Playlist 2022

Meistgehört: Re: M Field.

Wie jedes Jahr folgt eine Liste der Songs, die mir in den vergangenen zwölf Monaten so gut gefallen haben, dass ich sie nicht nur gerne gehört habe, wenn sie zufällig im Shuffle kamen, sondern aktiv aufgesucht oder beim Durchskippen immer drauf hängen geblieben bin. Das qualifizierte sie dann irgendwann dafür, auf eine “Best of 2022” Playlist zu wandern, auf der ich in den letzten zwei Wochen noch einmal etwas ausgesiebt habe.

Diese Vorgehensweise ist ein interessanter Pattern des digitalen Zeitalters, aber es erleichtert auch ein wenig, sie inzwischen so kodifiziert zu haben. Genauso wie die Tatsache, dass ich ab 1. Dezember aufhöre, meine “Neue Musik für dich”-Listen zu hören, um mich ganz auf Rückschau und Genuss (z. B. ganze Alben durchhören) konzentrieren zu können.

1. The Beths – Silence Is Golden

NPRs “All Songs Considered” hat mich dieses Jahr auf diese coole neuseeländische Rockband gestoßen. “Silence is Golden” ist der Über-Banger des Albums “Expert in a Dying Field”, aber auch der Titelsong und der Rest der Platte lohnen sich.

2. Everything Everything – Bad Friday

Das Album, mit dem sich Everything Everything dieses Jahr zurückgemeldet haben, hat mich viel viel besser gefallen als die zwei davor. Die Lyrics wurden mit Hilfe einer KI geschrieben, aber was heißt das schon. Die Lead Single “Bad Friday” erinnert auf beste Art an ihren ersten Hit “MY KZ YR BF”, der in der Top 10 meiner Lieblingssongs aller Zeiten stehen dürfte.

I’m wondering: how did I get this battle over me?
I got the pictures here on my phone.

Everything Everything

3. Fickle Friends – Love You To Death

Ich freue mich wirklich über diesen Strom an knalligen Pop-Formationen mit weiblichem Leadgesang. Fickle Friends war ziemlich sicher eine algorithmische Empfehlung, aber der Song (und Teile des Albums) macht auch einfach Laune.

4. Kae Tempest – More Pressure (feat. Kevin Abstract)

Rap ist nicht die Musik, die mir am natürlichsten zufällt. Es braucht schon irgendeinen Vibe, der mich über Beats und Text (den ich meistens erst spät wahrnehme) hinaus anspricht und bei “More Pressure” war das dieses Jahr der Fall. Kae war mir schon vorher ein Begriff und ich feierte bereits den Albumtitel “The Beigeness” vor acht Jahren, aber hier treten Flow und Musikalität noch einmal auf eine besonders gute Art heraus. Und natürlich könnte man sich “More pressure, more release, more relief, more belief” auch problemlos tätowieren lassen.

More pressure, more release, more relief, more belief

Kae Tempest

5. M Field – House and Leisure

Es gibt keinen Musiker, der mich in den letzten zwei Jahren mehr begeistert hat als Matthew Field. Vor allem mit seinen Soloplatten, aber auch mit seiner Band Beatenberg, die ich dieses Jahr live sehen durfte. Hier drückt einfach alles meine Knöpfe: die versteckt-komplexen Instrumentierungen und Grooves, die Stimme, die Harmonien, die Texte, die oft tongue-in-cheek von alltäglichem Kram und den daraus erwachsenen “großen” Gedanken erzählen.

And as the Amazon burns
I water my little fern
I bought on Amazon Prime

M Field

6. Aoife O’Donovan – Age of Apathy

Die Vorab-Single “Phoenix” war letztes Jahr schon auf meiner Playlist, aber auch der Titelsong des Albums ist einfach toll. Ich bleibe dabei: Aoife hat eine der schönsten Stimmen der Musikwelt überhaupt und ihre Songs verbreiten genau die richtige Melancholie.

Oh, to be born in the age of apathy
When nothing’s got a hold on you, if you need someone to hold
You can hold me

Aoife O’Donovan

7. Stromae – L’enfer

Ich habe dieses Jahr aufs Neue gemerkt, dass ich eine besondere Schwäche für Französisch als gesungene Sprache habe und bei Stromae verbindet sich diese merkwürdige Liebe mit dem vielleicht genialsten Stotter-Beat des Jahres. Das ganze Album “Multitude” ist ein großartiges Erlebnis – “Mon Amour” hätte ich am liebsten auch noch auf die Liste genommen. (Der wäre auch etwas weniger depri gewesen.)

8. Midlake – Bethel Woods

Teile von Midlakes Album haben etwas an sich, das mich auf einer subkutanen Ebene an 70er Genesis erinnert (“Feast of Carrion”). Das kommt in diesem Song nicht so deutlich raus, aber dafür hat es dieses treibende Schlagzeug, bei dem ich einfach nicht widerstehen kann.

9. Robert Glasper – Why We Speak (feat. Q-Tip & Esperanza Spalding)

Da auch R&B ein Genre ist, zu dem ich mich nicht so sehr von selbst hingezogen fühle, bin ich auch hier dankbar für “All Songs Considered”, die manchmal Titel anspielen, die auch für mich anschlussfähig sind. Ich kann zu dem Song trotzdem nicht viel sagen, außer dass ich ihn mag und die Mischung – auch in der Bilingualität und der Stimme von Esperanza Spalding – irgendwie stimmt.

10. Nilüfer Yanya – the dealer

Weckt bei mir Erinnerungen an Rocktitel aus den 90ern, aber mit einem moderneren Beat. Einfach ne gute Nummer.

11. And So I Watch You From Afar – Dive Pt 2

Meine großen Post-Rock-Zeiten liegen hinter mir, aber manchmal gelingt es Bands, mich doch noch mal hinter dem Ofen hervorzulocken. ASIWYFA haben das mit den Arrangements und der Dramaturgie des Albums “Jettison” dieses Jahr geschafft.

12. Gang of Youths – in the wake of your leave

Noch ein Album (“angel in realtime”), das sich in Gänze lohnt. Also, wenn man auf dramatischen Indierock mit großen Refrains steht.

13. half*alive – Move Me

Die Veröffentlichungspolitik von half*alive gibt mir zwar Rätsel auf (dieses Jahr erschien zunächst eine EP auf der Songs drauf waren, die zum Teil schon 2021 veröffentlich wurden, dann eine LP, auf der zum Teil noch mal die gleichen Songs waren), aber ihre Songs bleiben konstant gut und ungewöhnlich. “Move Me” ist der schönste der neuesten Charge.

14. Sergey Golovin – Factory

Sergey Golovin ist ein israelischer Gitarren-Wizard, der mich seit Jahren mit seinen Instrumentals erfreut. Seine ersten Alben klangen nach Dream Theater Anno 1992, “Factory” und die anderen Singles, die er dieses Jahr veröffentlicht hat, erinnern eher an Fitness-Motivations-Rocknummern aus den 80ern. Aber in geil.

15. Weezer – All this Love

Mein Sommer-Song 2022. Weezer im vollen Pop-Modus mit einem herzerwärmenden Post-Pandemie-Text. Hoffen wir, dass er sich nächstes Jahr endlich bewahrheiten kann.

I’ve got all this love that I’ve been saving up
Let me let it out, let me let it out!

Weezer

16. MUNA – What I Want

MUNA begeistern mich bereits seit ihrem zweiten Album, aber hier ist mein dunkles Geheimnis: “Silk Chiffon” fand ich ziemlich langweilig. Gilt zum Glück nicht für den Rest des neuen Albums, und “What I Want” ist eine geniale Empowerment-Hymne, zu der ich hoffentlich irgendwann auch mal öffentlich tanzen kann. (Dieses Jahr beschränkte sich Tanzen auf die Firmenweihnachtsfeier und ich trug Maske dabei, worum ich aber im Nachhinein dankbar bin, denn die Menge an Corona-Meldungen vier Tage später machte keinen Spaß.)

17. Porcupine Tree – Rats Return

Was für ein Glück, dass sich diese drei Männer entschieden haben, doch noch ein Album zusammen zu machen. Bei “Closure / Continuation” ist der Name Programm, es bildet einen Abschluss eines erfolgreichen Albumzyklus, knüpft aber auch deutlich an alles an, was seit “In Absentia” kam. Und dazu gehören geniale Rhythmus-Riffs wie das in “Rats Return”. Instant Classic!

18. The Mars Volta – No Case Gain

Ich finde es gut, dass sich The Mars Volta mit dem unerwarteten neuen Album noch einmal auf neues, weniger proggiges Terrain gewagt haben. Nicht alle Songs sind bei mir hängengeblieben, aber dieser schon.

19. Remi Wolf – Sugar

Noch eine luftige Sommernummer. Für die gute Laune zwischendurch.

20. Regina Spektor – Becoming All Alone

Bei all dem Gerede über Interpolation, das dieses Jahr die Popmusik beherrschte, wundert es mich, dass niemand mal diesen Song und Aimee Manns “Wise Up” nebeneinandergelegt hat. Der Vibe ist schon sehr ähnlich, aber mich stört es definitiv auch nicht, zwei Lieder mit ihm zu haben.

And we wouldn’t even have to pay
‘Cause You Are God and You’re revered

Regina Spektor

21. Hans Zimmer & Andrew James Christie – Prehistoric Planet Theme

Serie nicht geguckt. Theme trotzdem immer wieder gerne gehört. So kann es gehen.

22. Von Wegen Lisbeth – Auf Eis

Sollte ich Von Wegen Lisbeth sauer sein, weil sie ein Lied gemacht haben, dessen Refrain lautet “Mach bitte, bitte, bitte keinen Podcast”? Kann ich nicht, weil sie gleichzeitig auch dieses Lied geschrieben haben, in dem sich der Protagonist mit der im Kreis fahrenden Claudia Pechstein identifiziert. Alberne Melancholie, sign me up. Bonuspunkte für den Reim von “Skaten” auf “Relaten”.

Ich interessier mich nicht für Skaten
Und schon gar nicht auf dem Eis
Doch ich kann gut mit ihr relaten
Denn sie fährt die ganze Zeit im Kreis

Von Wegen Lisbeth

23. Peter Fox – Zukunft Pink (feat. Inéz)

Der Song, an dem man diesen Herbst nicht vorbeikam. Aber er ist auch einfach so gut. Ich hoffe es schreibt irgendwann jemand mal eine gute Analyse darüber, wie der Ragaton-Rhythmus zum dominanten Stilmittel der letzten zehn Jahre wurde.

24. Eule – Kapitänin der Band

Die “Eule findet den Beat”-Kinder-Hörspiele sind über die letzten Alben immer weniger kindermäßig geworden und enthalten einfach objektiv gute Songs (Hier mein Interview mit Schöpferin Nina Addin). Klar, der Text ist hier immer noch ein bisschen drauf gemünzt, das Instrument zu erklären (auf der ganzen Platte geht es darum, die Welt der Instrumente zu entdecken) – aber ich wünschte ich hätte als Mini-Schlagzeuger diesen Song gehabt. “Overdrive” vom gleichen Album steht “Kapitänin der Band” übrigens in nichts nach.

Jetzt spiel ich richtig laut
Wenn sich der Song aufbaut

Eule

25. The Mountain Goats – Training Montage

Als jemand, der Musik selten wegen der Texte hört, dringen die Mountain Goats immer nur dann zu mir durch, wenn sie auch mal wieder einen Ohrwurm geschrieben haben. “Training Montage” vom Actionfilm-Konzeptalbum “Bleed Out” ist so ein Fall. “I’m doing this for revenge!” ist aber auch eine Textzeile, die sich sehr gut mitrufen lässt (mit Fistpump versteht sich).

26. Beatenberg & Msaki – White Shadow

Bitte noch einmal zu M Field (5.) zurückspringen und alles noch mal lesen. Diese Nummer ist dazu noch ein tolles Duett.

27. Harry Styles – Music For a Sushi Restaurant

Noch so ein Lied, dem man dieses Jahr nicht ausweichen konnte. Und immer Props für Songs, deren Refrain nur ein Bläser-Einsatz ist.

