Der lange Weg zur Kulturindustrie

© Image Comics, Netflix, Universum Film

Wer keine Lust auf wehmütige Reminiszenzen hat, einfach vorscrollen bis zur Zwischenüberschrift

Zehn verdammte Jahre ist es her, dass ich meinen ersten Podcast gehört habe. The Guardian Film Weekly hatte ein Danny-Boyle-Interview zu Sunshine, das ich unbedingt hören wollte. Danach war es um mich geschehen. Die Form des “Radio auf Abruf” hat mich sofort fasziniert und zu Film Weekly kamen in den nächsten fünf Jahren mehr Podcasts hinzu: Erst The Guardian Music Weekly, dann der Savage Lovecast und This American Life, dann der /Filmcast. Dann hatte ich irgendwann ein Smartphone und es gab kein Halten mehr. Heute habe ich 38 Podcasts abonniert und höre zusätzlich regelmäßig Einzelfolgen von anderen Podcasts (hauptsächlich wegen Sara Webers Newsletter).

Sieben Jahre ist es her, dass ich meinen ersten Podcast produziert habe. Auf dem eDIT-Festival 2010 zog ich mit meinem frisch gekauften Aufnahmegerät herum und interviewte Filmemacher, schrieb Moderationen und bastelte das ganze zusammen. Ein Jahr später blickte ich mit dem Podcast-Projekt “RePotter” auf die Harry-Potter-Filmreihe zurück. 2014 habe ich fünf Tage lang täglich per Podcast vom Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart berichtet. Aber immer habe ich die entstandenen Produktionen nur hier im Blog veröffentlicht. Es sollten immer nur Experimente sein, kleine Ausprobier-Projekte, aus denen nur ja keine Verpflichtung erwachsen sollte. Ich hatte irgendwie immer Angst vor der eigenen Courage, mich wirklich in die Podcast-Welt hineinzubegeben.

Spätestens seit ich sowohl das Slate Culture Gabfest als auch NPRs Pop Culture Happy Hour höre, hatte ich zum Beispiel den Gedanken, dass man ein solches Format doch auch in Deutschland umsetzen können muss. Kein lockerer Gesprächspodcast, in dem eine Reihe Kumpels frei assoziierend anderthalb Stunden über einen Film sprechen, sondern ein kompaktes Audio-Magazin, zwar mit Persönlichkeit, aber auch mit journalistischem Anspruch. Mitten in dem Sweet Spot, in dem ich meine Podcasts am liebsten mag und den in Deutschland nur wenige Menschen erreichen (wollen). (Augen öffnend für mich dazu: der Vortrag von Ralf Stockmann und Claudia Krell auf der re:publica 2015.)

Aber ach, ich traute mich nicht. So viel Arbeit. Und mir fehlten die richtigen Leute. Zufälligerweise lief keiner gerade rum, der einfach Lust hatte, mich mitzunehmen, und mir die Arbeit abzunehmen. Also tingelte ich stattdessen als Gast von Podcast zu Podcast, immer noch nicht willens, meinen vielen Worten zum Thema endlich Taten folgen zu lassen.

Im Sommer dieses Jahres war ich endlich so weit. Mit Lucas Barwenczik, dessen Artikel bei “kino-zeit.de” ich von Anfang an erstaunlich fand, und Sascha Brittner von “Pew Pew Pew”, mit dem mich seit unserem Interview vor fünf Jahren eine genauso erstaunliche Freundschaft verbindet, kannte ich zwei Leute, die willens waren, mit mir ein entsprechendes Projekt zu wagen. Mir war es aber auch wichtig, mindestens eine Frau im Team zu haben, deswegen war ich sehr froh, als sich Mihaela Sartori bei mir meldete und Interesse bekundete. Sie ergänzt nicht nur unsere jeweiligen (etwas filmlastigen) Hintergründe perfekt, sondern hat auch noch Podcasterfahrung.

Irgendwann hatte ich einen Namen und sogar ein Konzept, und trotzdem hätte ich Mitte August fast doch noch das Handtuch geworfen. Hätten Sascha, Mihaela und Lucas mich nicht irgendwann fast getreten, gäbe es wahrscheinlich immer noch keinen Podcast. Zum Glück haben sie es aber gemacht …

… und deswegen gibt es jetzt einen Podcast und er heißt Kulturindustrie

In der nullten Folge, die jede und jeder außer auf Soundcloud auch in Apple Podcasts und anderen Podcatchern hören kann, sprechen wir über The Circle, Bojack Horseman und den Comic Snotgirl. Obwohl die Aufnahme noch etwas holprig lief und es auf jeden Fall noch Luft nach oben gibt, was unsere Redebeiträge angeht, bin ich unglaublich stolz auf diesen Podcast. Nach meinem langen und schwer erklärbaren Leidensweg bin ich heilfroh, die Anfangshürde genommen zu haben und freue mich jetzt sehr darauf, weiterzumachen.

Kulturindustrie wird/soll zweiwöchentlich erscheinen. In Ausgabe 001, die wir am 24. September aufnehmen und hoffentlich am 26. September veröffentlichen, sprechen wir über Darren Aronofskys Mother!, Dietrich Brüggemanns Tatort “Stau” und das Indiegame The First Tree. Für weitere zwei Wochen später haben wir uns auf jeden Fall Han Kangs Roman Menschenwerk vorgenommen.

Egal ob jetzt oder nach einigen Folgen; Ich bin dankbar für alles konstruktive Feedback. Hier in die Kommentare, auf Twitter oder per Mail an podcast@kulturindustrie.de.

Podgast (IX) – “Star Wars: Identities”

Letzte Woche habe ich es geschafft, die Star Wars-Ausstellung “Identities” zu besuchen. Ich fand es toll, so viele Requisiten aus dem Film mal im Original zu sehen, aber die Ausstellung hatte darüber hinaus noch einiges mehr zu bieten. Sie ist Teil einer neuen amerikanischen Event-Museumskultur, die nahe an der Grenze zum Theme Park Ride ist – ähnlich wie Harry Potter: The Exhibition, über deren Mischung aus Fakt und Fiktion ich hier im Blog auch schon geschrieben habe (und die in Deutschland ebenfalls im Odysseum gastiert hat).

Bei “Identities” gab es eine hohe technische Komponente, die ich für das “Techniktagebuch” dokumentiert habe.

Zufälligerweise war mein Blogbro und Star Wars-Überfan Sascha von “Pew Pew Pew” eine Woche nach mir in der Ausstellung – also haben wir uns auf Skype getroffen, um über unsere Erfahrungen zu reden und haben das Ganze in einem Podcast festgehalten.


Der Podcast bei “Pew Pew Pew”.

“Star Wars: Identities” ist noch bis 17. November im Odysseum in Köln zu sehen

Podcast: Star Wars: Rebels – Spark of Rebellion

© Disney

Heute abend ist Premiere für die neue Star Wars-Serie Rebels auf Disney XD. Sascha von Pew Pew Pew, Philipp von Serien.Ninja und ich haben den “Pilotfilm” Spark of Rebellion auf der “Kinotour” vorab gesehen und gemeinsam besprochen.

(Für jemanden, der sich gerne über die Klangqualität anderer Podcasts beschwert klingt meine eigene Stimme diesmal extrem nach Echokammer. Leere Konferenzräume sind eben keine guten Aufnahmestudios. Besserung ist gelobt.)

Wir spoilen den Film in der ersten Hälfte des Podcasts in groben Beats und sagen dann irgendwann an, wenn wir richtig ins Detail gehen.

[Download]|[iTunes]

Shownotes:

Crosspost mit “Pew Pew Pew”

Podgast (V): PewCast über die Probleme des Wordbuilding

Ich hätte eigentlich einen Artikel drüber schreiben wollen, aber die Zeit hat nicht gereicht. Dankenswerter Weise hat mich Sascha stattdessen zum PewCast eingeladen, um über Edgar Wrights Rausschmiss bei Marvel zu sprechen. Ich nehme in der Sache (natürlich) ein bisschen die Rolle des Advocatus Marveli ein, doch die generelle Frage “Wie viel muss man als Zuschauer und als Filmemacher auf dem Opfer der erzählerischen Konsistenz opfern?” stellen wir auch The Amazing Spider-Man 2, X-Men: Days of Future Past, Star Trek und den anstehenden DC Filmen.

Zum Pewcast “The Dark Side of Worldbuilding

A Brave New Galaxy – Ein Gespräch zum Ende des Star Wars Expanded Universe

Als ich las, dass sich Disney/Lucasfilm vom Star Wars Expanded Universe verabschieden werden, war mir klar, dass es eine Person gibt, mit der ich darüber ausführlich reden sollte. Kurze Zeit später standen Sascha von Pew Pew Pew und ich uns auch schon im Instant Messenger gegenüber. Ein Gespräch über enttäuschte Hoffnungen, faszinierende Kanonisierungen und erwartungsvolle Zukunftsblicke.

