Die Freude eines guten Quest-Plots

© Disney, weil alles Disney ist

Mein Kind ist inzwischen in dem Alter, wo wir ihm zutrauen, auch mal ganze Filme zu schauen. Einer davon, der zuvor auch schon per Buch und Soundtrack ausführlich vorbesprochen wurde ist Moana (2016), der außerhalb der USA Vaiana heißt, von John Musker und Ron Clements aus dem Hause Disney. Beim erneuten Sehen fiel mir etwas auf, und als ich den Film bei Letterboxd loggen wollte, stellte ich fest, dass es mir schon beim ersten Mal aufgefallen war. Es ist eine der großen Stärken des Films: Moana hat einen sehr geradlinigen Heldenreisen-Quest-Plot.

Moana ist die Nachfolgerin des Chiefs auf einer pazifischen Insel. Das einst fischreiche Riff der Insel wird immer weniger ergiebig, aber die Inselbewohner weigern sich, sie zu verlassen. Moana, die sich seit ihrer jüngsten Kindheit vom Ozean angezogen fühlt, findet heraus, dass ihre Vorfahren Seefahrer waren, die von Insel zu Insel zogen, unter dem Segen der Fruchtbarkeitsgöttin Te Fiti. Doch seit der Halbgott Maui auf einem seiner Diebeszüge Te Fitis “Herz” stahl und den Feuerdämon Te Ka gegen die Inselbewohner aufgebracht hat, sind die Ozeane nicht mehr sicher. Gegen den Willen ihres Vaters macht sich Moana auf einem Boot auf, um Maui zu finden und das Herz zurückzubringen. Der Ozean hilft ihr dabei und lässt sie trotz Unbeholfenheit nicht ertrinken. Maui stellt sich als großmäuliger Egoist heraus, der keinen Bock auf die Mission hat und Moana nicht als ebenbürtig akzeptiert. Doch in einer Reihe von Konfrontationen, unter anderem mit einer riesigen Krabbe, die Mauis magischen Fischhaken gestohlen hat, beweist sie ihren Mut. Gemeinsam reisen sie zu Te Ka und erkennen, dass sich hinter dem Dämon die aus dem Gleichgewicht gebrachte Te Fiti verbirgt. Sie geben das Herz zurück und heilen Te Fiti. Moana kehrt als erfahrene Seefahrerin zu ihrem Clan zurück und beginnt ein neues Zeitalter der Seefahrerei.

Es ist in den vergangenen 30 Jahren extrem aus der Mode gekommen, solche einfachen Plots, die einst als der heilige Gral der Drehbuchstruktur galten, eins zu eins umzusetzen. So einfach kann man es sich ja nicht mehr machen, ist schließlich einer der Leitsätze der Postmoderne. Deswegen gehört heutzutage in den Werkzeugkasten der Plotstrukturen mindestens eine unvorhersehbare Wendung, die alles bisher geglaubte auf den Kopf stellt, oder – noch wichtiger – ein deutliches Hinterfragen der Held*innen-Figur. Diese darf längst nicht mehr einfach “auserwählt” sein, stattdessen gehört die gesamte psychologische Komplexität des Freien Willens gründlich hinterfragt.

Cleverness als Formel

Ich will nicht sagen, dass ich das schlecht finde. Es war in den 1990er Jahren an der Zeit dafür. Inzwischen ist die Cleverness bezüglich des Quest-Plots aber auch selbst schon zu einer Formel geworden. Man kann inzwischen fest davon ausgehen, dass wann immer Filme im ersten Akt etablieren, dass irgendetwas vorherbestimmt ist, sich im dritten Akt sicher zeigen wird, dass alles ganz anders ist – die wahre Liebe, etwa, die Prinzessin Anna rettet, ist nicht die eines Mannes, sondern die ihrer Schwester Elsa. Gleichzeitig haben die Filmemacher*innen aber häufig keine wirklich gute oder klare alternative Aussage, verstricken sich in Wischi-Waschi-Relativitäten oder müssen die Glaubwürdigkeit der Handlungsentwicklung sehr auf die Probe stellen, um an dem Punkt anzukommen, den sie erreichen wollen. An manchen Stellen scheint die Subversion der Erwartungen wichtiger geworden zu sein, als die Folgerichtigkeit der Handlung.

Worauf ich hinauswill: Ein traditioneller Quest-Plot ist verdammt befriedigend. Es gibt einen klaren Auftrag. Es gibt Proben, die bestanden werden wollen. Es gibt eine klare Auflösung. Es gibt dennoch immer auch Überraschungen. Natürlich verschiebt sich das Ziel des Auftrags zwischendurch. Verbündete stellen sich als Gegner heraus und umgekehrt. Te Ka ist kein Dämon, sondern nur die Herz-vermissende Te Fiti. Doch am Ende ist die Mission erfüllt und Held*in und Welt verändert. Mir ist klar, dass das mit Blick auf unsere Welt nicht sehr realistisch ist, aber es sorgt für eine deutlich befriedigendere Geschichte.

Eine Geburtstagstorte für Mando

Bei der aktuellen Staffel The Mandalorian, deren vierte Folge, die heute erscheint, ich noch nicht gesehen habe, hat mich der ähnlich simple Plot, der seit Folge 1 gesponnen wird, hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und Irritation. Er erinnerte mich ein wenig an das Kinderbuch Eine Geburtstagstorte für die Katze, das aber auch nur eine alte Formel variiert: Petterson will Kuchen backen, stellt fest das er kein Mehl mehr hat. Also will er in die Stadt fahren, um neues zu holen, aber sein Fahrrad hat einen Platten. Um an das Flickzeug zu kommen, muss er in seinen Schuppen, doch der Schlüssel ist verschwunden. Um an den Schlüssel zu kommen, muss er einen Stier ablenken, der im Weg steht usw. Jedes Hindernis gebiert in seiner Überwindung ein neues. Am Ende jedoch lässt sich die ganze Kette zurückverfolgen und der Kuchen wird gebacken.