28. King Princess – Cursed

“Cursed” ist die Art Song, bei der ich erst nicht so sicher war, wie gut er mir gefällt, der mir dann aber immer wieder in den Kopf kam.

29. APRE – Submarine

Wie jedes Jahr haben sich auch 2022 die zwei Jungs von APRE mit einer ihrer Pop-Rock-Hymnen in meine Gehörgänge gewurmt und sind deswegen in dieser Liste vertreten.

30. Fergus McCreadle – The Unfurrowed Field

Mein Geheimtipp seit Jahren: Beim Mercury Prize gucken, welches Jazz-Album nominiert wurde. Dort finden sich häufig sehr mainstream-anschlussfähige Acts wie GoGo Penguin oder Moses Boyd. Dieses Jahr Fergus McCreadle, der einfache Themen am Piano über mehrere Minuten mit Trio variiert und immer weiter aufbaut. Sehr hörbar.

31. Roxette – Never Is A Long Time (EMI Demo May 26-30, 1987)

Marie Fredriksson ist vor drei Jahren gestorben, was mich immer noch jedes Mal traurig macht, wenn ich dran denke. Ihr musikalischer Partner Per Gessle veröffentlicht fröhlich weiter, sowohl neues Material (solo und als PG Roxette) als auch immer wieder ungewöhnliche Archiv-Funde, wie diese Version des Songs, der schließlich auf “Joyride” landen sollte und hier noch sehr nach 1987 und nach New Wave klingt. Faszinierend, wenn eine Band so regelmäßig Einblicke in ihren Produktionsprozess erlaubt.

Links zum Selbsthören: Apple MusicSpotify

69 kurze Podcast-Höreindrücke

Eines Tages werden uns allen die Symbolbilder ausgehen.

Im #Podcapril habe ich als Selbstversuch einen Monat lang nur Podcasts gehört, die ich noch nicht kannte. Hier im Blog steht auch warum und was ich dabei gelernt habe. Zu jedem Podcast habe ich auf Twitter einen kurzen Höreindruck geteilt, den ich hier an manchen Stellen etwas ergänzt habe. Da ich von jedem Podcast nur eine Folge gehört habe, möchte ich die Höreindrücke nicht als echte Kritiken verstanden wissen, das wäre den Podcasts gegenüber unfair.

