10 kleine Erkenntnisse, die mein Denken und Handeln wirklich verändert haben

Ich lerne (hoffentlich) jeden Tag neue Dinge. Die meisten werden irgendwo abgespeichert, häufig unter “Wissen” oder “Bestätigung von etwas, was ich schon vorher dachte”. Aber immer mal wieder kommen Tatsachen des Wegs, die mein Denken und Handeln verändern. Das Schöne daran: Die Quellen können völlig verschieden sein. Manchmal sind es wissenschaftliche Erkenntnisse, manchmal Worte von Experten, manchmal auch nur gut formulierte Aphorismen.

Ich habe zehn dieser kleinen Erkenntnisse in dieser Liste gesammelt, ohne Reihenfolge und Konsequenz, einfach weil ich diese Art Selbstbespiegelung immer interessant finde, und weil ich hoffe, dass es andere gibt, die vielleicht auch bei der ein oder anderen Sache aufmerksam werden. Während ich den Text schrieb, fiel mir auch auf, dass darin keine Erkenntnisse zu großen gesellschaftlichen Problemen wie diversen -ismen stehen. Das ist unbewusst geschehen, aber ich glaube, es ist auch ganz gut so. In keinem dieser Felder will ich mich zum “Typ, der’s kapiert hat” aufschwingen.

1. Im Zweifelsfall für die Narrative Equity

Der Begriff “Narrative Equity” (“erzählerisches Kapital”) stammt vom Spieledesigner Mark Rosewater. Er beschreibt damit das Phänomen, dass man manchmal Entscheidungen trifft nicht unbedingt, weil sie einen am schnellsten ans Ziel führen, sondern weil man sich auf die Geschichte freut, die man anschließend darüber erzählen kann. 

Ich finde diesen Gedanken super und wende ihn seitdem öfter mal bewusst an. Wenn ich mich nicht zwischen zwei Optionen entscheiden kann und keine unbedingt besser ist als die andere, nehme ich im Zweifelsfall die, hinter der potenziell die bessere Geschichte steckt.

Etwas ausführlicher habe ich das schon mal im LEXPOD beschrieben:

2. Wir erleben Dinge anders als wir uns an sie erinnern

Diese Erkenntnis habe ich aus einem Interview mit Daniel Kahnemann (der ohnehin einen größeren Einfluss auf mein Handeln hat – seine Forschung zu Risikoabwägung hat mich bereits im Studium fasziniert). Kurz gesagt: Unsere Erinnerung an Ereignisse ist oft ganz anders als die Gefühle, die wir währenddessen haben (“There is living life and there is thinking about it”). Vor allem sind sie stark vom Ende der Ereignisse geprägt und davon, welche Geschichte wir dadurch im Nachhinein erzählen. 

Wenn man das einmal weiß, kann man versuchen, seine Ereignisse bewusst so zu gestalten, dass sie auf einer positiven Note enden, damit man sich später gut daran erinnert. Unter anderem kann mal wohl schmerzhafte Operationen dadurch verbessern, dass man Menschen nach dem Ende der eigentlichen OP noch durch etwas ein angenehmes Gefühl verursacht. Denn als Erinnerung bleibt dann: Eine Weile tat es weh, aber dann wurde es gut. (Das ist meiner Ansicht nach übrigens auch der Grund, warum Statistiken zeigen, dass Menschen mit Kindern zwar insgesamt gesehen weniger häufig glücklich sind als solche ohne, aber am Ende ihres Lebens meist das Gefühl haben, ein erfüllteres Leben gehabt zu haben.)

3. Hör auf von jedem gemocht werden zu wollen, du magst doch auch nicht jeden.

Das war einfach nur eine alberne Instagram-Kachel. Der Spruch ist vermutlich sehr alt. Aber ich kannte ihn noch nicht und er hat irgendwie ein “Hm, so hab ich da noch nie drüber nachgedacht” in mir ausgelöst. Natürlich handle ich nicht danach (könnt ihr mich bitte mögen?), aber ich denke immer wieder daran.

4. Menschen empfinden Belastungen unterschiedlich

Diese Erkenntnis entsprang einer Übung, die ich mal bei einer Fortbildung gemacht habe. Alle Teilnehmenden bekamen kleine Kärtchen in die Hand, auf denen Dinge standen, die einen belasten können, körperlich und psychisch. Verschiedene Sorten von Stress und Schmerzen, ich kann mich an die Details nicht mehr erinnern. Wir wurden dann gebeten, uns mit der Einschätzung unserer Karte auf einer Linie einzusortieren, die von “keine Belastung” bis “sehr hohe Belastung” reichte. Plot Twist: Immer zwei Teilnehmende hatten die gleiche Karte, hatten sich aber sehr häufig an ganz unterschiedlichen Stellen in der Skala aufgestellt.

Es mag eine banale Erkenntnis sein, dass Schmerzen im linken Fuß oder eine drängende Deadline für den einen keine große Sache sind und den anderen völlig verrückt machen, aber mir schadet es nie, es mir immer wieder bewusst zu machen, egal ob in privaten oder beruflichen Kontexten. Nur weil mir etwas nichts ausmachen würde, kann es trotzdem sein, dass du deswegen gerade nichts auf die Reihe kriegst … und das ist okay! Es gibt keine objektiven Kriterien dafür, wie belastend etwas ist. Die dadurch ausgelösten Gefühle sind aber in jedem Fall real und verdienen es, respektiert zu werden.

5. Was weg ist, ist weg – die Sunk Cost Fallacy

Die “Sunk Cost Fallacy” stammt aus den Wirtschaftswissenschaften. Menschen neigen dazu, Geld, das sie durch schlechte Investitionen verloren haben, hinterherzuweinen und deswegen noch mehr Geld hineinzustecken, damit sich die ursprünglichen Investitionen nach ihrem Gefühl gelohnt haben. Aber: Das verlorene Geld ist weg. Es kommt nicht zurück. Menschen sollten ihre Investitionsentscheidung zu jedem Zeitpunkt möglichst danach treffen, was genau in diesem Moment richtig ist.

Dieses Modell lässt sich auf sehr viele andere Lebenssituationen übertragen. Falsche Entscheidungen aus der Vergangenheit lassen sich nicht dadurch berichtigen, dass man sie aushält. Es bringt zum Beispiel nichts, in toxischen Beziehungen zu bleiben, damit sich die schlechte Zeit wenigstens gelohnt hat. Die guten und schlechten Zeiten, die man zusammen hatte, bleiben, auch wenn man sich trennt. Wenn man Fehler gemacht hat und das erkennt, sollte man sich also lieber umentscheiden. Das Durchhalten dankt einem später niemand. Zum ersten Mal ist mir diese Idee übrigens bei Planet Money begegnet.

6. Der “Lehrerich” wäre die Lösung der Genderproblematik

Diese Erkenntnis stammt aus einem Blogbeitrag von Antje Schrupp, die sich aber ihrerseits auf Luise Pusch bezieht. Sie ist etwas komplizierter und ich will versuchen, sie so kompakt wie möglich zu beschreiben. Die Diskussion um Gendersternchen und andere “Sichtbarmachungen” von männlichen und weiblichen (und hier auch tatsächlich auch nur diesen binären) Personen wird ja gerne damit gekontert, dass das “generische Maskulinum” bereits beide Formen enthalte, da es nur vom grammatikalischen Geschlecht, nicht aber vom biologischen Geschlecht her männlich sei.

Schrupp stellt nun die These auf, dass es die Konterer einfach ärgert, dass sie, die Männer, sich überhaupt als eigene Kategorie begreifen müssen, denn ihre, die männliche Form, ist ja im Gegensatz zur weiblichen (“-innen”) gar nicht extra markiert. Die “Lösung” für die Diskussion wäre also, das generische Maskulinum tatsächlich als “neutrale” Form zu etablieren, aber Männer und Frauen beiderseits zu markieren. Also: Der Lehrer (neutral), die Lehrerin (weiblich), der Lehrerich (männlich). In eine ähnliche Richtung gehen Thomas Kronschlägers Überlegungen zur Etablierung einer echten neutralen Form wie “Lehrys”. In einer utopischen Welt wäre das meine ideale Auflösung dieser ätzenden Debatte.