Alex: Lass mich mal kurz zusammenfassen, was bisher geschah. Eigentlich schon mit Beginn der Star Wars-Filme, aber spätestens nach Return of the Jedi beginnen verschiedene Autoren, das Star Wars-Universum mit weiteren Geschichten zu füllen – in Büchern, Comics und Videospielen. Die Krux dabei ist, dass sie nicht nur Geschichten erzählen, die die Filme nicht tangieren, sondern durchaus auch mit den Charakteren aus den Filmen arbeiten, beispielsweise schreiben die “Thrawn”-Trilogie von Timothy Zahn und viele andere Bücher die Geschichte nach “Jedi” fort, schaffen gewissermaßen ihre eigenen Episoden 7 bis 9 und darüber hinaus. Lucas und Lucasfilm verdienen gut daran, mahnen aber auch immer, dass das “Expanded Universe”, wie es bald heißt, nicht kanonisch ist, sondern dass nur die Filme Evangelium sind. Als Lucas beginnt, mit den Prequels und Clone Wars selbst neue kanonische Geschichten im Star Wars Universum zu erzählen, übernimmt er manche Teile des Expanded Universe (zum Beispiel den Charakter Aayla Secura oder Kashyyyk, den Wookieplaneten) in seinen Kanon, andere nicht. Und jetzt, wenn J. J. Abrams und seine Leute selbst die Geschichte nach Jedi fortschreiben wollen, stehen sie natürlich vor dem Problem, dass sie überlegen müssen, inwieweit sie das Expanded Universe einbeziehen. Wofür haben sie sich entschieden?

Sascha: Abrams, Kasdan und die neu etablierte Lucasfilm Story Group, die in Zukunft die Kontinuität der neuen Filme und Geschichten überwachen werden, haben sich für einen reinen Tisch entschieden. 31 Jahre nach dem Release von Episode VI sind die Schauspieler nicht mehr in der Lage ihr Alter zu verbergen, weshalb die Filme, sofern sie Luke, Leia und Han involvieren sollten, den Sprung 30 Jahre in die Zukunft nach Return of the Jedi wagen müssen. Gleichzeitig wurde die Rückkehr von Peter Mayhew bereits vor der dieswöchigen, offiziellen Pressemitteilung bestätigt. Wer im Expanded Universe also etwas bewandert ist und eins und eins zusammenzählen kann, der wusste es spätestens dann; Lucasfilm lieferte dennoch offiziell Stellung vor dem Casting Announcement: Das Expanded Universe ist tot. Es spielt keine Rolle mehr bei der Kreation dieser neuen Filmtrilogie. Die alten Geschichten sollen dennoch weiter zugänglich bleiben, sie werden lediglich unter dem “Legends”-Banner veröffentlicht, um das alternative Universum kenntlicher zu machen. Dennoch ist selbst diese Ankündigung in ihrer Bedeutung für das gesamte Expanded Universe etwas schwammig. Man spricht hier davon, dass die neuen Filme, die nach Jedi spielen, “nicht die gleichen Geschichten erzählen werden”.

Das Expanded Universe ist jedoch wesentlich größer und älter als viele Unwissende glauben. Es besteht nicht nur aus der Weiterführung der Biographien der “großen Drei”, sondern erzählt selbstständige Geschichten, die bis 35.000 vor die Schlacht um Yavin zurückreichen. Als Fan dieser Galaxis und all ihren Geschichten könnte ich mir jetzt Hoffnung machen und den Reboot lediglich auf die Zeit nach der alten Trilogie verorten, aber die Etablierung eines neuen Teams, der Pressemitteilung inklusive dem Video klingt für mich nach einem gesamten Neustart. Michael Arndts ursprünglicher Drehbuchentwurf soll angeblich einen größeren Fokus auf die Solo/Skywalker-Kinder gerichtet haben, ähnlich wie die späteren Bücher, aber von ihm ist in der Pressemitteilung nicht einmal mehr die Rede und die nun vorgestellten Schauspieler passen mit ganz wenigen Ausnahmen und einem zugedrückten Auge auch nur so halb zu existierenden Charakteren. Also werden wohl auch die EU-Fans im Kino überrascht werden. It’s a brave new galaxy.

Alex: Meinst du, der Grund dahinter ist, dass die Filmemacher sich so fühlten, als wären sie schon zu festgelegt durch das, was unzählige Autoren vor ihnen geschrieben haben? Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer gewesen wäre, sozusagen erzählerische “weiße Flecken” zu finden, in denen man noch Geschichten hätte spinnen können, die zugleich konsistent und überraschend gewesen wären. Zumindest wenn die Episoden-Filme irgendwie an das Vorhergehende anknüpfen sollen.

Sascha: So ist es, zweifellos. Es ist ja nicht nur so, dass man diese “weißen Flecken” in den ohnehin vollen Biographien der Figuren erst mal finden müsste, sondern sich auch die galaktischen Hintergründe vor Augen führen muss. Das EU besteht ja nicht nur aus weiteren Abenteuern mit Luke, Leia und Co., sondern aus ähnlich großen Events wie dem galaktischen Bürgerkrieg, der im Großen und Ganzen nur zu einer weiteren Phase in der Historie dieser turbulenten Galaxie verblasst. 30 Jahre nach den alten Filmen wäre gerade kurz nach der Invasion der Yuuzhan Vong, einer extragalaktischen, technophoben Rasse auf Kreuzzug, die nicht in der Macht zu spüren sind und durch ihre biologischen Raumschiffe, Waffen und Terraformingmaschinen das Antlitz der Galaxie für immer verändert haben. Weiterhin starben mehrere bekannte Figuren, am prominentesten war wohl der Abgang von Chewbacca zum Beginn dieser Invasion, was jedoch von Lucas selbst so beordert und abgesegnet wurde. Diese Vorgänge zu adaptieren, wäre schwierig; neue Geschichte in diesem Universum dann mit gewisser narrativer Freiheit zu konzipieren, wird aber zur Unmöglichkeit. Das notwendige Maß an Exposition und Hintergrundinformationen, die der normale Zuschauer benötigen würde, brächten den eigentlichen Plot, der mit seiner leichtfüßigen und traditionsreichen (Stichwort: Campbell) Abhandlung die Massen begeisterte, zum Halt. Dann doch lieber alles auf Null, das EU als alternatives EU branden und mit einer neuen Timeline und Figuren eine originelle Geschichte erzählen.

Alex: Das Krasse (und für mich interessante) ist halt, dass wir es hier nicht nur mit einem konzeptionellen Reboot zu tun haben, wo die Geschichte einer bekannten Figur beendet und neu begonnen wird, wie wir es aus Superhelden-Comics kennen oder aus den letzten Jahren aus Filmserien wie James Bond oder Star Trek – also eine Neu-Erzählung einer bekannten Legende, angepasst an die heutige Zeit. Sondern dass hier eine merkwürdige Kanon-Verschiebung vorgenommen wird. Ein großer Schatz an Geschichten, Figuren und Historie, der zwar offiziell nie als voll kanonisch galten, aber doch von allen irgendwie als “wahr” oder zumindest doch als lieb und teuer wahrgenommen wurden, wird mit einem Schlag zur Apokryphe erklärt und vom Tisch abgeräumt. Ich kann mir vorstellen, dass das für die Fans nicht gerade einfach ist, die jetzt seit dreißig Jahren mit dem Expanded Universe leben.

Sascha: Ja, in der Tat. Ich muss dir auch ganz ehrlich sagen, dass ich froh darüber bin, dass wir dieses Gespräch erst jetzt, ein paar Tage nach der Ankündigung führen. Bei Star Wars schalten sich die rationale Gedanken bei mir in den ersten zehn Minuten nach einer Meldung ab. Ein bisschen hilft aber auch der großartige Cast für den neuen Film, diese Wunden zu besänftigen, aber es tut schon weh, dass jetzt plötzlich alles keine Rolle mehr spielt. Gut, das tat es vorher auch nicht – zumindest, wie du sagst, nicht offiziell. Aber es so auszudrücken wird der über die letzten 20 Jahre existierenden und funktionierenden Infrastruktur auch nicht gerecht. Auch wenn George Lucas’ Kanon, also die Filme und zwei Serien (Clone Wars und jetzt bald Rebels) stets als offiziell galten, gab es ein Ranking unterschiedlicher Ebenen des Erzählens.