  1. Rice and Shine #54 – Mai Thi Nguyen-Kim / Sympathische Moderatorinnen, gut geführtes Interview, der persönliche Blick aus einem anderen Hintergrund bereichert immer. “Rice and Shine” wäre die Art Produktion, die ich mir bei unendlich viel Zeit sicher auch öfter anhören würde – und eine, für die eine Programmzeitschrift für herausragende Folgen sich für mich lohnen würde.
  2. Fix und Vierzig #7 – Onlinedating / Auch hier: immer gut, mal eine andere Seite zu hören. Männer sind anscheinend wirklich ziemlich armselig. Ich bin nicht die Zielgruppe, und kann mich daher wohl nicht so oft nickend bestätigen lassen, wie es das Konzept vorsieht – Podcast als Selbstbestätigung, als ein dankbares “Ich bin also nicht allein”, scheint mir ohnehin ein beliebtes Motiv zu sein.
  3. Feel the News #5 – Toxic Wokeness / Fand ich gerade zu einem Thema, in dem es um Perspektivwechsel geht, erschreckend selbstbestätigend und noch schwach in der Balance zwischen Script und Spontaneität. Als Bonus kann man zählen, wie oft Sascha Jule das Wort abschneidet.
  4. Vollkommen unperfekt 30.3. / Dispatch aus der Achtsamkeits-Influencer-Bubble. Obwohl ich dafür inhaltlich nur bedingt zu haben bin, mag ich diese Solo-Erzählform immer noch und bewundere das Selbstbewusstsein der Menschen, ihr eigenes Leben so selbstverständlich zu präsentieren. Ich finde es auch für Influencer und ähnliche Menschen mit Jünger*innen eine einfache und sehr intime Art, mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die mir etwas nachhaltiger erscheint als Instagram-Stories.
  5. Drinnies #64 / Ich kann völlig verstehen, warum Menschen das gerne hören. Es ist sympathisch, low-key witzig und verlangt den Hörenden nichts ab – reine Entspannung. Irgendwie sind diese “Lustige Geschichten aus dem Leben”-Comedy-Podcasts einfach nichts für mich. Das zeigt auch, mit welchen unterschiedlichen Motiven Menschen Podcasts hören.
  6. Sport Inside – Das perfekte Verbrechen / Sehr gut, dass es diesen Podcast gibt, aber die konkrete Folge (Teil 3 der verteilten Miniserie) hat mich leider aufgrund der Präsentation und des Tonfalls des Interviewpartners immer wieder geistig aussteigen lassen.
  7. Zeitansage – 15:26 / Ziemlich sicher von allen Folgen dieses Tagesereignisses die beste.
  8. Women in War – Folge 1 / Ich finde die Idee so gut, aber ich wünschte, man könnte solche Geschichten ohne diese Mischung aus Sensationalismus (vor allem im Sound Design) und ausgestellter Betroffenheit erzählen. Eine Abneigung gegen diese Art von Präsentation, die den Hörenden immer wieder erzählt, was sie gerade fühlen sollten und wie krass das ist, was sie hören, ist aber ein Pet Peeve von mir. Viele andere scheinen sie ja zu mögen, sonst würde sie nicht immer wieder bedient.
  9. Audio:viel 29 / Bisher war ich immer von der Länge abgeschreckt, aber ich fand’s ganz wunderbar (nachdem ich Teile des Anfangsgeplänkels übersprungen hatte). Christiane Attig mag ich sowieso, aber hab mich hier insgesamt sofort zu Hause gefühlt. Menschen, mit denen ich rumhängen will. (Spoiler: Das werde ich auch. In der nächsten Ausgabe von Audio:viel darf ich zu Gast sein.)
  10. 9/12 #1 / Wie wurde aus dem Ereignis 9/11 die Erzählung 9/11, die als Rechtfertigung für alles Mögliche herhalten musste. Von Dan Taberski (Running from Cops) gewohnt souverän erzählt und eine interessante Idee. Hat Preise gewonnen und werde ich vermutlich bei Gelegenheit bingen.
  11. Narcoland #1 / Sympathisch und mit der richtigen Mischung aus Naivität und Professionalität. Das Thema interessiert mich wahrscheinlich nicht genug zum Weiterhören.
  12. Tadschu #1 – Hat mich als selbst Enkelkind eines staatenlosen Ausländers sehr interessiert. Super produziert und recherchiert. Persönlich. Manchmal etwas sprunghaft. Dennoch Empfehlung. Erstaunlich, dass Menschen solche Projekte auf eigene Faust realisieren. (Der Podcast-Podcast Ohrensessel hat gerade noch einmal ausführlicher hingehört.)
  13. Kein Mucks – Besuch nach Büroschluss / Bastian Pastewka präsentiert alte Krimihörspiele, liebevoll und mit genau der richtigen Mischung aus ironischer Distanz und echtem Interesse. Viel besser als erwartet! (Empfehlung dazu: das Interview mit Redakteurin Lina Kokaly im Newsletter “Mixdown”)
  14. Plastisphere #7 – Bioplastics / Lots of Germans speaking to each other in English, just like Twitter. Superviel gelernt, top produziert (gerade auch Musik- und Atmoauswahl, es ist erstaunlich wie der Anbieter “Blue Dot Sessions” einen Sound geschaffen hat, in dem ich mich, von NPR Podcasts kommend, sofort zu Hause fühle) und kompakt. Klasse!
  15. Geschichten aus der Geschichte #243 – Irischer Whisky / Dieses “Einer erzählt dem Anderen etwas zuvor Recherchiertes”-Format finde ich schon länger total gut. Interessemäßig werden mich diese Historien-Anekdoten nie ganz abholen, aber sympathischer kann man es kaum machen.
  16. All Good Podcast #71 – grim104 / Lockeres Interviewformat im Kumpelgespräch-Modus. Der Interviewer Jan Wehn stellt keine unangenehmen, aber doch tief bohrende Fragen. Am Ende weiß man ein bisschen mehr über den Künstler.
  17. Fashion the Gaze – Damengambit / Eine echte Entdeckung für mich! Ein leicht verschobener, auch anders professionell geprägter Blick auf Realität, Fiktion und das Verhältnis dazwischen. Zum Glück wurde die Aufnahmetechnik inzwischen noch verbessert. Abo!
  18. Der Hörbuchwelten Podcast – Female Audiobooks / Das war nicht mein Fall. Wirkte trotz halbwegs professioneller Produktion unbeholfen und oberflächlich. Trotz des Service-Charakters des Formats hatte ich nicht das Gefühl, etwas zu lernen oder einen Überblick zu erhalten. Sorry
  19. Die Skorpion und Batterie Show – Ausgabe vom 19.12.21 / Wie bereits erwähnt, bin ich Solo-Podcasts gar nicht abgeneigt – mit einer Late Night Show hat das Ganze für meine Ohren aber wenig zu tun, insofern war ich verwirrt.
  20. Die akustische Enttäuschung #75 / Gutes, professionelles (nie ins insiderige abdriftende) und dennoch persönliches Gespräch. Gerne gehört und was gelernt. Die Ironie im Podcasttitel finde ich allerdings … enttäuschend.
  21. 99% Invisible #450 – Stuff the British Stole / Eigentlich gar keine 99pi-Folge, sondern Folge 1 eines eigenen Podcasts mit einem sehr charismatischen Host, Marc Fennell. Tolles Konzept super umgesetzt und ich mag diese Art der Kuration mit anschließendem Interview sehr!
  22. Quoted #1 / Interessante Hosts, die sich aber erst noch finden müssen; Thema war mir trotz guter Gedanken und gutem Gast etwas unfokussiert und mäandernd betrachtet. Und warum heißt der Podcast “Quoted” wenn niemand zitiert wird?
  23. Sternenbuch #100 / Wenn die Gästin den Moderator am Anfang erst animieren muss, läuft irgendwas falsch. Dann sagt er am Ende sogar, es sei ein Lieblingsfilm von ihm. Ich war verwundert, denn er klang die ganze Zeit eher gelangweilt. Pluspunkt für’s kompakte Gespräch.
  24. Der ganz formale Wahnsinn #41 / Nicht ganz so begeistert wie der Kollege von Übermedien, aber diese Art kompaktes Laien-Fachgespräch dürfte es gerne öfter geben und gerne auch immer so locker wie hier.
  25. Kino 90 Podcast 17 / Konzept und Hosts durchaus nicht verkehrt. Viel Wissen vorhanden, das Bedürfnis, der eigenen Nostalgie nachspüren zu wollen, kann ich total nachempfinden. Das Format ist mir nur persönlich zu laberig. It’s not you, it’s me.
  26. FRÜF Podcast #004 / Sehr differenzierte Diskussion und journalistische Aufarbeitung eines Themas, das an mir völlig vorbeigezogen war, nämlich der Vergewaltigungsworwürfe gegen Cristiano Ronaldo. Jetzt weiß ich Bescheid, danke.
  27. Our Opinions are Correct – Monstrous Women / Sachverstand und gute Vorbereitung trifft auf angenehme Gesprächskultur. Habe ich abonniert und auch schon weiterempfohlen – die weiteren Folgen fand ich aber bisher nicht so gut, wie diese erste, die ich gehört habe. Steht also wieder auf dem Prüfstand.
  28. Queek #86 / Gute Gedanken, aber diesmal hätte ich es wahrscheinlich wirklich lieber gelesen als gehört (da ich auch die Filme alle nicht gesehen hatte).
  29. Schamlos #40 – Böse / Wie genial ist bitte diese Idee, Diskussion mit Impro-Comedy zu kombinieren? Warum gibt es das nicht öfter? Thematisch ebenfalls gut. Diesmal muss ich sagen, dass ich zum Glück nicht mehr viel dazuzulernen hatte.
  30. Team Schere – Candyman / Selbst wenn man wie hier durch den Film geführt wird, machen mich Analysen von Filmen, die ich nicht gesehen habe, insbesondere akustisch, nach wie vor nicht an. Ansonsten aber solide.
  31. Skip Intro – Eldorado Kadewe / Professionelles Format. Gut gestaltetes Gespräch. Ich mag es ja, wenn Interviews mal nicht in Gänze gespielt werden, sondern wie hier in Einspieler aufgeteilt und persönlich eingeordnet werden.
  32. Man nerdet nie aus – Spider-Man / Was ich schön fand, war die persönliche Ebene. Wenn viel wissende Menschen auch mal erzählen, was Geschichten für sie persönlich bedeuten, welche Ereignisse und Gefühle für sie damit verbunden sind, erlaubt das viel Empathie und ist angenehm.
  33. Mittermeiers Synapsen-Mikado 21 / Klar, “Familiodologie” ist die logische Folge von “Paardiologie”. Ich finde das (anders als bei Roche) über den reinen Voyeurismus einer berühmten Familie hinaus nicht wirklich interessant, aber der und eine gewisse Grundsympathie tragen schon eine Weile.
  34. Conspirituality #21 / Dichter Essay-Podcast mit O-Tönen. Inhaltlich sehr gut und gruselig. Dass für einige (wie schon Bannon, aber vielleicht auch Putin) ihre Politik nicht nur ideologisch, sondern richtiggehend religiös aufgeladen ist, macht Angst.
  35. Des Pudels Kern #5 / Das war die Art Empfehlungsperle, auf die ich gehofft hatte. Just außerhalb meines Radars aber genau mein Ding – Gedanken anregend und durchdacht. Und es geht sogar um Horizonterweiterung.
  36. Dissens #122 / Dass sich Menschen in Gesprächen zuhören, miteinander nachdenken, voneinander lernen und nicht nur performen, ist auch in der Podcastlandschaft selten geworden – daher auf jeden Fall sehr gerne gehört. Super Tipp!
  37. Verrückt #3 / Nee, das war nicht mein Fall. Obwohl das Thema interessant war, hat mir die Art der Gesprächsführung und Produktion (z.B. das Intro) gar nicht gefallen. Muss es ja auch geben.
  38. Tech Won’t Save Us – Annalee Newitz / Schon das 2. Mal, dass mir Newitz empfohlen wird, aber obwohl Newitz gute Sachen sagt, fand ich das Interview nur mittelgut. Viel Stichwortgeben und gegenseitiges Bekräftigen, nicht mal vorsichtig ein paar Gegenargumente ins Feld führen.
  39. In trockenen Büchern – Monster / Alexandra Tobor kenne ich von “Anekdotisch Evident”. Die Idee, Sachbuchkritik als persönlichen Essay aufzuziehen, finde ich super. Ich höre trotzdem nicht so gerne zu, wie anderswo. Muss persönlicher Geschmack sein.
  40. Freiheit Deluxe mit Golineh Atai / Sehr aufschlussreiches und sympathisches Gespräch. Tolle Gesprächspartnerin. Wäre die Art Podcast, die ich sicher öfter hören würde, wenn sie sich nicht wie Hausaufgaben anfühlen würden. Hier wäre wieder die Programmzeitschrift praktisch.
  41. Hamburg hOERt ein HOOU – Christian Stöcker/ Schönes Gespräch mit dem Journalisten über sein neuestes Buch, darüber, warum exponentielles Wachstum für die Welt wichtig ist und Medienbildung. War aber keine typische Folge für den Podcast, dessen Mission mir nur vage klar geworden ist.
  42. Schläfst du schon? – Des Kaisers neue Kleiderkammer / Was für ein lustiges Konzept, bekiffte Unterhaltung ohne Kiffen aufzunehmen und sich absurde Theorien auszudenken. Nix für auf Dauer für mich, aber ich ziehe meinen Hut vor der Kreativität.
  43. Safe for Work #3 / So schön ich die Idee finde, vom eigenen Heimwerkerfortschritt zu berichten, so anstrengend und langweilig fand ich leider das Gespräch. Zu mäandernd für mich, nach 30 Minuten abgebrochen.
  44. Plötzlich Pirat:in #1 / Unglaublich, was hier an Einfallsreichtum und von vorne bis hinten an brillanter Umsetzung drinsteckt, Sound Design, Schauspiel usw. Ich persönlich finde es nur leider trotzdem einfach nicht interessant, anderen Leuten beim Rollenspielen zuzuhören, das habe ich auch schon an diversen anderen Stellen festgestellt. Mit Johannes Wolf würde ich trotzdem total gerne mal über seine Methode sprechen.
  45. Malikfm – Linus Neumann / Obwohl ich Logbuch Netzpolitik nicht höre, fand ich dieses lange Interview über die private Seite von Linus Neumann sehr interessant und hab es gerne gehört. Malik ist ein guter, entspannter Interviewer, der viel von seiner eigenen Neugier einbringt
  46. Clean Electric #138 / Super-Idee, sich für eine Einstiegsfolge einen echten Use Case als Gast zu laden, und sehr spannend, dann zu beobachten, wie schwer es Nerds manchmal fällt, ihre eigenen Fachgebiete auch zu erklären (denke ich ja auch nicht zum ersten Mal drüber nach). Ich hab auf jeden Fall viel gelernt!
  47. Tell me a History #46 / Mit Wissenschaftler*innen über ihre Spezialthemen (hier Geschichte aus dem Nahen Osten) zu sprechen, ist grundsätzlich klasse. Hier wurde mir aber zu viel Wissen und Vorinteresse vorausgesetzt. Nicht uninteressant, aber auch nicht fesselnd genug. (Hierauf habe ich mich auf Twitter in eine Diskussion mit meinem Freund Martin Fischer verwickeln lassen, der vielleicht auch ein Stückweit zurecht angemahnt hat, dass Vorinteresse ja wohl immer eine Voraussetzung ist und das Grundlagenwissen in früheren Folgen vermittelt wird. Ich finde dennoch – das habe ich in meinem “Gelerntes”-Post in Punkt 16 angerissen – dass man sich sehr wohl Gedanken machen darf, wo man seine Zuhörenden abholt. Ebenso wieviel Vorinteresse man voraussetzt und wieviel man durch seine Gestaltung wecken will. Als Hörer finde ich es dann auch legitim zu sagen, dass sich das Format wohl nicht an mich richtet und mich nicht genug fesselt.)
  48. Chaosköppe #5 / Mischung aus Selbsthilfegruppe und Aufklärung (nicht negativ gemeint). Ich kannte jetzt das in dieser Folge erklärte “Löffel”-Modell schon, aber der Refresher war hilfreich.
  49. Agnes trifft … Hoffnung / Ein schönes Sinn suchendes und Sinn stiftendes Gespräch. Auch wenn es nicht sehr in die Tiefe geht, höre ich solchen Gesprächen gerne zu.
  50. 1LIVE Der Raum – Tim Bendzko / Ein so einfaches wie gutes Konzept (Promis, ein Raum mit Mikrofon, eine halbe Stunde Zeit), dass man auch Tim Bendzko gerne mal eine halbe Stunde beim Nachdenk-Reden zuhört.
  51. Radio Freies Ertrus #29 / Es stellt sich heraus, ich kann auch anderthalb Stunden (in doppelter Geschwindigkeit) zwei Nerds beim Nerden über ein Thema (Perry Rhodan) zuhören, von dem ich keinerlei Ahnung habe. Es liegt einfach eine gewisse anthropologische Faszination darin.
  52. Weltendieb #3 / Die Art von Gespräch, der ich vor 15 Jahren vermutlich noch gerne zugehört hätte, die mir heute aber zu beliebig ist, wenn ich die Leute nicht kenne. Wenn ich nicht schnell erkennen kann, warum ich genau euch zuhören sollte, bin ich raus.
  53. Eskapodcast #197 / Tendenziell verkopfte Art, übers Rollenspielen zu reden, die mir als langjährigem aber nicht mehr wirklich aktivem Spieler aber sehr liegt. Moderationstonfall gewöhnungsbedürftig, aber nicht unsympathisch. Macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Den Eskapodcast habe ich nach dieser Probe abonniert und er erfreut mich weiterhin. Ich bin für Meta-Herangehensweisen zu Kulturthemen irgendwie immer zu haben.
  54. Warpcast #171 / Nee, sorry, noch mal 45 Minuten Perry-Rhodan-Besprechungen, und dann auch noch solo, schaffe ich nicht.
  55. Feminist Shelf Control #1 / War mir zu langatmig und zu chaotisch, insbesondere der Einstieg. Ich habe bei Podcasts nur selten Interesse daran, Teil einer Insider-Runde zu sein und passiv mitzulachen, das ist einfach persönlicher Hörgeschmack (vielleicht drösele ich dieses Thema irgendwann noch mal breiter auf, aber es ist wohl wirklich meine eigene Psychologie). In diesem Fall haben die beiden Sprecherinnen ja viel Ahnung von ihren Themen, setzen sie aber nur spärlich ein. Ich hätte gerne mehr über die Vergleiche und Ähnlichkeiten zur christlichen Rechten gehört, die zum Beispiel von Annika Brockschmidt anklangen.
  56. Serienoase – A Taxi Driver / Gut strukturiertes und mit sehr viel Hintergrundwissen angereichertes Filmgespräch – weil ich den Film nicht gesehen habe, hab ich die eigentliche Inhaltsdiskussion übersprungen und mich mit den Fakten zur Revolution in Gwangju begnügt.
  57. Stichwort Drehbuch – Der Überfall / Große Teile des Gesprächs und Intros fand ich aufgrund der Haltung einzelner Männer sehr unangenehm, aber Katja Wenzel hat tapfer dagegengehalten – dem Klang nach in einem Badezimmer in Stereo wie 1965.
  58. Hohe Tiere – Magawa / Informatives und unterhaltsames Format mit guten Tiergeschichten, das ich ganz sicher weiterempfehlen werde.
  59. Fux und Bär – Scout / Finde dieses knappe Rezensionsformat sehr sympathisch. Es bleibt aber schwierig, Spiele verständlich nur zum Hören zu erklären. Das verwirrt manchmal minimal.
  60. Diverse Kinderbücher – Gewalt / Mag das magazinige Format, das insgesamt einen guten Überblick gibt. Abgelesene Interviews leider eher nicht so, aber ich ahne warum. Sehr umfangreiche Shownotes.
  61. Memoranda #13 / Interview mit dem SF-Historiker Hans Frey, nicht unbedingt sehr lebendig, aber doch interessant, wenn man sich gerne historisch mit SF beschäftigt.
  62. Request for Comments #15 / Stell dir vor, der Kumpel mit Ahnung erklärt dir abends beim Bier, wie Verschlüsselung funktioniert, bis du es kapiert hast. Guter Service. Dass mir das ausgerechnet @dentaku empfahl, der das mal für mich mit Programmiersprachen machen musste. 👌
  63. Studio Komplex #1 / Ganz ehrlich, ich bin kein Fan dieser obercleveren Mixtur aus Flapsigkeit, Selbstgeilfinden, Provokation durch Thesen und x-facher Metaebene. Da hat man nichts mehr woran man sich festhalten kann und behält im Zweifelsfall nichts. Kann ja noch wachsen.
  64. Weibers #77 / Kannte die beiden Sprechenden nicht (einfach nicht meine Bubble), aber fand es eine angenehme Mischung aus Gossip und Verstand. Allerdings unangenehm lange Werbeunterbrechungen.
  65. Schicke Frise – Die Thaartortreinigerin / Super Idee, gutes Interview, gute Gästin, die viel Überraschendes zu erzählen hat, und übers Haareschneiden lernt man auch noch was. Finde es einfach echt klasse, Interviews so mal neu zu denken.
  66. Betreutes Fühlen #133 / Eigentlich ganz sympathische Darbringungsform des üblichen, immer wieder gern gekauften Psychotipp-Formats, aber Atze Schröder mag ich deswegen trotzdem nicht mehr.
  67. Freitagnacht Jews – Jew Noir! / Das war für mich die richtige Mischung aus Nachdenklichkeit und Quatsch – vor allem im direkten Vergleich zu “Studio Komplex”. Der entscheidende Punkt war die persönliche Perspektive von Daniel Donskoy und die Kunstfigur, die er für seine Provokation erschafft, während “Studio Komplex” für mich so daherkommt, als würde mich irgendein Journalist ankumpeln, was ich unangenehm fand.
  68. Apokalypse und Filterkaffee – Malcolm Ohanwe / Meh. Merkwürdige Mischung aus Nachrichten, semi-qualifizierten Kommentaren und Comedy. Hat mich nicht angesprochen, obwohl ich Malcolm super finde.
  69. Not another F**king Elf – Boromir / Joah. Die Idee, sich dem Text mal über die verschiedenen Interpretationen der Rolle zu nähern, finde ich gut, hält mich aber nicht auf Dauer interessiert. Der Ton ist dazu leider sehr unangenehm.

