mir im Hirn kleben geblieben, obwohl ich aus dem Kino kam und zunächst mehrere Tage behauptete, dass er “sehr hart an der Prätention vorbeischrammt”. Und in der Tat ist Jonathan Glazers Film vor allem ein Experiment in Zuschauergeduld mit seinen wortkargen, kaum erklärten Szenen, die zwischen krisseligem Dokustil und abstrakten schwarzen Räumen wechseln. Alles Vorhergegangene wird aber schließlich durch eine Schlussszene von atemberaubender Schönheit und kosmischer Traurigkeit rehabilitiert, in der sich dann auch der Filmtitel wiederfindet.

9. L’Arte Della Felicita

Ein Film ohne normalen deutschen Kinostart, den ich auf dem Trickfilmfestival in Stuttgart sehen konnte. Wie ich damals für “kino-zeit.de” schrieb: “Auf halbem Weg zwischen Jim Jarmuschs Night on Earth und Richard Linklaters Waking Life erzählt er die Geschichte von Sergio, einem Taxifahrer in Neapel, der seinen Bruder und musikalischen Partner zum zweiten Mal verliert. Zum ersten Mal hat er ihn vor zehn Jahren verloren, als sich Alfredo entschied, das musikalische Duo zu verlassen, um buddhistischer Mönch zu werden. Unfähig, dem Tod des Bruders ins Auge zu sehen, driftet Sergio durch das im Dauerregen ertrinkende Neapel und bekommt von verschiedenen Passagieren deren Glücksrezepte erzählt. Umgesetzt ist das Ganze in einem an Rotoskopie erinnernden, träumerischen 2D/3D-Look mit sorgsam ausgewählter Farbpalette und einem gelungenen Soundtrack.” Ich hoffe auf eine DVD-Auswertung.

© Cinecittà Luce

L’Arte Della Felicita

8. Gone Girl

Wie fast immer bei David Finchers Filmen, kann ich mich mit Gone Girls Menschenbild nicht identifizieren. Ich glaube weder, dass Ehen konstruierte Lügenmärchen sind, noch dass wir alle insgeheim Psychopathen sind, die nur darauf warten, entfesselt zu werden. Aber Heidewitzka! hat mich dieser Film über zwei Stunden plus in seinen Bann gezogen und mich erneut in perfekt kadrierten Bildern und präzise herausgearbeiteten Perfomances schwelgen lassen. Dafür allein lohnt sich Fincher einfach jedes Mal.

7. Boyhood

Nach Feierabend am letzten Arbeitstag vor der Sommerpause saß ich alleine im Stuttgarter Delphi-Kino und ließ Richard Linklaters Vision eines jungen Menschenlebens über mich hinwegrauschen. Dass der Film allein für seine Machart und seinen langen Atem jedermenschs Achtung verdient, muss man kaum noch erwähnen. Doch diesmal trafen mich auch Linklaters übliche Glückskeks-Philosophie-Momente über Sinn und Sinnlosigkeit unserer Existenz auf diesem Planeten ziemlich direkt ins Herz. Und sollte ich jemals einen Toyota besitzen, werde ich auch das “To” und das “Ta” übermalen, bis nur noch “Yo” übrigbleibt.

6. Guardians of the Galaxy

Kino darf auch mal Spaß machen. Und Guardians of the Galaxy macht endlos Spaß, wurschtegal, ob der Film in seinen Handlungsbögen nur ein weiteres Mal den üblichen beliebigen-Bösewicht-irgendwie-besiegen Beats folgt. Da sind ja immer noch die sympathischen Charaktere, das knallbunte Design, die clevere Musikauswahl und die pure Gaudi, die einem von der Leinwand entgegenspringt. Zweieinhalb Stunden Eskapismus ohne Reue.

© Disney

Guardians of the Galaxy

5. Her

Bei all der krachigen Science-Fiction, die in den letzten Jahren in den Kinos um unsere Aufmerksamkeit buhlt, ob Interstellar oder Elysium, Edge of Tomorrow oder Oblivion – kein Film hat die wahren Alltags-Technik-Themen unserer Zeit so gut eingefangen wie Her. Das besondere an Spike Jonzes kleinem Meisterwerk ist aber, dass es sowohl als echte SciFi-Geschichte funktioniert – die ihre Prämisse konsequent zuende denkt, wie es die großen Kurzgeschichten der alten SciFi-Meister taten – als auch als Metapher für menschliche Beziehungen unabhängig von jeder Technik. Scarlett Johanssons Samantha könnte genauso eine Fernbeziehungs-Freundin oder eine “out of your league” Geliebte sein. Emotional erleben hunderte Menschen auf der Erde jeden Tag das gleiche wie Theodor Twombly.

4. Nymphomaniac

Lars von Trier und die Frauen – das ist so eine Sache, zu der ich mir lieber kein Urteil erlauben würde. Wie immer ist Nymphomaniac wohl eher eine Projektion seiner eigenen Neurosen auf einen weiblichen Charakter und ich denke, so will der Film auch begriffen werden. Wofür ich Trier aber am meisten bewundere, ist seine Bereitschaft, in seinen Filmen formell “all in” zu gehen. Nymphomaniac (Teil 1 noch mehr als Teil 2) ist eine ausufernde Erzählung voller Abschweifungen, Inkonsistenzen und gestalterischer Ideen, der aber dadurch das seltene Kunststück gelingt, intellektuelle und emotionale Prozesse tatsächlich auf der Leinwand konkret zu machen und sie nicht nur unter einem Haufen Interpretationsmasse zu vergraben. Und für diese abgefuckte Direktheit verehre ich den Mann einfach.

3. Mommy

Xavier Dolans Film hat mich an einem kalten Dezemberabend mit voller Breitseite erwischt und ich kann bis heute nicht sagen, ob es meine eigene winterliche Melancholie oder die emotionale Kraft des Films waren, die mich sofort nach Verlassen des Kinos dazu brachten, Mommy sehr weit oben auf meiner Jahresliste zu platzieren. Auch hier wieder diente mir die formale Experimentierungsfreude – Bildformat als Ausdruck von emotionaler Freiheit – als Anfixpunkt und zog mich mittenhinein in eine komplexe Gefühls- und Bilderwelt voll einprägsamer Charaktere. Wie erwähnt, ich mag es halt direkt. Und ich hätte mir beinahe einen Céline-Dion-Song heruntergeladen.