So ähnlich kommt es mir bei Mando auch vor. Er will nach Mandalore, um in den Quellen zu baden, doch der Planet ist verseucht. Also braucht er einen Roboter, doch dessen Schaltkreise sind kaputt. Also braucht er neue Schaltkreise, doch die gibt es nicht mehr. Am Ende von Folge 3 hatte er es mit einigen Hindernissen tatsächlich geschafft, in den Quellen zu – naja – baden. Der Auftrag ist eigentlich erfüllt, doch dahinter steht natürlich der größere Auftrag, die Mandalorianer wieder zu vereinen. Wird The Mandalorian seinen Quest-Plot fortsetzen? Oder wird alles noch viel komplizierter?

Solo: Screens as props and environments

Explaining the effects work on Solo, Cinefex issue 160 describes two ways the team used screens as carriers of ersatz reality. The first makes use of a tablet to simulate a window:

The coaxium containers have windows through which the liquid material can be seen sloshing around. Rob Bredow shot footage of ferrofluid which the props team puppeteered using magnets; ILM stitched the plates into seamless loops. BLIND fittet a Microsoft Surface Pro tablet inside a prop container, on which the coaxium footage was displayed.

The second way recalls the way Gravity created Sandra Bullock’s surroundings and constitutes a sort of advanced rear projection, with screens showing the space around the “Millenium Falcon” cockpit set:

Immersive environment specialist Lux Machina surrounded the cockpit with a 180-degree rear projection screen illuminated by multiple 4K projectors in portrait mode. To feed the projectors, ILM finaled visual effects backgrounds prior to principle photography. “We generated wraparound content just as if we were working on a simulator film, with beats that either looped or were much longer than if you were just doing the two or three seconds that end up in a shot.” The rear projection approach – also used for scenes inside Dryden’s yacht – enabled [DP] Bradford Young to capture cockpit shots in camera, backgrounds and all, using the screen as his primary lighting tool.

FX Guide has more on the immersive cockpit set, including some amazing images

Annotierte Links: How ‘Solo: A Star Wars Story’ Makes the Galaxy Smaller

Der Link: How ‘Solo: A Star Wars Story’ Makes the Galaxy Smaller (filmschoolrejects.com)

Das “Small Universe Syndrome” ist etwas, was lang-laufende Erzählungen schon seit der Zeit beschäftigt, als man sie vor allem in Comics fand. Will man bei jeder Ecke, um die man geht, auf einen anderen Teilaspekt des Universums hingewiesen werden und einen Charakter aus der Nachbarserie treffen? Oder sperrt man sich dadurch in seinen eigenen Möglichkeiten ein?

Ich fand den vielkritisierten Reveal in Solo nicht schlimm, auch wenn er sicher hätte dezenter inszeniert und evtl. besser erklärt werden können. Ich halte es auch nicht für einen schamlosen Cash Grab, damit mehr Leute jetzt Rebels gucken. Es gibt einfach investierte Fans (Mark Rosewater nennt sie bei Magic immer “enfranchised”), die sich über solche Referenzen freuen, weil damit die Arbeit belohnt wird, die sie in dieses Universum gesteckt haben. Für alle anderen ist es ein kurzer WTF-Moment, aber dass man für Franchise-Filme Zusatztexte heranziehen muss, um alles zu verstehen, ist ja inzwischen Normalität geworden. (Für das Marvel-Universum erwarte ich irgendwann einen “Previously on …”-Trailer vor dem eigentlichen Film.)

Ich glaube aber durchaus, dass man mit dem “Small Universe” sehr vorsichtig sein muss. Übermäßige Selbstreferenz und der Wunsch, vorhandene Kreise zu schließen statt neue zu öffnen, weil es sich so gut anfühlt, treiben einen storytechnisch irgendwann zu sehr in die Enge, ketten einen zu sehr an Fremdbestimmtheit. Das beweisen auch andere Prequels wie die Hobbit-Filme.

Ausführlicher und mit einem Beispiel, wie ich es besser finde, hier im Blog.

Filme, die wir zu kennen glauben

Elisa ist 9 Jahre alt und hat bis vor kurzem noch nie einen Star Wars-Film gesehen. Ihre Eltern wollen ihr einfach nicht erlauben, die Filme der Weltraumsaga zu erleben, weil sie erst ab 12 Jahren freigegeben sind. Das stinkt Elisa mächtig, vor allem weil in ihrer Klasse natürlich alle anderen Kinder die 9 Filme längst sehen durften. Trotzdem kennt sie alle bisherigen Filme in- und auswendig.

Seit ihr vor ein paar Jahren ein befreundete Erwachsener einen Stapel „Force Attax“-Sammelkarten geschenkt hat, im Grunde eine Art Jedi-Quartett, ist Elisa Feuer und Flamme für Star Wars. Sie kennt jeden noch so kleinen Charakter mit Namen. Sie weiß genau, wer wann gegen wen kämpft und wie das Duell ausgeht. Überhaupt – das mag dem kämpferischen Charakter der Karten geschuldet sein – geht es in ihrer Sicht bei Star Wars hauptsächlich um Duelle. Politische Konflikte und Liebesgeschichten sind zweitrangig. Ihre Lieblingsszene aus der ganzen Filmreihe ist der Kampf zwischen Obi-Wan Kenobi und Count Dooku in Angriff der Klonkrieger, „wo dann später Yoda dazukommt“.

Wie gesagt, Elisa hat Angriff der Klonkrieger nicht gesehen. Aber neben ihren Sammelkarten besitzt sie inzwischen auch mehrere Bücher zum Thema. Seit Weihnachten hat sie die Hörspiele auf CD. Und natürlich hört sie auch die farbenfrohen Beschreibungen ihrer Klassenkameraden immer wieder. Zu Star Wars existieren so viele Paratexte, dass Elisa keinen der Filme gesehen haben muss, um genau zu wissen, was im großen Fantasy-Franchise so alles passiert. Es reicht, dass sie alles drumherum kennt.