Film-Highlights 2021

Don’t get me down from this roof. Bild: Disney

Letztes Jahr hat es nicht für eine Liste gereicht. Dieses Jahr komme ich mit großzügigem Einbeziehen von zwei Streaming-Miniserien auf eine Top 9. Viel dazu schreiben will ich aber dennoch nicht – zu fast allen Einträgen gibt es eine Folge von Kulturindustrie, die ich verlinke.

Zwei “Runner-ups” gibt es auch, und beide haben etwas gemeinsam, aus dem ich fast einen eigenen Blogpost gemacht hätte. Matrix: Resurrections ist immerhin ein Film, der sich getraut hat, einen ungewöhnlichen Weg einzuschlagen und seine Vorgänger auf einer Metaebene zu spiegeln. Dune versucht sich daran, ernsthafte und brüterische Literaturverfilmung zu sein. Beide Filme aber schlagen sich ihren Kopf an den Zellenwänden des Blockbusters wund, der verlangt, das spätestens im dritten Akt alles affirmiert werden muss, was vorher infrage gestellt wurde: ohne massive Actionszenen und gro´ßgestiges Ende geht es nicht. Deswegen konnte ich mich auch nicht dazu durchringen, einen der beiden Filme in die Liste aufzunehmen.

1. The Beatles: Get Back

Nach dem Ende der acht Stunden hätte ich noch endlos weiterschauen können, wie den Gesichtern dieser jungen Musiker alles wiederspiegelt, was ich selbst beim Musikmachen empfunden habe. Die endlosen Verhandlungen im Probenraum, das Herumalbern zwischendurch, die Wiederholungen der immer gleichen Songs und die absolute Erhabenheit eines Liveauftritts. Und dann sind es aber auch noch die Beatles – es ist völlig verrückt.

2. Nomadland

Mehr dazu in Kulturindustrie 29 vom Juli.

3. West Side Story

Mehr dazu in meinem Blogeintrag.

4. The French Dispatch

Wes Anderson versucht sich an Short Fiction oder an einem von diesen neuen Romanen, die aus Kurzgeschichten bestehen und von einer Rahmenhandlung zusammengehalten. Dabei huldigt er dem amerikanischen Magazinjournalismus und ist witzig, nachdenklich und sehr sehr genau, wie immer.

5. The Green Knight

Ich liebe es, wenn ein Kinofilm mich auf einen Trip mitnimmt. Dieser hier ist schwer, düster und wahnsinnig Emo, aber das macht ihn auch sehr verführerisch, wie ein betörendes Parfüm oder eine weihrauchgeschwängerte, mittelalterliche Kirche.

The Green Knight, Bild: A24

6. We are who we are

Mehr dazu im Kulturindustrie Jahresrückblick.

7. Titane

Mehr dazu in Kulturindustrie 33.

8. Fabian

Mehr dazu in Kulturindustrie 31 – Dominik Grafs Film finde ich Kästners Geschichte nach wie vor stark überlegen.

9. In the Heights

Das not so guilty pleasure für dieses Jahr – mehr dazu in Kulturindustrie 30.

Wie immer habe ich einige Filme (noch) nicht sehen können, von denen ich glaube, das sie mir hätten gefallen können, darunter Drive My Car, Last Night in Soho, House of Gucci, The Power of the Dog, The Last Duel, Promising Young Woman und Minari. Aber so ist das halt.

10 Podcast-Highlights 2021

Eine kleine, nicht-repräsentative Auswahl aus meinem Podcatcher

Ich weiß selbst manchmal nicht so ganz, wo ich eigentlich als Podcast/Hörfunk-Kritiker stehe. Einerseits verdiene ich etwas Geld damit (und ab nächstem Jahr wahrscheinlich etwas mehr, stay tuned), dass ich Kritiken schreibe, und das Medium ist wahrscheinlich längst das Wichtigste in meinem allgemeinen Lebenswandel, seit ich eine Familie habe und deutlich weniger Filme gucke. Andererseits fehlt mir, je nach Betrachtungsweise, die Lust, die Zeit, das Commitment oder auch der Anreiz, so viel zu hören, dass ich wirklich das Gefühl habe, alles Wichtige zu kennen und entsprechend Bescheid zu wissen.

Mein normales Raster an Podcasts, die ich einfach persönlich gerne höre (manche davon allgemein relevant, andere auf eigene Nischeninteressen bezogen) ist zudem so umfangreich, dass ich kaum die Zeit finde, regelmäßig Produktionen nur aus professionellem Interesse zu hören. Damit sich das für mich lohnt, muss ich schon dafür bezahlt werden. Sagt mir doch mal in den Kommentaren, ob das ein echtes Problem ist, oder ob ich da als jemand, der Vollzeit erwerbsarbeitet und eine Hälfte der familiären Sorgearbeit übernimmt, eventuell auch einen unrealistischen Anspruch habe.

Deswegen fiel es mir dieses Jahr (im Vergleich zum letzten Jahr) auch gar nicht so leicht, zehn Podcasts herauszustellen, die ich bemerkenswert fand – und die nicht in die Kategorie “Podcasts, die schon generell immer ziemlich gut aber kaum neu sind” fallen. Ich versuche, wie immer, daran auch ein paar allgemeine Beobachtungen auch über mein eigenes Hörverständnis festzumachen. Insofern ist diese Liste, wie alle Listen, überhaupt kein absolutes Votum.

Zwei Podcasts habe ich dieses Jahr übrigens aus meinem Podcatcher geschmissen, denn anders geht es nicht, wenn man ab und zu Platz für Neues machen will. Radiolab war mir trotz vieler Experimente und Host-Wechsel irgendwie ein wenig zu vorhersehbar geworden. Und Reply All konnte ich nach dem ganzen Skandal um ihre Arbeitskultur, der sich in der ironischst-denkbaren Weise entlud, irgendwie auch nicht mehr ernstnehmen. Dafür sind einige Shows dazugekommen, die nicht in der Liste auftauchen, aber mich regelmäßig erfreuen, etwa Science Diction von WNYC, VFX Notes/VFX Artifacts von beforesandafters.com und mediasres vom Deutschlandfunk.

Diese Liste ist kein Ranking. Alle Einträge stehen gleichberechtigt nebeneinander.

Das Finale von 11 Leben

Ich hatte, ganz ehrlich, fest damit gerechnet, dass es so kommt, aber der besondere Coup, dass es Max Ost am Ende wirklich gelungen ist, seinen Kuchen sowohl zu behalten (einen kritischen Podcast über Uli Hoeneß zu machen) und zu essen (Uli Hoeneß zu interviewen), ist schon bemerkenswert. Alles weitere steht in diesem Blogeintrag.

This American Life: “Music of the Night after Night after Night”

Die letzte wirklich außergewöhnliche Sendung von TAL ist irgendwie eine Weile her, aber dieses Segment über die Musiker im Orchestergraben von Phantom of the Opera am Broadway, die teilweise seit Jahrzehnten miteinander jeden Abend die gleichen Noten spielen, fand ich eine absolut herausragende Geschichte.

Sexy und Bodenständig: The Alena Arc

Der “Autor*innen-Entlastungspodcast” Sexy und Bodenständig lebt von der Dynamik seiner beiden Beteiligten, Till Raether und Alena Schröder. Während aber Till Raether seit vielen Jahren erfolgreich Bücher in verschiedenen Genres publiziert, hat Alena Schröder dieses Jahr ihren ersten großen Roman, Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid veröffentlicht (ich lese ihn gerade auch endlich und finde ihn sehr gut) und damit prompt einen Bestseller gelandet. Das Nachspiel dieser Geschehnisse, bis zur jetzigen legendären Angst vor dem zweiten Buch, fand ich dieses Jahr sehr spannend zu verfolgen, zumal man es sich ein bisschen zusammenpuzzeln musste, weil Alena (die, wie wir auf Twitter mal feststellten, im gleichen Kaff geboren ist wie ich und auf der Nachbarsschule Abi gemacht hat) im Podcast nicht zu spontanen Gefühlsausbrüchen neigt.

Das Podcast-Ufo: “Hinter dem Mikrofon”

Eine der meistherumgereichtesten deutschen Podcastepisoden dieses Jahr, ist zurecht so berühmt. Ein Laberpodcast als Meta-Musical über die deutsche Podcastlandschaft – ich finde das nicht mal so abwegig, wie anscheinend viele andere Kommentator*innen, die nie eine Joss-Whedon-Serie gesehen haben, aber der zentrale Punkt ist, dass das Ergebnis sehr gut gemacht, also catchy, witzig und dumm-klug ist. Die Ambition zu haben, bei einem solchen Experiment auch all-in zu gehen, und nicht nur etwas Halbgares abzuliefern, finde ich applauswürdig. (Mit Florentin Will war ich übrigens mal bei den Cinematic Smash Bros)

The Sporkful: “Mission Impastable”

Aus dem immer beliebten Genre “Ein Podcast Host verfolgt ein verrücktes Projekt über Jahre, bis er endlich Erfolg hat” kommt diese Mini-Serie des Essenspodcasts The Sporkful, in dem Dan Pashman sich die Mission auferlegt, eine neue Pastaform zu erschaffen, die maximal forkable, sauceable, und toothsinkable ist. Das Tolle an diesen Missionspodcasts ist immer, dass sie am Beispiel eines Kulturguts oft so viele Disziplinen vereinen – Ökonomie, Industrie, Design und eben Kultur – und man am Ende immer schlauer ist, selbst wenn es nicht so amüsant und dramatisch erzählt ist, wie hier. Leider sind die Versandkosten aus den USA so hoch, dass ich “Cascatelli” bis heute nicht probieren konnte.

The Specials: “Bo Burnham’s ‘Inside'”

Bo Burnhams musikalischer Netflix-Film Inside hat sehr viel Lob eingeheimst, wurde aber auch kontrovers diskutiert, nicht zuletzt in Kulturindustrie, dem Podcast, von dem ich ein Teil bin. Was mir wirklich gefehlt hatte, und was ich im Feed des Podcasts Good One im September endlich bekam, war eine detaillierte Analyse des Werks von Leuten, die sich gleichzeitig mit Künstler und Materie sehr gut auskennen und in der Lage sind, eine kritische Distanz zu wahren. Diese Art von nischiger Einordnung, gerade auch für kulturelle Werke, finde ich einen perfekten Einsatzort von Podcasts, denn gerade die Dynamik eines solchen Fachgesprächs ließe sich in einem Artikel niemals herstellen.

Commander Sphere: “The Counter Spell Debate”

Und jetzt mal was noch Nischigeres aus meinem einzigen Hobby, mit dem ich kein Geld verdiene: das Kartenspiel Magic: The Gathering. Dort gibt es dutzende Podcasts, manche ernster und “im Spiel besser werden”-betonter, manche lustiger, aber kaum einen, in dem die Mischung für mich so perfekt stimmt, wie Commander Sphere. An diesem Beispiel habe ich dieses Jahr für mich festgestellt, wie wichtig auch Comfort Food beim Podcast hören ist. Rachel Weeks und Dan Sheehan sind Comedians und zumindest Rachel ist auch eine sehr gute Spielerin. Die meisten Episoden sind einfach nur Takes auf aktuelle Diskussionen, vielleicht etwas witziger als anderswo, aber manchmal nehmen sich die zwei auch explizit eine Sendung voller “Goofs” vor – hier versuchen sie, die besten Namen für Antimagie-Sprüche zu finden, in einer anderen Sendung haben sie alle Hauptfiguren des Magic-Universum danach bewertet, wie gut sie wohl küssen. Ich bin dankbar für diese Art von unaufwändigen Podcasts, die emotional eine Menge ausmachen können.