© Universal Pictures Home Entertainment

12 Years a Slave

2. 12 Years a Slave

Der zeitverzögerte deutsche Verleihplan führt manchmal dazu, dass man am Anfang des Jahres einige sehr gute Filme sieht, mitansehen muss, wie sie so lange gefeiert werden, bis man sie fast wieder leid ist und dann bis Ende des Jahres Gefahr läuft, zu vergessen, dass man sie im gleichen Jahr gesehen hat wie alles, was in Cannes und danach startete. 12 Years a Slave ist so ein sehr guter Film, der gelungen zwischen Hollywood und Arthouse balanciert, eine berührende persönliche Geschichte und gleichzeitig das erschütternde Schicksal einer ganzen Bevölkerungsgruppe erzählt. Ein “wichtiger” Film, aber zum Glück darüberhinaus auch ein beeindruckendes Stück Filmkunst.

1. The Grand Budapest Hotel

Er mag nicht den jugendlichen Verve von Rushmore oder das perfekte Ensemble von The Royal Tenenbaums haben, aber ich finde, The Grand Budapest Hotel ist der beste Film, den Wes Anderson bisher gemacht hat. Gerade weil der Film sehr wenig Konkretes über Menschen, Beziehungen und unsere Welt sagen will (nicht gar nichts, aber eben auch nicht viel) und stattdessen den formellen Schrullen und spleenigen Details, auf die Anderson so steht, in vollen Zügen und ohne Reue frönen kann, mag er dem ein oder anderen flüchtig erscheinen – ich finde, es macht ihn erst so richtig grandios.

© 20th Century Fox

The Grand Budapest Hotel

Real Virtualitys Erlebnis-Highlights 2014

Naturhistorisches Museum Stuttgart, November 2014

Das Ende des Jahres ist für mich immer vor allem eine Zeit der Zurückschauens. Ich schließe mit dem Alten ab, um mich dem Neuen besser widmen zu können. Hier im Blog mache ich das seit Jahren mit einer Liste meiner zehn liebsten Filme des Jahres, die in den nächsten Tagen folgt. In meinem privaten Tumblr habe ich dieses Jahr außerdem ein Mixtape mit meiner Musik des Jahres zusammengestellt.

Letztes Jahr habe ich erstmals zusätzlich einen Rückblick auf ein paar andere (film- und medienbezogene) Ereignisse des Jahres geworfen, vor allem solche, die ich toll fand. Eine Art Thanksgiving im Dezember. Das mache ich dieses Jahr wieder. Spoiler: Es geht fast ausschließlich um Menschen.

Berlinale

Da ich mich letztes Jahr im Herbst entschieden hatte, erneut den Job zu wechseln und 2014 nicht mehr hauptberuflich mit Film zu tun hatte, reichte es im Februar nur für eine wochenendliche Stippvisite zur Berlinale – und dort auch nur für zwei Filme. Der wahre Grund, im Februar nach Berlin zu fahren, ist aber sowieso längst, tolle Menschen zu treffen. Gerold zum Beispiel, der mich sogar in seiner Wohnung übernachten ließ, und die anderen Bloggerinnen und Blogger auf dem 2. Berlinale-Bloggertreffen.

Weil ich die Freiheit hatte, mich einfach treiben zu lassen, bin ich – statt in Snowpiercer zu gehen – in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit Vince Mancini von “Filmdrunk” um die Häuser gezogen. Ich hatte ihn angetwittert, nachdem ich gelesen hatte, dass er auf der Berlinale ist. Und weil er sich nicht gewehrt hat, habe ich ihm einmal die einzige Gegend von Berlin gezeigt, die ich einigermaßen kenne – vom Frankfurter Tor bis zum Schlesischen Tor – inklusive Lebowski Kneipe und Eastside Gallery. Selbst in der Erinnerung noch ein wenig surreal, aber definitiv einer der besten Nächte des Jahres.

Vinces Sicht der Dinge im “Frotcast” ab 38:00 und ab 44:00.

Yup, that's the wall. #Berlin

Ein von Vince Mancini (@filmdrunk) gepostetes Foto am

Trickfilmfestival

Als ich noch Filmkram gearbeitet habe, habe ich Urlaub genommen, um vom Kirchentag zu berichten – also logisch, dass ich mir Urlaub nehme, um über ein Filmfestival zu berichten, während ich beim Kirchentag arbeite. Entsprechend habe ich mein drittes Trickfilmfestival Stuttgart so intensiv erlebt, wie noch nie. Tägliche Podcasts, tägliche Kolumnen und jede Menge Filme. Hat Spaß gemacht, aber mir einmal mehr gezeigt, dass Festivalstress nicht mein Lieblingsteil des Filmlebens ist. Auch hier wieder: Tolle Leute getroffen, zum Beispiel Orlindo von “animatiosfilme.ch” und Daniel von “GentleGamer.de” und überraschende Gespräche führen können, mit Daniel Kothenschulte von der “Frankfurter Rundschau” (“Oh! Sie sind Daniel Kothenschulte!”) und Thomas Klingenmaier von der “Stuttgarter Zeitung”, der mir erzählte, dass er mein Blog liest (!).

re:publica

Noch mehr Input, noch mehr wunderbare Menschen. Meine erste re:publica war ein Rausch aus Erlebnissen und Begegnungen. Was mir nach diesem Rausch als Gefühl zurückgeblieben ist, habe ich ja schon aufgeschrieben, aber am glücklichsten bin ich wohl, dass ich durch die re:publica Kontakt zu zwei Bloggerinnen aufbauen konnte, die ich sehr schätze, Journelle und Patricia Cammarata (ursprünglich indem ich mich, alle star-struckness überwindend, recht dreist in ein Gespräch zwischen ihnen eingemischt habe). Allein dafür hat sich der Besuch gelohnt.

Viral sein

Fast beiläufig und völlig ungeplant ist es mir dieses Jahr zum ersten Mal gelungen, dass sich etwas, was ich produziert hatte, mit viraler Geschwindigkeit verbreitete und sogar beinahe Meme-Charakter annahm. Es geht natürlich um meine Game of Thrones Zeitschriftencover, insbesondere “Ygritte”. Zum ersten Mal habe ich dabei auch dieses merkwürdige Gefühl gespürt, wenn einem die Kontrolle über etwas entgleitet. Ich hätte so gerne jeden einzelnen Facebook-Share nachvollzogen und mich bedankt, gelesen was die Menschen schreiben, aber ab einem gewissen Punkt muss man die Welle einfach über sich hinwegrauschen lassen. Eine erstaunliche Erfahrung.