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Real Virtuality 2017 – Persönliche Höhepunkte

Don’t look back in anger

Ich warte ja noch auf das Jahr, an dessen Ende ich nicht sagen kann, dass es aber mal wieder ein ganz schön aufregendes Jahr war. Wer weiß, ob das überhaupt jemals passieren wird? 2017 war es jedenfalls noch nicht so weit – es war ein Jahr, an dessen Ende ich nicht nur einen anderen Job habe als an seinem Anfang, sondern auch kurz davor stehe, eine neue Lebensrolle anzunehmen.

Dies sind ein paar Dinge, die mich dieses Jahr bewegt oder begeistert haben:

Deutscher Evangelischer Kirchentag

2017, mit einem Land im Luther-Wahn, haben wohl auch Menschen etwas vom Kirchentag mitbekommen, denen er sonst egal ist. Ich steckte mittendrin. Wie schon bei den zwei Kirchentagen zuvor, bei denen ich hauptamtlich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht habe, war es auch diesmal wieder sehr anstrengend (das erste Halbjahr 2017 bestand zu großen Teilen aus Arbeit), aber wegen der involvierten Menschen und Themen auch sehr spannend und schön. Wer kann sonst schon von sich behaupten, dass er sich mal mit Barack Obamas Social-Media-Team abgestimmt hat? Auch der finale Gottesdienst vor den Toren Wittenbergs, bei über 30 Grad ohne einen Hauch von Schatten – das war schon was. Warum ich der Unternehmung, die mir so lange zweites Zuhause war, anschließend trotzdem den Rücken gekehrt habe, habe ich hier im Blog aufgeschrieben.

Yoga with Adriene

Um den Kirchentags-Stress etwas auszugleichen habe ich schon vor zwei Jahren in Stuttgart mal etwas Yoga gemacht. Auch dieses Jahr wollte ich das gerne wieder tun, aber anders als vor zwei Jahren gab es kein vertrauenserweckendes Yoga-Studio in der Nähe meines Büros oder Wohnorts. Also habe ich, was ich sonst viel zu selten mache, einfach mal nach YouTube-Videos gesucht und bin auf den Channel von Adriene Mishler gestoßen. Auf “Yoga with Adriene” bietet die Texanerin Yogastunden zu allen möglichen Themen an, unter anderem mehrere “30-Day-Challenges” für die tägliche Praxis. Ihr Charme, Witz und ihre Empathie für das Publikum hat mich so überzeugt, dass ich immer noch fast täglich mit Adriene Yoga mache, was mein Körpergefühl insgesamt doch ziemlich verbessert hat.

Firth of Forth mit der Forth Rail Bridge

Fife Coastal Path

Im großen Sommerurlaub ging es dieses Jahr zum Wandern nach Schottland, freilich in der Yuppie-Variante ohne Zelt und mit Gepäck, das von Ort zu Ort gebracht wird, während man läuft. Der Fife Coastal Path verläuft zwischen den Forth Bridges und der Tay Bridge, die meisten (wir auch) liefen ihn aber nur bis St. Andrews, mit stetigem Blick auf den Firth of Forth, vorbei an Küstenstädtchen und Robbenpopulationen, dem Elie Chain Walk und steinigen Stränden – insgesamt rund 120 km. Sämtliche Logistik lief absolut reibungslos, die Bed-and-Breakfast-Wirtinnen und -Wirte waren allesamt sehr angenehme Menschen, und dieses Gefühl, jeden Tag woanders einzuschlafen als man aufgewacht ist und die Strecke dazwischen selbst zurückgelegt zu haben, empfand ich als sehr befreiend. Die Buchung über EasyWays kann ich also sehr empfehlen. (Davor und danach waren wir außerdem in meiner alten Erasmus-Stadt Edinburgh zu Gast, was noch einmal eine ganz andere Reihe von Erinnerungen aufwirbelte und mein erstes Filmtourismus-Bild produzierte.)

Kulturindustrie

Ich habe schon genug dazu geschrieben, warum es zu meinem eigenen Podcast ein langer Weg war. Aber ich bin nach wie vor sehr froh und stolz, dass ich ihn zu Ende gegangen bin. Dass ich mich alle zwei Wochen mit Lucas, Mihaela und Sascha, drei klugen Menschen, zum Quatschen treffen kann, und dass das dann regelmäßig über 600 Leute hören, ist ein großes Privileg. Und da wir die Themen, über die wir sprechen, relativ demokratisch gemeinsam überlegen, beschäftige ich auch durch den Podcast immer wieder mit Dingen, die ich ohne ihn vermutlich gar nicht kennengelernt hätte, dieses Jahr zum Beispiel der Roman Menschenwerk von Han Kang, das Rapduo Zugezogen Maskulin oder Bryan Lee O’Malleys Comic Snotgirl. Auch die Videospiel-Software Steam hatte ich tatsächlich vor unserer Sendung über The Last Tree noch nie benutzt. Ich bin sehr dankbar für die ständige Horizonterweiterung und gespannt, wohin wir Kulturindustrie nächstes Jahr noch führen können.

Magic: The Gathering

In meinen Entwürfen schlummert ein halbfertiger Artikel über meine Wiederentdeckung des Kartenspiels, das meine Jugend dominiert hat, den ich vielleicht in den nächsten Tagen noch beenden kann. Nur so viel: Es ist vor allem die verdammt gute Medienarbeit von Wizards of the Coast auf ihrer Website, durch die ich festgestellt habe: Ja, es ist möglich, dieses Spiel nicht auf Turnierlevel zu spielen und trotzdem am Ball zu bleiben, auch oder gerade wenn man ein Vorthos ist, wie ich. So viel Spaß wie beim Prerelease von Ixalan hatte ich mit Magic seit langem nicht mehr und ich bin wirklich glücklich, dass die lange Geschichte der Entfremdung mit etwas, was ich mal sehr geliebt habe, 2017 ein gutes Ende genommen hat.