7. Vor dem Schlafengehen Fiction lesen

Das stammt aus irgendeiner Liste, die ich nicht mehr finde. Sie enthielt Tipps zum “besseren” Lesen, aber dieser Ratschlag ist hängengeblieben. Eine Weile habe ich vor dem Schlafen gerne noch journalistische Artikel und Blogeinträge gelesen, aber das führte nur dazu, dass ich dann bei gelöschtem Licht über sie nachdachte. Seit ich damit aufgehört habe, und vor dem Zubettgehen wirklich nur noch Bücher, am besten fiktionale Bücher, lese, schlafe ich deutlich besser und ruhiger ein.

8. Hinterfragen statt Beschreiben und Bewerten

Während meiner Arbeit für das “Service-Portal Integration” der Stiftung “Haus der kleinen Forscher” hatte ich die große Freude, einem Gespräch mit Frauke Hildebrandt, Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der FH Potsdam, beizuwohnen. Darin ging es unter anderem darum, dass Eltern und Kinder, aber auch Erwachsene untereinander, einen großen Teil ihrer Gespräche damit verbringen, nur zu beschreiben, was ihnen passiert ist und das dann zu bewerten (“Ich habe heute einen Blogbeitrag gelesen, den fand ich ganz gut”). 

Sehr viel weniger Zeit verbringen wir damit, zu überlegen “warum die Dinge sind wie sie sind, und ob sie nicht auch anders sein könnten”, wie sie es ausdrückt. Das ist aber die Grundlage dafür, überhaupt nachzudenken und eigene Gedanken zu entwickeln, und wir tun es viel zu wenig, vor allem in Gesprächen.

Bei mir ist dabei vor allem hängengeblieben: Wenn ich ein gutes Gespräch führen will, das mich auch innerlich zufriedenstellt, sollte ich im Gespräch irgendwann an einen solchen Punkt kommen, wo man sich gemeinsam Gedanken macht. Sonst hat man sich nur upgedatet und nicht nachgedacht.

9. Durch Sport nimmt man nicht ab

Diese Erkenntnis stammt aus dem Podcast Science Vs. Für die meisten Menschen ist “Bewegung” untrennbar mit “Abnehmen” verbunden. Stimmt aber nicht. Man müsste absurd viel Sport treiben, um damit eine ansonsten ungesunde Ernährung auszugleichen (Ich vereinfache enorm). Sport als Weg zu einem schlankeren Körper funktioniert also nur bei einer gleichzeitigen Ernährungsumstellung.

Aber selbst wenn man davon nicht abnimmt, lohnt es sich trotzdem enorm, Sport zu treiben, einfach weil es wahnsinnig gesund für den Körper ist, das Risiko aller möglichen Erkrankungen reduziert und uns hilft, länger fit zu bleiben. Für mich ist das tatsächlich die bessere Motivation, habe ich festgestellt. Sonst höre ich immer irgendwann wieder auf, weil ich ja doch nicht abnehme. Aber wenn ich das Gefühl habe, ich tue mir gerade etwas Gutes, macht es meistens sogar Spaß (und ich ärgere mich nicht so, wenn ich mal keine Lust habe).

10. Deswegen … Aber

Zum Schluss ein Schreibtipp, der bei mir hängengeblieben ist. Ich habe ihn im Buch Screenwriting 101 von Film Crit Hulk gelesen. Er schreibt ihn Trey Parker und Matt Stone, den Schöpfern von South Park, zu, aber vielleicht ist er auch älter. Ich erinnere mich an sonst nichts aus dem Buch, aber die Tatsache, dass Parker und Stone empfehlen, jede Szene sollte an die vorhergehende entweder mit “deswegen” (“therefore”) oder “aber” (“but”) anschließen und möglichst nie nur mit “und dann”, hat sich tief in meine Seele gebrannt.

Parker und Stone empfehlen diese kausale Logik für fiktionale Texte, aber sie lässt sich genauso gut auf nichtfiktionales Schreiben anwenden. Wenn ein (Sinn-)Absatz auf den nächsten mit einem “deswegen” oder “aber” folgen kann, argumentiere ich eigentlich immer besser, finde ich, als wenn ich nur aufzähle (wie in diesem Artikel, haha). Ich habe an mir bemerkt, dass ich meine Texte, wann immer möglich, so strukturiere, seit ich davon weiß.

Mit diesen fünf US-Podcasts fühle ich mich gut über Musik informiert

Redphones” by Garry Knight, CC-BY 2.0

Es gibt wohl nichts, wofür sich Podcasts besser eignen, als über Musik zu berichten – deutlich besser zumindest, als über Film und TV. Wenn dann noch das in den USA deutlich großzügigere Urheberrecht mit “fair use” hinzukommt, ergeben sich jede Menge tolle Möglichkeiten. Im Laufe der Jahre hat sich für mich als Musikfan eine kleine aber feine Auswahl an Podcasts durchgesetzt, in denen Musik von allen Seiten beleuchtet wird, und die ich gerne teilen möchte.

1. Neue Musik für die Playlist

Nachdem vor einigen Jahren der “Music Weekly” Podcast des Guardian eingestellt wurde, machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Sendung, in der ich einfach neue Musik zum Hören entdecken konnte. Fündig wurde ich bei “All Songs Considered” von NPR. Hier spielen die Moderatoren Bob Boilen und Robin Hilton sich jede Woche eine Stunde lang aktuelle Musik vor, die ihnen gefällt. Boilen und Hilton sind beides mittelalte weiße Männer aus den USA, natürlich ist die Auswahl entsprechend angeschlagen. Scharfen Musikkritiker*innen aus Europa wäre sie vermutlich häufig zu seicht, aber für meinen Geschmack ist sie oft genau richtig. Indie, Rock, Folk und Country machen wahrscheinlich den größten Teil der Auswahl aus, aber der Musikgeschmack der beiden – und der Gäste, die sie manchmal im Studio haben – ist groß genug, dass man auch Highlights aus Feldern wie Hip-Hop, Punk, Metal und avantgardistischeren Musikrichtungen zur hören bekommt. Das besondere: “All Songs Considered” spielt seine Songs voll aus (im Streamingzeitalter scheinen die Lizenzen bezahlbar zu sein) und erlaubt daher, wirklich zu entscheiden, ob einem ein Song gefällt oder nicht. Ergänzt wird der Podcastfeed durch gelegentliche Interviews mit Musiker*innen, die oftmals weitere interessante Entdeckungen bereithalten.

2. Wie kommen die Löcher in den Käse?

Hinter “Song Exploder” steckt eine Idee, die so einfach wie genial ist. Moderator Hrishikesh Hirway interviewt Musiker*innen über die Entstehung einzelner Songs und bekommt von ihnen zusätzlich die sogenannten “Stems”, also die Originalspuren ihrer Aufnahmen. Das ermöglicht es ihm, einzelne Elemente der Songs zu isolieren und den Beschreibungen zuzuordnen. Im Ergebnis lernt man nicht nur, wie vielschichtig manche Songs sind, sondern auch wie unterschiedlich die kreativen Prozesse in der Entstehung von Musik sein können. Aus welchem Element ist der Song gewachsen? Welchen Einfluss hatten Musiker und Produzenten? Was war gewollt und was ist einfach passiert? Warum hat Rivers Cuomo von Weezer eine riesige Excel-Tabelle mit Textzeilen? Da ich selbst Musiker bin (wenn auch nur Schlagzeuger) ist “Song Exploder” für mich eine endlose Fundgrube an Inspiration. Die Musikrichtungen von “Song Exploder” reichen von Filmmusik über Hardcore bis Pop und Rock. Einfach mal reinhören! (Bonus: Das Longform-Interview mit Hrisikeh Hirway gibt wiederum Einblicke in die Entstehung von “Song Exploder” und die kleinteilige Arbeit, die Hirway investiert.)