Serial

Ich war schon lange nicht mehr Teil eines kollektiven kulturellen Moments und als ich im Oktober hier im Blog über “Serial” schrieb hatte ich noch keine Ahnung, dass der Podcast aus dem “This American Life”-Stall zu so einem Phänomen werden würde (wenn auch nur für einen vergleichsweise ausgewählten Kreis, vor allem hier in Deutschland). Da ich sonstige Kollektiv-Wows wie Breaking Bad oder das “Red Wedding” verpasst hatte, war es ein tolles Gefühl, jeden Donnerstag auf die neue Folge zu warten, und anschließend mit dem Team des “Slate Spoiler Special” zu rätseln und zu analysieren. Über dieses Gefühl hinaus ist “Serial” aber ohnehin mein Medienereignis des Jahres, das Begriffe wie Podcasting, Storytelling, “Live” und “serielles Erzählen” für mich in ein ganz neues Licht gerückt hat. Ich empfehle übrigens die Analysen von Fernsehwissenschaftler Jason Mitell.

Interstellar

Sascha vom Blog Pew Pew Pew ist seit meinem Blogosphäre-Artikel vor zwei Jahren nicht nur ein Blog-Bekannter sondern auch ein guter Freund geworden. Dieses Jahr haben wir uns zum ersten Mal persönlich getroffen, um im Karlsruher IMAX gemeinsam Interstellar zu sehen. Der Tag, an dem wir außerdem in der Computerspiele-Ausstellung des ZKM waren und in einem glutamatüberfrachteten Chinarestaurant zu Mittag gegessen haben, war ein echte Festtag für mich und hat mich in bester Weise an die ersten IRL-Treffen der Mailingliste erinnert, mit der ich Ende der 90er das Internet entdeckte. Der direkt nach dem Kinobesuch entstandene Podcast wird eines Tages ein wichtiges Zeitdokument sein.

Techniktagebuch

Seit es gestartet ist, bin ich Fan des Techniktagebuchs, ein von Kathrin Passig initiiertes Blog, in dem verschiedene Autoren alltägliche Erfahrungen mit Technik dokumentieren, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Als ich im Oktober nach Istanbul flog und zum ersten Mal eine automatisierte Grenzkontrolle erlebte, schrieb ich das auf und reichte es erfolgreich ein. Nach zwei weiteren Beiträgen wurde ich in den Gruppenchat auf Facebook eingeladen und nicht nur fühle ich mich immer noch extrem geehrt, dass ich überhaupt auf dieser Plattform publizieren darf, die beteiligten Co-Autoren sind auch noch alle schrecklich interessante und nette Menschen (zumindest im Internet), die meinen Alltag regelmäßig mit ihren Gesprächen bereichern.

Filmlöwin

“Filmlöwin”, das vor einigen Tagen online gegangene neue Blog von Sophie Charlotte Rieger hat sehr wenig mit mir zu tun, gefreut hat mich der Launch trotzdem, weil er so einen wichtigen Leuchtturm im Bereich “Professionalisierung der Filmblogosphäre” darstellt. Sophie hat sich gut dokumentiert schon mehrfach über die Zustände im Online-Filmjournalismus geärgert, und jetzt hat sie die bestmögliche Konsequenz gezogen: sich auf ihr Alleinstellungsmerkmal besonnen, ihr Profil geschärft und daraus ein ganz eigenes Ding gemacht. Ich wünsche mir mehr solcher Projekte! More power to them!

Continuity

Schließlich noch ein Scheitern mit erhobenem Haupt, was ich durchaus auch als Highlight betrachten kann. Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich hier im Blog angekündigt, 2014 ein Buch schreiben zu wollen. Ein Jahr später kann ich sagen: Ich habe es nicht geschafft und ich werde es so schnell auch nicht schaffen und deswegen schlage ich mir den Gedanken vorerst aus dem Kopf. Nicht nur, dass mir meistens schlicht die Zeit und der Anreiz fehlt – vor allem, wenn ich weiterhin meinen anderen Hobbies, zum Beispiel diesem Blog, nachgehen will, sondern auch, weil das Thema inzwischen ein bisschen verbrannt ist – seitdem “Shared Universe” sogar schon auf den Hasslisten aller Filmkritiker gelandet ist. Ich habe durchaus schon etwas Recherche betrieben, ich bleibe am Thema dran, aber ich werde es vorerst nicht in Buchform gießen und möchte den Druck, etwas tun zu müssen gerne auch für’s erste los sein. Also: Kein “Continuity” in absehbarer Zeit. Aber ich stehe ja auf “slow burns”, also sollte man niemals nie sagen.

2014 hat “Real Virtuality” so viele und so unterschiedliche Menschen erreicht wie noch nie. Darüber freue ich mich sehr und ich bin dafür sehr dankbar. Alljenen, die hier ab und zu etwas lesen, wünsche ich für’s nächste Jahr mindestens genausoviele Highlights wie mir für dieses.

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2013

© StudioCanal

Die Zeit der Rückblicke ist beinahe vorbei. Nach einer Retrospektive auf einige allgemeine Lebens-Highlights des Jahres wird es nun wie jedes Jahr Zeit für eine Liste der Filme, die mich dieses Jahr persönlich am meisten beeindruckt haben.

Leider folgt auch wie immer an dieser Stelle der Hinweis, dass ich nicht alle Filme sehen konnte, die ich gerne gesehen hätte. Gerade im Nachholmonat Dezember hat mich eine längere Abwesenheit vom Alltag daran gehindert, noch ins Kino zu gehen. So konnten Filme wie La Grande Bellezza, La vie d’Adèle, Captain Phillips und The Act of Killing leider nicht mehr in meine Gesamtauswahl einfließen. Wie üblich habe ich Filme in Betracht gezogen, die 2013 in Deutschland regulär im Kino starteten oder auf Festivals zu sehen waren. Und weil Abwechslung das Leben frisch hält, fange ich dieses Jahr mal mit Nummer 10 statt Nummer 1 an.