Ähnlich wie im Marvel Cinematic Universe wird jetzt nicht jede Kleinigkeit von Agents of SHIELD in den Filmen aufgefangen, die als meistgesehenes Medium immer wieder höchste Priorität genießen, aber es wird sich um die internarrative Kontinuität bemüht. Ganz ähnlich verhielt sich das für Lucasfilm, das EU und die Holocron Database, die um 2000 ins Leben gerufen wurde, um Ordnung zu wahren und die unterschiedlichen Verläge, Autoren und Geschichten in Einklang zu halten. Es gibt mehrfache Überschneidungen, Retcons und Beispiele, wie Lucas sich vom EU inspirieren ließ und wie er wiederum Entscheidungen für das EU direkt traf. Er deutete zwar immer darauf hin, dass es sich um zwei abgegrenzte Universen handelte, aber in Wirklichkeit ergaben diese auf einem narrativen Level absoluten Sinn ohne Widerspruch.

Und das war immer das Schöne an der Star Wars-Galaxie. Wenn man lediglich die Filme genießen wollte, diese eine Geschichte, dann konnte man dies tun. Aber wer die Augen aufmacht, merkt schnell, dass Lucas – und das war ein großer Teil seines Erfolges – ein Universum erschuf, das entgegen vieler Konkurrenten schmutzig, abgenutzt und in sich stimmig war. Dort haben Menschen und Aliens gelebt, und das seit Jahrtausenden. Sie haben Geschichten, Ereignisse und mythologiches Potential für die Gesamtunternehmung. So wichtig Anakin Skywalker und seine Familie für den Untergang der Republik, als auch später des Imperiums, gewesen sein mag, davor und danach gibt es auf dem Zeitstrahl viele “weiße Flecken”.

Das war auch der ursprüngliche Reiz des ersten Star Wars MMORPGs, “Star Wars Galaxies”. Der Spieler konnte normale Berufe erlernen, Gilden gründen, Rohstoffe abbauen, Handel betreiben, eine Stadt gründen, ein Haus bauen und einrichten, Tiere dressieren, Planeten erkunden — und, und, und. Wer sich für das EU und die Galaxie an sich interessierte, lebte einen Traum. Ich persönlich schrieb, inspiriert von vielen Jugendbüchern (damals “Jedi Academy”) an einer Figur, die auf Alderaan aufwuchs und später der Rebellion beitrat. In “Star Wars Galaxies” wurde sie zum Leben erweckt. Erst wesentlich später konnten einige Auserwählte Jedi werden, sodass diese Spieler zu lebenden In-Game-Einhörnern wurden. Nach den “New Game Enhancements” gab es drastige Kürzungen bei den Berufen. Plötzlich gab es nur noch neun statt wie vorher dreißig – und man konnte auch von Anfang an Jedi werden, was zu einem stetigen Anstieg der frei herumlaufenden Jedi/Sith-Bevölkerung führte und schlussendlich den Kanon dieser Zeit (Ein Jahr nach der Schlacht um Yavin) verletzte. Was die Entwickler damals, in der Hoffnung neue Spieler ans Land zu ziehen, taten, widersprach jedoch dem Wunsch vieler Spieler, einfach nur ein normales Leben in ihrer Lieblingsgalaxie als Rebell, Farmer oder Stormtrooper zu führen. Natürlich sind die großen ikonischen Merkmale von Star Wars über die Sith, Jedi und ihre Untertanen und Werkzeuge definiert, aber der wirkliche Reiz des Expanded Universes war für viele Fans, dass man abseits dieser modernen Mythen alltägliche Helden als auch eine glaubhafte Welt wiederfand.

Alex: Für mich ist deine Geschichte jedenfalls ein Beweis dafür, dass genau dieses lückenlose Ineiandergreifen von verschiedeneren Erzählformen – egal ob mit Hierarchie oder nicht – einer der Reize ist, die von modernen Erzählkosmen ausgehen. Und wenn, wie jetzt, eine “Executive Decision” fällt, die ein so vielfältig ausgestaltetes Universum zersplittert (Mark J. P. Wolf, der Autor von “Building Imaginary Worlds” würde von einem hohen Grad an “Completeness” und “Saturation” sprechen), dann nimmt man Fans natürlich auch einen der Reize, sich darin zu Hause zu fühlen. Stattdessen steigt das Gefühl, dass man eben doch nur als Konsumvieh missbraucht wird.

Nun ist ja zum Glück anscheinend noch nicht alle Hoffnung für das Expanded Universe verloren. Autor Timothy Zahn, von dessen “Thrawn Trilogy”ich immerhin auch den ersten Band gelesen habe (neben Videospielen meine bisher einzige Berührung mit dem EU) hat ja geschrieben, dass er glaubt, dass selbst unter der neuen Ägide das EU weiterleben kann und wird, solange die neuen Filme ihm nicht regelmäßig und auf breiter Front widersprechen.

[W]e authors are masters of spackle, back-fill, and hand-waving. For example, if Ghent appears in the movies but never mentions Thrawn, I can argue that he simply doesn’t want to talk about that era, or else has completely forgotten about it.

Wie siehst du den Ausblick für die Zukunft?

Sascha Dazu müsste Thrawn erst einmal in der Welt von Abrams und Kasdan existieren. Wie gesagt, ich bin inzwischen relativ offen und fröhlich eingestimmt, aber um ganz ehrlich zu sein befand ich mich vor rund zwei Jahren wirklich im Frieden mit meinem Fandom. Star Wars ist so ein enorm wichtiger Teil im Leben von so vielen Leuten, teilweise hat er sie auch dazu inspiriert selbst schöpferisch im Bereich von Film und Fernsehen zu werden, dass ich es immer bedauerte, dass die Prequels diesen Mythos so verwässert haben. Natürlich kann man das auch auf die EU-Romane, Comics und Spiele beziehen, aber die waren optional.

Abrams wird mit Sicherheit einen besseren Job machen, als Lucas das mit den Prequels gelang, aber grundlegend wird an diesem Mythos doch irgendwo gerüttelt. Am liebsten war mir da der Status Quo von vor zwei Jahren, bei dem Hardcorefans weiter gefüttert wurden, und die Filme an sich unangetastet blieben. Jetzt verändert sich alles und wir haben keinerlei Informationen, wie sich das alles auf dieses neue EU auswirkt. Ein Indikator für die Zukunft könnte jedoch die neue Pressemittelung über vier bald erscheinende Romane sein, die allesamt von Stammautoren des früheren EU verfasst werden. Überraschen tun diese Veröffentlichungen mich also weder vom Autor, dem Cover oder dem Inhalt, da alles nach erwartbaren Geschichten aus dem EU klingt. Gleichzeitig behält auch Dark Horse weiterhin die Comic-Lizenz und wird seine Geschichten 130 Jahre nach bzw. 25.000 Jahre vor den Filmen veröffentlichen.

So einschneidend die Entscheidung auf den ersten Blick also auch ausgesehen haben mag, es bleibt ziemlich Vieles vorerst beim Alten – zumindest für die Zeit vor der alten Trilogie. Die Hoffnung von Zahn teile ich jedoch nicht. Ich denke nicht, dass Abrams oder Kasdan große Kenntnisse besitzen, noch Respekt gegenüber dem EU hegen und eine komplett neue Geschichte erzählen werden. Die werden eine Punkt weit in der Zukunft beackern und es den EU-Autoren überlassen, die weißen Flecke in der Timeline zu füllen. Hoffentlich mit komplett neuen Figuren und Abenteuern ohne verfälschte Quasi-Adaptionen. Daher wünsche ich mir für die Zukunft, dass zum Beispiel die Tochter von Han und Leia (höchstwahrscheinlich gespielt von Daisy Ridley) nicht Jaina heißen wird, nur weil es im EU so mal war. Dann soll das bitte ein eigenständiger Charakter werden. Ähnlich sehe ich das mit allen anderen Referenzen. Auf zu neuen Fronten – so schmerzhaft das auch ist.

Zum gleichen Gespräch auf “Pew Pew Pew”

Film Blog Adventskalender – 21 – Sascha von “PewPewPew”

An JJ Abrams – lasst mich ausreden! – scheiden sich ja die Geister. Für die einen ist er der crossmediale Geekmessias-Workaholic des Blockbusterkinos, der endlich die Prequelwunden heilen und für das Gleichgewicht in der Macht sorgen wird. Für die anderen ein Spielbergtreuer Mainstreamboyscout, der mit Lens Flares Star Trek zerstörte. Aber Angehörige beider Lager sind sich sicher: Der Mann versteht was von Mystery. Die einen lieben dies und lassen sich verzaubern. Die anderen sind genervt und führen stichelnd seinen legendären TED Talk über seine Faszination für die Mystery Box seines Großvaters in Argumenten an. Für die Abrams-Jünger empfehle ich dieses Jahr zu Weihnachten JJs erstes Buch, das er zusammen mit Autor Doug Dorst geschrieben hat. Wer auch nur irgendwie entfernt etwas an Mystery à la Abrams hat, wird “S.” lieben. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber alleine die Aufmachung und der wunderschön aufbereitete Inhalt sowie die Beilagen sind eine Mystery Box für sich, die jeder Lost-Fan im Regal stehen haben sollte.