3. Die Perlen der Charts

Eher selten in den beiden erstgenannten Sendungen vertreten sind die Songs, die nicht die Regale von Musiksnobs, sondern die Heavy Rotations junger Radiowellen dominieren. Hier hilft “Switched on Pop” aus. Songwriter Charlie Harding und Musikwissenschaftler Nate Sloan nehmen dort alle zwei Wochen aktuelle Pophits auseinander und entdecken ihre verborgenen Tiefen. Das beste an dem populär-musikwissenschaftlichen Ansatz, den die beiden verfolgen, ist, dass sie auch versuchen Trends zu identifizieren, ihnen Namen zu geben und zu beobachten, wo sie herkommen und hingehen. Im letzten Jahr ist etwa der “Pop Drop” zum definierenden Merkmal aktueller Popmusik geworden, in dem der Refrain durch eine gepitchte und zerstückelte Stimme auf fetten Beats ersetzt wird, die Assimilation eines Stilmittels aus der elektronischen Tanzmusik. “Switched on Pop” hilft mir dabei, auch bei Musik “in the know” zu bleiben, die ich selbst wenig höre, die aber Rückschlüsse auf unsere Popkultur als Ganzes zulässt. Und manchmal entdecke sogar ich in den aktuellen Chartpoppern etwas, was mir gefällt, zum Beispiel Julia Michaels.

4. Auf zu neuen Ufern

So nah “Switched on Pop” an populärer Musik ist, so weit ist “Meet the Composer” davon entfernt. Die preisgekrönte Sendung der Musikerin und Moderatorin Nadia Sirota beschäftigt sich mit moderner Klassik oder “New Music”, wie sie es nennt. Auch wenn ich selbst nur wenig dieser Musik selbst höre (Atonalität ist wirklich nicht mein Ding), ist die Sendung allein schon wegen ihrer Produktion hörenswert und weil man so viel dabei lernt. Wurden in Staffel 1 und 2 noch pro Folge individuelle Komponist*innen vorgestelllt, widmet sich Staffel 3 oft auch abstrakteren und faszinierenden Konzepte. Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Komponist*in und den Ensembles, die die Musik spielen – und welche Rolle spielt Sadomasochismus dabei? Welche Rolle spielen Komponist*innen, die Musik nicht notieren, sondern aus Samples zusammenbauen? “Meet the Composer” hat meinen Horizont in Sachen Musik so erweitert wie schon lange nichts mehr.

5. Der kulturindustrielle Komplex

Chris Molanphy ist Autor der Slate-Kolumne “Why is this Song Number One?” und hat das pophistorische Wissen des 20. Jahrhunderts in seinem Kopf gespeichert. In seinem Podcast “Hit Parade”, der monatlich im Feed des “Slate Culture Gabfest” auftaucht untersucht er Phänomene, die weniger mit Komposition und Musikgeschmack, als mit den Karrieren von Musiker*innen im Spiegel von Promotion und Airplay zu tun haben. Bisher gibt es drei Episoden von “Hit Parade” und alle waren spannend: Warum wurde UB40’s “Red Red Wine” in den 80ern ein Hit in den USA und welche Rolle spielten abweichlerische Radio-DJs dabei? Wie gelang es den Beatles 1964, die gesamte Top 5 der Billboard-Charts zu besetzen und was hatte die schlechte Plattenlabel-Politik der USA damit zu tun? Und eine Historie der Zusammenarbeit und Rivalität von Elton John und George Michael über vier Dekaden hinweg. Musik ist eben auch eine Industrie, die aber ihre eigenen beeindruckenden Geschichten bereithält.

Außerdem Über “Pitch” und “Our Debut Album” habe ich im Blog schon geschrieben. Beide Projekte scheinen für’s erste beendet zu sein.

Was fehlt? Über die deutsche Musikszene weiß ich weiterhin sehr wenig, aber mir ist auch noch kein guter Podcast dazu in die Hände gefallen. Vorschläge und weitere Tipps zu guten Musikpodcasts gerne in die Kommentare.

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2016

Am Anfang dieser Liste steht wie immer die Enttäuschung. Anders kann man sich ja gar nicht zur Euphorie der besten Filme des Jahres vorarbeiten. Enttäuschung über den mediokren Blockbuster-Sommer, in dem mich kein einziger Film positiv überrascht hat. Aber auch Enttäuschung, dass es mir wie immer nicht gelungen ist, alle Filme zu sehen, die mir von anderen empfohlen wurden. L’Avenir und 14 Wochen wurde für diese Liste ebensowenig in Erwägung gezogen wie Son of Saul oder Into the Inferno. The Green Room habe ich nicht gesehen und Tangerine leider auch nicht. So ist das jedes Jahr.

Immerhin habe ich es wohl gut 50 mal geschafft, ins Kino zu gehen dieses Jahr, und das ohne ein Festival zu besuchen. Bei insgesamt nur 108 gesehenen Filmen (und dafür immer mehr Fernsehserien) ist das schon ein Schnitt, der deutlich über den Vorjahren liegt. Trotzdem kann ich schon sagen, dass es die Filmemacher dieses Jahres schwerer hatten, mich zu begeistern. Ob das an der Grundstimmung des Jahres liegt, an Stress im Job oder an einer Verschiebung meines Geschmacks – ich weiß es nicht. Bei vielen Filmen hat es für mich jedenfalls nur für einen Platz am Katzentisch genannt. Oder, wie ich es sonst immer nenne:

Lobende Erwähnungen

Gut, aber nicht gut genug für die Top 10 fand ich dieses Jahr unter anderem Paterson, Everybody Wants Some!!, The Revenant, Joy und A Bigger Splash. Anomalisa war beim Anschauen toll, aber sein Glanz ist jetzt zum Ende des Jahres arg verblasst. Dr. Strange und Star Trek Beyond fand ich sehr solide. Captain America: Civil War, Batman v Superman: Dawn of Justice und Warcraft sind Filme, über deren Fehler, Stärken und Plätze in der modernen Hollywood-Blockbustermaschine ich lange reden könnte, die aber alle nicht gut waren. Rogue One war auch gut, aber nicht mehr. Besser als nur gut waren hingegen die folgenden Filme:

10. 13th

© Netflix

Ava DuVernays für Netflix realisierter Dokumentarfilm ist nicht besonders bildgewaltig. Wahrscheinlich hat er sogar nur eine Sequenz, zum Ende hin, die sein visuelles Medium wirklich in einer eisensteinschen Kollisionsmontage von erstaunlicher Effektivität nutzt. Aber es gelingt 13th, ein Argument aufzublättern und Sinnzusammenhänge herzustellen, die ich noch nie gesehen hatte und die mir trotzdem sofort einleuchteten: Es gibt eine gerade Linie zwischen dem Erbe der Sklaverei und der massenhaften Einsperrung schwarzer Männer seit den 70er Jahren. Und die aktuelle politische Lage verspricht keine Besserung. Für all die politische Wut, die ich ohnehin schon im Bauch hatte, war 13th idealer zusätzlicher Brennstoff.

9. Kubo and the Two Strings

© UPI

Es gibt genug, was man Kubo entgegenhalten könnte, von seiner kulturellen Appropriation, die trotz asiatischem Settings ohne Schauspieler_innen mit asiatischen Wurzeln in den Hauptrollen auskommt, bis zu seiner absehbaren Moral. Ich war im Kino trotzdem bewegt – vom Design und den Posen der Figuren, vom Textadventure-Plot, bei dem ein cooler Schauplatz nach dem nächsten besucht werden muss, und von der absehbaren Moral über Familie und Zusammenhalt. Warum mir gerade Letzteres zurzeit immer so nah geht (sogar bei Sing), müsst ihr meine Therapeutin fragen.

8. The Girl with All the Gifts

© Poison Chef

Posthumanismus, der Gedanke, dass die Menschheit in ihrer jetzigen Form nicht die Krone der Schöpfung sein muss, ist in unseren gelegentlich apokalyptsichen Zeiten ein spannender und manchmal tröstender Gedanke. Die Verfilmung von M. R. Careys Roman The Girl with all the Gifts, die dieses Jahr auf dem Fantasy Film Fest lief (regulärer Kinostart: 9. Februar), arbeitet diesen Gedanken nicht zuletzt durch ihr Casting perfekt heraus, denn im Gegensatz zum Roman sieht das titelgebende “Girl” hier eher so aus wie die Generation, die diese Welt erben wird. Dass The Girl with all the Gifts dazu noch ein Zombiefilm ist, der fast ohne Blut und dafür mit umso mehr beeindruckender Stadtüberwucherung daherkommt, macht ihn zum idealen Ersatz für den 28 Months Later-Film, den es wohl nie geben wird.