© Wizard of the Coast

Dinosaurier-Reiter, Piraten und eine Gorgonin mit einer Mission: Ixalan | © Wizard of the Coast

Babylon Berlin

Der Nationalstolz-Aspekt des ganzen Diskussions-Phänomens “deutsche Serie” lässt mich kalt, aber ich finde es natürlich trotzdem immer spannend, die Dynamik der Medienlandschaft zu beobachten. Schon bei der Bekanntgabe des Projekts vor anderthalb Jahren hatte ich die Hoffnung, dass die Mischung der beteiligten Player und Ideen tatsächlich zu einem guten Ergebnis führen könnte, und ich wurde nicht enttäuscht. “Babylon Berlin” ist definitiv mein Serienhighlight des Jahres, obwohl ich noch nicht einmal die zweite Staffel gesehen habe. Ich freue mich schon, noch einmal dafür zu trommeln, wenn es nächsten Herbst im Free-TV zu sehen ist.

Star Wars: From a Certain Point of View

Während die “Kontroverse” um The Last Jedi noch tobt, möchte ich ein anderes Star-Wars-Produkt preisen. Star Wars: From a Certain Point of View, in dem Ereignisse aus dem ursprünglichen Star-Wars-Film aus der Perspektive von Hintergrundfiguren erzählt werden, war eins der besten Lese-Erlebnisse meines Jahres – wahrscheinlich irgendwie logisch für jemanden, dem operationelle Ästhetik nach wie vor einen Kick gibt. Ganz abgesehen davon, dass die einzelnen Geschichten teilweise richtig gut und herzerwärmend waren, hat es mich auch begeistert, zu sehen, dass das Star-Wars-Universum gleichzeitig so gut ausdefiniert und so offen ist, dass es diese Art von Projekt erlaubt. Alle Autor*innen können sich individuell austoben und am Ende passt trotzdem alles zusammen, weil die Grundregeln der Welt klar sind. Spannend war es auch, zu beobachten, wie schnell die Ereignisse aus Rogue One in den Kanon übergegangen sind, so regelmäßig wie auf sie Bezug genommen wurde. Ich muss mich nicht genieren, dass ich solche Dinge nach wie vor wahnsinnig faszinierend finde, oder?

Doch noch Kritiker

Gegen die Bezeichnung “Kritiker” habe ich mich lange aus unterschiedlichen Gründen gewehrt. Zum Einen fühle ich mich wirklich mit dem, was ich so tue, immer noch mehr als Journalist, der analysiert und erzählt, denn als Kritiker, der zu einem gewissen Grad auch immer bewertet. Das obwohl die Unterscheidung im Kulturjournalismus kaum zu treffen ist. Zum anderen bin ich vor einigen Jahren mit dem Versuch, Filmkritiken zu schreiben mal ziemlich schmerzhaft gescheitert, was mich zu dem vielleicht etwas feigen Schluss gebracht hat, dass die klassische Form der Kritik einfach “nichts für mich ist”. Über die Jahre habe ich allerdings im Blog immer wieder mit Formen experimentiert und habe dabei anscheinend irgendwie doch eine kritische Stimme gefunden, mit der ich selbst zufrieden bin, und die auch andere Menschen gerne lesen. Ich schreibe inzwischen regelmäßig Hörfunk-Kritiken für epd medien und im Oktober habe ich sogar seit langem mal wieder eine bezahlte Filmkritik geschrieben und darauf viele positive Rückmeldungen bekommen (es hat eher logistische Gründe, dass es bisher bei der einen geblieben ist). Am Ende des Jahres 2017 kann ich also nicht nur nicht mehr so tun, als wäre ich kein Kritiker. Ich habe auch gelernt, dass es manchmal nicht an “können” oder “nicht können” liegt, sondern auch am eigenen Ansatz, und dass es sich lohnt, verschiedene Ansätze zu versuchen.

Cinematic Smash Champion

Als mich Henning im Sommer anschrieb und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mal bei seinem filmischen Debattier-Podcast mitzumachen, habe ich natürlich ja gesagt. Inzwischen aber sind die Cinematic Smash Bros so viel mehr als nur ein Podcast. Daran hängt eine Gemeinschaft von interessanten, filmverliebten Menschen hier aus Berlin und jede Menge Herzblut des Moderators und Organisators. Ein Highlight war deswegen auf jeden Fall das Cinematic Deathmatch Ende November, in dem alle Kandidaten noch einmal zusammenkamen, um gegeneinander zu spielen. Und obwohl ich es selbst nicht für möglich gehalten hätte, ich habe das “Goldene Flaschenmikrofon” mit nach Hause nehmen können. Ein bombastisches Erlebnis.

© Cinematic Smash Bros

Puffling

Eins der Highlights des Urlaubs in Schottland war der Besuch der Isle of May, einer kleinen Insel im Firth of Forth, die vor allem von Vögeln und den Menschen, die sie studieren, bewohnt ist. Unter anderem brüten dort, ähnlich wie auf Skellig Michael, Papageientaucher, englisch Puffins, die sich mit ihren scheinbar viel zu kurzen Flügeln von den Klippen stürzen und wie Hummeln durch die Luft schwirren. Ihre Nester bauen sie in Höhlen dicht unter der Erdoberfläche und nachdem ihre Küken diese Nester verlassen haben, leben diese drei Jahre auf dem Meer und beginnen erst danach selbst zu nisten. Eins dieser fast ausgewachsenen Küken hatte der begleitende Ornithologe auf der Rückfahrt mit ins Schiff gebracht, eine kleinere, grauere Version seiner Eltern. Jeder durfte mal einen Blick drauf werfen und dann entließ er den Puffling in die Winde.

Drei Tage vorher hatten meine Frau und ich festgestellt, dass sie schwanger ist. Nach diesem Erlebnis war klar, wie wir unser ungeborenes Kind fortan nennen würden. Inzwischen ist unser Puffling schon über sechs Monate alt, wir kennen auch schon ihr (zugewiesenes) Geschlecht und blicken gespannt auf den Geburtstermin im April. Eins dürfte damit aber klar sein: Auch 2018 wird wahrscheinlich wieder ein aufregendes Jahr.