Sascha Brittner kann sein Blog PewPewPew selbst schwer zusammenfassen, denn auch für ihn ist es eine tägliche Mystery Box, in der er alles mögliche von Film über Fernsehen und Games bis hin zu Pizza und Katzenvideos sammelt.

(Sascha Brittner)

Film Blog Group Hug: Die Filme des Sommers

Bild: Sascha (Danke!)

Ich habe die deutsche Filmblogosphäre beschimpft, jetzt will ich sie vereinen. Seit meinem ursprünglichen Artikel hatte ich das große Glück, mit vielen Internetfilmschreibern näher in Kontakt zu treten und seitdem haben sich auch einige meiner Ansichten sogar ein bisschen geändert (mehr dazu vielleicht bald hier). Nicht geändert hat sich mein Anliegen, die Vernetzung zwischen den Filmbloggern nach außen sichtbar zu gestalten. Daher habe ich den Film Blog Group Hug ins Leben gerufen, bei dem ich Filmbloggern eine Frage schicke und ihre Antworten dann gesammelt hier veröffentliche. Das Konzept habe ich schamlos geklaut vom Criticwire Survey.

Für Group Hug Numero eins habe ich zunächst jene Leute angemailt, mit denen ich im Laufe des letzten Dreivierteljahres Kontakt hatte, und die Frage relativ simpel und mainstreamig gehalten. Ich bedanke mich an dieser Stelle schon einmal für das positive Feedback und die vielen tollen Rückmeldungen. Wie es mit dem Konzept weitergehen könnte, steht am Ende des Posts.

Die erste Film-Blog-Group-Hug-Frage lautete:

Welcher Film hat euch diesen Blockbuster-Sommer am nachdrücklichsten beeindruckt, egal ob positiv oder negativ, und warum?

Der beste Blockbuster diesen Sommer war für mich ganz klar Pacific Rim. Guillermo del Toro lebt seine Kindheit aus und man könnte meinen, wir hätten beide die gleiche gehabt. Riesige Kaijus, aus den Godzilla-Filmen entlehnt, gegen riesige Mechas, aus dem Anime entlehnt. Da geht jedem Fan dieser beiden Genres das Herz auf. Aber del Toro versteht es außerdem eine sehr detailreiche und dichte Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer durch den Film trägt. Ich hab schon wieder Lust darauf.
– Patrick Thülig, Kontroversum
(Pacific Rim in den Kontroversum Shorts)

Aus familiären Gründen ist es mir in diesem Jahr erst ein einziges Mal gelungen, einen sogenannten Blockbuster zu schauen, und das war Star Trek Into Darkness. Ich habe es nicht unbedingt bereut, aber mir war das alles etwas zu viel und den guten, alten “Star Trek”-Geist habe ich auch vermisst. Aber trotzdem habe ich mich recht gut unterhalten gefühlt. Andere “Blockbuster” habe ich nicht gesehen, aber ich muss auch sagen, dass ich jetzt nicht das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben. Außer Pacific Rim, den ich wegen Del Toro gerne gesehen hätte. Ansonsten habe ich mich gefreut, dass ich immerhin Only God Forgives im Kino sehen konnte, den ich sehr mochte, auch wenn ich die kontroversen Meinungen gut verstehen kann.
– Marco Koch, Filmforum Bremen

© Paramount

In einer Saison der vergurkten Blockbuster (ich sage nur Man of Steel) war World War Z die positive Überraschung. Ein Zombiefilm, der auf Realismus setzt. Es sind die Details, die mich begeistert haben: Der UN-Ermittler Gerry Lane ist einer, der die Nerven behält, an Wasser und Medikamente denkt – keine Kampfmaschine, kein überlebensgroßer Held. Die Mischung von zurückhaltendem Spiel und schierem Charisma, mit der Brad Pitt diese Rolle spielt … Hut ab. Dazu Hochspannung über fast den ganzen Film.
– Thomas Laufersweiler, SchönerDenken
(World War Z bei “Schöner Denken”)

Für mich gab es in diesem Blockbuster-Sommer gleich ein paar Überraschungen. Die größte aber war mit Sicherheit Roland Emmerichs White House Down. Diesmal legt der Mann aus Sindelfingen zwar nur das Weiße Haus in Schutt und Asche, nimmt damit aber gekonnt das Herz der Vereinigten Staaten ins Visier. Das Ergebnis: sein bester Film überhaupt. White House Down ist spannend, explosiv, komisch – und hat eine gehörigen Portion Chuzpe.
– Björn Helbig, Yzordderrexxiii
(Björns Kritik bei “kino-zeit.de”)

Die (amerikanische) Sommersaison 2013 war vor allem ein hysterisches Debakel, und nur ein Film, bezeichnenderweise nicht aus der Mega-Tentpole-Ecke, konnte mich wirklich begeistern: The Conjuring – ein „haunted house“-Horrorfilm von James Wan, der zwar kaum etwas Neues erzählt, doch dafür eine inszenatorische Reife und Eleganz an den Tag legt, die absolute Kontrolle über den Stoff und das Genre beweist. Zwei klatschende Hände…und alle kleben an der Decke. Einfach meisterhaft!
– Martin Beck, Reihe Sieben
(Martins Kritik zu The Conjuring)

© Warner Bros.

Definitiv World War Z. Nachdem eigentlich alle US-Kritiker bereits im Vorfeld die Produktion für (un)tot erklärt hatten und auch hierzulande die üblichen Verdächtigen voller Wonne Verrisse schrieben, war ich vom Ergebnis angenehm überrascht. Der Film ist 1-A-Spannungskino und trotz fehlendem Gore-Faktor furchteinflößend. Und manchmal braucht Regisseur Marc Foster nicht einmal Zombies, um eine Atmosphäre der Angst zu schaffen, sondern nur einen Supermarkt in New Jersey.
– Denis Krick, Ex-Couchmonster

Ich bin Blockbuster-müde, in diesem Jahr mehr als je zuvor. Das liegt nicht zuletzt an 3D, das für mich kein Bonus, sondern ein teures Ärgernis ist. Gesehen habe ich nur Iron Man 3 und Star Trek Into Darkness. Beide haben mich, als ich im Kino saß, wirklich gut unterhalten, aber einen nachhaltigen Eindruck hat keiner hinterlassen. Jetzt hole ich noch Elysium nach und dann ist mein Blockbuster-Sommer schon vorbei. Möge es ein langer Filmwinter werden.
– Thomas, Abspannsitzenbleiber

Nach intensivem Studium meiner Filmliste habe ich festgestellt, dass ich in diesem Jahr erst einen Blockbuster gesehen habe: The Great Gatsby. Bei diesem Film hat mich am meisten beeindruckt, dass Leonardo DiCaprio und Carey Mulligan allen meinen Befürchtungen zum Trotz überzeugend als Jay Gatsby und Daisy waren. Und so schön sind Hemden noch nie in einem Film geflogen.
– Sonja Hartl, Zeilenkino
(Sonjas Anmerkungen zu The Great Gatsby)

Die meisten Blockbuster habe ich eh noch nicht sehen können – aber richtig weggeweht haben mich nur zwei kleinere Filme, beides zu meiner Überraschung Kinderfilme (von denen ich seit Anfang des Jahres viele sehe): Tom und Hacke, ein wunderbarer Kinderkrimi aus der bayerischen Nachkriegsprovinz, richtig, richtig gutes Genrekino für Zwerge: spannend, düster, realistisch und komplett in Mundart. Außerdem, anders genauso gut, der französische Animationsfilm Ernest et Célestine. Ein bezauberndes Stück Kinopoesie, märchenhaft und politisch zugleich, in einer komplexen, bizarren Welt beheimatet.
– Rochus Wolff, Kinderfilmblog

© Walt Disney Pictures

Der Blockbuster, der mich diesen Sommer am meisten begeisterte, ist Gore Verbinskis Lone Ranger. Entgegen der Meinung der US-Kritiker ist dieser Western eine smarte und energiegeladene Abrechnung mit dem gesamten Genre.
– Sidney Schering, Sir Donnerbolds Bagatellen
(Sidneys Kritik zu The Lone Ranger)