7. Arrival

© Sony Pictures

Die besten Science-Fiction-Filme haben in ihrem Kern eine revolutionäre Idee und drumherum eine Ehrfurcht für das Außergewöhnliche. Denis Villeneuves besitzt beides, einen cleveren Gedanken über Zeitwahrnehmung, erzählt in einer einfachen Geschichte, und wundersame Bilderwelten, die einen wie ein Traktorstrahl in der Schwebe halten. Ich bin dankbar, dass es solche Filme gibt – noch dazu, wenn sie von Sprachwissenschaftlern handeln. (Es lohnt sich übrigens, diesen Podcast über die Entwicklung des Drehbuchs zu hören.)

6. Brooklyn

© 20th Century Fox

Gerade im Winter braucht es manchmal Filme, die einen innerlich mit Wärme füllen. Im vergangenen Januar war Brooklyn das für mich. Ich habe eine Schwäche für einfache Liebesgeschichten, in denen Menschen nicht dumm handeln, damit das Drehbuch hanebüchene Missverständnisse daraus stricken kann, sondern auftretende Konflikte mit Herz und Vernunft durchschreiten, wie bei den Menschen, die ich auch im realen Leben bewundere und mag. Am Ende bleibt von Brooklyn vor allem das Gefühl übrig, dass es ganz ohne Hollywood-Schmalz jede Menge liebende und liebenswerte Menschen in der Welt gibt, die deswegen noch lange nicht perfekt sind. Und das deckt sich mit meiner Wahrnehmung.

5. Toni Erdmann

© NFP

Ich habe hier im Blog aufgeschrieben, dass ich das Interessanteste an Toni Erdmann die Reaktionen seiner Zuschauer_innen fand. Ich fürchte mich ein wenig davor, den Film noch einmal zu sehen. Wird er meinem Blick stand halten, jetzt wo er mich nicht mehr überraschen kann? Oder werden seine Beobachtungen über Deutschland, Väter, Töchter, Globalisierung, Führungskräfte, Lebensweisheiten und Hilflosigkeit nur tiefer? Auf jeden Fall hat Maren Ades Film genug Eindruck hinterlassen, dass ich es gerne ausprobieren würde.

4. The Lobster

© Sony Pictures

Ich war kein Fan von Yorgos Lanthimos’ Alpen. Aber The Lobster hat im Vergleich gerade genug relatability und bizarre Liebenswürdigkeit, dass er einen durch das verrückte Konzept in seinem Zentrum durchträgt. Dass seine bittere Satire auf das gesellschaftliche Ideal von Liebe und Partnerschaft ins Schwarze trifft, habe ich vor allem darin gemerkt, dass ich im Kino saß und mich nicht nur fragte, wie ich wohl in dem Szenario bestehen würde, in dem Colin Farrell den Film beginnt, sondern ob das nicht eigentlich eine interessante Herausforderung wäre.

3. The Big Short

© Paramount

Ich bin ein großer Fan des Podcasts Planet Money, der Wirtschaftsthemen so erklärt, dass ich sie verstehe. The Big Short ist eine lange Planet-Money-Episode, gekreuzt mit einem Meme-gespickten Buzzfeed-Listicle namens “Diese 31 verrückten Fakten zur Finanzkrise werden dir die Krokoleder-Schuhe ausziehen”. So muss man das Thema angehen: mit Humor, Überdrehtheit und verzweifeltem Optimismus.

2. Spotlight

© Paramount

Als ich aus Spotlight kam, wäre ich am liebsten sofort wieder hauptberuflich in den Journalismus zurückgekehrt. Nicht um große Skandale aufzudecken, wie das Team im Film, sondern einfach nur um das Privileg zu genießen, genau dann Fragen zu stellen, wenn so viele glauben, dass sie die Antwort schon kennen. Wie sehr es im Journalismus genau nicht um Ruhm und Glamour und mediale Eitelkeit geht, sondern um das beharrliche Nachhaken in Situationen, in denen sich alle bereits auf eine Haltung geeinigt zu haben scheinen, das macht Tom McCarthy in Spotlight nicht zuletzt durch seine ebenso beharrliche und unglamouröse Inszenierung deutlich.

1. Vor der Morgenröte

© X-Verleih

Die schönsten Filme sind die, die einen überraschen. Die Trailer zu Maria Schraders Vor der Morgenröte ließen mich vermuten, dass es sich dabei um ein beliebiges wohlgesittetes Biopic deutscher Bauart handelte. Erst durch die nachdrückliche Empfehlung von Bloggerkollegen ging ich ins Kino und erlebte unerwartet ein grandios intelligentes Drehbuch, umgesetzt in perfekt kadrierten Bildern – nicht nur in den langen Einstellungen am Anfang und Ende des Films.

Beeindruckend fand ich vor allem den merkwürdig anmutenden moralischen Konflikt im Herzen des Films: Stefan Zweig weiß, dass es ihm – mit seinen Reisen und lästigen Empfängen – so viel besser geht, als den Bekannten und Freunden, die ihn um Hilfe bitten, weil sie um ihr Leben fürchten, und trotzdem will er einfach nur seine Ruhe, um das zu tun, wozu er sich berufen sieht: Kunst schaffen, die er dem Gräuel des Krieges entgegensetzen kann. Was wie eine einfach Entscheidung klingt, ist eindeutig keine, und es ist großartig, diesen Konflikt auf Josef Haders Gesicht ablesen zu können. Tief bewegend, voller kluger Gedanken – mein Film des Jahres.

Haftungsausschluss: Die Sichtungen von Moana und Nocturnal Animals stehen noch aus, aber ich denke, diese Liste ist für den Moment recht sicher.

Piq: Die besten deutschen Filme der letzten 16 Jahre?

Die BBC hat 177 Filmkritikerinnen und Filmkritiker aus der ganzen Welt gefragt, was die besten Filme des jungen 21. Jahrhunderts sind und das Ergebnis als Liste veröffentlicht. Solche Listen sind immer genauso sinnlos wie faszinierend. Sie spiegeln einen scheinbaren Konsens des Kunstvergleichs wieder, den niemand braucht, sind aber auch ein sehr einfacher und effektiver Weg, um Diskussionen anzuregen. Gehört Mulholland Drive von David Lynch wirklich auf Platz 1? Und Maren Ades noch nicht einmal sechs Monate alter Film Toni Erdmann auf Platz 100?

Man konnte förmlich zusehen, wer sich alles bemühte, in den letzten Tagen die BBC-Liste einzuordnen, zu kommentieren – und natürlich auch “weiterzudrehen”. Das Berliner Stadtmagazin “Tip” hat das BBC-Experiment kurzerhand wiederholt und auf Deutschland reduziert. Ihre Liste der zehn “Besten deutschsprachigen Filme des 21. Jahrhunderts”, ebenfalls von einer Gruppe Filmkenner gewählt, ist genau so vor allem Diskussionsstoff und Zeitbild.

Toni Erdmann, noch frisch im Gedächtnis, steht hier plötzlich viel weiter oben. Christian Petzold ist gleich dreimal in der Top 10 vertreten. Und keiner der großen deutschen Publikumshits der letzten 16 Jahre, nicht Good Bye Lenin, nicht Das Leben der Anderen, hat auch nur einen Cameo-Auftritt. Die Gruppe der befragten Kritiker ist sehr feuilletonslastig und (zumindest von den genannten) zu hundert Prozent männlich – was wäre wohl rausgekommen, wenn man das Feld etwas mehr diversifiziert hätte?

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Die Lieblingsfilme der Filmblogosphäre 2014

Wie schon vor einem Jahr habe ich die letzten Tage damit verbracht, so ziemlich alle deutschsprachigen Filmblogs, die ich finden konnte, nach Bestenlisten zu durchforsten, diese in Daten zu übersetzen und in eine Tabelle einzutragen. Daraus konnte ich am Schluss diese Liste destillieren.

Der Film, der auf Platz eins steht, zeigt eine interessante Tendenz dieser Aggregatsliste auf: Die wenigsten Filmblogger_innen sind Profi-Filmkritiker_innen, das heißt sie gehen nicht unbedingt auf viele Festivals oder bekommen die Möglichkeit, jeden mit kleiner Kopienzahl startenden Film (kostenlos) zu sehen. Auf den Lieblingslisten landet am Ende des Jahres also nicht nur, was bei allen Geschmäckern irgendwie ankommt, sondern vor allem auch, was einfach zu sehen war.