Was mache ich nur mit so viel Aufregung? Am liebsten stecke ich sie in Dankbarkeit, denn wie immer wären alle genannten Highlights ohne die Hilfe von sehr vielen tollen Menschen gar nicht möglich gewesen. Ich hoffe, euch geht es am Ende dieses Jahres so gut wie mir und wenn nicht, dann wünsche ich euch, dass es euch bald besser geht. Frohe Weihnachten und alles Gute für 2018!

Piq: Die Datenträger des Star-Wars-Universums

Dafür wurde das Internet geschaffen: Im neuen Star-Wars-Film Rogue One geht es darum, die Pläne des Todessterns zu stehlen, und auf “Vice” lässt sich eine Autorin in über 13.000 Zeichen darüber aus, wie ineffizient eigentlich das Datenspeichersystem dieser weit weit entfernten Galaxie ist.

Das extreme Nerdtum wird zum Glück durch sehr viel Selbstironie aufgefangen – aber Sarah Jeong hat recht: Warum muss Jyn Erso unter großen Anstrengungen einen Datenträger von der Größe eines Einfamilienhauses stehlen, wenn die gleichen Pläne kurze Zeit später auf eine Kreditkarte passen?

Upon reviewing the Star Wars canon of movies (…), it’s become clear to me that that the galaxy is crippled by an abundance of disk formats, with all of the accompanying interoperability issues that we see on our own planet. Every time the Rebel Alliance changes bases, they must be lugging around a spaceship full of drives, both new and obsolete, to read every possible format.

Wie immer mit solchen Texten, ist das Ergebnis nicht nur lustig, sondern merkwürdigerweise tatsächlich interessant. Nur die Filme sollte man gesehen haben, wenn man nicht gespoilt werden will.

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Piq: Haben wir das Happy End abgeschafft?

Jacob Hall ist einer der besten Thinkpiece-Autoren in der US-Filmbloggerszene, nachdenklich und eher versöhnlich als konfrontativ. Mit vielen der Gedanken, die er in seinem neuen Stück für “Slashfilm” aufwirft, ist er nicht der erste – es gibt exzellente Artikel aus Wired und Daily Dot, die sich auch mit dem neuen Kulturparadigma beschäftigt haben, in dem Geschichten kein Ende mehr finden.

Der neue Aspekt hier ist das Wort “Happy”. Anhand von Harry Potter and the Cursed Child und Star Wars: The Force Awakens seziert Jacob Hall, dass heutigen Helden eben nicht mehr nur kein Ende ihrer Geschichte mehr zugestanden wird, sondern auch kein lang anhaltendes Glück. Auf diese Weise, schreibt er, kommen wir nie dazu, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Wir wollen uns nostalgisch an sie erinnern und reißen trotzdem ihre alten Wunden ständig wieder auf. “It’s frustrating to watch two worlds with infinite possibilities barrel toward the future while remaining so closely tethered to the past.”

Fans, meint er, bekommen zurzeit alles, was sie sich wünschen, nämlich eine endlose Parade an Abenteuern mit Charakteren, die sie lieben. Aber vielleicht, das ist seine Schlussfolgerung, sollten wir auch mal an das Schicksal der Charaktere denken.

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Podgast (IX) – “Star Wars: Identities”

Letzte Woche habe ich es geschafft, die Star Wars-Ausstellung “Identities” zu besuchen. Ich fand es toll, so viele Requisiten aus dem Film mal im Original zu sehen, aber die Ausstellung hatte darüber hinaus noch einiges mehr zu bieten. Sie ist Teil einer neuen amerikanischen Event-Museumskultur, die nahe an der Grenze zum Theme Park Ride ist – ähnlich wie Harry Potter: The Exhibition, über deren Mischung aus Fakt und Fiktion ich hier im Blog auch schon geschrieben habe (und die in Deutschland ebenfalls im Odysseum gastiert hat).

Bei “Identities” gab es eine hohe technische Komponente, die ich für das “Techniktagebuch” dokumentiert habe.

Zufälligerweise war mein Blogbro und Star Wars-Überfan Sascha von “Pew Pew Pew” eine Woche nach mir in der Ausstellung – also haben wir uns auf Skype getroffen, um über unsere Erfahrungen zu reden und haben das Ganze in einem Podcast festgehalten.


Der Podcast bei “Pew Pew Pew”.

“Star Wars: Identities” ist noch bis 17. November im Odysseum in Köln zu sehen

Quotes of Quotes (XXVIII) – J. J. Abrams on the Fan Director’s Dilemma

When I recently wrote about modern franchise movies showing signs of fan fiction, Star Wars, of course, weighed heavily on my mind. About a year ago, I had already expressed my fear that The Force Awakens might end up a sort of Star Wars simulacrum, but J. J. Abrams’ answer to an audience question at San Diego Comic Con a few weeks ago appeased me somewhat. Here’s what he said:

I watched Star Wars with my parents, too. It means very much to me as it means to many of you, so I feel like the only answer I can give you is: We love it, we care about it so much. Our job is to not be blinded by that, meaning you can’t just be a fan and then make a movie because you’re a fan. It’s not enough, you gotta really say: What’s the story? I’m gonna tell you from personal experience, when you’re directing a scene on the Millennium Falcon, it doesn’t make the scene good. Now, it’s bitchin’ that it’s on the Millennium Falcon, you want scenes on the Millennium Falcon. If I can make a suggestion, direct scenes on the Millennium Falcon, it’s hugely helpful. But it doesn’t make the scene automatically good. So you have to ask – it’s literally Storytelling 101 – what do the characters want? Who are they? What makes this interesting? What’s unexpected? It has to be fun, it has to be scary. The power of what has come before is so infectious and so deep that you have to harness it, but you can’t be blinded by it. And it’s a constant thing, working with [screenwriter] Larry [Kasdan] and [producer] Kathleen [Kennedy], there were always checks and balances, saying, “That’s really cool, but what does it mean?” You know? Why are we doing this?