10. Star Trek Into Darkness

Ich habe die Tendenz, auf Platz 10 meiner Liste einen Film zu setzen, den ich einfach besser fand als seinen Ruf. Meistens einen von den großen, dummen Blockbustern. Mit Star Trek Into Darkness hatte ich zwei Bombenstunden im Kino und ich ziehe außerdem den Hut vor den Continuity-Verrenkungen der Autoren. Ich habe außerdem Angst davor, den Film noch einmal zu sehen und all die Makel zu erkennen, die alle anderen ihm ankreiden. Aber dafür habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit.

© Paramount Pictures

9. The Place Beyond the Pines

Ich habe ernsthafte Probleme mit dem merkwürdigen Sozialdeterminismus, mit dem Derek Cianfrances Film einen aus dem Kino entlässt. Nicht, dass ich nicht denke, dass die Entscheidungen unserer Eltern einen Einfluss auf unsere Entscheidungen haben, aber Pines zeigt eine Unausweichlichkeit, die mein optimistisches Ich nicht mittragen will. Mein Lob gilt daher vielmehr der Chuzpe, einen Film zu machen, der Godfather Part II-mäßig mehrere Geschichten erzählt, die eigentlich eine Geschichte sind, ihn mit erinnerungswürdigen Charakteren zu bevölkern und nebenbei ein paar formelle Kapriolen zu schlagen. Das sieht man leider nicht allzu häufig mehr im amerikanischen Kino.

8. Inside Llewyn Davis

Gestern erst gesehen, hat Inside Llewyn Davis mir wieder mal gezeigt, wie großartig die Coen-Brüder sind, wenn sie Geschichten mit Musik erzählen. Diese tragikomische Fabel über einen Künstler, der zwar zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, aber dennoch an sich selbst und seiner Umwelt scheitert, trägt nicht nur im Namen eines felligen Nebencharakters eine Verbindung zu O Brother, Where Art Thou mit sich herum. Joel und Ethan Coen geben Llewyn und seinen Artgenossen die Chance, ihre Songs voll auszuspielen – was sie um ein vielfaches stärker wirken und nachwirken lässt. Wenn sich so etwas doch mehr Filme trauen würden.

7. Silver Linings Playbook

Ach, das Kreuz mit den Filmen, die man Anfang des Jahres gesehen hat und die in den USA zum Vorjahr gerechnet werden. Es fällt gelegentlich schwer, sich daran zu erinnern, wie der Film vor fast zwölf Monaten gewirkt hat, bevor er mit Preisen überschüttet wurde und bevor man Jennifer Lawrence längst wieder in anderen Rollen bewundern durfte. Im Gedächtnis geblieben ist mir eine unglaublich intensive Kinoerfahrung, ein Robert DeNiro, der plötzlich sein Talent wiedergefunden hatte, und eine Liebesgeschichte, die irgendwie funktioniert, obwohl sie es nicht sollte.

6. Computer Chess

Ich weiß nicht, ob man ein gewisses Nerdlevel erreichen muss, um diesen Film zu mögen, aber ich glaube, ich hätte ihn auch toll gefunden, wenn es tatsächlich nur um gegeneinander antretende Schachcomputer Anfang der 80er Jahre gegangen wäre. Doch dann driftet der Film in seiner zweiten Hälfte auch noch in eine David-Lynch-ige Fiebertraum-Fantasie ab, in der sein ungewöhnlicher U-Matic-Look zu einer Art halluzinogenen Zuckerguss wird. Ein kleines, bescheuertes Meisterwerk.

© Rapid Eye Movies

5. Zero Dark Thirty

Kaum zu glauben, wie die USA noch dastand, bevor aufflog, dass sie die ganze Welt in massivem Umfang belauscht. Zero Dark Thirty zeigt den Weg zu einem sehr sehr einsamen symbolischen Sieg inmitten eines Clusterfucks gigantischen Ausmaßes, getragen durch eine sehr starke weibliche Performance abseits typischer Rollenbilder. Ich halte es für eine der großen Stärken dieses Films, dass er jedem Zuschauer einen Spiegel vorhält und ihm erlaubt, zu sehen, was er sehen will. Das habe ich damals auch im Pewcast gesagt.

4. Frances Ha

Noah Baumbachs vierter Film ist so etwas wie “wahrhaftiger Postmodernismus”. Der Film strotzt vor Versatzstücken, die Baumbach und seine Co-Autorin-und-Hauptdarstellerin Greta Gerwig offen vor sich hertragen, aber man hat den Eindruck, dass er eben erst dadurch ein Film genau über unsere zeitlose Zeit wird. Und weil Frances dennoch ein echter Mensch mit Ecken und Kanten ist, ist Frances Ha eben auch ein eigenständiger Film, der völlig unabhängig von seinen Nouvelle-Vague-Wurzeln funktioniert. Wer das nochmal mit Bildern gesagt bekommen will, für den sei erwähnt, dass ich den Film auch für “Close up” besprochen habe.

3. Spring Breakers

Ich stelle mir vor, dass Harmony Korine eines abends bei einer übermüdeten Sichtung von Letztes Jahr in Marienbad eingeschlafen ist, und während er schlief, von der Skrillex-Platte des Nachbarjungen beschallt wurde. Als er aufwachte hat er dann diesen Film gemacht, dem allein schon für seinen neongetränkten Look ein Preis gebührt. Wenn Frances Ha eine Seite der Welt zeigt, in der wir leben, zeigt Spring Breakers die ihr direkt gegenüberstehende. Und obwohl der Film so lose, abgedreht und arty ist, scheint er auf einer merkwürdigen Ur-Ebene auch für ein Mainstreampublikum zugänglich zu sein. Und zwar nicht nur wegen der Titten. Das ist was wert.

© Warner Bros.

2. Gravity

Ich weiß, dass ich ursprünglich kaum ein gutes Haar an Alfonso Cuaróns Weltraumspektakel gelassen habe. Doch eine zweite Sichtung hat meinen Fokus geradegerückt, weil ich nicht länger eine Meditation über die Endlosigkeit des Weltraums erwartet habe, sondern mich ganz auf die intime Geschichte konzentrieren konnte, die im Herzen des Films liegt. Eine Geschichte, deren Parabelhaftig- und Symbolträchtigkeit völlig gewollt ist und die ich dann auch so akzeptieren konnte. Zählt man die technischen und schauspielerischen Leistungen sowie den schlichten Mut von Gravity noch dazu, bleibt einer der besten Filme des Jahres übrig.