Nicht unbedingt nur aus dem Grund, dass ich es kaum ins Kino schaffe und die meisten Blockbuster noch gar nicht habe sichten können, hat mich Star Trek Into Darkness von vorn bis hinten und somit am meisten begeistert, weil das Darsteller-Ensemble sowie die temporeiche und epische Inszenierung nebst beeindruckenden Schauwerten mich wohlwollend über die vielen dramaturgischen Mängel haben hinwegsehen lassen.
– Wulf Bengsch, Medienjournal
(Wulfs Kritik zu Star Trek Into Darkness)

Mein Film des Sommers ist ganz klar Pacifc Rim. Guillermo Del Toro’s Hommage an die japanischen Kaiju-Filme ist ein richtig unterhaltsames Actionspektakel. Kein anderen Blockbuster hat den oft schwierigen Spagat zwischen Action und Figurenentwicklung, inklusive einer wirklich bemerkenswerten Frauenrolle, so gut hinbekommen. Auch die liebevolle und farbenfrohe Gestaltung hat mich überzeugt. Großartig.
– Doreen Butze, waxmuth
(Doreens Kritik zu Pacific Rim bei “Kino – German Film”)

© Warner Bros

The Lone Ranger ist nicht mein liebster Film des Sommers. Inmitten der eintönigen Zerstörungsplörre vieler Konkurrenten ließ sich Gore Verbinskis in den Stummfilm verliebter Western trotzdem, einem Widerhaken gleich, nicht abschütteln. Gerade weil sein Ringen um die Vereinigung des Blockbusters mit dem Genre des Klassischen Hollywood-Kinos zum Scheitern verurteilt ist, bleibt das Millionengrab tausendmal spannender als die konventionellen Superheldenfilme der Saison.
– Jenny Jecke, The Gaffer
(Jennys Anmerkungen zum aktuellen Western bei “Moviepilot”)

Meine Wahl fällt auf Monsters University. Es ist nicht mein Favorit aller Blockbuster, aber er hat für mich persönlich eine spezielle Bedeutung. Ich habe mich intensiv mit diesem Film auseinandergesetzt und ihn mit jeder Sichtung mehr lieben gelernt. Die Details und Nuancen entdeckt. Und geschätzt. Die Message des Films, dass einem das Leben manchmal schlechte Karten gibt und dass das aber kein Weltuntergang ist, hat mich aufgrund ähnlicher persönlicher Erfahrungen ebenfalls berührt. Insofern schwingt auch sehr, sehr viel Subjektivität mit, aber on second thought – bei welcher Filmbewertung ist das nicht so?
– Owley, Owley.ch

Kick-Ass 2 war der einzige “Blockbuster”, der mich diesen Sommer ins Kino gezogen hat. Wegen mangelnder Nachfrage im kleinen Saal. Die alternative Story des ersten Teils wurde gewohnt comicnah weiter gesponnen. Hätte man sich ganz an Mark Millars Geschichte gehalten, wäre der Film nicht unbeschadet in die deutschen Kinos gekommen. Zum Glück ist Gewalt weniger die Triebfeder von Kick-Ass 2, als die Vorstellung vom John Doe, der sein Ego im Mummenschanz offenbart. Mit einem ganzen Schurkenkader, der sich einer Bürgerwehr aus überzeugten Helden stellt, wird die ursprüngliche Idee auf die Spitze getrieben.
– Intergalactic Ape-Man, Intergalaktische Filmreisen

© Warner Bros.

Mein Highlight des Blockbuster-Sommers 2013 ist ohne Frage Man of Steel. Superman fasziniert mich seit ich denken kann. Man of Steel hat mich jedoch enttäuscht. Die hektische Kameraarbeit, das sprunghafte und emotionsleere Drehbuch sowie die Zerstörungsorgie im dritten Akt ließen mich fassungslos im Sessel zurück. Trotz der starken Performance von Henry Cavill, dem Soundtrack und vielen cleveren Details muss ich weiterhin auf den „Dark Knight“-Moment für meinen Lieblingshelden warten.
– Christian Steiner, Second Unit
(Second Unit Superman Special)

Ehrlich gesagt habe ich erst vergangene Woche mit Jurassic Park 3D die wahre Blockbuster-Sensation des Sommers mit den Augen eines Zehnjährigen bewundern dürfen. Nichtsdestotrotz gab es 2013 ein weiteres Werk gigantischen Ausmaßes, dessen bewegte Bilder Ähnliches vollbracht haben: Pacific Rim. Wenn Guillermo del Toro im audiovisuellen Rausch Kaijus und Jaeger in den nächtlichen Straßen von Tokio kollidieren lässt, öffnet sich auf der großen Leinwand das Tor in eine fantastische Welt voller überwältigender Farbexplosionen und grenzenloser Abenteuerlust, die mich jedes Mal staunend wie ein Kind zurückgelassen haben.
– Matthias, Das Film Feuilleton
(Matthias’ Kritik zu Pacific Rim)

Dass der Film nach all meinen Befürchtungen und Vorbehalten, die ich als riesiger Fan des Buches frequentiert verbalisierte, nicht nur in sich selbst geglückt ist, sondern dass er stattdessen auch im Vergleich zu vielen anderen großen Blockbustern im dritten Akt nicht versuchte sich zu übertreffen, sondern gekonnt seine Mythologie vertiefte, macht World War Z zu meinem Sommerhit des Jahres. Dank dem großartigen Erfolg des Films kann man nun auch auf Sequels hoffen, die das Buch umsetzen.
– Sascha, PewPewPew

Am meisten bewegt hat mich Paolo Sorrentinos La grande bellezza – Die große Schönheit, weil er in wahrlich meisterlicher Manier den Stillstand, die Oberflächlichkeit und die Melancholie eines Lebens (UNSERES Lebens) in einen Rausch aus Bildern und Musik gießt, wie man das heute kaum mehr zu sehen bekommt.
– Joachim Kurz, kino-zeit.de
(Joachims Kritik zu La grande bellezza)

© DCM

War das interessant? Wie oft sollte man das machen? Schreibst du auch über Film in Netz und möchtest beim nächsten Mal dabei sein? Hast du einen guten Vorschlag für die nächste Frage? Feedback am besten hier in die Kommentare. Anmeldungen und Vorschläge per Mail an grouphug@realvirtuality.info

Die deutsche Film-Blogosphäre: Sascha Brittner von pewpewpew.de

Für mein polemisches Thesenstück zur deutschen Filmblogosphäre habe ich neun deutschsprachige Filmblogger per E-Mail interviewt. Die Auswahl erfolgte nach persönlichem Geschmack und relativer Findbarkeit im Netz.

Das Blog “pewpewpew.de” findet man bei Blogrankings und ähnlichen Seiten relativ weit oben. Seine Beiträge tauchen öfter mal in Aggregatoren wie Rivva auf. Innerhalb der deutschen Blogosphäre kann man es also als erfolgreich werten, schätze ich. Als ich das erste mal über “pewpewpew” stolperte, war ich voller Vorurteile: “Ach, nur so ein Linkweiterposter, der sich cool vorkommt.” Wenn man ein bisschen länger liest, merkt man aber, dass dahinter doch mehr steht – nämlich ganz klar die Persönlichkeit von Autor Sascha Brittner, wie das bei einem Ein-Personen-Blog auch sein sollte. Klar postet der auch sene Lieblingslinks weiter. Aber er lässt auch seine Umwelt an seiner Experimentierfreude teilhaben, zum Beispiel wenn er sich zum ersten Mal an einer Videomontage seiner Filme des Jahres versucht. Endgültig überzeugt hat mich Sascha dann aber mit dem Start des Pewcast, der trotz einer etwas lang-redundaten ersten Episode den Blogosphären-Gedanken aufgreift und andere Blogger zum Mitdiskutieren in die Sendung einlädt (ja, macht der CineCast auch).

Sascha widerspricht meiner Leitmediums-These übrigens, findet aber schon, dass man etwas mehr aufeinander zugehen könnte.

Beschreibst du kurz in eigenen Worten, was für ein Blog du schreibst, warum, wie lange schon, und wie es dazu kam?

Mein Blog in jetziger Form betreibe ich offiziell unter dem Namen seit 2009. Ich schreibe über Filme, Fernsehserien und Popkultur, was mich halt so beschäftigt und was ich interessant finde. Es kam dazu, weil ich eine zentrale Anlaufstelle für mein Sammelsurium aus Links haben wollte, sodass ich meine Freunde nicht mehr zuspammen musste, sondern schlicht sagen konnte: „Hey, lies mein Blog!“.