Film-Franchising: Bilanz und Ausblick

© Disney

Avengers: Age of Ultron

Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle eine Vorschau auf die Franchise-Entwicklungen des kommenden Jahres veröffentlicht. Das möchte ich dieses Jahr wieder tun. Doch es lohnt sich, zunächst einen längeren Blick zurückzuwerfen, denn 2014 war in vielerlei Hinsicht ein entscheidendes Jahr in Sachen Film-Franchising. Wie immer: vage SPOILER für alle Entwicklungen bis heute.

Ich muss am Anfang doch erst noch einmal die Avengers erwähnen. Film-Franchising ist in Hollywood nun wirklich nichts Neues, aber Joss Whedons Film hat 2012 einfach der ganzen Industrie bewiesen, dass es nicht nur grundsätzlich funktioniert, dass Prinzip des Crossover-Comics auf die Welt der Big-Budget-Filme zu übertragen, sondern dass man damit auch unfassbar viel Geld verdienen kann. Wieviel Geld? Dritterfolgreichster-Film-aller-Zeiten-viel.

Die Ergebnisse dieser Erkenntnis im Jahr 2012 konnte man 2014 im Kino sehen. Jene Studios, die sich schon länger im Spiel befinden, fühlten sich in ihrem bisherigen Tun bestärkt und lieferten vergleichsweise erzählerisch mutige Filme ab. Die beiden Disney/Marvel-Filme etwa: Captain America: The Winter Soldier, in dem die Grundordnung des filmischen Universums auf den Kopf gestellt wird und Guardians of the Galaxy, dessen Franchise-Fäden ihn nur sehr dünn mit dem Rest dieses Universums verbinden, und der sich trotzdem voll auf die Marke Marvel lehnen konnte. Dito Fox mit X-Men: Days of Future Past, der voller Verve zwei filmische Universen miteinander verschmolz, um so die bisher erzählten Geschichten quasi ohne Abzusetzen weiterführen zu können.

Nachrüsten mit Marvelsaft

Auf der anderen Seite konnte man den anderen Studios dabei zusehen, wie sie sich mehr schlecht als Recht bemühten, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, indem sie bereits in Entwicklung befindliche oder sogar bereits abgedrehte Filme mühsam mit Marvelsaft nachrüsteten. The Amazing Spider-Man 2 ist das wahrscheinlich beste Beispiel für einen Film, der bei der Kritik vor allem deswegen durchfiel, weil man ihm ansah, wie das ursprüngliche Drehbuch durch diverse Anbauten im Nachhinein franchise-tauglicher gemacht wurde. Universal machte das gleiche mit Dracula Untold, aus dem sie mit einem End-Credits-Tag nachträglich den ersten Akt eines Monster-Universums schufen.

© Universal

Dracula Untold

Ich fühlte mich extrem an den Postkonvertierungs-3D-Boom von 2011 erinnert, und an die Wut die sich über Filme wie Clash of the Titans im Nachgang von Avatar ergoss, als “Marvel-Style Shared Universes” im Herbst 2014 auf der generellen Hassliste selbst von Nerd-Kritikern ganz oben landete. Es half sicher nicht, dass sowohl Warner/DC als auch Disney/Marvel sich in ihrem Erfolg so bestätigt fühlten, dass sie auf großen Events ihre geplanten Filmkalender gleich für die nächsten fünf Jahre vorstellten, was gerade bei jenem Teil der Bevölkerung zu Kopfschmerzen führte, der ins Kino geht, um dort so etwas Ähnliches wie Kunst zu erleben.

Hat Mark Harris recht?

Den besten, weil reflektiertesten, Artikel zum Thema verfasste Mark Harris bei “Grantland”. Harris erkennt die lange Geschichte an, die Hollywood mit Franchises hat und die bis in die Stummfilmzeit zurückreicht. Er weist darauf hin, dass Charakterstudien und ähnliche Formate ins Fernsehen gewandert sind, wo sie mehr Raum haben. Und doch kommt er zu einem bitteren Ergebnis:

The future of Hollywood movies right now — at least, as it lives in the hands of five-year planners — feels somehow small and cautious, a dream dreamed by people whose sugarplum visions of profit maximization depend on the belief that things will never change.

Ich muss sagen, dass auch ich überrascht war, als Marvel im Oktober seinen “Slate” bis 2019 vorstellte. Studiochef Kevin Feige hatte in der Vergangenheit of genug das Mantra wiederholt, dass langfristige Pläne bei Marvel immer hinter der Absicht zurückstecken müssen, den nächsten Film so gut wie möglich zu machen. Mit der Enthüllung ihres Plans vom “Infinity War”, den “Inhumans” und “Captain Marvel” aber legt sich das Studio für die kommenden Jahre extrem fest und schließt – genau wie Harris sagt – eine große Wette darauf ab, dass ihr jetziger Erfolg anhält. Auch der Streit rund um Ant-Man, der sich im Mai entlud, spricht für diese Entwicklung. Der Abspann von 22 Jump Street liefert die passende Parodie dazu.

© 20th Century Fox

Dawn of the Planet of the Apes

Dennoch muss man auch anerkennen, welche interessanten Momente das Jahr 2014 in Sachen Franchising hervorgebracht hat. Von dem bereits erwähnten X-Men: Days of Future Past, der ähnlich wie zuvor Star Trek mithilfe eines Zeitreiseplots einen nahtlosen Übergang von Sequels zu Prequels schaffte, bis zu Dawn of the Planet of the Apes, der gelungen eine Mythologie weiterspinnt und deren weiße Flecken füllt, ohne sich zu sklavisch an seine Vorlage zu ketten. In ihrer Verbindung von erzählerischen Volten und geschickter Marketingpolitik bleiben diese Filme Faszinosa. Anders übrigens als The Hobbit: The Battle of the Five Armies, an dem sich im Dezember die gesamte Enttäuschung über die LotR-fizierung von Jacksons zweiter Trilogie endgültig Bahn brach.