1. The Broken Circle Breakdown

Ein Festival wie die Berlinale kann sicherlich an einem zehren, aber das war wohl nicht der einzige Grund, warum ich während The Broken Circle Breakdown gleich mehrfach selbst dem Breakdown nahe war. Der belgische Film ist einer von jenen, die einen mit der schieren Wucht von Emotionen erdrücken – und das kann man lieben oder hassen. Ich war durch und durch berührt von der bewegenden Geschichte, der tollen Musik, den einzigartigen Figuren und der geschickt verschachtelten Erzählweise von Felix van Groeningens Film – und an diese Kombination kam dieses Jahr einfach kein anderer Film für mich heran.

© Pandora Film

Ein paar lobende Erwähnungen müssen noch sein: Lincoln etwa, einen 2013er-Film, den ich sogar noch 2012 in der Pressevorführung gesehen habe und der mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass die Geschichte in ihm so lebendig wirkte. Die beiden Zeichentrickfilme Wolf Children und Ernest et Célestine, die mich jeder auf seine Art verzaubert haben und vielleicht auch deswegen nur nicht in der Top 10 gelandet sind, weil ich mich nicht für einen von beiden entscheiden konnte. Pacific Rim, weil er ebenfalls eine Menge Spaß gemacht hat. Und Before Midnight, weil er zumindest ein außergewöhnliches Projekt fortsetzt, dessen Charaktere ich aber so unsympathisch finde, dass mir der Film einfach nicht ans Herz gehen will.

Wir sehen uns auf der anderen Seite!

Real Virtualitys willkürliche Blog-Preise 2013

Das Jahr neigt sich dem Ende zu – für mich immer zugleich die beste und die schlimmste Zeit des Jahres, weil ich immer ein starkes Bedürfnis nach dem mit mir herumtrage, was man im Englischen “Closure” nennt. Wahrscheinlich ist “Abschließen” die bestmögliche Übersetzung dafür. Ab Mitte Dezember erfasst mich der Wunsch, mit dem zurückliegenden Jahr abzuschließen, um an einem völlig willkürlich gewählten Datum, dem 1. Januar, ein neues zu beginnen. Im schlimmsten Fall mündet dieses Gefühl in einer tiefen Melancholie, die mir manchmal sogar schon die Feiertage vergällt hat, im besten Fall in einer warmen Zufriedenheit und einer Reihe von Listen.

In den vergangenen Jahren habe ich auf “Real Virtuality” lediglich eine Jahresends-Top 10 veröffentlicht, und diese wird auch dieses Mal wieder das Jahr beschließen. Aber 2013 habe ich irgendwie das Bedürfnis, noch ein paar weitere Momente, Personen und Institutionen des Jahres rückblickend zu ehren und ihnen eine Reihe willkürliche, undotierte und unsichtbare Preise aufzudrücken. Nehmt es einfach als meine Art hin, so etwas wie einen blogbezogenen Jahresrückblick zu verfassen.

Beste neue Filmwebsite

Wer noch nicht bei “The Dissolve” vorbeigeschaut hat, sollte das dringend tun. Nicht nur ist die Seite optisch ein Fest (was ich meist gar nicht merke, da ich sie hauptsächlich im Feedreader und auf Pocket genieße), sie versammelt auch ein Team der besten amerikanischen Online-FilmjournalistInnen, darunter mein oberster Held Matt Singer, die wirklich tolle Arbeit machen. Am liebsten lese ich die “Features”, die fast immer einen wertvollen Beitrag zu aktuellen Debatten liefern und manchmal auch selbst spannende Themen setzen. Dabei loten die neun Autorinnen und Autoren alle Formen des Filmjournalismus aus und inspirieren mich immer wieder – übrigens mit einem deutlich arthousigeren und internationaleren Blickwinkel als die vielen anderen, auf Geek-Kultur und Blockbuster fixierten, amerikanischen Filmblogs da draußen.

Beste Filmbuchentdeckung

Wie schon gelegentlich an dieser Stelle erwähnt, wollte ich 2008 mal eine Dissertation über Danny Boyle schreiben – damals war der Brite als “Marke” noch relativ unbekannt und es gab, außer zu Trainspotting wenig Literatur über ihn. Was mir aber damals schon klar war, aus Interviews und Audiokommentaren: der Mann hat durchaus was zu sagen. Dann kam Slumdog Millionaire und die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele von London und plötzlich war Boyle in Großbritannien so eine Art nationale Ikone. Trotzdem habe ich die Literatursituation um seine Person nicht weiter beobachtet und so schlug mein Herz wie verrückt, als ich im Urlaub in einem Buchladen in Oxford einen ganz aktuellen Boyle-Interviewband aus der Faber&Faber-Reihe entdeckte. Die Einleitung verschlang ich noch im Bus zum Flughafen und nutzte das Wi-Fi im Terminal um mich überschwänglich bei der Autorin auf Twitter zu bedanken (Dafür liebe ich das Netz). Boyle enttäuscht nicht in dem Buch – er kann sein Werk klug reflektieren ohne in übertriebene Selbst-Exegese abzudriften. Trance zum Trotz – ich glaube, er hat noch einige große Filme in sich.

Bester Celebrity-Fanboy-Moment

Als er damals für Vodafone Werbung machte, war es unter Netzleuten sehr en vogue, Sascha Lobo blöd zu finden. Ich bin unsicher, ob sich das inzwischen – vielleicht auch durch seine “Spiegel Online”-Kolumne – gelegt hat. Ich jedenfalls fand ihn immer schon klüger als seinen Ruf, mehr als nur einen reinen Selbstvermarkter, sondern jemanden, der mit großer Ernsthaftigkeit und mit großer Ironie versucht, herauszufinden, was uns im Internetzeitalter zum Ticken bringt. Das Buch, was er mit Kathrin Passig zum Thema geschrieben hat, ist durchaus lesenswert weil ausgewogener als man denkt. Ich habe mich also sehr gefreut, dass ich im November die Gelegenheit bekam, Sascha Lobo bei einem Vortrag in Wiesbaden reden zu sehen. Noch mehr habe ich mich aber gefreut, dass sich anschließend noch die Gelegenheit ergab, mit Sascha und Jannis “Netzfeuilleton” Kucharz gemeinsam zum Bahnhof zu spazieren und noch ein wenig zu plaudern. Mein Bild, dass ich immer von ihm hatte, hat sich in der persönlichen Begegnung positiv bestätigt – oder er ist zumindest sehr gut darin, eine von ihm kreierte Figur zu spielen.