Über Filme auf diversen Plattformen und Homepages schreibe ich aber schon seit 2002. Damals hatte ich eine Matrix-Fanhomepage mit diversen Informationen zu den Sequels und den Spielen, für die ich von Mitschülern gehänselt wurde. Aber als erprobter und stolzer Nerd steht man darüber.

Dein Blog ist mehr als ein privates Tagebuch, also auch wenn es komisch klingt: Was qualifiziert dich deiner Ansicht nach zum Bloggen?

Das Schöne am Internet ist ja, dass es jedem die Möglichkeit bietet, sich eine Plattform zu schaffen und Zeug zu veröffentlichen. Ich genieße es, dass es eben nichts gibt, dass jemanden dazu qualifizieren muss, sondern, dass jeder schreiben kann, der will. Das ist eine unheimlich wichtige Sache, die weit über das Thema Film hinausgeht, aber das nur mal am Rande.

Mich qualifiziert eigentlich nichts dazu. Ich habe weder eine formale, journalistische Ausbildung hinter mir noch habe ich Film studiert. Ich schaue viele Filme, lese viel und nehme Kurse an der Uni und eignete mir so über Jahre hinweg ein Grundwissen an. Filme begleiten mich seit frühester Kindheit und waren mir immer wichtig. Den Blog nutze ich daher um mich mitzuteilen und meine Ansichten als Basis für Filmbesprechungen anbieten.

Ich finde es daher sehr schwierig mich als “qualifizierten Blogger” zu sehen, weil das im Umkehrschluss bedeuten würde, dass es auch unqualifizierte Blogger gibt und in so einer Welt will ich nicht leben. Es gibt Leute, die das, wenn man bestimmte Kriterien anlegt, besser machen als andere, aber grundlegend kann jeder damit anfangen und das ist auch gut so.

Du postest auch regelmäßig News. Hast du – außer deinen persönlichen Vorlieben – Auswahlkriterien dafür, was du postest?

Es klingt sehr profan, aber Themen müssen mich schlicht interessieren und mir wichtig genug sein, dass ich wenigstens zwei, drei Sätze dazu schreiben kann ohne mich selbst zu hassen. Das Schöne an dieser Sache ist, dass ich mich zu nichts zwingen muss und selektieren kann, da es immer noch im Endeffekt meine private Spielwiese ist.

Ich bin zwar dank des Blogs Kleinunternehmer, bin aber nicht auf das Geld oder gewisse Klickzahlen angewiesen; und wenn ich mir manche größeren Filmseiten anschaue, bin ich auch froh darum. Ich würde zum Beispiel ungern über einen Teaser zum Teaser (welch schlimmes Phänomen!) zum neuen Twilight-Film oder einen Clip zu einer Komödie, die ich nicht lustig finde, schreiben. Wenn man wirkliche „Nachrichten“ auf meinem Blog findet, dann weil ich sie wichtig finde. Die höchste Maxime bleibt daher, dass ich selbst mein Blog gern lesen würde und mich immer wieder selbst frage, ob es mir gefällt und wichtig genug ist.

Wie misst du für dich den Erfolg deines Blogs? Ist dein Blog erfolgreich?

Die Antwort zu dieser Frage hat sich in den letzten Jahren krass mit dem Verlauf des Blogs verändert. Zu Beginn war ich glücklich, wenn jemand im Freundeskreis meinte, dass er mein Blog gelesen hat und ganz toll fand. Da war ich dann ganz schön stolz, obwohl das damals nichts weiter als eine Linkschleuder war: Video rein, meist dazu noch ohne Einleitung oder Kommentar. Inzwischen ist das Blog ein wenig bekannt und genießt eine gewisse Leserschaft. Das stimmt mich glücklich, denn ich komme ins Gespräch mit mehr Lesern und Filmfreunden, die meine Leidenschaft teilen. Ich finde es aber schwer eine Messlatte des Erfolgs hier jetzt anzulegen. Ist man erfolgreich, weil man X Leser hat, ein Blogkollege aber nicht, weil er nur X minus 50 Leser hat (oder dasselbe im Hinblick auf Kommentare)? Ist man erfolgreich, weil man auf abstrusen Bloglisten weit oben steht? Oder ist der monetäre Aspekt ein Indikator für den Erfolg? Ja, ich habe Geld verdient mit dem Blog, aber nicht annähernd so viel, dass ich davon leben könnte. Andere Blogs erreichen mehr Leser und verzichten ganz auf Gewinneinnahmen. Im Endeffekt betreibe ich den Blog aus privatem Interesse und daher zählt am Ende des Tages nur, was ich darüber denke und fühle. Solange ich glücklich und zufrieden mit dem bin, was ich tue, bin ich auch erfolgreich.

Bekommst du regelmäßig Feedback auf das, was du schreibst? Bist du im Dialog mit deinen Lesern?

Nicht so viel wie ich mir das eigentlich wünsche. Man wäre überrascht, wenn man erfährt, welche Posts die meisten Klicks bekommen und wie wenig Mühe da hinein wanderte im Gegensatz zu anderen, langen Beiträgen. Im Dialog hingegen bin ich mit einem Stamm von Lesern aber dennoch, auch abseits des Blogs auf sozialen Netzwerken und Ähnlichem.

Welche Blogs liest du selbst? Zu welchem Zweck?

Ich verfolge nahezu alle großen, englischen Filmblogs/-seiten für die schnellen News und Trailer, was manchmal im Reader schon nervt, denn da hat man dann bis zu 10 Mal den gleichen Trailer drin, mit leicht variierter Überschrift und minimalem Kommentar. Ich lese diese Seiten oft schlicht für mein eigenes Interesse und zur Selektion für den “News”-Aspekt meines Blogs.

Eine ganze breite an privaten Blogs in Deutschland verfolge ich ebenfalls, aber eher zum privaten Vergnügen und zu sehen, was andere so denken und worüber sie schreiben. Da sind schon einige Perlen dabei, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

Du bist auch Teil des “Vice” Content Networks. Was bedeutet das?

Nicht viel eigentlich; primär, dass ich auf dieser Liste verlinkt bin, mit ganz vielen anderen Blogs. VICE ist so nett und bietet dann den Blogs bevorzugt die Möglichkeit unter ihren Leuten Tickets zu teilweise recht exklusiven Veranstaltungen zu verlosen. Dazu bekommt man ab und an Post und einen Hinweis auf Content von den guten Leuten.

Hast du den Eindruck, dass es so etwas wie eine deutschsprachige Film-Blogosphäre gibt, in der die Blogs miteinander kommunizieren? Wenn ja, kannst du sie beschreiben?

Das zu beantworten finde ich schwer. Auf der einen Seite gibt es jede Menge Leute, die im Bereich Film schreiben, meist aber recht eigenbrötlerisch so etwas wie ein Onlinefilmtagebuch betreiben. Was vollkommen okay ist, aber auf der anderen Seite wünscht man sich als aktiver Blogger oft mehr Zusammenarbeit unter den Leuten. Das beginnt schon dabei, dass man mehr auf andere Leute zugeht. Ich habe den Eindruck, dass der Wunsch bei vielen eigentlich besteht, aber wenig direkt miteinander konkret gesprochen wird. Man muss eher auf die Leute zugehen als dass man da was erwarten kann.

Man ist natürlich einander bekannt, folgt sich gegenseitig auf Twitter, schreibt sich ab und zu in @Replys und Kommentaren und vernetzt sich, aber so richtig professionell wie in anderen Bereichen wie den Technik- oder Modeblogs ist das nicht. Das liegt aber vor allem daran, dass, excuse my french, Filmblogs in Deutschland kaum eine Sau interessieren und der Markt oder die Zielgruppe so klein ist, dass eine Professionalisierung sich nur für die Wenigsten lohnt und dann meist wesentlich mehr Ressourcen verlangt als notwendig oder vorhanden sind. Grundlegend gibt es sicherlich eine kleine, deutschsprachige Filmblogosphäre, die sich begrenzt gegenseitig verlinkt und untereinander kommuniziert, aber da liegt noch so viel Potenzial auf der Straße.

Gibt es im Bereich Film im deutschsprachigen Web so etwas wie Leitmedien? Was wären die?

Natürlich gibt es die, nur leider nicht so viele in der Anzahl wie im Vergleich zu anderen Ländern. Da würde ich jetzt an Moviepilot oder Film-Dienst denken, die beide Enden des Spektrums ganz gut abdecken. In der Blogosphäre geht nichts an den Fünf Filmfreunden vorbei.

Du fokussierst dich bei Pewpewpew hauptsächlich auf Popkultur und auf Popkultur-Filme. Ist dir der Arthaus-Bereich geheuer, ist diese Unterscheidung überhaupt noch sinnvoll?