Miracle and Wonder

Schöpfer Malcolm Gladwell und seine Firma Pushkin nennen diesen Interview- und Musikpodcast “Audiobook”, aber ich habe ihn in meinem Podcatcher gehört und er unterscheidet sich auch sonst nur wenig von anderen limitierten Podcast-Serien. Warum ich das bemerkenswert finde, habe ich gerade erst für epd medien aufgeschrieben.

Über Podcast

Der Über Podcast vom Deutschlandfunk ist vor gut zwei Jahren als Magazinsendung über Podcasts gestartet und von mir öfter dafür kritisiert worden, dass das Magazinformat dafür sorgt, dass seine Themen häufig nur sehr oberflächlich und ohne klare Haltung diskutiert werden. Inzwischen wurde der Über Podcast produktionstechnisch abgespeckt – nur noch ein (wechselnder) Host, kein Magazin-Korsett mehr – ist aber dadurch schlagkräftiger und meiner Ansicht nach auch relevanter geworden. Das Format passt sich frei dem an, was das Thema braucht (manchmal eine Expert*innen-Gesprächsrunde, manchmal eher einen klassischen Beitrag mit Audiobeispielen und Interviewschnipseln) und trägt stärker die Handschrift seiner Autor*innen Mike Herbstreuth und Christine Watty. Respekt für diese erfolgreiche Häutung.

Was waren eure Podcasts-Highlights 2021? Schreibt es in die Kommentare oder schreibt mir auf einem anderen Kanal. Produktionsfirmen dürfen mich auch gerne in ihre Presseverteiler aufnehmen (manche haben das sogar schon gemacht). Kontakt im Impressum.

10 kleine Erkenntnisse, die mein Denken und Handeln wirklich verändert haben

Ich lerne (hoffentlich) jeden Tag neue Dinge. Die meisten werden irgendwo abgespeichert, häufig unter “Wissen” oder “Bestätigung von etwas, was ich schon vorher dachte”. Aber immer mal wieder kommen Tatsachen des Wegs, die mein Denken und Handeln verändern. Das Schöne daran: Die Quellen können völlig verschieden sein. Manchmal sind es wissenschaftliche Erkenntnisse, manchmal Worte von Experten, manchmal auch nur gut formulierte Aphorismen.

Ich habe zehn dieser kleinen Erkenntnisse in dieser Liste gesammelt, ohne Reihenfolge und Konsequenz, einfach weil ich diese Art Selbstbespiegelung immer interessant finde, und weil ich hoffe, dass es andere gibt, die vielleicht auch bei der ein oder anderen Sache aufmerksam werden. Während ich den Text schrieb, fiel mir auch auf, dass darin keine Erkenntnisse zu großen gesellschaftlichen Problemen wie diversen -ismen stehen. Das ist unbewusst geschehen, aber ich glaube, es ist auch ganz gut so. In keinem dieser Felder will ich mich zum “Typ, der’s kapiert hat” aufschwingen.

1. Im Zweifelsfall für die Narrative Equity

Der Begriff “Narrative Equity” (“erzählerisches Kapital”) stammt vom Spieledesigner Mark Rosewater. Er beschreibt damit das Phänomen, dass man manchmal Entscheidungen trifft nicht unbedingt, weil sie einen am schnellsten ans Ziel führen, sondern weil man sich auf die Geschichte freut, die man anschließend darüber erzählen kann. 

Ich finde diesen Gedanken super und wende ihn seitdem öfter mal bewusst an. Wenn ich mich nicht zwischen zwei Optionen entscheiden kann und keine unbedingt besser ist als die andere, nehme ich im Zweifelsfall die, hinter der potenziell die bessere Geschichte steckt.

Etwas ausführlicher habe ich das schon mal im LEXPOD beschrieben:

2. Wir erleben Dinge anders als wir uns an sie erinnern

Diese Erkenntnis habe ich aus einem Interview mit Daniel Kahnemann (der ohnehin einen größeren Einfluss auf mein Handeln hat – seine Forschung zu Risikoabwägung hat mich bereits im Studium fasziniert). Kurz gesagt: Unsere Erinnerung an Ereignisse ist oft ganz anders als die Gefühle, die wir währenddessen haben (“There is living life and there is thinking about it”). Vor allem sind sie stark vom Ende der Ereignisse geprägt und davon, welche Geschichte wir dadurch im Nachhinein erzählen. 

Wenn man das einmal weiß, kann man versuchen, seine Ereignisse bewusst so zu gestalten, dass sie auf einer positiven Note enden, damit man sich später gut daran erinnert. Unter anderem kann mal wohl schmerzhafte Operationen dadurch verbessern, dass man Menschen nach dem Ende der eigentlichen OP noch durch etwas ein angenehmes Gefühl verursacht. Denn als Erinnerung bleibt dann: Eine Weile tat es weh, aber dann wurde es gut. (Das ist meiner Ansicht nach übrigens auch der Grund, warum Statistiken zeigen, dass Menschen mit Kindern zwar insgesamt gesehen weniger häufig glücklich sind als solche ohne, aber am Ende ihres Lebens meist das Gefühl haben, ein erfüllteres Leben gehabt zu haben.)

3. Hör auf von jedem gemocht werden zu wollen, du magst doch auch nicht jeden.

Das war einfach nur eine alberne Instagram-Kachel. Der Spruch ist vermutlich sehr alt. Aber ich kannte ihn noch nicht und er hat irgendwie ein “Hm, so hab ich da noch nie drüber nachgedacht” in mir ausgelöst. Natürlich handle ich nicht danach (könnt ihr mich bitte mögen?), aber ich denke immer wieder daran.

4. Menschen empfinden Belastungen unterschiedlich

Diese Erkenntnis entsprang einer Übung, die ich mal bei einer Fortbildung gemacht habe. Alle Teilnehmenden bekamen kleine Kärtchen in die Hand, auf denen Dinge standen, die einen belasten können, körperlich und psychisch. Verschiedene Sorten von Stress und Schmerzen, ich kann mich an die Details nicht mehr erinnern. Wir wurden dann gebeten, uns mit der Einschätzung unserer Karte auf einer Linie einzusortieren, die von “keine Belastung” bis “sehr hohe Belastung” reichte. Plot Twist: Immer zwei Teilnehmende hatten die gleiche Karte, hatten sich aber sehr häufig an ganz unterschiedlichen Stellen in der Skala aufgestellt.

Es mag eine banale Erkenntnis sein, dass Schmerzen im linken Fuß oder eine drängende Deadline für den einen keine große Sache sind und den anderen völlig verrückt machen, aber mir schadet es nie, es mir immer wieder bewusst zu machen, egal ob in privaten oder beruflichen Kontexten. Nur weil mir etwas nichts ausmachen würde, kann es trotzdem sein, dass du deswegen gerade nichts auf die Reihe kriegst … und das ist okay! Es gibt keine objektiven Kriterien dafür, wie belastend etwas ist. Die dadurch ausgelösten Gefühle sind aber in jedem Fall real und verdienen es, respektiert zu werden.

5. Was weg ist, ist weg – die Sunk Cost Fallacy

Die “Sunk Cost Fallacy” stammt aus den Wirtschaftswissenschaften. Menschen neigen dazu, Geld, das sie durch schlechte Investitionen verloren haben, hinterherzuweinen und deswegen noch mehr Geld hineinzustecken, damit sich die ursprünglichen Investitionen nach ihrem Gefühl gelohnt haben. Aber: Das verlorene Geld ist weg. Es kommt nicht zurück. Menschen sollten ihre Investitionsentscheidung zu jedem Zeitpunkt möglichst danach treffen, was genau in diesem Moment richtig ist.

Dieses Modell lässt sich auf sehr viele andere Lebenssituationen übertragen. Falsche Entscheidungen aus der Vergangenheit lassen sich nicht dadurch berichtigen, dass man sie aushält. Es bringt zum Beispiel nichts, in toxischen Beziehungen zu bleiben, damit sich die schlechte Zeit wenigstens gelohnt hat. Die guten und schlechten Zeiten, die man zusammen hatte, bleiben, auch wenn man sich trennt. Wenn man Fehler gemacht hat und das erkennt, sollte man sich also lieber umentscheiden. Das Durchhalten dankt einem später niemand. Zum ersten Mal ist mir diese Idee übrigens bei Planet Money begegnet.

6. Der “Lehrerich” wäre die Lösung der Genderproblematik

Diese Erkenntnis stammt aus einem Blogbeitrag von Antje Schrupp, die sich aber ihrerseits auf Luise Pusch bezieht. Sie ist etwas komplizierter und ich will versuchen, sie so kompakt wie möglich zu beschreiben. Die Diskussion um Gendersternchen und andere “Sichtbarmachungen” von männlichen und weiblichen (und hier auch tatsächlich auch nur diesen binären) Personen wird ja gerne damit gekontert, dass das “generische Maskulinum” bereits beide Formen enthalte, da es nur vom grammatikalischen Geschlecht, nicht aber vom biologischen Geschlecht her männlich sei.

Schrupp stellt nun die These auf, dass es die Konterer einfach ärgert, dass sie, die Männer, sich überhaupt als eigene Kategorie begreifen müssen, denn ihre, die männliche Form, ist ja im Gegensatz zur weiblichen (“-innen”) gar nicht extra markiert. Die “Lösung” für die Diskussion wäre also, das generische Maskulinum tatsächlich als “neutrale” Form zu etablieren, aber Männer und Frauen beiderseits zu markieren. Also: Der Lehrer (neutral), die Lehrerin (weiblich), der Lehrerich (männlich). In eine ähnliche Richtung gehen Thomas Kronschlägers Überlegungen zur Etablierung einer echten neutralen Form wie “Lehrys”. In einer utopischen Welt wäre das meine ideale Auflösung dieser ätzenden Debatte.

7. Vor dem Schlafengehen Fiction lesen

Das stammt aus irgendeiner Liste, die ich nicht mehr finde. Sie enthielt Tipps zum “besseren” Lesen, aber dieser Ratschlag ist hängengeblieben. Eine Weile habe ich vor dem Schlafen gerne noch journalistische Artikel und Blogeinträge gelesen, aber das führte nur dazu, dass ich dann bei gelöschtem Licht über sie nachdachte. Seit ich damit aufgehört habe, und vor dem Zubettgehen wirklich nur noch Bücher, am besten fiktionale Bücher, lese, schlafe ich deutlich besser und ruhiger ein.

8. Hinterfragen statt Beschreiben und Bewerten

Während meiner Arbeit für das “Service-Portal Integration” der Stiftung “Haus der kleinen Forscher” hatte ich die große Freude, einem Gespräch mit Frauke Hildebrandt, Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der FH Potsdam, beizuwohnen. Darin ging es unter anderem darum, dass Eltern und Kinder, aber auch Erwachsene untereinander, einen großen Teil ihrer Gespräche damit verbringen, nur zu beschreiben, was ihnen passiert ist und das dann zu bewerten (“Ich habe heute einen Blogbeitrag gelesen, den fand ich ganz gut”). 

Sehr viel weniger Zeit verbringen wir damit, zu überlegen “warum die Dinge sind wie sie sind, und ob sie nicht auch anders sein könnten”, wie sie es ausdrückt. Das ist aber die Grundlage dafür, überhaupt nachzudenken und eigene Gedanken zu entwickeln, und wir tun es viel zu wenig, vor allem in Gesprächen.

Bei mir ist dabei vor allem hängengeblieben: Wenn ich ein gutes Gespräch führen will, das mich auch innerlich zufriedenstellt, sollte ich im Gespräch irgendwann an einen solchen Punkt kommen, wo man sich gemeinsam Gedanken macht. Sonst hat man sich nur upgedatet und nicht nachgedacht.