Boyhood kam im Sommer relativ breit ins Kino. Wer ihn damals verpasst hat, hatte spätestens im Dezember davon gehört und konnte ihn im Heimkino nachholen. Das gleiche Prinzip hat sicher auch Under the Skin geholfen, der einen erstaunlichen geteilten zweiten Platz erringen konnte, obwohl er nicht breit im Kino lief. Ansonsten sind mit Ausnahme von Interstellar und Nightcrawler auch alle anderen Filme der Top 10 inzwischen mindestens auf VOD erhältlich. Sicher kein Zufall.

Obwohl ich Boyhood auch auf meiner persönlichen Lieblingsliste habe, bin ich dennoch ein bisschen erstaunt, wie viel Liebe der Film abbekommen hat. Ich bin ja für große sentimentale Gesten sowieso immer zu haben, aber Richard Linklater scheint selbst die Herzen der Zyniker erweicht zu haben. Auch die hohe Platzierung von Under the Skin überrascht mich ein kleines bisschen – der Film ist wirklich kein Crowd Pleaser, aber er scheint bei Filmliebhabern einfach einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Qualität setzt sich eben doch durch.

Wie breit das geschmackliche Feld trotz solcher Konsensfavoriten ist, zeigt die Tatsache, dass auf den 54 ausgewerteten Listen insgesamt 163 Filme Erwähnung fanden – alles von obskuren Festivalperlen bis großen Action-Blockbustern. Um eine Gleichschaltung der Lügenpresse müssen wir uns in der Internet-Filmkritik also so schnell keine Gedanken machen.

1. Boyhood

2. Guardians of the Galaxy / Under the Skin

4. Grand Budapest Hotel

5. Snowpiercer

6. The Wolf of Wall Street

7. Her

8. Nymphomaniac

9. Interstellar

10. Nightcrawler

11. The Lego Movie
12. Die Wolken von Sils Maria
13. Gone Girl
14. Captain America: The Winter Soldier
15. X-Men: Days of Future Past
16. All is Lost
17. Maps to the Stars
18. 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club
20. Locke

Zur Methode: Datengrundlage sind insgesamt 54 Listen oder Lieblingsfilm-Nennungen aus deutschsprachigen Filmblogs. Grundlage waren das Filmblogverzeichnis auf “SchönerDenken” und einige Ergänzungen, die dort noch fehlten. Bei mehreren Listen pro Blog von verschiedenen Autor_innen wurde jede Liste einzeln gezählt.

Die Filme wurden nach einem Punktesystem geordnet. Bei nummerierten Top-10-Listen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter bis zum 10. Platz, der 1 Punkt bekam (gesamt: 55 Punkte). Bei nicht nummerierten Listen bekam jeder Film 5,5 Punkte (gesamt: 55 Punkte). Bei weniger als 10 genannten Filmen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter absteigend, fehlende Plätze wurden ignoriert. Bei mehr als 10 genannten Filmen wurden nur die ersten 10 gewertet.

Punkteverteilung: Boyhood (185), Guardians of the Galaxy / Under the Skin (jeweils 88,5), Grand Budapest Hotel (82), Snowpiercer (81), Wolf of Wall Street (70), Her (68), Nymphomaniac (65,5), Interstellar (63,5), Nightcrawler (49,5), The Lego Movie (45), Sils Maria (41), Gone Girl (38,5), Captain America (38), X-Men (35,5), All is Lost (32), Maps to the Stars (29), 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club (jeweils 28), Locke (27,5).

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2014

© Senator

Under the Skin

Ich hatte ein gutes Filmjahr, obwohl ich es, wie immer, natürlich nicht geschafft habe, alles zu sehen, was potenziell Bestenlisten-Material gewesen wäre. Aber ich wurde auch mit den Filmen, die ich gesehen habe, gut unterhalten und zum Nachdenken gebracht, ästhetisch überwältigt und narrativ herausgefordert. Es folgt der übliche Countdown.

Nicht gesehen

Obwohl ich oft und gerne ins Kino gehe, sind auch 2014 wieder einige Filme an mir vorbeigegangen, die sicherlich in den Listen anderer Filmgucker_innen auftauchen werden. Dazu gehört der Cannes-Gewinner Winterschlaf von Nuri Bilge Ceylan (ein besonderer Schandfleck, da ich diese Liste gerade in Istanbul verfasse) und der europäische Filmpreis-Gewinner Ida. Jim Jarmuschs Only Lovers left Alive habe ich ebenso verpasst wie Locke und die beiden Doppelgängerfilme Enemy und The Double. Dazu kommen natürlich jede Menge Festival-Filme, die in Deutschland keinen regulären Kinostart hatten, etwa Blue Ruin, Adieu au Langage und Jodorowsky’s Dune, die ich alle gerne noch sehen möchte.

Das Feld

Es gab wiederum genug Filme, die mir gefielen, aber nicht in die Top 10 vordringen konnten. Dazu gehörte der gelungene Franchise-Verbinder X-Men: Days of Future Past und das Affen-Prequel Dawn of the Planet of the Apes, die beide gezeigt haben, dass es selbst innerhalb der Hollywood-Maschine Raum für interessante erzählerische Konstruktionen gibt. Ich mochte das schwindelerregende 70er-Schaulaufen American Hustle, die Mediensatire (?) Nightcrawler, das Sozialdrama Deux Jours, Une Nuit und den Zeitgeist-Film Mockingjay – Part 1 und selbst Captain America: The Winter Soldier und The Lego Movie hatten ihre Stärken. Weniger Liebe konnte ich The Babadook entgegenbringen, der mir seine Metapher doch etwas überstrapazierte. Aber das ist halt Geschmack.

10. Under the Skin

Der Film, der in Deutschland wahrscheinlich vor allem für die Diskussion um seinen Kinostart in Erinnerung bleiben wird, ist mir im Hirn kleben geblieben, obwohl ich aus dem Kino kam und zunächst mehrere Tage behauptete, dass er “sehr hart an der Prätention vorbeischrammt”. Und in der Tat ist Jonathan Glazers Film vor allem ein Experiment in Zuschauergeduld mit seinen wortkargen, kaum erklärten Szenen, die zwischen krisseligem Dokustil und abstrakten schwarzen Räumen wechseln. Alles Vorhergegangene wird aber schließlich durch eine Schlussszene von atemberaubender Schönheit und kosmischer Traurigkeit rehabilitiert, in der sich dann auch der Filmtitel wiederfindet.

9. L’Arte Della Felicita

Ein Film ohne normalen deutschen Kinostart, den ich auf dem Trickfilmfestival in Stuttgart sehen konnte. Wie ich damals für “kino-zeit.de” schrieb: “Auf halbem Weg zwischen Jim Jarmuschs Night on Earth und Richard Linklaters Waking Life erzählt er die Geschichte von Sergio, einem Taxifahrer in Neapel, der seinen Bruder und musikalischen Partner zum zweiten Mal verliert. Zum ersten Mal hat er ihn vor zehn Jahren verloren, als sich Alfredo entschied, das musikalische Duo zu verlassen, um buddhistischer Mönch zu werden. Unfähig, dem Tod des Bruders ins Auge zu sehen, driftet Sergio durch das im Dauerregen ertrinkende Neapel und bekommt von verschiedenen Passagieren deren Glücksrezepte erzählt. Umgesetzt ist das Ganze in einem an Rotoskopie erinnernden, träumerischen 2D/3D-Look mit sorgsam ausgewählter Farbpalette und einem gelungenen Soundtrack.” Ich hoffe auf eine DVD-Auswertung.

© Cinecittà Luce

L’Arte Della Felicita

8. Gone Girl

Wie fast immer bei David Finchers Filmen, kann ich mich mit Gone Girls Menschenbild nicht identifizieren. Ich glaube weder, dass Ehen konstruierte Lügenmärchen sind, noch dass wir alle insgeheim Psychopathen sind, die nur darauf warten, entfesselt zu werden. Aber Heidewitzka! hat mich dieser Film über zwei Stunden plus in seinen Bann gezogen und mich erneut in perfekt kadrierten Bildern und präzise herausgearbeiteten Perfomances schwelgen lassen. Dafür allein lohnt sich Fincher einfach jedes Mal.

7. Boyhood

Nach Feierabend am letzten Arbeitstag vor der Sommerpause saß ich alleine im Stuttgarter Delphi-Kino und ließ Richard Linklaters Vision eines jungen Menschenlebens über mich hinwegrauschen. Dass der Film allein für seine Machart und seinen langen Atem jedermenschs Achtung verdient, muss man kaum noch erwähnen. Doch diesmal trafen mich auch Linklaters übliche Glückskeks-Philosophie-Momente über Sinn und Sinnlosigkeit unserer Existenz auf diesem Planeten ziemlich direkt ins Herz. Und sollte ich jemals einen Toyota besitzen, werde ich auch das “To” und das “Ta” übermalen, bis nur noch “Yo” übrigbleibt.