Ja, das stimmt schon. Aber ich denke, dass die Leser bei einem Blog mit meinem Namen nicht unbedingt Arthaus erwarten. Aber ich würde auch abstreiten, dass ich ausschließlich über Mainstream schreibe. Ich finde eigentlich, dass ich immer wieder einen gute Mischung und viel Genre anstrebe. Für den Arthausgucker in mir betreibe ich zusammen mit Nils von IHeartPluto dazu den Blog Filmaddicts, auf den ich auch auf Pewpewpew des Öfteren verweise. Die Unterscheidung finde ich weiterhin sinnvoll und auch wichtig. Eine breite Mischung macht den Unterschied und Arthaus-Filme verdienen die gleiche, wenn nicht sogar mehr, Berichterstattung wie die des Mainstream.

Wenn du an der ganzen Sache mit dem Bloggen, wie es im Moment läuft, etwas ändern könntest, was würdest du ändern?

Ich bin eigentlich mit meiner Sache ganz zufrieden und mache weiter wie bisher. Ein wenig mehr Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Leuten wäre mir noch lieb, aber daran arbeite ich bereits. Oder sollte ich sagen wir?

Vier Thesen zur deutschen Film-Blogosphäre

Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre. Ich habe wochenlang überlegt, wie ich diesen Artikel beginnen soll, unter Lese- und SEO-, unter Ego- und Zielpublikums-Gesichtspunkten, aber letztendlich bringt es ja doch nichts, lange um den heißen Brei herumzureden. Ich bin der Meinung, dass die deutschen Medien zum Thema Film im Netz kaum etwas miteinander verbindet, was unter eine “Sphäre” Platz hätte. Mein Bauchgefühl war das schon länger, aber meine Beobachtungen des letzten halben Jahres und die Interviews, die ich geführt habe, haben es zum großen Teil bestätigt.

Das hier ist eine Streitschrift. Aber ich will nicht stänkern. Ich will zum Diskutieren anregen, indem ich zwei meiner Leidenschaften verbinde und Medienjournalismus über Filmjournalismus mache, was viel zu selten passiert. Weil ich zur Diskussion anregen will, habe ich meine Meinung auf vier Thesen zugespitzt und lehne mich für’s erste nur auf die Zitate, die sie bestätigen. Ich hoffe natürlich, dass die kommende(n) Woche(n), wenn ich nach und nach auch die vollen Texte der Interviews hier veröffentliche, tatsächlich über die Thesen diskutiert wird und die Bandbreite der Meinungen damit klarer wird.

Ich weiß, dass – wenn überhaupt – auch auf Facebook und Co. diskutiert werden wird, aber denkt auch daran, dass die zweite Absicht dieser Artikel ist, die deutsche Film-Blogosphäre vielleicht doch noch zu einer zur machen. Hört auf Papa Haeusler.

These 1: Es gibt keine deutsche Film-Blogosphäre

Vielleicht ist meine Wahrnehmung schief, und ich verstehe unter einer Blogosphäre das falsche. Für mich ist das Bild des Netzes wichtig, das einzelne Knoten miteinander verbindet, darüber aber eben das der Sphäre, die wie eine Glocke, wie ein Himmelszelt, über allem schwebt. Wenn man von der “deutschen Blogosphäre” spricht, denken doch hoffentlich alle ungefähr an dasselbe. Die deutsche Blogosphäre, das sind die, die sich jedes Jahr auf der re:publica treffen, ihre Gallionsfiguren sind Leute wie Lobo, Beckedahl, Gröner, Häusler, Borchert – unsere digitale Bohème. Die gehören irgendwie zusammen, denkt man sich so. Die reden miteinander und hecken bestimmt gemeinsam einen Plan aus, stecken unter einer Decke vor allem auch gegen die etablierten Printmedien, die uns immer noch erzählen wollen, Bloggen wäre minderwertiges Schreiben.

Kleinere Blogosphären gibt es wohl auch für bestimmte Themen. Essen. Technik. Gadgets. Medien. Mode. Aber nicht für Film. Zumindest nicht in Deutschland. Im englischsprachigen Raum hat man das Gefühl, dass sich die Blogger untereinander kennen und gleichzeitig jeder für sich und alle zusammen arbeiten. “Ich denke da schwärmend an Comic-Con-Videologs, in denen Autoren von /Film, Collider, First Showing, Joblo und Cinema Blend wie Kumpels zusammenhängen”, schreibt mir Sidney Schering alias Sir Donnerbold. Und fügt dann hinzu: “Das scheint es hier nicht zu geben.”

In Deutschland gibt es höchstens Cluster. Sozusagen: Mini-Blogosphären. Einen dieser Cluster nennt Ciprian “Chip” David von “Negativ”, die “Berliner Elite”. Christoph Hochhäusler, der selbst ein Teil davon ist (und einer der wenigen deutschen bloggenden Filmemacher), nennt sie natürlich nicht so, antwortet aber mit den gleichen Namen wie Chip auf die Frage, ob es eine deutsche Blogosphäre gibt: “Ja die gibt es. Zwischen new filmkritik (als einer der ältesten Seiten dieser Art in Deutschland) und Cargo und critic.de und Lukas Förster und Thomas Groh und The Wayward Cloud und Eskalierende Träume und auch Revolver natürlich gibt es viele Verbindungen.” Und dann schreibt er, es gebe auch “andere Cluster dieser Art” (daher habe ich mir dann auch den Begriff geborgt).

Ein weiterer Cluster gruppiert sich zum Beispiel um moviepilot.de. Zu diesem würde ich die “Fünf Filmfreunde” zählen, das größte deutsche Filmblog, und das einzige, das auf meine Kontaktanfrage leider nicht reagiert hat – denn “Batzman” Oliver Lysiak arbeitet bei Moviepilot, ähnlich wie etwa Jenny “The Gaffer” Jecke. Und ich würde auch noch Sascha Brittner von pewpewpew.de dazuzählen, einfach weil er mit seinem Blog ähnlich erfolgreich ist und auf Twitter von den gleichen Luten verlinkt wird (er hat das selber nie gesagt). Und zu Sascha gehört dann wiederum Stefan Rybkowski und ein paar mehr.

Das “Medienjournal” vereint noch ein paar Leute, die relativ weit weg sind vom “professionellen” Bloggen, aber gerne über Filme im Netz schreiben, die sie mögen, mit seinem “Media Monday”. Kein Wunder also auch, dass Wulf Bengsch von “Medienjournal”, der Meinung ist, dass “die deutsche Filmblogosphäre mehr als quicklebendig ist” und “einen regen Austausch untereinander pflegt”.

Ich glaube aber, dass das nicht stimmt. Es findet insgesamt kein Austausch statt, sondern eben nur in solchen Clustern, die nur sehr wenig Berührungspunkte haben. Einer der Gründe dafür ist meine These zwei.

These 2: Den deutschen Netzfilmschreibern fehlen die deutschsprachigen Leitmedien

Die Frage war eine der kontrovers beantworteten in meinem Mail-Fragebogen. Brauchen wir überhaupt Leitmedien? Ist das Leitmedium einfach “Facebook, Traurig aber wahr” wie Martin Beck meint? Weil dorthin die Diskussion abgewandert ist? Oder sind es einfach die großen amerikanischen Filmseiten wie /film, Twitchfilm oder Collider, von denen alle deutschen Blogs ihre Informationen bekommen (und deren Autoren übrigens – das muss man an dieser Stelle einmal mindestens sagen – bezahlt werden)? Eine definitive Antwort konnte mir jedenfalls niemand geben. Niemand konnte mir eine Seite nennen, die jeder, der in Deutschland über Film bloggt, lesen sollte, einfach aus Prinzip, egal ob er sie gut findet oder nicht (wie etwa turi2 im Medienjournalismus).

Klar, es geht “nichts an den Fünf Filmfreunden vorbei” (Sascha Brittner), aber die “Fünf Filmfreunde” posten Trailer und Infos weiter über einen sehr begrenzten Radius von Filmen, und die Infos kommen fast immer von den US-Seiten. “Es gibt natürlich beliebte Filmblogs und Aushängeschilder wie die fuenf-filmfreunde.de, über die man garnicht nicht stolpern kann, wenn man den deutschen Film-Blog-Wald durchforstet, wie auch die grossen Filmportale wie Moviepilot.de. Letztere sind jedoch viel zu breit aufgestellt, inhaltlich verwässert und selten mit Charakterköpfen besetzt”, sagt Severin Auer von ANIch. Die Antwort? “Wir brauchen mehr und selbstbewusstere Aggregatoren, die eine Art Portalfunktion übernehmen und vielleicht auch bestimmte Fragen ‘plakatieren’, den Streit organisieren, die Arena dafür bieten”, sagt Christoph Hochhäusler.