9. Durch Sport nimmt man nicht ab

Diese Erkenntnis stammt aus dem Podcast Science Vs. Für die meisten Menschen ist “Bewegung” untrennbar mit “Abnehmen” verbunden. Stimmt aber nicht. Man müsste absurd viel Sport treiben, um damit eine ansonsten ungesunde Ernährung auszugleichen (Ich vereinfache enorm). Sport als Weg zu einem schlankeren Körper funktioniert also nur bei einer gleichzeitigen Ernährungsumstellung.

Aber selbst wenn man davon nicht abnimmt, lohnt es sich trotzdem enorm, Sport zu treiben, einfach weil es wahnsinnig gesund für den Körper ist, das Risiko aller möglichen Erkrankungen reduziert und uns hilft, länger fit zu bleiben. Für mich ist das tatsächlich die bessere Motivation, habe ich festgestellt. Sonst höre ich immer irgendwann wieder auf, weil ich ja doch nicht abnehme. Aber wenn ich das Gefühl habe, ich tue mir gerade etwas Gutes, macht es meistens sogar Spaß (und ich ärgere mich nicht so, wenn ich mal keine Lust habe).

10. Deswegen … Aber

Zum Schluss ein Schreibtipp, der bei mir hängengeblieben ist. Ich habe ihn im Buch Screenwriting 101 von Film Crit Hulk gelesen. Er schreibt ihn Trey Parker und Matt Stone, den Schöpfern von South Park, zu, aber vielleicht ist er auch älter. Ich erinnere mich an sonst nichts aus dem Buch, aber die Tatsache, dass Parker und Stone empfehlen, jede Szene sollte an die vorhergehende entweder mit “deswegen” (“therefore”) oder “aber” (“but”) anschließen und möglichst nie nur mit “und dann”, hat sich tief in meine Seele gebrannt.

Parker und Stone empfehlen diese kausale Logik für fiktionale Texte, aber sie lässt sich genauso gut auf nichtfiktionales Schreiben anwenden. Wenn ein (Sinn-)Absatz auf den nächsten mit einem “deswegen” oder “aber” folgen kann, argumentiere ich eigentlich immer besser, finde ich, als wenn ich nur aufzähle (wie in diesem Artikel, haha). Ich habe an mir bemerkt, dass ich meine Texte, wann immer möglich, so strukturiere, seit ich davon weiß.

Mit diesen fünf US-Podcasts fühle ich mich gut über Musik informiert

Redphones” by Garry Knight, CC-BY 2.0

Es gibt wohl nichts, wofür sich Podcasts besser eignen, als über Musik zu berichten – deutlich besser zumindest, als über Film und TV. Wenn dann noch das in den USA deutlich großzügigere Urheberrecht mit “fair use” hinzukommt, ergeben sich jede Menge tolle Möglichkeiten. Im Laufe der Jahre hat sich für mich als Musikfan eine kleine aber feine Auswahl an Podcasts durchgesetzt, in denen Musik von allen Seiten beleuchtet wird, und die ich gerne teilen möchte.

1. Neue Musik für die Playlist

Nachdem vor einigen Jahren der “Music Weekly” Podcast des Guardian eingestellt wurde, machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Sendung, in der ich einfach neue Musik zum Hören entdecken konnte. Fündig wurde ich bei “All Songs Considered” von NPR. Hier spielen die Moderatoren Bob Boilen und Robin Hilton sich jede Woche eine Stunde lang aktuelle Musik vor, die ihnen gefällt. Boilen und Hilton sind beides mittelalte weiße Männer aus den USA, natürlich ist die Auswahl entsprechend angeschlagen. Scharfen Musikkritiker*innen aus Europa wäre sie vermutlich häufig zu seicht, aber für meinen Geschmack ist sie oft genau richtig. Indie, Rock, Folk und Country machen wahrscheinlich den größten Teil der Auswahl aus, aber der Musikgeschmack der beiden – und der Gäste, die sie manchmal im Studio haben – ist groß genug, dass man auch Highlights aus Feldern wie Hip-Hop, Punk, Metal und avantgardistischeren Musikrichtungen zur hören bekommt. Das besondere: “All Songs Considered” spielt seine Songs voll aus (im Streamingzeitalter scheinen die Lizenzen bezahlbar zu sein) und erlaubt daher, wirklich zu entscheiden, ob einem ein Song gefällt oder nicht. Ergänzt wird der Podcastfeed durch gelegentliche Interviews mit Musiker*innen, die oftmals weitere interessante Entdeckungen bereithalten.

2. Wie kommen die Löcher in den Käse?

Hinter “Song Exploder” steckt eine Idee, die so einfach wie genial ist. Moderator Hrishikesh Hirway interviewt Musiker*innen über die Entstehung einzelner Songs und bekommt von ihnen zusätzlich die sogenannten “Stems”, also die Originalspuren ihrer Aufnahmen. Das ermöglicht es ihm, einzelne Elemente der Songs zu isolieren und den Beschreibungen zuzuordnen. Im Ergebnis lernt man nicht nur, wie vielschichtig manche Songs sind, sondern auch wie unterschiedlich die kreativen Prozesse in der Entstehung von Musik sein können. Aus welchem Element ist der Song gewachsen? Welchen Einfluss hatten Musiker und Produzenten? Was war gewollt und was ist einfach passiert? Warum hat Rivers Cuomo von Weezer eine riesige Excel-Tabelle mit Textzeilen? Da ich selbst Musiker bin (wenn auch nur Schlagzeuger) ist “Song Exploder” für mich eine endlose Fundgrube an Inspiration. Die Musikrichtungen von “Song Exploder” reichen von Filmmusik über Hardcore bis Pop und Rock. Einfach mal reinhören! (Bonus: Das Longform-Interview mit Hrisikeh Hirway gibt wiederum Einblicke in die Entstehung von “Song Exploder” und die kleinteilige Arbeit, die Hirway investiert.)

3. Die Perlen der Charts

Eher selten in den beiden erstgenannten Sendungen vertreten sind die Songs, die nicht die Regale von Musiksnobs, sondern die Heavy Rotations junger Radiowellen dominieren. Hier hilft “Switched on Pop” aus. Songwriter Charlie Harding und Musikwissenschaftler Nate Sloan nehmen dort alle zwei Wochen aktuelle Pophits auseinander und entdecken ihre verborgenen Tiefen. Das beste an dem populär-musikwissenschaftlichen Ansatz, den die beiden verfolgen, ist, dass sie auch versuchen Trends zu identifizieren, ihnen Namen zu geben und zu beobachten, wo sie herkommen und hingehen. Im letzten Jahr ist etwa der “Pop Drop” zum definierenden Merkmal aktueller Popmusik geworden, in dem der Refrain durch eine gepitchte und zerstückelte Stimme auf fetten Beats ersetzt wird, die Assimilation eines Stilmittels aus der elektronischen Tanzmusik. “Switched on Pop” hilft mir dabei, auch bei Musik “in the know” zu bleiben, die ich selbst wenig höre, die aber Rückschlüsse auf unsere Popkultur als Ganzes zulässt. Und manchmal entdecke sogar ich in den aktuellen Chartpoppern etwas, was mir gefällt, zum Beispiel Julia Michaels.

4. Auf zu neuen Ufern

So nah “Switched on Pop” an populärer Musik ist, so weit ist “Meet the Composer” davon entfernt. Die preisgekrönte Sendung der Musikerin und Moderatorin Nadia Sirota beschäftigt sich mit moderner Klassik oder “New Music”, wie sie es nennt. Auch wenn ich selbst nur wenig dieser Musik selbst höre (Atonalität ist wirklich nicht mein Ding), ist die Sendung allein schon wegen ihrer Produktion hörenswert und weil man so viel dabei lernt. Wurden in Staffel 1 und 2 noch pro Folge individuelle Komponist*innen vorgestelllt, widmet sich Staffel 3 oft auch abstrakteren und faszinierenden Konzepte. Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Komponist*in und den Ensembles, die die Musik spielen – und welche Rolle spielt Sadomasochismus dabei? Welche Rolle spielen Komponist*innen, die Musik nicht notieren, sondern aus Samples zusammenbauen? “Meet the Composer” hat meinen Horizont in Sachen Musik so erweitert wie schon lange nichts mehr.

5. Der kulturindustrielle Komplex

Chris Molanphy ist Autor der Slate-Kolumne “Why is this Song Number One?” und hat das pophistorische Wissen des 20. Jahrhunderts in seinem Kopf gespeichert. In seinem Podcast “Hit Parade”, der monatlich im Feed des “Slate Culture Gabfest” auftaucht untersucht er Phänomene, die weniger mit Komposition und Musikgeschmack, als mit den Karrieren von Musiker*innen im Spiegel von Promotion und Airplay zu tun haben. Bisher gibt es drei Episoden von “Hit Parade” und alle waren spannend: Warum wurde UB40’s “Red Red Wine” in den 80ern ein Hit in den USA und welche Rolle spielten abweichlerische Radio-DJs dabei? Wie gelang es den Beatles 1964, die gesamte Top 5 der Billboard-Charts zu besetzen und was hatte die schlechte Plattenlabel-Politik der USA damit zu tun? Und eine Historie der Zusammenarbeit und Rivalität von Elton John und George Michael über vier Dekaden hinweg. Musik ist eben auch eine Industrie, die aber ihre eigenen beeindruckenden Geschichten bereithält.

Außerdem Über “Pitch” und “Our Debut Album” habe ich im Blog schon geschrieben. Beide Projekte scheinen für’s erste beendet zu sein.

Was fehlt? Über die deutsche Musikszene weiß ich weiterhin sehr wenig, aber mir ist auch noch kein guter Podcast dazu in die Hände gefallen. Vorschläge und weitere Tipps zu guten Musikpodcasts gerne in die Kommentare.

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2016

Am Anfang dieser Liste steht wie immer die Enttäuschung. Anders kann man sich ja gar nicht zur Euphorie der besten Filme des Jahres vorarbeiten. Enttäuschung über den mediokren Blockbuster-Sommer, in dem mich kein einziger Film positiv überrascht hat. Aber auch Enttäuschung, dass es mir wie immer nicht gelungen ist, alle Filme zu sehen, die mir von anderen empfohlen wurden. L’Avenir und 14 Wochen wurde für diese Liste ebensowenig in Erwägung gezogen wie Son of Saul oder Into the Inferno. The Green Room habe ich nicht gesehen und Tangerine leider auch nicht. So ist das jedes Jahr.

Immerhin habe ich es wohl gut 50 mal geschafft, ins Kino zu gehen dieses Jahr, und das ohne ein Festival zu besuchen. Bei insgesamt nur 108 gesehenen Filmen (und dafür immer mehr Fernsehserien) ist das schon ein Schnitt, der deutlich über den Vorjahren liegt. Trotzdem kann ich schon sagen, dass es die Filmemacher dieses Jahres schwerer hatten, mich zu begeistern. Ob das an der Grundstimmung des Jahres liegt, an Stress im Job oder an einer Verschiebung meines Geschmacks – ich weiß es nicht. Bei vielen Filmen hat es für mich jedenfalls nur für einen Platz am Katzentisch genannt. Oder, wie ich es sonst immer nenne:

Lobende Erwähnungen

Gut, aber nicht gut genug für die Top 10 fand ich dieses Jahr unter anderem Paterson, Everybody Wants Some!!, The Revenant, Joy und A Bigger Splash. Anomalisa war beim Anschauen toll, aber sein Glanz ist jetzt zum Ende des Jahres arg verblasst. Dr. Strange und Star Trek Beyond fand ich sehr solide. Captain America: Civil War, Batman v Superman: Dawn of Justice und Warcraft sind Filme, über deren Fehler, Stärken und Plätze in der modernen Hollywood-Blockbustermaschine ich lange reden könnte, die aber alle nicht gut waren. Rogue One war auch gut, aber nicht mehr. Besser als nur gut waren hingegen die folgenden Filme:

10. 13th

© Netflix

Ava DuVernays für Netflix realisierter Dokumentarfilm ist nicht besonders bildgewaltig. Wahrscheinlich hat er sogar nur eine Sequenz, zum Ende hin, die sein visuelles Medium wirklich in einer eisensteinschen Kollisionsmontage von erstaunlicher Effektivität nutzt. Aber es gelingt 13th, ein Argument aufzublättern und Sinnzusammenhänge herzustellen, die ich noch nie gesehen hatte und die mir trotzdem sofort einleuchteten: Es gibt eine gerade Linie zwischen dem Erbe der Sklaverei und der massenhaften Einsperrung schwarzer Männer seit den 70er Jahren. Und die aktuelle politische Lage verspricht keine Besserung. Für all die politische Wut, die ich ohnehin schon im Bauch hatte, war 13th idealer zusätzlicher Brennstoff.