Beste filmbezogene Reise

Es wäre zu einfach, hier den Trip zur Berlinale im Februar auszuzeichnen, bei dem unter anderem das Bloggertreffen stattfand und ich einige der Filme sah, die jetzt auf meiner Jahresliste stehen. Der war zwar toll, aber auch ziemlich anstrengend und kalt. Irgendwie auf der Awesome-Skala weiter oben war mein Kurztrip nach Berlin im Sommer. Neben dem Hauptzweck dieser Dienstreise, dem wunderbar lockeren Interview mit Charlotte Roche für “Close up”, konnte ich auf der “Haben”-Seite des Trips noch ein Treffen mit Jenny und Matthias vom “Wollmilchcast”, höchst amüsante Pressevorführungen von City of Bones und White House Down, ein kurzes Hallo mit Patrick, Björn und Sophie aus dem Filmosophie/Kontroversum-Kosmos und ein Bierchen mit Rochus vom “Kinderfilmblog” und Martin von “ReiheSieben” verbuchen. Wenn man überlegt, wie trist sonst oft die Übergangsnächte von Dienstreisen an der Hotelbar enden, hätte ich mir nichts Besseres wünschen können.

Unerwartetste Medien-Leben-Wechselwirkung

Ich schreibe auf “Real Virtuality” nie über Musik, zwei Themenfelder müssen reichen, aber als leidenschaftlicher Musikhörer und Schlagzeuger spielt Musik dennoch eine sehr große Rolle in meinem Leben. Für neue Empfehlungen bin ich immer offen, und dieses Jahr habe ich mein Album des Jahres ab einem sehr ungewöhnlichen Ort entdeckt: dem Wissenschafts-Podcast “Radiolab“. Dort haben sie nämlich im Sommer aus einem unerfindlichen Grund der Gruppe Dawn of Midi und ihrem aktuellen Album “Dysnomia” eine Sendung gewidmet. Dawn of Midi hat als Free Jazz Trio angefangen, aber “Dysnomia” ist etwas ganz anderes – eine pulsierende, 50-minütige Suite, die sich im Spannungfeld zwischen der modernsten aller großen Musikrichtungen, Techno, und den ältesten Klängen der Menschheit überhaupt bewegt. Gletscherähnlich verschieben sich die akustischen Rhythmen auf “Dysnomia” zu einem hypnotischen Gesamtbild. Danke, Radiolab!

Ärgerlichster Kinobesuch

Als jemand, der selbst mal in einem Kino gearbeitet hat, erwarte ich eine gewisse Projektionsqualität, wenn ich zehn Euro und mehr für einen Film über den Tresen geschoben habe. Üblen Laufstreifen und ähnlichen Verbrechen hat die digitale Projektion zum Glück den Garaus gemacht, aber das Feld der möglichen Kinosaal-Sünden bleibt weit. Das Cineplex Saalfeld gefiel mir von seiner Gestaltung her eigentlich sehr gut und erinnerte mich sogar ein bisschen an “mein” altes Kino in der Heimat. Doch die 3D-Vorstellung von Frozen war dann alles andere als erfreulich. Ich bin bisher noch nie Opfer des “Nicht genug Licht”-Problems bei 3D-Vorstellungen geworden, das wohl in den USA regelmäßig für Ärger sorgt. Aber auch in Saalfeld war es sehr schwer, dass 3D ordentlich zu genießen. Der Grund: Strahlende Lichtbänder an jeder Stufe des Bodens, die den Saal in ein fröhliches Zwielicht tauchten. Auf meinen Hinweis, es wäre zu hell im Kino, sagte man mir, dass sei die Notbeleuchtung und die müsse an bleiben. So viel Not kann doch gar nicht herrschen …

Erstaunlichste filmbezogene Erfahrung

Durch meine Redakteursstelle bei 3sat haben sich mir viele Türen geöffnet, hinter die ich schon immer mal blicken wollte. Zu den absoluten Highlights gehörte dabei für mich, dass ich Anfang des Jahres die Synchronisation des Films Kairo 678 betreuen durfte, den 3sat anschließend in seiner Filmreihe über Frauen im Islam gezeigt hat und der inzwischen auch bei good!movies auf DVD erschienen ist. Obwohl ich persönlich Filme am liebsten im Original sehe, egal ob ich die Sprache spreche oder nicht, habe ich doch als Wortfetischist und Hobbyübersetzer großen Respekt vor der Kunst der Synchronisation. Hier reihte sich quasi ein Wow-Moment an den nächsten. Das Durchsprechen des Synchronbuchs mit der Regisseurin, der Besuch bei den Aufnahmen, und schließlich die Abnahme der Mischung in den heiligen Hallen der Berliner Synchron mit einem Toningenieur, der ebenfalls zu den inspirierendsten Menschen gehört, die ich dieses Jahr kennenlernen durfte. Auf jeden Fall eine Erfahrung, von der ich noch lange zehren werde.

Awesomeste Netzbekanntschaft

Durch meinen Blogosphäre-Artikel und die darauf aufbauenden Aktionen wie die Bloggertreffen und Group Hug habe ich viele tolle Menschen kennengelernt, die mein Leben auf mannigfaltige Weise bereichert haben (mehr dazu im Januar). Aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sich im Endeffekt aus einem Interview noch einmal eine Freundschaft ergeben würde, wie ich sie zuletzt mit 16 hatte, als ich meine ersten Schritte im Internet machte. Ohne sich jemals persönlich getroffen zu haben mal wieder eine solche Vertrautheit aufzubauen und gemeinsam unverschämt offen dämliche Leidenschaften zu diskutieren – das ist schon etwas besonderes und hat mir so manchen Tag gerettet. Ich hoffe, die betroffene Person weiß, dass sie gemeint ist. Danke.

(Das sind übrigens meine Hände auf dem Bild, die da einen echten Oscar halten. Den von Richard Halsey, für seinen Schnitt von Rocky)

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2012

Walt Disney Pictures

Im Podcast wurde sie schon enthüllt – die alljährliche Top Ten. Dieses Jahr ein paar Tage früher als sonst, aber immer noch später als überall sonst im Netz. Mit Ausnahme von Life of Pi steht schließlich auch kein größerer Kandidat mehr an, und eine frühe Top-10-Entscheidung macht die Weihnachtszeit beschaulicher.