6. Guardians of the Galaxy

Kino darf auch mal Spaß machen. Und Guardians of the Galaxy macht endlos Spaß, wurschtegal, ob der Film in seinen Handlungsbögen nur ein weiteres Mal den üblichen beliebigen-Bösewicht-irgendwie-besiegen Beats folgt. Da sind ja immer noch die sympathischen Charaktere, das knallbunte Design, die clevere Musikauswahl und die pure Gaudi, die einem von der Leinwand entgegenspringt. Zweieinhalb Stunden Eskapismus ohne Reue.

© Disney

Guardians of the Galaxy

5. Her

Bei all der krachigen Science-Fiction, die in den letzten Jahren in den Kinos um unsere Aufmerksamkeit buhlt, ob Interstellar oder Elysium, Edge of Tomorrow oder Oblivion – kein Film hat die wahren Alltags-Technik-Themen unserer Zeit so gut eingefangen wie Her. Das besondere an Spike Jonzes kleinem Meisterwerk ist aber, dass es sowohl als echte SciFi-Geschichte funktioniert – die ihre Prämisse konsequent zuende denkt, wie es die großen Kurzgeschichten der alten SciFi-Meister taten – als auch als Metapher für menschliche Beziehungen unabhängig von jeder Technik. Scarlett Johanssons Samantha könnte genauso eine Fernbeziehungs-Freundin oder eine “out of your league” Geliebte sein. Emotional erleben hunderte Menschen auf der Erde jeden Tag das gleiche wie Theodor Twombly.

4. Nymphomaniac

Lars von Trier und die Frauen – das ist so eine Sache, zu der ich mir lieber kein Urteil erlauben würde. Wie immer ist Nymphomaniac wohl eher eine Projektion seiner eigenen Neurosen auf einen weiblichen Charakter und ich denke, so will der Film auch begriffen werden. Wofür ich Trier aber am meisten bewundere, ist seine Bereitschaft, in seinen Filmen formell “all in” zu gehen. Nymphomaniac (Teil 1 noch mehr als Teil 2) ist eine ausufernde Erzählung voller Abschweifungen, Inkonsistenzen und gestalterischer Ideen, der aber dadurch das seltene Kunststück gelingt, intellektuelle und emotionale Prozesse tatsächlich auf der Leinwand konkret zu machen und sie nicht nur unter einem Haufen Interpretationsmasse zu vergraben. Und für diese abgefuckte Direktheit verehre ich den Mann einfach.

3. Mommy

Xavier Dolans Film hat mich an einem kalten Dezemberabend mit voller Breitseite erwischt und ich kann bis heute nicht sagen, ob es meine eigene winterliche Melancholie oder die emotionale Kraft des Films waren, die mich sofort nach Verlassen des Kinos dazu brachten, Mommy sehr weit oben auf meiner Jahresliste zu platzieren. Auch hier wieder diente mir die formale Experimentierungsfreude – Bildformat als Ausdruck von emotionaler Freiheit – als Anfixpunkt und zog mich mittenhinein in eine komplexe Gefühls- und Bilderwelt voll einprägsamer Charaktere. Wie erwähnt, ich mag es halt direkt. Und ich hätte mir beinahe einen Céline-Dion-Song heruntergeladen.

© Universal Pictures Home Entertainment

12 Years a Slave

2. 12 Years a Slave

Der zeitverzögerte deutsche Verleihplan führt manchmal dazu, dass man am Anfang des Jahres einige sehr gute Filme sieht, mitansehen muss, wie sie so lange gefeiert werden, bis man sie fast wieder leid ist und dann bis Ende des Jahres Gefahr läuft, zu vergessen, dass man sie im gleichen Jahr gesehen hat wie alles, was in Cannes und danach startete. 12 Years a Slave ist so ein sehr guter Film, der gelungen zwischen Hollywood und Arthouse balanciert, eine berührende persönliche Geschichte und gleichzeitig das erschütternde Schicksal einer ganzen Bevölkerungsgruppe erzählt. Ein “wichtiger” Film, aber zum Glück darüberhinaus auch ein beeindruckendes Stück Filmkunst.

1. The Grand Budapest Hotel

Er mag nicht den jugendlichen Verve von Rushmore oder das perfekte Ensemble von The Royal Tenenbaums haben, aber ich finde, The Grand Budapest Hotel ist der beste Film, den Wes Anderson bisher gemacht hat. Gerade weil der Film sehr wenig Konkretes über Menschen, Beziehungen und unsere Welt sagen will (nicht gar nichts, aber eben auch nicht viel) und stattdessen den formellen Schrullen und spleenigen Details, auf die Anderson so steht, in vollen Zügen und ohne Reue frönen kann, mag er dem ein oder anderen flüchtig erscheinen – ich finde, es macht ihn erst so richtig grandios.

© 20th Century Fox

The Grand Budapest Hotel

Die Lieblingsfilme der deutschen Film-Blogosphäre 2013

Die deutsche Film-Blogosphäre hat gewählt – und dabei wusste sie es gar nicht. Ich habe mich am Neujahrsmorgen durch insgesamt 44 Blogs und Blog-Autoren gewühlt, Bestenlisten zusammengesucht und daraus eine (höchst unwissenschaftliche) übergreifende Bestenliste zusammengerechnet. Der Film des Jahres liegt dabei so weit vorne, dass kein anderer ihm ernsthaft Konkurrenz machen konnte – er war wohl unter Filmguckern doch irgendwie das Filmereignis des Jahres. Ansonsten halten sich in der Top 20 amerikanisches und Weltkino, Oscar-Mainstream und Middlebrow-Arthouse ganz gut die Waage finde ich. Was meint ihr?

1. Gravity

© Warner Bros.

2. Django Unchained

© Sony Pictures

3. Inside Llewyn Davis

© StudioCanal

4. Spring Breakers

© Wild Bunch

5. Before Midnight

© Prokino

6. Zero Dark Thirty

© Universal Pictures International

7. Jagten

© Wild Bunch

8. Stoker

© 20th Century Fox

9. Silver Linings Playbook

© Senator Film

10. Rush

© Universum Film

11. The Broken Circle Breakdown
12. The Act of Killing
13. The Master
14. The Place Beyond the Pines
15. De rouille et d’os
16. Only God Forgives
17. Captain Phillips
18. Frances Ha
19. The Great Gatsby
20. Leviathan

Zur Methode: Datengrundlage sind insgesamt 44 Top-10-Listen oder Lieblingsfilm-Nennungen aus deutschsprachigen Filmblogs. Die Blogs stammten aus meiner eigenen Blogroll, dem “Film Blog Group Hug”-Verteiler, der Gruppe Top 10 Moving Pictures of the Month auf Facebook (wenn ich ein Blog zu den Autoren gefunden habe), sowie den Teilnehmenden am “Media Monday” des Medien-Journals). Bei Mehrpersonenblogs wurde jede Personenliste einzeln gerechnet.

Die Filme wurden nach einem Punktesystem geordnet. Bei nummerierten Top-10-Listen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter bis zum 10. Platz, der 1 Punkt bekam. Bei nicht nummerierten “Zehn besten Filmen” bekam jeder Film 5 Punkte. Bei weniger als 10 genannten Filmen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter absteigend (das heißt, zum Beispiel, dass bei Einzelnennungen des Lieblingsfilms im Media Monday Silvester Special jedes Mal 10 Punkte vergeben wurden).

Mir ist bewusst, dass ein solcher Punkteschlüssel statistisch kaum Sinn ergibt, zumal etliche Blogs bestimmt fehlen, aber es geht um den Spaß und eine Gesamttendenz ist schon irgendwie ablesbar. Die Gesamtliste mit Punkten und ausgewerteten Blogs ist auf Wunsch bei mir einsehbar.

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2013

© StudioCanal

Die Zeit der Rückblicke ist beinahe vorbei. Nach einer Retrospektive auf einige allgemeine Lebens-Highlights des Jahres wird es nun wie jedes Jahr Zeit für eine Liste der Filme, die mich dieses Jahr persönlich am meisten beeindruckt haben.