9. Kubo and the Two Strings

© UPI

Es gibt genug, was man Kubo entgegenhalten könnte, von seiner kulturellen Appropriation, die trotz asiatischem Settings ohne Schauspieler_innen mit asiatischen Wurzeln in den Hauptrollen auskommt, bis zu seiner absehbaren Moral. Ich war im Kino trotzdem bewegt – vom Design und den Posen der Figuren, vom Textadventure-Plot, bei dem ein cooler Schauplatz nach dem nächsten besucht werden muss, und von der absehbaren Moral über Familie und Zusammenhalt. Warum mir gerade Letzteres zurzeit immer so nah geht (sogar bei Sing), müsst ihr meine Therapeutin fragen.

8. The Girl with All the Gifts

© Poison Chef

Posthumanismus, der Gedanke, dass die Menschheit in ihrer jetzigen Form nicht die Krone der Schöpfung sein muss, ist in unseren gelegentlich apokalyptsichen Zeiten ein spannender und manchmal tröstender Gedanke. Die Verfilmung von M. R. Careys Roman The Girl with all the Gifts, die dieses Jahr auf dem Fantasy Film Fest lief (regulärer Kinostart: 9. Februar), arbeitet diesen Gedanken nicht zuletzt durch ihr Casting perfekt heraus, denn im Gegensatz zum Roman sieht das titelgebende “Girl” hier eher so aus wie die Generation, die diese Welt erben wird. Dass The Girl with all the Gifts dazu noch ein Zombiefilm ist, der fast ohne Blut und dafür mit umso mehr beeindruckender Stadtüberwucherung daherkommt, macht ihn zum idealen Ersatz für den 28 Months Later-Film, den es wohl nie geben wird.

7. Arrival

© Sony Pictures

Die besten Science-Fiction-Filme haben in ihrem Kern eine revolutionäre Idee und drumherum eine Ehrfurcht für das Außergewöhnliche. Denis Villeneuves besitzt beides, einen cleveren Gedanken über Zeitwahrnehmung, erzählt in einer einfachen Geschichte, und wundersame Bilderwelten, die einen wie ein Traktorstrahl in der Schwebe halten. Ich bin dankbar, dass es solche Filme gibt – noch dazu, wenn sie von Sprachwissenschaftlern handeln. (Es lohnt sich übrigens, diesen Podcast über die Entwicklung des Drehbuchs zu hören.)

6. Brooklyn

© 20th Century Fox

Gerade im Winter braucht es manchmal Filme, die einen innerlich mit Wärme füllen. Im vergangenen Januar war Brooklyn das für mich. Ich habe eine Schwäche für einfache Liebesgeschichten, in denen Menschen nicht dumm handeln, damit das Drehbuch hanebüchene Missverständnisse daraus stricken kann, sondern auftretende Konflikte mit Herz und Vernunft durchschreiten, wie bei den Menschen, die ich auch im realen Leben bewundere und mag. Am Ende bleibt von Brooklyn vor allem das Gefühl übrig, dass es ganz ohne Hollywood-Schmalz jede Menge liebende und liebenswerte Menschen in der Welt gibt, die deswegen noch lange nicht perfekt sind. Und das deckt sich mit meiner Wahrnehmung.

5. Toni Erdmann

© NFP

Ich habe hier im Blog aufgeschrieben, dass ich das Interessanteste an Toni Erdmann die Reaktionen seiner Zuschauer_innen fand. Ich fürchte mich ein wenig davor, den Film noch einmal zu sehen. Wird er meinem Blick stand halten, jetzt wo er mich nicht mehr überraschen kann? Oder werden seine Beobachtungen über Deutschland, Väter, Töchter, Globalisierung, Führungskräfte, Lebensweisheiten und Hilflosigkeit nur tiefer? Auf jeden Fall hat Maren Ades Film genug Eindruck hinterlassen, dass ich es gerne ausprobieren würde.

4. The Lobster

© Sony Pictures

Ich war kein Fan von Yorgos Lanthimos’ Alpen. Aber The Lobster hat im Vergleich gerade genug relatability und bizarre Liebenswürdigkeit, dass er einen durch das verrückte Konzept in seinem Zentrum durchträgt. Dass seine bittere Satire auf das gesellschaftliche Ideal von Liebe und Partnerschaft ins Schwarze trifft, habe ich vor allem darin gemerkt, dass ich im Kino saß und mich nicht nur fragte, wie ich wohl in dem Szenario bestehen würde, in dem Colin Farrell den Film beginnt, sondern ob das nicht eigentlich eine interessante Herausforderung wäre.

3. The Big Short

© Paramount

Ich bin ein großer Fan des Podcasts Planet Money, der Wirtschaftsthemen so erklärt, dass ich sie verstehe. The Big Short ist eine lange Planet-Money-Episode, gekreuzt mit einem Meme-gespickten Buzzfeed-Listicle namens “Diese 31 verrückten Fakten zur Finanzkrise werden dir die Krokoleder-Schuhe ausziehen”. So muss man das Thema angehen: mit Humor, Überdrehtheit und verzweifeltem Optimismus.

2. Spotlight

© Paramount

Als ich aus Spotlight kam, wäre ich am liebsten sofort wieder hauptberuflich in den Journalismus zurückgekehrt. Nicht um große Skandale aufzudecken, wie das Team im Film, sondern einfach nur um das Privileg zu genießen, genau dann Fragen zu stellen, wenn so viele glauben, dass sie die Antwort schon kennen. Wie sehr es im Journalismus genau nicht um Ruhm und Glamour und mediale Eitelkeit geht, sondern um das beharrliche Nachhaken in Situationen, in denen sich alle bereits auf eine Haltung geeinigt zu haben scheinen, das macht Tom McCarthy in Spotlight nicht zuletzt durch seine ebenso beharrliche und unglamouröse Inszenierung deutlich.

1. Vor der Morgenröte

© X-Verleih

Die schönsten Filme sind die, die einen überraschen. Die Trailer zu Maria Schraders Vor der Morgenröte ließen mich vermuten, dass es sich dabei um ein beliebiges wohlgesittetes Biopic deutscher Bauart handelte. Erst durch die nachdrückliche Empfehlung von Bloggerkollegen ging ich ins Kino und erlebte unerwartet ein grandios intelligentes Drehbuch, umgesetzt in perfekt kadrierten Bildern – nicht nur in den langen Einstellungen am Anfang und Ende des Films.

Beeindruckend fand ich vor allem den merkwürdig anmutenden moralischen Konflikt im Herzen des Films: Stefan Zweig weiß, dass es ihm – mit seinen Reisen und lästigen Empfängen – so viel besser geht, als den Bekannten und Freunden, die ihn um Hilfe bitten, weil sie um ihr Leben fürchten, und trotzdem will er einfach nur seine Ruhe, um das zu tun, wozu er sich berufen sieht: Kunst schaffen, die er dem Gräuel des Krieges entgegensetzen kann. Was wie eine einfach Entscheidung klingt, ist eindeutig keine, und es ist großartig, diesen Konflikt auf Josef Haders Gesicht ablesen zu können. Tief bewegend, voller kluger Gedanken – mein Film des Jahres.

Haftungsausschluss: Die Sichtungen von Moana und Nocturnal Animals stehen noch aus, aber ich denke, diese Liste ist für den Moment recht sicher.

Piq: Die besten deutschen Filme der letzten 16 Jahre?

Die BBC hat 177 Filmkritikerinnen und Filmkritiker aus der ganzen Welt gefragt, was die besten Filme des jungen 21. Jahrhunderts sind und das Ergebnis als Liste veröffentlicht. Solche Listen sind immer genauso sinnlos wie faszinierend. Sie spiegeln einen scheinbaren Konsens des Kunstvergleichs wieder, den niemand braucht, sind aber auch ein sehr einfacher und effektiver Weg, um Diskussionen anzuregen. Gehört Mulholland Drive von David Lynch wirklich auf Platz 1? Und Maren Ades noch nicht einmal sechs Monate alter Film Toni Erdmann auf Platz 100?

Man konnte förmlich zusehen, wer sich alles bemühte, in den letzten Tagen die BBC-Liste einzuordnen, zu kommentieren – und natürlich auch “weiterzudrehen”. Das Berliner Stadtmagazin “Tip” hat das BBC-Experiment kurzerhand wiederholt und auf Deutschland reduziert. Ihre Liste der zehn “Besten deutschsprachigen Filme des 21. Jahrhunderts”, ebenfalls von einer Gruppe Filmkenner gewählt, ist genau so vor allem Diskussionsstoff und Zeitbild.

Toni Erdmann, noch frisch im Gedächtnis, steht hier plötzlich viel weiter oben. Christian Petzold ist gleich dreimal in der Top 10 vertreten. Und keiner der großen deutschen Publikumshits der letzten 16 Jahre, nicht Good Bye Lenin, nicht Das Leben der Anderen, hat auch nur einen Cameo-Auftritt. Die Gruppe der befragten Kritiker ist sehr feuilletonslastig und (zumindest von den genannten) zu hundert Prozent männlich – was wäre wohl rausgekommen, wenn man das Feld etwas mehr diversifiziert hätte?

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Die Lieblingsfilme der Filmblogosphäre 2014

Wie schon vor einem Jahr habe ich die letzten Tage damit verbracht, so ziemlich alle deutschsprachigen Filmblogs, die ich finden konnte, nach Bestenlisten zu durchforsten, diese in Daten zu übersetzen und in eine Tabelle einzutragen. Daraus konnte ich am Schluss diese Liste destillieren.

Der Film, der auf Platz eins steht, zeigt eine interessante Tendenz dieser Aggregatsliste auf: Die wenigsten Filmblogger_innen sind Profi-Filmkritiker_innen, das heißt sie gehen nicht unbedingt auf viele Festivals oder bekommen die Möglichkeit, jeden mit kleiner Kopienzahl startenden Film (kostenlos) zu sehen. Auf den Lieblingslisten landet am Ende des Jahres also nicht nur, was bei allen Geschmäckern irgendwie ankommt, sondern vor allem auch, was einfach zu sehen war.

Boyhood kam im Sommer relativ breit ins Kino. Wer ihn damals verpasst hat, hatte spätestens im Dezember davon gehört und konnte ihn im Heimkino nachholen. Das gleiche Prinzip hat sicher auch Under the Skin geholfen, der einen erstaunlichen geteilten zweiten Platz erringen konnte, obwohl er nicht breit im Kino lief. Ansonsten sind mit Ausnahme von Interstellar und Nightcrawler auch alle anderen Filme der Top 10 inzwischen mindestens auf VOD erhältlich. Sicher kein Zufall.

Obwohl ich Boyhood auch auf meiner persönlichen Lieblingsliste habe, bin ich dennoch ein bisschen erstaunt, wie viel Liebe der Film abbekommen hat. Ich bin ja für große sentimentale Gesten sowieso immer zu haben, aber Richard Linklater scheint selbst die Herzen der Zyniker erweicht zu haben. Auch die hohe Platzierung von Under the Skin überrascht mich ein kleines bisschen – der Film ist wirklich kein Crowd Pleaser, aber er scheint bei Filmliebhabern einfach einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Qualität setzt sich eben doch durch.

Wie breit das geschmackliche Feld trotz solcher Konsensfavoriten ist, zeigt die Tatsache, dass auf den 54 ausgewerteten Listen insgesamt 163 Filme Erwähnung fanden – alles von obskuren Festivalperlen bis großen Action-Blockbustern. Um eine Gleichschaltung der Lügenpresse müssen wir uns in der Internet-Filmkritik also so schnell keine Gedanken machen.