Der größte Coup gelang aber wieder einmal Marvel Studios, die im Frühjahr in Captain America: The Winter Soldier ein Ereignis einbauten, dessen Auswirkungen auf andere Bereiche des Franchise-Universums parallel zum Release des Films im Fernsehen verfolgt werden konnten. Nach dem Charakter-Crossover von The Avengers ist diese Event-Synchronität schon die zweite Comic-Mechanik, die das Studio erfolgreich in die Welt der bewegten Bilder transponiert hat. Man darf ruhig mal anerkennen, dass diese Form der Programmierung Live-Erlebnisse schafft, die im Zeitalter der ständigen Verfügbarkeit von Medieninhalten immer noch etwas besonderes sind.

Auf dem Weg zu den Inhumans

Wohin also führen uns diese Entwicklungen im Jahr 2015? Marvel Studios dominiert wie schon letztes Jahr die erste Jahreshälfte. Agent Carter, die neueste Marvel-Serie läuft in diesen Wochen in der Saisonpause von Agents of S.H.I.E.L.D. und erweitert das Marvel Cinematic Universe um Erzählungen aus der bisher noch nicht beleuchteten Nachkriegszeit. Erwartbar ist, dass Marvel versuchen wird, den Coup des Vorjahres zu wiederholen und sowohl Agent Carter als auch Agents of S.H.I.E.L.D. in irgendeiner Weise mit dem Start von Avengers: Age of Ultron am 1. Mai (in Deutschland am 30. April) zu verschränken. Im Gegensatz dazu steht Daredevil (10. April), der ersten von vier Serien, die Marvel für Netflix produziert hat wohl in einer etwas anderen Ecke des MCU, heißt es.

Age of Ultron selbst wirkt den bisherigen Trailern zufolge wie ein erster Schritt in ein etwas düstereres Marvel-Universum, das sich 2016 mit Captain America: Civil War fortsetzen wird. Der relativ generisch aussehende Ant-Man (23. Juli), der ja eher eine Komödie werden soll (Drehbuch: Adam McKay, Paul Rudd, Edgar Wright, Joe Cornish), mag da gar nicht so richtig reinpassen. Genausowenig wie in den nächsten großen Story-Arc im Marvel Cinematic Universe, das Erwachen der sogenannten “Inhumans”, die Marvel Studios wohl als Alternative zu den X-Men positionieren will, an denen sie keine Rechte haben. Die ersten Samen für die Inhumans-Story wurde im Mid-Season-Finale von Agents of S.H.I.E.L.D. gepflanzt. In Age of Ultron werden dann wohl schon zwei Inhumans mitspielen: Scarlet Witch und Quicksilver.

© Disney

The Force Awakens

Alle Kanonen in Stellung

Es ist kein Wunder, dass bei Marvel Studios im Herbst nichts mehr passiert, denn spätestens ab August wird Mutterschiff Disney alle Kanonen in Stellung bringen, um das größte Blockbuster-Event des Jahres hochzuhypen: Star Wars – Episode VII: The Force Awakens (17. Dezember). Aus Franchising-Sicht sind daran vor allem drei Dinge interessant: Erstens, dass Disney bereits 2014 die Entscheidung getroffen hat, den bisher etablierten Kanon des Story-Universums neu zu sortieren, um sich mehr erzählerische Manövrierfähigkeit zu schaffen. Zweitens, dass wohl noch zu später Stunde in der Pre-Production die Entscheidung fiel, den Soft Reboot des Star-Wars-Universums noch softer zu machen, als zuvor geplant und deutlich mehr Fokus auf bereits etablierte Charaktere zu legen (auch wenn der erste Trailer das Gegenteil suggeriert). Drittens, dass Star Wars in Zukunft auch im Kino zu einem “Shared Universe” wird, bei dem die großen “Episoden” begleitet werden von Spinoff-Filmen auf anderen Zeitstrahlen, von denen der erste bereits 2016 ins Kino kommt.

2016 wird auch das Jahr, in dem es für DC/Warner so richtig in die Vollen geht, wenn sowohl Batman v Superman: Dawn of Justice als auch Suicide Squad starten, die wahrscheinlich in bester Nolan/Snyder-Manier beide sehr düster werden. 2015 hält das Studio noch ein wenig die Füße still und konzentriert sich auf den Erfolg seiner Superhelden-Fernsehserien Arrow, Flash und Gotham. Zumindest Arrow und Flash wurde im Dezember 2014 auch bereits ein Crossover geschenkt. Weitere sollen folgen. (Disclaimer: Ich verfolge die DC-Serien nicht. Vielleicht kann jemand in den Kommentaren ergänzen, was uns dort Tolles erwartet.)

Ein weiterer Superheldenfilm wird uns 2015 noch heimsuchen: der Reboot von The Fantastic Four (6. August), zu dem gerade der erste Trailer veröffentlicht wurde. Da 20th Century Fox (X-Men) produzierendes Studio ist, liegt die Vermutung nahe, dass auch hier ein Crossover geplant ist. Bis auf die Tatsache, dass Drehbuchautor Simon Kinberg gesagt hat, er fände das spannend, gibt es aber noch keine Pläne.

© Paramount

Terminator: Genisys

No Fate

Terminator: Genisys (Paramount, 9. Juli) wird entweder eine brillante Zeitreise-Reflektion à la Back to the Future – Part II oder ein gigantischer Clusterfuck. Das Franchise hat sich schon immer im Kern darum gedreht, ob es so etwas wie Schicksal gibt und während der letzte von James Cameron inszenierte Teil von 1991 darauf noch die eindeutige Antwort “Nein” gab, wurde mit dem Konzept seitdem in der Serie The Sarah Connor Chronicles und dem missglückten Sequel Salvation immer wieder gespielt. Genisys scheint jetzt alles bisher passierte neu verquirlen zu wollen und wirft die Elemente und Zeitebenen wild durcheinander. Bisher ist das Ergebnis eher Ratlosigkeit.