Insgesamt war das Filmjahr für mich, durch mein erstes durchgängiges Jahr als Filmredakteur bei 3sat/ZDFkultur und den Besuch von drei Festivals, sehr ergiebig. Knapp 250 Filme habe ich dieses Jahr gesehen, das sind gut 80 mehr als in den Jahren zuvor. Trotzdem habe ich wie immer viel verpasst, auch Filme, von denen ich mir durchaus vorstellen könnte, dass sie einen Platz in meiner Top Ten gefunden hätten, etwa Amour, Oh Boy, ParaNorman und Tinker Tailor Soldier Spy. Und der übliche Disclaimer: In Frage kamen nur Filme, die 2012 in Deutschland entweder einen regulären Start hatten, oder auf Festivals im Kino zu sehen waren.

1. The Avengers

Wenig überraschend, dass dieser alles andere als perfekte Film bei mir dennoch alle anderen Kandidaten aussticht. Ich habe mich schon lange nicht mehr so auf ein bevorstehendes Kinoereignis gefreut, dass dann auch noch alle Erwartungen erfüllt hat. Die erfolgreiche Absolvierung der ersten Stufe des Marvel Cinematic Universe allein hätte meinen tiefsten Respekt verdient, doch den Höhepunkt bildet auch noch dieser witzige, herzige, actionreiche und VFX-mäßig höchst beeindruckende Film. Eine hohe Messlatte für alles was noch kommt, ob von Marvel oder von DC.

2. Holy Motors

Die gute Art von Kunstkino! Aus meiner tendenziellen Abneigung gegen anämische Meditationen über Eros, Thanatos und den Sinn des Lebens mache ich in der Regel keinen Hehl, ebensowenig wie aus meiner Begeisterung für überwältigende Bildertrips, die ihre Message manchmal mit dem ganz großen Soßenlöffel verteilen, darin aber ebenso liebenswert sind. Holy Motors liefert diesen Trip gleich mehrfach, als Tour de Force durch mehrere absurde Szenarien, als Verkörperung des wilden Biests Kino, als Abfolge von Darstellerischen Glanzleistungen. Ein What-The-Fuck-Film der Königsklasse!

3. Beasts of the Southern Wild

Je weniger man vorher drüber weiß umso besser, das hörte ich im Vorfeld immer wieder. Und so ging ich ins Kino in Erwartung von irgendwas Fantastischem, Abgefahrenen. Dabei ist es doch nur die Geschichte von Hushpuppy, die mit ihrem Daddy in der Bathtub lebt, eine archaische Vision von Apokalypse und kindlicher Unschuld, die irgendwie alles besiegt. Verpackt ist das ganze allerdings in ein träumerisch-sinnliches Bild-Musik-Gesamterlebnis, dem man sich einfach nur noch hingeben will.

4. Take Shelter

Auch keine Überraschung für jeden der mein Blog liest, aber nichtsdestotrotz ein beunruhigend bewegender Film über die Angst vor dem eigenen Untergang. Problemlos lesbar als Metapher für die Verarmung der Mittelschicht in den USA, aber auch eine sehr persönliche Geschichte über einen Menschen, dem das eigene Kassandra-Dasein zur Obsession wird. Wenn Michael Shannon und seine Familie gegen Ende des Films in einem Bunker sitzen und man selbst als Zuschauer plötzlich unsicher wird, ob draußen nun der saure Regen fällt oder nicht, hat Take Shelter sein Ziel mit voller Wucht erreicht.

5. Moonrise Kingdom

In seinem neuesten Film treibt Wes Anderson sein Motto “Die Welt ist eine Puppenstube” so sehr auf die Spitze, dass man es einfach ignorieren und sich auf die Handlung konzentrieren kann. Und vielleicht funktioniert die diesmal auch deshalb so gut, weil die Hauptfiguren zur Abwechslung keine Erwachsenen sind, die sich wie Kinder benehmen, sondern echte Kinder, die gerne schon erwachsen wären.

6. Moneyball

Ein Sportfilm, der sich etwa so guckt, wie sich ein “Wired”-Artikel liest – und der selbst dann auf eine über-nerdige Weise spannend ist, wenn man keine Ahnung hat, wie Baseball funktioniert und was die ganzen Sportstatistiken überhaupt bedeuten, über die Brad Pitt und Jonah Hill die ganze Zeit philosophieren. Dann noch fetzige Aaron-Sorkin-Dialoge und ein Mädchen, das “The Show” auf einer viel zu großen Gitarre spielt und schon hatte Moneyball mein Herz gewonnen.

7. Cloud Atlas

Liebe Filmemacher, macht doch einfach öfter mal drei Stunden lange Filme über den Zustand der Menschheit als solchen in sechs verschiedenen Zeitebenen. D. W. Griffith konnte es, und jetzt haben die Wachowskis und Tom Tykwer rund 100 Jahre später bewiesen, dass es immer noch geht. Cloud Atlas ist – genau wie weiter oben Holy Motors – nicht unbedingt der subtilste alle Filme, aber er verquirlt seine Zutaten, von der philosophischen Botschaft über menschliches Freiheitsstreben bis zur schamlosen Genre- und Mediumsreflektion, so gekonnt, dass nur ein Zyniker die Kunst dahinter nicht zu schätzen weiß.

8. Safety Not Guaranteed

Wenn bei mir in der Nähe jemand behauptete, eine Zeitmaschine gebaut zu haben und Mitreisende suchen würde, ich wäre sofort dabei. Und vielleicht ist es allein schon diese clevere kleine Idee (angeblich eine wahre Geschichte), die einen in den Film hineinzieht und dann Aubrey Plaza, Jake Johnson und Mark Duplass die Gelegenheit gibt, die Welt mit charmanten Momenten und nur halblauten Witzen ein bisschen heller zu machen. Und dann natürlich das Ende.

9. A Letter to Momo

Es braucht gar nicht so viel, um mich im Kino dazu zu bringen, ein paar Tränen zu verdrücken, aber die Trigger müssen trotzdem stimmen. Hiroyuki Okiuras wundervoller Anime hat es geschafft, ganz ohne allzu manipulativ zu sein, einfach durch eine zauberhaft erzählte Geschichte von einem Mädchen und ihrer übernatürlichen Aufgabe, die ihr dabei hilft, den Tod ihres Vaters zu verarbeiten. Astrid Lindgren hätte es nicht besser gekonnt.