Das einzig Dumme dabei? Die paar Seiten, die es wirklich versucht haben; die wirklich versucht haben, auf einem hohen Niveau umfangreich zu informieren und zu deutschen Leitmedien neben den großen Printmarken zu werden, sind eingeknickt. Martin Beck, der “so eine Art deutsches Twitch” mit reihesieben.de bauen wollte, stellte fest, dass sich das “einfach nicht stemmen ließ”. Und den prominentesten Untergang (inklusive Wiedergeburt) hatte sicherlich “Negativ”:

“Nach zwei Jahren wurde uns klar, dass ohne angemessene Gehälter die Wenigsten auf Dauer motiviert bleiben, eine immer größer werdende Seite zu betreiben und dass diese Seite sich immer mehr thematisch und qualitativ einem wirtschaftlichen Diktat unterordnet, und sich somit von unserem ursprünglichen Ideal, gut und immer besser über Film zu schreiben, entfernte. Als es klar wurde, dass die wirtschaftliche Ausrichtung in eine Sackgasse führte und das Verfolgen dieses Ziels für einige von uns Selbstdestruktion oder zumindest geistige Stagnation bedeutete, zogen wir die Notbremse.”
– Ciprian David

Wir brauchen also einen guten, deutschsprachigen Aggregator. Ein Must-Read-Blog, das die deutsche Film-Blogosphäre irgendwie über ihre Cluster hinweg eint und Diskussionen befeuert. Denn:

These 3: Die guten Inhalte, die es gibt, werden nicht gefunden

Als ich damit anfing, die deutschen Netz-Filmschreiber zu vermessen, habe ich mir Blogrankings angeschaut und mich von da an weiter vorgearbeitet. Ich fand einiges, was mir gefiel, einiges, was ich langweilig fand. Aber viel interessanter fand ich, dass ich manchmal Monate später noch auf Blogs stieß, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört hatte (und nein, sie waren nicht erst in der Zwischenzeit entstanden).

Es ist nämlich mitnichten so, dass alle nur entweder private Filmtagebücher führen oder Trailernews von großen US-Seiten abschreiben (wie ich am Anfang dachte). Nein, es gibt Leute, die fantastische Ideen haben, die mit Stills arbeiten wie die Könige, die interessante Meta-Analysen über ganze Genres oder Epochen fabrizieren. Aber eben auch sehr gute Blogs, die auf bestimmte Themen spezialisiert sind. Es gibt sogar etwas, was mir im deutschen Filmjournalismus generell oft fehlt, den “typischen US-Mix aus Wissen und Passion” (Sidney Schering) – den Willen, Service für unerfahrene zu bieten, diesen aber leidenschaftlich rüberzubringen (zu meinen persönlichen Favoriten gehören, auch der Themen wegen, “Digitale Leinwand” und das Blog eben von Sidney Schering, “Sir Donnerbolds Bagatellen”).

Aber:

Es gibt regen Austausch auf Plattformen wie Facebook zwischen miteinander bekannten (Online) publizierenden Filmnerds, zu denen ich mich auch gerne zähle. Und natürlich gibt es Blogrolls. Aber es fehlen doch ein wenig die Netzwerkeffekte, was möglicherweise mit der grundlegenden Tendenz in Deutschland zusammenhängt, im eigenen Blog oder Magazin nur wenig die Artikel anderer zu zitieren.
– Frédéric Jaeger, critic.de.

Also (und ich kann mich da selber nur mit einschließen): Vertraut nicht auf die Blogrolls, auf die Twitterfeeds und Facebook-Updates. Radikal gesagt: Wer sich nicht zu schade dafür ist, einem neuen Trailer zu Film X einen Blogpost zu widmen (vielleicht auch in der Hoffnung auf Klicks), der kann auch die Arbeit eines Kollegen mit einem Blogpost würdigen. “Natürlich ist es sehr schön, wenn man als relevante Quelle erkannt wird, einige Seiten sind aber auch sehr erfolgreich darin, meine Inhalte umfassend zu kopieren und zu veröffentlichen, natürlich weder zitiert noch verlinkt”, sagt Gerold Marks von “Digitale Leinwand”. “Es ist auch für mich frustrierend, wenn ein lange erarbeiteter Artikel mit viel Rechercheleistung nur ein paar hundert Leser interessiert, das Publikum auf das neue Bild vom nächsten Star Trek-Film aber abfliegt wie Wespen auf Butterkuchen.”

Es ist ein ewig frommer und ewig unerfüllter Wunsch, dass der harte Journalismus mehr (oder genauso viel) Aufmerksamkeit erfährt, wie der grellste Boulevard. Die deutsche Film-Blogosphäre wird ihn nicht erfüllen können, aber sie kann zumindest ihr bestes geben, Juwelen auszugraben. “Da sind schon einige Perlen dabei, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen”, sagt Sascha Brittner. Allerdings:

These 4: Die nervige Trennung zwischen E- und U-Kultur lebt im Netz fort

Und damit wären wir wieder am Anfang. Einer der Gründe, warum die “Cluster” nicht zueinander finden ist, dass ausgerechnet Film, das Medium, das Pop- und Hochkultur so gut vereint, wie kein anderes, noch immer von verschiedenen Seiten betrachtet wird. Und wer auch immer auf einer dieser beiden Seiten steht, scheint die andere Seite für vernachlässigbar zu halten.

Das Interessante, aber auch Tragische dabei ist, dass es anders als bei der traditionellen Hoch-/Pop-Demarkationslinie beim Schreiben über Film nicht mehr um das Objekt (also den Film) geht, sondern um das Subjekt, also den Autoren. Es geht also um das E und U innerhalb der Kritik. “Das Publikum ist heute sehr ausdifferenziert, entmischt sozusagen, und das schlägt auf das Kino zurück”, schreibt mir Christoph Hochhäusler. Man kann also die gleichen Genres lieben und trotzdem nicht miteinander reden wollen. Ist das nicht zum Kotzen?

Mir ist in meinen Interviews zum ersten Mal der Begriff “Stuntschreiber” untergekommen. Martin Beck von “Reihe Sieben” hat ihn benutzt. “Das sind verzwirbelte Typen, die vor allem dadurch auf die Pauke hauen, dass sie a) möglichst viele Fremdwörter in möglichst lange Sätze packen und/oder b) ihre ‘Meinung’ immmer konträr zur kollektiven Empfindung postieren.” Das klingt übel. Es hat mir zwar keiner so gesagt, aber ich habe das Gefühl, dass die andere Seite über die “Fan-Kultur”, die auf der anderen Seite der Linie herrscht, genauso denkt.

Eine meiner Ursprungs-Thesen, die sich nicht bestätigt hat, ist, dass die Linie zwischen “Profis” und “Amateuren” verläuft, also zwischen denjenigen, die Film oder Medien “gelernt” haben, und denen, die einfach gerne Filme sehen. Ich glaube aber, es ist vielmehr einfach eine Einstellungssache. Ein Mangel an Bereitschaft, andere Sichtweisen zuzulassen. “Reine Filmblogs, noch dazu professionelle oder semiprofessionelle, scheinen mir im deutschsprachigen Raum doch giftiger zueinander zu stehen als US-Seiten”, sagt Sidney Schering.

Zusammenfassend: Bloggen ist in Deutschland immer noch als Niederes Schreiben verpönt. Im Filmbereich liegt das aber auch daran, dass die Film-Blogger keine Lobby haben und sich auch keine Mühe geben, eine zu bilden. Sie mosern lieber herum, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Einfacher wäre das natürlich, wenn jemand voranschreiten würde, den es noch nicht gibt, mit dem sich aber FilmwissenschaftlerInnen und Fanboys und -girls gleichermaßen arrangieren könnten. Vielleicht kommt ein derart messianisches Blog eines Tages des Wegs, vielleicht nicht. Aber es könnte auf jeden Fall besser sein, als jetzt. Oder?

“Die unhaltbaren Missstände in der Filmpolitik und der Filmkultur fördern hoffentlich die vereinende Kraft zutage, gegen sie aufzubegehren. Das ist eine Utopie, mit der ich mich identifizieren kann: ein Kampf freilich, aber ein gemeinsamer.” – Frédéric Jaeger, critic.de

Disclaimer: Ich entdecke täglich neue Filmseiten. Es ist also hoffentlich klar, dass es nicht beabsichtigt ist, dass ich manche Ecken der deutschen Filmblogosphäre wahrscheinlich völlig unbeleuchtet gelassen habe. Ciprian David kenne ich persönlich, wir haben ein oder zweimal lose gemeinsam über das Thema diskutiert.

Meine erste persönliche Bilanz gibt es hier.