Mit ein paar Ausnahmen sind alle weiteren Franchise-Filme, die für 2015 geplant sind, “reguläre” Fortsetzungen der alten Schule, die einfach nur mehr Geschichte aus etablierten Figuren herausholen, wie man Mark Harris’ Tabelle entnehmen kann. Gut zu erkennen ist das meist an der Zahl im Titel. Sowohl von Pitch Perfect 2 (14. Mai) als auch von Mission:Impossible 5 (14. Januar 2016) sollte man also keine narrativen Zaubertricks erwarten.

Was sind die Ausnahmen? Da ist einmal Jurassic World (11. Juni), der ein totgeglaubtes Franchise mithilfe eines Soft Reboot wieder zum Leben erwecken soll. Soft Reboot deshalb, weil die Bezüge zur Original-Trilogie – über die Idee des Dinoklonens hinaus – wahrscheinlich minimal sein werden – weder spielt der Film zeitlich nahe an Jurassic Park 1 bis 3, noch sind Figuren des Originals involviert. (Ergänzung: Allerdings spielt der Film auf der gleichen Insel wie die Ursprungsverfilmung und getwitterte Bilder lassen vermuten, dass es doch direkte Storybezüge geben könnte.)

Mad Max: Fury Road

Furious 7 (2. April) wird eigentlich nur deswegen interessant, weil der noch nicht abgedrehte Film irgendwie so umgestrickt werden musste, dass er den Tod eines Hauptdarstellers während der Dreharbeiten kaschiert, ebenso wie The Hunger Games: Mockingjay – Part 2 (19. November). Nachdem die James-Bond-Serie jahrzehntelang mit wenig Zusammenhalt zwischen den Filmen auskam, ist sie seit dem Reboot mit Casino Royale einer konkreten Storyline gefolgt, die in Skyfall mit dem Tod von M ein vorläufiges Ende-im-Anfang gefunden hat. Es wird interessant sein, zu sehen, wo genau Spectre (5. November) jetzt ansetzen wird.

Und dann ist da noch Mad Max: Fury Road (14. Mai), dessen Trailer bei einigen Leuten kleinere Orgasmen ausgelöst hat und mir irgendwie ziemlich egal ist. Bemerkenswert ist er vor allem deswegen, weil hier ein Regisseur 30 (!) Jahre nach dem letzten Film der Serie zu seinem eigenen Franchise zurückkehrt. Da bis heute niemand weiß, worum es in Fury Road eigentlich gehen wird – außer, dass er im Grunde eine einzige lange Verfolgungsjagd ist – kann davon ausgegangen werden, dass die Verwandschaft mit den Vorgängen auch eher in Motiven und Emotionen liegen wird, als in harten Storybezügen Die offizielle Synopsis des Films sagt an, dass der Film, der eine einzige lange Verfolgungsjagd sein soll, direkt nach den Ereignissen von Beyond Thunderdome von 1985 weitergeht.

Das Vermächtnis von Avatar

Ende des letzten Jahres landeten gleich drei Artikel in meinem Feedreader, die sich damit beschäftigten, dass James Camerons Avatar über den 3D-Boom hinaus kaum popkulturelle Fußstapfen hinterlassen hat (1, 2, 3), obwohl er vor fünf Jahren so ein Riesenerfolg war. Ich denke manchmal darüber nach, ob man den Filmen aus dieser jetzigen Spitzenzeit der “Cinematic Universes” in einigen Jahren den gleichen Vorwurf machen wird, eben weil die Franchisifikation von Geschichten auch viele Nachteile mit sich bringt.

Und in der Tat fand ich etwa Captain America: The Winter Soldier und Guardians of the Galaxy in der Zweitsichtung deutlich weniger beeindruckend, als im Mahlstrohm der Hypemaschine zum Kinostart. Die kommenden zwei Jahre werden wahrscheinlich darüber entscheiden, wie ergiebig die Zukunft dieses filmischen Modells noch ist – ob wir uns wirklich auf Franchises bis zum Sanktnimmerleinstag einstellen müssen, oder ob das Publikum gegen die nicht enden wollenden Versprechungen von immer neuen Superlativen irgendwann an der Kinokasse abstimmt. 2016 2017 jedenfalls kommt auch der erste Teil einer neuen Avatar-Trilogie ins Kino und James Cameron gehört zu den wenigen Regisseuren, die wirklich gute Fortsetzungen geschaffen haben. Man wird sehen, ob der Zeitgeist dann immer noch auf seiner Seite ist.

Nachtrag, 1. Februar: Sascha von “Pew Pew Pew” und Gerold von “DigitaleLeinwand” haben mich auf ein paar Fehler im Text hingewiesen, die ich korrigiert habe. Außerdem bin ich, wie Gerold zurecht schimpft, in meinem Rundumschlag am Schluss natürlich über ein paar Franchises hinweggehuscht, über die ich auch noch ausführlicher hätte schreiben können, aber es nicht getan habe, weil ich sie nicht (gut) kenne.

  • Paranormal Activity bekommt 2015 bereits seinen 6. Teil und sogar David Bordwell hat schon einmal darüber geschrieben wie das Franchise seine eigenen Methoden immer wieder interessant variiert, reflektiert und bricht.
  • Disney baut sich unbemerkt von einem großen Teil der Welt ein Imperium mit seinen Tinkerbell-Filmen auf. Tinkerbell und das Nimmerbiest (März in den USA) wird Teil 6 der erfolgreichen Reihe, die ich mir allein aus Forschungsinteresse gerne mal anschauen würde.
  • Despicable Me bekommt mit Minions (2. Juli) ein Spinoff, ähnlich wie es Madagascar 2014 mit The Penguins of Madagascar bekommen hat. Das Thema “Sidekicks sind viel interessanter als Hauptcharaktere und die Industrie nutzt das jetzt auch erzählerisch aus” wäre wahrscheinlich auch mal einen Blogpost wert, wenn ich beide Filme gesehen habe.
  • Ein neuer Asterix-Film startet schon in ein paar Wochen. Dazu arbeite ich bereits an einer Rückschau auf die bisherigen Zeichentrickabenteuer.