10. The Hobbit: An Unexpected Journey

Ja, er hat Fehler in der Figurenzeichnung. Ja, er ist zu lang, zu ausgewalzt (mehr dazu in den nächsten Tagen in einem extra Blogeintrag). Aber verdammt noch eins, es ist so schön wieder in Mittelerde zu sein. Diese Tatsache allein, sowie das mutige Voranpreschen in betäubendem HFR 3D und einzelne Highlights des Films, wie das Lied der Zwerge vor dem Kaminfeuer und die Szene mit Gollum, reichen manchmal für einen Platz in meinen Top Ten. Aber auch nur manchmal.

Lobende Erwähnungen

Dredd ist wohl einer der Filme, die mir dieses Jahr am meisten sinnlos-brutalen Spaß gemacht haben, wahrscheinlich sogar mehr als Looper, der andere Film aus der “Science Fiction mit Hirn”-Ecke, der es sogar fast unter die ersten zehn geschafft hätte.

Und Hanna Dooses Film Staub auf unseren Herzen, der übrigens am 17. Januar auch noch richtig ins Kino kommt, hat mich ebenfalls von Anfang an berührt – auch schon bevor ich die Regisseurin interviewen durfte.

Und, sind wir fair: Läge das Kinoerlebnis nicht schon so lange zurück hätten sich Hugo und The Artist wahrscheinlich auch irgendwie in die Top Ten gemogelt. Aber im Rückblick wirkten sie dann doch nur noch wie abgeschmackte Schatten ihrer selbst.

Alex und Bernd besprechen das Filmjahr 2012 – Real Virtuality Podcast #3

Weil das Ende des Jahres eine Zeit des Zurückschauens ist, habe ich mich Anfang der Woche mit meinem Freund und Kollegen Bernd Zywietz zusammengesetzt und einen Podcast aufgenommen. Darin lassen wir die wichtigsten Ereignisse des Filmjahres 2012 noch einmal Revue passieren und überraschen uns gegenseitig mit unseren Top Tens.

Ein Klick verspricht anderthalb Stunden Spaß.

[Download]

Bernd Zywietz ist Filmwissenschaftler an der Uni Mainz, Journalist und Buchautor. Er schreibt das Blog Terrorismus & Film und ist Mitherausgeber des Buchs “Ansichtssache – Zum aktuellen deutschen Film”, das im Februar erscheint. Ich habe zu dem Buch einen Artikel zur Digitalisierung beigesteuert.

Real Virtuality’s Favourite Films of 2010

Was 2010 a vintage year for film? Compared to 2009, from which basically only Avatar is still talked about, I guess it was. In the long run, only time will tell of course, but here are the ten films that made the biggest impression on me in all the vintageness.

Note: This list goes by German cinematic release dates. Note 2: Even though I made it into the cinema a lot this year, I still missed some titles, i.e. Enter the Void and Exit through the Gift Shop.

1. Scott Pilgrim vs. the World

There are two reasons, why I chose to make this film my film of the year. One is that is truly a revolutionary and daring piece of filmmaking for reasons that The Film Doctor has pointed out. The second is that it really stuck with me emotionally in ways that Inception or The Social Network did not.

2. Inception

You can say almost nothing against this excellent film, except maybe that it’s a bit too cerebral and a bit convoluted. But, well, that’s what happens when you are making a big budget action blockbuster which at the same time serves as an intelligent investigation of the nature of dreams and our ability to delude ourselves. And right now there is only one director able to pull this off: Christopher Nolan.

3. The Social Network

It’s not the story of Facebook, I believe, but it is a very good story. As usual, Fincher succeeds in making the viewer forget just how perfectionist his filmmaking is by enveloping him in a well-told story brought across by excellent performers. That’s what makes the film so strong. It is not however, a testament of our times, I reject this reading.

4. El Secretu de sus ojos

I won’t say it was a worthy Oscar winner (because it was up against Das weiße Band), but it was a worthy nominee. I just liked this film. It was tense and gripping, it was beautifully lit and shot and it was so melodramatic in a good way, about love that transcends time and brings people to do cruel things. It just got me.

5. The Kids are all right

If I was a different kind of person I would probably have all sorts of reservations against this film, but I am not. So I liked the extremely powerful betrayal of a couple going through marriage problems – stripped of all gender prejudices you could have because both partners are women. Around the performances, however, which are easily the biggest asset of the film, there is also some well-composed pictures to look at, which rounds the film off nicely.

6. Crazy Heart

The landscapes and the dreams that surround this tale open up the canvas, the intimate performances and the music close it again. This mixture generates a film that lasts, even more because it’s a fictional story that might just be true.

7. A Single Man

Another performance-driven film that profits from the fact that it is also clothed in beautiful images. I liked the bitterness of it, combined with the technique of using shifting colour saturations to convey emotion, which is something that I hadn’t seen done in quite this way before.

8. Toy Story 3

Ignore the fact that there is a bit too much of everything in the second act of this film as it channels prison break movies of the last five decades. Toy Story 3 more than makes up for it with the emotional climax of the third act and an ending that had me shedding a few lonely tears in the cinema. A very different coming-of-age-story which brillantly finishes a trilogy fifteen years in the making.

9. The Road

It’s a film about a failed civilisation that manages to tell its story without drifting off into the romanticized apocalypse. There is no hint here of a “paradise regained” Adam-and-Eve-notion, just a harrowing sense of survival of the well-adapted. That’s what made the film for me.

10. Gainsbourg

I like innovative approaches to biopics and Gainsbourg is excellent in mixing legend and history. Once M. Gainsbourg is famous, it gets a little tedious watching his seemingly endless decay, but in the end even that felt worthwhile in order to learn how one of France’s most infamous 20th-century-figures might see himself in a movie.

Honorable Mention: Die kommenden Tage

This is not in the Top 10 because it tries to cram a little too much character drama into one film in a way that makes some of the characters unbelievable in the end. But a near-future dystopia from Germany that successfully taps into a lot of the fears which haunt our times, combined with some of the best colour photography I have seen in a German film for years, nevertheless made for a film that I often think back to. Can we please have more films with this scope in Germany?

Let’s see how 2011 will play out. Until then, I wish all my blog readers a good sense of closure for 2010 and a Happy New Year!