1. Boyhood

2. Guardians of the Galaxy / Under the Skin

4. Grand Budapest Hotel

5. Snowpiercer

6. The Wolf of Wall Street

7. Her

8. Nymphomaniac

9. Interstellar

10. Nightcrawler

11. The Lego Movie
12. Die Wolken von Sils Maria
13. Gone Girl
14. Captain America: The Winter Soldier
15. X-Men: Days of Future Past
16. All is Lost
17. Maps to the Stars
18. 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club
20. Locke

Zur Methode: Datengrundlage sind insgesamt 54 Listen oder Lieblingsfilm-Nennungen aus deutschsprachigen Filmblogs. Grundlage waren das Filmblogverzeichnis auf “SchönerDenken” und einige Ergänzungen, die dort noch fehlten. Bei mehreren Listen pro Blog von verschiedenen Autor_innen wurde jede Liste einzeln gezählt.

Die Filme wurden nach einem Punktesystem geordnet. Bei nummerierten Top-10-Listen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter bis zum 10. Platz, der 1 Punkt bekam (gesamt: 55 Punkte). Bei nicht nummerierten Listen bekam jeder Film 5,5 Punkte (gesamt: 55 Punkte). Bei weniger als 10 genannten Filmen bekam der erste Platz 10 Punkte und so weiter absteigend, fehlende Plätze wurden ignoriert. Bei mehr als 10 genannten Filmen wurden nur die ersten 10 gewertet.

Punkteverteilung: Boyhood (185), Guardians of the Galaxy / Under the Skin (jeweils 88,5), Grand Budapest Hotel (82), Snowpiercer (81), Wolf of Wall Street (70), Her (68), Nymphomaniac (65,5), Interstellar (63,5), Nightcrawler (49,5), The Lego Movie (45), Sils Maria (41), Gone Girl (38,5), Captain America (38), X-Men (35,5), All is Lost (32), Maps to the Stars (29), 12 Years a Slave / Dallas Buyers Club (jeweils 28), Locke (27,5).

Real Virtualitys Lieblingsfilme des Jahres 2014

© Senator

Under the Skin

Ich hatte ein gutes Filmjahr, obwohl ich es, wie immer, natürlich nicht geschafft habe, alles zu sehen, was potenziell Bestenlisten-Material gewesen wäre. Aber ich wurde auch mit den Filmen, die ich gesehen habe, gut unterhalten und zum Nachdenken gebracht, ästhetisch überwältigt und narrativ herausgefordert. Es folgt der übliche Countdown.

Nicht gesehen

Obwohl ich oft und gerne ins Kino gehe, sind auch 2014 wieder einige Filme an mir vorbeigegangen, die sicherlich in den Listen anderer Filmgucker_innen auftauchen werden. Dazu gehört der Cannes-Gewinner Winterschlaf von Nuri Bilge Ceylan (ein besonderer Schandfleck, da ich diese Liste gerade in Istanbul verfasse) und der europäische Filmpreis-Gewinner Ida. Jim Jarmuschs Only Lovers left Alive habe ich ebenso verpasst wie Locke und die beiden Doppelgängerfilme Enemy und The Double. Dazu kommen natürlich jede Menge Festival-Filme, die in Deutschland keinen regulären Kinostart hatten, etwa Blue Ruin, Adieu au Langage und Jodorowsky’s Dune, die ich alle gerne noch sehen möchte.

Das Feld

Es gab wiederum genug Filme, die mir gefielen, aber nicht in die Top 10 vordringen konnten. Dazu gehörte der gelungene Franchise-Verbinder X-Men: Days of Future Past und das Affen-Prequel Dawn of the Planet of the Apes, die beide gezeigt haben, dass es selbst innerhalb der Hollywood-Maschine Raum für interessante erzählerische Konstruktionen gibt. Ich mochte das schwindelerregende 70er-Schaulaufen American Hustle, die Mediensatire (?) Nightcrawler, das Sozialdrama Deux Jours, Une Nuit und den Zeitgeist-Film Mockingjay – Part 1 und selbst Captain America: The Winter Soldier und The Lego Movie hatten ihre Stärken. Weniger Liebe konnte ich The Babadook entgegenbringen, der mir seine Metapher doch etwas überstrapazierte. Aber das ist halt Geschmack.

10. Under the Skin

Der Film, der in Deutschland wahrscheinlich vor allem für die Diskussion um seinen Kinostart in Erinnerung bleiben wird, ist mir im Hirn kleben geblieben, obwohl ich aus dem Kino kam und zunächst mehrere Tage behauptete, dass er “sehr hart an der Prätention vorbeischrammt”. Und in der Tat ist Jonathan Glazers Film vor allem ein Experiment in Zuschauergeduld mit seinen wortkargen, kaum erklärten Szenen, die zwischen krisseligem Dokustil und abstrakten schwarzen Räumen wechseln. Alles Vorhergegangene wird aber schließlich durch eine Schlussszene von atemberaubender Schönheit und kosmischer Traurigkeit rehabilitiert, in der sich dann auch der Filmtitel wiederfindet.

9. L’Arte Della Felicita

Ein Film ohne normalen deutschen Kinostart, den ich auf dem Trickfilmfestival in Stuttgart sehen konnte. Wie ich damals für “kino-zeit.de” schrieb: “Auf halbem Weg zwischen Jim Jarmuschs Night on Earth und Richard Linklaters Waking Life erzählt er die Geschichte von Sergio, einem Taxifahrer in Neapel, der seinen Bruder und musikalischen Partner zum zweiten Mal verliert. Zum ersten Mal hat er ihn vor zehn Jahren verloren, als sich Alfredo entschied, das musikalische Duo zu verlassen, um buddhistischer Mönch zu werden. Unfähig, dem Tod des Bruders ins Auge zu sehen, driftet Sergio durch das im Dauerregen ertrinkende Neapel und bekommt von verschiedenen Passagieren deren Glücksrezepte erzählt. Umgesetzt ist das Ganze in einem an Rotoskopie erinnernden, träumerischen 2D/3D-Look mit sorgsam ausgewählter Farbpalette und einem gelungenen Soundtrack.” Ich hoffe auf eine DVD-Auswertung.

© Cinecittà Luce

L’Arte Della Felicita

8. Gone Girl

Wie fast immer bei David Finchers Filmen, kann ich mich mit Gone Girls Menschenbild nicht identifizieren. Ich glaube weder, dass Ehen konstruierte Lügenmärchen sind, noch dass wir alle insgeheim Psychopathen sind, die nur darauf warten, entfesselt zu werden. Aber Heidewitzka! hat mich dieser Film über zwei Stunden plus in seinen Bann gezogen und mich erneut in perfekt kadrierten Bildern und präzise herausgearbeiteten Perfomances schwelgen lassen. Dafür allein lohnt sich Fincher einfach jedes Mal.

7. Boyhood

Nach Feierabend am letzten Arbeitstag vor der Sommerpause saß ich alleine im Stuttgarter Delphi-Kino und ließ Richard Linklaters Vision eines jungen Menschenlebens über mich hinwegrauschen. Dass der Film allein für seine Machart und seinen langen Atem jedermenschs Achtung verdient, muss man kaum noch erwähnen. Doch diesmal trafen mich auch Linklaters übliche Glückskeks-Philosophie-Momente über Sinn und Sinnlosigkeit unserer Existenz auf diesem Planeten ziemlich direkt ins Herz. Und sollte ich jemals einen Toyota besitzen, werde ich auch das “To” und das “Ta” übermalen, bis nur noch “Yo” übrigbleibt.

6. Guardians of the Galaxy

Kino darf auch mal Spaß machen. Und Guardians of the Galaxy macht endlos Spaß, wurschtegal, ob der Film in seinen Handlungsbögen nur ein weiteres Mal den üblichen beliebigen-Bösewicht-irgendwie-besiegen Beats folgt. Da sind ja immer noch die sympathischen Charaktere, das knallbunte Design, die clevere Musikauswahl und die pure Gaudi, die einem von der Leinwand entgegenspringt. Zweieinhalb Stunden Eskapismus ohne Reue.

© Disney

Guardians of the Galaxy

5. Her

Bei all der krachigen Science-Fiction, die in den letzten Jahren in den Kinos um unsere Aufmerksamkeit buhlt, ob Interstellar oder Elysium, Edge of Tomorrow oder Oblivion – kein Film hat die wahren Alltags-Technik-Themen unserer Zeit so gut eingefangen wie Her. Das besondere an Spike Jonzes kleinem Meisterwerk ist aber, dass es sowohl als echte SciFi-Geschichte funktioniert – die ihre Prämisse konsequent zuende denkt, wie es die großen Kurzgeschichten der alten SciFi-Meister taten – als auch als Metapher für menschliche Beziehungen unabhängig von jeder Technik. Scarlett Johanssons Samantha könnte genauso eine Fernbeziehungs-Freundin oder eine “out of your league” Geliebte sein. Emotional erleben hunderte Menschen auf der Erde jeden Tag das gleiche wie Theodor Twombly.

4. Nymphomaniac

Lars von Trier und die Frauen – das ist so eine Sache, zu der ich mir lieber kein Urteil erlauben würde. Wie immer ist Nymphomaniac wohl eher eine Projektion seiner eigenen Neurosen auf einen weiblichen Charakter und ich denke, so will der Film auch begriffen werden. Wofür ich Trier aber am meisten bewundere, ist seine Bereitschaft, in seinen Filmen formell “all in” zu gehen. Nymphomaniac (Teil 1 noch mehr als Teil 2) ist eine ausufernde Erzählung voller Abschweifungen, Inkonsistenzen und gestalterischer Ideen, der aber dadurch das seltene Kunststück gelingt, intellektuelle und emotionale Prozesse tatsächlich auf der Leinwand konkret zu machen und sie nicht nur unter einem Haufen Interpretationsmasse zu vergraben. Und für diese abgefuckte Direktheit verehre ich den Mann einfach.

3. Mommy

Xavier Dolans Film hat mich an einem kalten Dezemberabend mit voller Breitseite erwischt und ich kann bis heute nicht sagen, ob es meine eigene winterliche Melancholie oder die emotionale Kraft des Films waren, die mich sofort nach Verlassen des Kinos dazu brachten, Mommy sehr weit oben auf meiner Jahresliste zu platzieren. Auch hier wieder diente mir die formale Experimentierungsfreude – Bildformat als Ausdruck von emotionaler Freiheit – als Anfixpunkt und zog mich mittenhinein in eine komplexe Gefühls- und Bilderwelt voll einprägsamer Charaktere. Wie erwähnt, ich mag es halt direkt. Und ich hätte mir beinahe einen Céline-Dion-Song heruntergeladen.

© Universal Pictures Home Entertainment

12 Years a Slave

2. 12 Years a Slave

Der zeitverzögerte deutsche Verleihplan führt manchmal dazu, dass man am Anfang des Jahres einige sehr gute Filme sieht, mitansehen muss, wie sie so lange gefeiert werden, bis man sie fast wieder leid ist und dann bis Ende des Jahres Gefahr läuft, zu vergessen, dass man sie im gleichen Jahr gesehen hat wie alles, was in Cannes und danach startete. 12 Years a Slave ist so ein sehr guter Film, der gelungen zwischen Hollywood und Arthouse balanciert, eine berührende persönliche Geschichte und gleichzeitig das erschütternde Schicksal einer ganzen Bevölkerungsgruppe erzählt. Ein “wichtiger” Film, aber zum Glück darüberhinaus auch ein beeindruckendes Stück Filmkunst.

1. The Grand Budapest Hotel

Er mag nicht den jugendlichen Verve von Rushmore oder das perfekte Ensemble von The Royal Tenenbaums haben, aber ich finde, The Grand Budapest Hotel ist der beste Film, den Wes Anderson bisher gemacht hat. Gerade weil der Film sehr wenig Konkretes über Menschen, Beziehungen und unsere Welt sagen will (nicht gar nichts, aber eben auch nicht viel) und stattdessen den formellen Schrullen und spleenigen Details, auf die Anderson so steht, in vollen Zügen und ohne Reue frönen kann, mag er dem ein oder anderen flüchtig erscheinen – ich finde, es macht ihn erst so richtig grandios.

© 20th Century Fox

The Grand Budapest Hotel