Leider folgt auch wie immer an dieser Stelle der Hinweis, dass ich nicht alle Filme sehen konnte, die ich gerne gesehen hätte. Gerade im Nachholmonat Dezember hat mich eine längere Abwesenheit vom Alltag daran gehindert, noch ins Kino zu gehen. So konnten Filme wie La Grande Bellezza, La vie d’Adèle, Captain Phillips und The Act of Killing leider nicht mehr in meine Gesamtauswahl einfließen. Wie üblich habe ich Filme in Betracht gezogen, die 2013 in Deutschland regulär im Kino starteten oder auf Festivals zu sehen waren. Und weil Abwechslung das Leben frisch hält, fange ich dieses Jahr mal mit Nummer 10 statt Nummer 1 an.

10. Star Trek Into Darkness

Ich habe die Tendenz, auf Platz 10 meiner Liste einen Film zu setzen, den ich einfach besser fand als seinen Ruf. Meistens einen von den großen, dummen Blockbustern. Mit Star Trek Into Darkness hatte ich zwei Bombenstunden im Kino und ich ziehe außerdem den Hut vor den Continuity-Verrenkungen der Autoren. Ich habe außerdem Angst davor, den Film noch einmal zu sehen und all die Makel zu erkennen, die alle anderen ihm ankreiden. Aber dafür habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit.

© Paramount Pictures

9. The Place Beyond the Pines

Ich habe ernsthafte Probleme mit dem merkwürdigen Sozialdeterminismus, mit dem Derek Cianfrances Film einen aus dem Kino entlässt. Nicht, dass ich nicht denke, dass die Entscheidungen unserer Eltern einen Einfluss auf unsere Entscheidungen haben, aber Pines zeigt eine Unausweichlichkeit, die mein optimistisches Ich nicht mittragen will. Mein Lob gilt daher vielmehr der Chuzpe, einen Film zu machen, der Godfather Part II-mäßig mehrere Geschichten erzählt, die eigentlich eine Geschichte sind, ihn mit erinnerungswürdigen Charakteren zu bevölkern und nebenbei ein paar formelle Kapriolen zu schlagen. Das sieht man leider nicht allzu häufig mehr im amerikanischen Kino.

8. Inside Llewyn Davis

Gestern erst gesehen, hat Inside Llewyn Davis mir wieder mal gezeigt, wie großartig die Coen-Brüder sind, wenn sie Geschichten mit Musik erzählen. Diese tragikomische Fabel über einen Künstler, der zwar zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, aber dennoch an sich selbst und seiner Umwelt scheitert, trägt nicht nur im Namen eines felligen Nebencharakters eine Verbindung zu O Brother, Where Art Thou mit sich herum. Joel und Ethan Coen geben Llewyn und seinen Artgenossen die Chance, ihre Songs voll auszuspielen – was sie um ein vielfaches stärker wirken und nachwirken lässt. Wenn sich so etwas doch mehr Filme trauen würden.

7. Silver Linings Playbook

Ach, das Kreuz mit den Filmen, die man Anfang des Jahres gesehen hat und die in den USA zum Vorjahr gerechnet werden. Es fällt gelegentlich schwer, sich daran zu erinnern, wie der Film vor fast zwölf Monaten gewirkt hat, bevor er mit Preisen überschüttet wurde und bevor man Jennifer Lawrence längst wieder in anderen Rollen bewundern durfte. Im Gedächtnis geblieben ist mir eine unglaublich intensive Kinoerfahrung, ein Robert DeNiro, der plötzlich sein Talent wiedergefunden hatte, und eine Liebesgeschichte, die irgendwie funktioniert, obwohl sie es nicht sollte.

6. Computer Chess

Ich weiß nicht, ob man ein gewisses Nerdlevel erreichen muss, um diesen Film zu mögen, aber ich glaube, ich hätte ihn auch toll gefunden, wenn es tatsächlich nur um gegeneinander antretende Schachcomputer Anfang der 80er Jahre gegangen wäre. Doch dann driftet der Film in seiner zweiten Hälfte auch noch in eine David-Lynch-ige Fiebertraum-Fantasie ab, in der sein ungewöhnlicher U-Matic-Look zu einer Art halluzinogenen Zuckerguss wird. Ein kleines, bescheuertes Meisterwerk.

© Rapid Eye Movies

5. Zero Dark Thirty

Kaum zu glauben, wie die USA noch dastand, bevor aufflog, dass sie die ganze Welt in massivem Umfang belauscht. Zero Dark Thirty zeigt den Weg zu einem sehr sehr einsamen symbolischen Sieg inmitten eines Clusterfucks gigantischen Ausmaßes, getragen durch eine sehr starke weibliche Performance abseits typischer Rollenbilder. Ich halte es für eine der großen Stärken dieses Films, dass er jedem Zuschauer einen Spiegel vorhält und ihm erlaubt, zu sehen, was er sehen will. Das habe ich damals auch im Pewcast gesagt.

4. Frances Ha

Noah Baumbachs vierter Film ist so etwas wie “wahrhaftiger Postmodernismus”. Der Film strotzt vor Versatzstücken, die Baumbach und seine Co-Autorin-und-Hauptdarstellerin Greta Gerwig offen vor sich hertragen, aber man hat den Eindruck, dass er eben erst dadurch ein Film genau über unsere zeitlose Zeit wird. Und weil Frances dennoch ein echter Mensch mit Ecken und Kanten ist, ist Frances Ha eben auch ein eigenständiger Film, der völlig unabhängig von seinen Nouvelle-Vague-Wurzeln funktioniert. Wer das nochmal mit Bildern gesagt bekommen will, für den sei erwähnt, dass ich den Film auch für “Close up” besprochen habe.

3. Spring Breakers

Ich stelle mir vor, dass Harmony Korine eines abends bei einer übermüdeten Sichtung von Letztes Jahr in Marienbad eingeschlafen ist, und während er schlief, von der Skrillex-Platte des Nachbarjungen beschallt wurde. Als er aufwachte hat er dann diesen Film gemacht, dem allein schon für seinen neongetränkten Look ein Preis gebührt. Wenn Frances Ha eine Seite der Welt zeigt, in der wir leben, zeigt Spring Breakers die ihr direkt gegenüberstehende. Und obwohl der Film so lose, abgedreht und arty ist, scheint er auf einer merkwürdigen Ur-Ebene auch für ein Mainstreampublikum zugänglich zu sein. Und zwar nicht nur wegen der Titten. Das ist was wert.

© Warner Bros.

2. Gravity

Ich weiß, dass ich ursprünglich kaum ein gutes Haar an Alfonso Cuaróns Weltraumspektakel gelassen habe. Doch eine zweite Sichtung hat meinen Fokus geradegerückt, weil ich nicht länger eine Meditation über die Endlosigkeit des Weltraums erwartet habe, sondern mich ganz auf die intime Geschichte konzentrieren konnte, die im Herzen des Films liegt. Eine Geschichte, deren Parabelhaftig- und Symbolträchtigkeit völlig gewollt ist und die ich dann auch so akzeptieren konnte. Zählt man die technischen und schauspielerischen Leistungen sowie den schlichten Mut von Gravity noch dazu, bleibt einer der besten Filme des Jahres übrig.

1. The Broken Circle Breakdown

Ein Festival wie die Berlinale kann sicherlich an einem zehren, aber das war wohl nicht der einzige Grund, warum ich während The Broken Circle Breakdown gleich mehrfach selbst dem Breakdown nahe war. Der belgische Film ist einer von jenen, die einen mit der schieren Wucht von Emotionen erdrücken – und das kann man lieben oder hassen. Ich war durch und durch berührt von der bewegenden Geschichte, der tollen Musik, den einzigartigen Figuren und der geschickt verschachtelten Erzählweise von Felix van Groeningens Film – und an diese Kombination kam dieses Jahr einfach kein anderer Film für mich heran.

© Pandora Film

Ein paar lobende Erwähnungen müssen noch sein: Lincoln etwa, einen 2013er-Film, den ich sogar noch 2012 in der Pressevorführung gesehen habe und der mich vor allem dadurch beeindruckt hat, dass die Geschichte in ihm so lebendig wirkte. Die beiden Zeichentrickfilme Wolf Children und Ernest et Célestine, die mich jeder auf seine Art verzaubert haben und vielleicht auch deswegen nur nicht in der Top 10 gelandet sind, weil ich mich nicht für einen von beiden entscheiden konnte. Pacific Rim, weil er ebenfalls eine Menge Spaß gemacht hat. Und Before Midnight, weil er zumindest ein außergewöhnliches Projekt fortsetzt, dessen Charaktere ich aber so unsympathisch finde, dass mir der Film einfach nicht ans Herz gehen will.

Wir sehen uns auf der anderen Seite!

5 Dinge, mit denen ihr mich dazu bringt, euren Podcast mehr als einmal zu hören

podcasts machen ist das neue schwarz
waxmuth auf Twitter

Neue Dinge ausprobieren ist toll, und sobald Dinge sich dafür anbieten, sie einfach und erschwinglich auszuprobieren, sollte man das tun! Podcasts gehören auch dazu. Der eierlegende Wollmilchmedienmensch der Zukunft sollte in der Lage sein, auch mit Audio zu arbeiten, und ein Podcast ist eine geniale Möglichkeit, seine Audiofähigkeiten auszuprobieren. Hinzu kommt, dass es irgendwie viel weniger arbeitsaufwändig ist, eine Weile frei von der Leber weg zu reden als die gleichen Zeit mit Schreiben oder Videoproduktion zu verbringen. Podcasting ist also die ultimative Geheimwaffe für Leute mit nicht genug Zeit für ein Blog. Nicht wahr?

Fast. Obwohl ich mich, wie gesagt, für jedes Experiment begeistern kann und mich über jeden Podcast freue, der entsteht, gibt es doch ein paar Dinge, die mir als leidenschaftlicher Podcasthörer und gelegentlicher Podcast-Macher aufgefallen sind. Dinge, die mich stören und Dinge, die ich super finde. Und weil ich anscheinend nicht der einzige bin, habe ich diese Dinge mal zu fünf freundlichen Ratschlägen zusammengefasst, die Podcaster meiner Ansicht nach zu besserem Podcasting führen könnten.

1. Denkt dran, dass “Podcast” von “Broadcast” kommt

Der “Pod” in “Podcast” ist nichts, was die Gattung definiert. Er ist nur das Gerät, auf dem der Klang wiedergegeben wird. Der wichtige Wortteil ist “-cast”, also “senden”. Ein Podcast ist eine Sendung, und eine Sendung sollte für ein Publikum gemacht werden. Wenn es euch egal ist, ob eure Sendung ein Publikum findet oder nicht, oder wenn euer komplettes Publikum auf endlose Insiderwitz-Kaskaden, ziellose Abschweifungen, Essgeräusche und andere Merkmale einer privaten Unterhaltung steht, dann viel Spaß damit. Aber denkt grundsätzlich daran, dass ihr etwas Öffentliches tut und verhaltet euch entsprechend. Ein bisschen privates Gequatsche macht menschlich, ist sympathisch und ein wichtiger Faktor für langjährige Hörer, die längst eine emotionale Verbindung zu euch aufgebaut haben. Aber je mehr ihr euch auf das konzentriert, was ihr vermitteln wollt, umso besser sendet ihr für alle potenziellen Hörer.

2. Schaut auf die Uhr

Der große Vorteil des Internets ist, dass die nervigen Formatgrenzen nicht-digitaler Medien aufgehoben sind. Das heißt: Euer Podcast kann so lange dauern, wie er will, weil er niemandes Sendezeit blockiert. Es heißt aber nicht, dass ganz natürliche Richtwerte wie die menschliche Aufmerksamkeitsspanne oder die Zeit, die man pro Woche hat, um nebenher etwas zu hören, nicht mehr existieren. Achtet deswegen darauf, dass euer Podcast nicht zu lang wird. Ich persönlich finde alles bis 90 Minuten erträglich, bevorzuge aber Formate zwischen 45 und 60 Minuten. Das ist eine Zeitspanne, in der ich prima zur Arbeit pendeln, die Wohnung putzen oder eine Weile joggen/spazieren gehen kann. Wenn das ganze ab und zu länger dauert: kein Problem – ihr habt den Platz ja und manchmal braucht ihr ihn vielleicht auch. Aber wenn ihr regelmäßig mehr als zwei Stunden braucht, werdet ihr mich wahrscheinlich als Hörer verlieren.

3. Investiert in ein bisschen Klangqualität

Denkt daran, dass ihr in den unterschiedlichsten Situationen gehört werdet. Selbst mit Kopfhörern auf dem iPod kann ein zu leise ausgesteuerter Podcast, in dem alle Sprecher in hallenden Räumen sitzen und am besten noch Störgeräusche mit aufgenommen wurden, sehr sehr anstrengend werden. Von einer Wiedergabe über Lautsprechern ganz zu schweigen. Darüber hinaus wissen die im Radio schon, was sie so tun. Eine gut zu verstehende Stimme, die nah am Mikrofon ist, schafft auch emotionale Nähe. Ihr müsst ja nicht wie Vollprofis klingen, aber einigermaßen okay klingende Podcastmikrofone sind gar nicht so teuer und die Investition lohnt sich. Das eingebaute Mikro in eurem Laptop ist auf jeden Fall die falsche Wahl, zumindest nach den ersten paar Testsendungen – und ein Blick auf den Pegel des mp3 vor dem Hochladen wirkt auch manchmal Wunder.

4. Habt keine Angst, zu schneiden

Wer Texte publiziert, sieht diese in der Regel nach dem Schreiben und vor dem Veröffentlichen noch einmal durch. Nicht selten findet man dabei Formulierungen, die man lieber noch mal umstellt oder ändert. Warum sollte für Podcasts nicht das gleiche gelten? Das Aufgenommene noch einmal durchzuhören und geringfügig zu schneiden macht zwar zusätzliche Arbeit, es erhöht die Qualität aber um ein Vielfaches. Abschweifungen, von denen man hinterher feststellt, dass sie nirgendwohin führten; sich endlos ziehende Momente der Sprachlosigkeit oder Äh-äh-äh-Stammelei bei Denkaussetzern, sie alle können glücklich im Nirvana verschwinden. Es lockert zudem die Atmosphäre während der Aufnahme, wenn alle Beteiligten wissen, dass Verhaspler, Hustenanfälle und geistesabwesende Falschbehauptungen hinterher entfernt werden können. Die ganze Pointe eines Podcasts ist ja, dass er zeitunabhängig gehört werden kann, also nicht live sein muss. Nutzt es. (Hilft auch, die Längenrichtlinie einzuhalten)

5. Überrascht mich

Das schöne an regelmäßigen Podcasts ist die Vertrautheit, die man schon nach kurzer Zeit mit seinen Machern entwickelt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich die Moderatoren meiner Lieblingspodcasts mindestens so gut kenne wie gute Bekannte. Diese ewige Wiederkehr des Vertrauten alleine reicht aber nicht aus. Wenn es nach mir geht, solltet ihr eure eingeschliffenen Routinen so oft es geht durchbrechen – idealerweise durch Gäste, die zu den von euch diskutierten Themen etwas Neues beizutragen haben. Aber auch ein Ortswechsel (“Heute mal vom Filmfestival XY”), ein ergänzendes Interview oder das Ausprobieren neuer Rubriken kann den Podcast beleben. Was nicht funktioniert, lässt man halt irgendwann wieder weg. Aber die Möglichkeiten sind endlos.

Meine “Referenzen”: Ich höre jede neue Folge von Radiolab, MusicWeekly, The Guardian Film Show, Scriptnotes, This American Life, PewCast und /Filmcast, ergänzt durch ausgewählte Folgen von Second Unit, The Q&A und dem Zündfunk Generator. Ich habe von jedem mir bekannten deutschen Filmpodcast mindestens eine, eher zwei bis drei Folgen gehört. Meine eigenen Podcastversuche starteten auf Festivals, haben eine Harry-Potter-Retro überlebt und einen Jahresrückblick.

Und jetzt dürft ihr mich in den Kommentaren beschimpfen.

Die deutsche Film-Blogosphäre: Übersicht der Beiträge

Der erste Beitrag:

Die Interviews:

Reaktionen in Blogs:

Ausführliche Kommentare:

Sonstiges:

Diese Liste wird fortlaufend aktualisiert. Hinweise gerne in die Kommentare.
Zuletzt aktualisiert: 31. Januar 2013