Es besteht noch Hoffnung: X-Men: Days of Future Past kommt in 48 fps

© 20th Century Fox

Update: Fox hat den Report von “Ain’t it cool” dementiert. Wahrscheinlich haben sie recht.

Was für eine großartige Art, die Woche zu beginnen, wenn man morgens in der Bahn liest, dass “Ain’t it cool News” die Bestätigung bekommen hat, dass X-Men: Days of Future Past in HFR 3D, genauer in nativem Stereo-3D mit 48 Bildern pro Sekunde, gedreht wurde und auch 2014 so ins Kino kommen wird. Damit ist Bryan Singers Zeitreise-Generationen-Treff der Mutanten (der auch ganz neue Maßstäbe in Sachen Ensemble-Franchising setzt, dazu mehr, wenn ich den Film gesehen habe) nach Peter Jacksons Hobbit-Filmen die zweite Produktion, die sich traut, den notwendigen Schritt in Richtung Kinozukunft zu gehen.

Ich selbst bin entschiedener Fan von HFR 3D und habe im vergangenen Dezember trotzig den Backlash gegen den Hobbit abgewehrt. Doch auch ursprüngliche Gegner des Prozesses scheinen sich langsam zu bewegen. Einer der Gründe scheinen, paradoxerweise, gute 3D-Filme in 24 fps zu sein. Nach seiner Begeisterung für Gravity etwa schrieb Matt Singer auf “The Dissolve” einen Artikel, in dem er beklagte, dass selbst Filme mit perfekt genutztem 3D eine Qual sein können, weil man seinen Kopf nicht bewegen darf. HFR 3D, bei all seinen Problemen, erlöse einen in dieser Hinsicht, gibt er zu. Der Hobbit sei in seinen Bildern “nahtlos” gewesen.

Auch besser für 4K

Auf dem Beyond Festival in Karlsruhe, wo ich vor zwei Wochen vorbeigeschaut habe, habe ich ebenfalls ein Plädoyer für HFR gehört, und zwar von Stefan Albertz, bis vor kurzem selbst Digital-Techniker, nun hauptberuflich Dozent. Er argumentierte, dass auch für die auf den Messen dieses Jahr gehypten Ultra-HD und 4K-Displays, die die vierfache Auflösung von HD haben, dringend zu 48 fps zu raten wäre, wenn man vermeiden wolle, dass das Bild immer stärker ruckelt. (Das sei auch der Grund, meinte Albertz, warum 4K-Displays in Laden-Demos immer möglichst ruhige Bilder zeigen.) Nach seiner Ansicht sieht ein HD-Bild mit 48 fps auf einem 4K-Bildschirm besser aus als ein 4K-Bild mit 25 fps. Das Problem existiert vor allem für Kinofilme. Fernsehen überträgt ja ohnehin schon mit 50 Hertz, die Umstellung wäre also einfacher.

A propos Hertz: Ein weiterer Sprecher auf dem “The Future of 3D”-Panel war Ralf Schäfer vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Er stellte unter anderem neue Geräte vor, die die Produktion in 3D vereinfachen sollen – denn die Kalibrierung von Spiegel-Rigs scheint nach wie vor ein Albtraum zu sein. Neben einem automatisierten Stereo-Rig ohne Spiegel zeigte Schäfer unter anderem ein 2D-System, das mit sogenannten Witness-Cams funktioniert, aus deren Bilddaten sich später der Tiefenkanal berechnen lässt. Es wird also auch weiterhin eine Tendenz geben, 2D aufzuzeichnen und die Tiefe später hinzuzufügen. Dass das funktionieren kann, wenn man trotzdem in der Inszenierung stereografisch denkt, hat mir Star Trek Into Darkness gezeigt.

Die Suche nach dem neuen Standard

Der mutige Schritt von Bryan Singer und vor allem von Sony Fox, bei Days of Future Past die 48fps-Route zu gehen könnte auch mit dem zusammenhängen, was man im Umfeld der Konferenz so munkelte: Die großen Studios suchen einen High-End-Standard, der eine Weile Stabilität garantiert und sich nicht jedes Jahr wieder nach oben verschiebt. Wenn die Datenmengen händelbar sind, könnten das zum Beispiel 120 fps in 4K sein, die dann “eine Weile halten” könnten und sich dennoch nach unten in die einfacheren Formate wie DVD durchreichen lassen. Wir werden sehen, ob uns hier noch eine Entscheidung bevorsteht.

Die Eliminierung des Zufalls: Ein Gespräch über Gravity

© Warner Bros.

Manchmal kann man Filme nach dem Kinogang nicht alleine verarbeiten. Wie gut, dass das Internet einem oft die besten Gesprächspartner zur Verfügung stellt. Nach dem Ansehen von Alfonso Cuarons Gravity habe ich mich mit Filmemacher und “Real Virtuality”-Gastblogger Sebastian Mattukat zusammen hinter den Instant Messenger geklemmt und Gedanken über das Weltraumdrama ausgetauscht. Logischerweise ist das Gespräch voll mit Spoilern.

Alex: Sebastian, du hast gesagt, du hast erhöhten Redebedarf bei “Gravity”. Warum?

Sebastian: Weil ich es furchtbar finde, dass die ersten 30 Minuten mehr oder weniger aus dem Rechner sind und real aussehen. Für mich ist Gravity sowas wie Final Fantasy 2, die komplette Eliminierung des Zufalls und damit dessen, was für mich Film zum großen Teil mit ausmacht. Es ist keine Kunst, einen 15-Minuten-One-Take aus dem Rechner zu erzeugen. Aber eine Plansequenz wie in Joe Wrights Abbitte schon. Und das ist für mich ein großer Punkt, warum der Film so fürchterlich unemotional ist. Man vergleiche ihn nur mit Soderberghs Solaris. Der Film verbreitet eine tiefe Melancholie. Ob man ihn jetzt mag oder nicht, Remake hin oder her, aber er vermittelt wunderbar das Gefühl von Einsamkeit im All.

Alex: Ich habe schon einen interessanten Artikel gelesen, der die Frage stellt, ob Gravity nicht streng genommen sowieso ein animierter Film ist. Und selbst Kameramann Lubezki hat zugegeben, dass es einige Passagen gibt, wo der Film nah dran ist am Uncanny Valley, nämlich dort, wo Bullock durch die Raumstation von Modul zu Modul fliegt – und das war der Punkt, wo ich auch an Final Fantasy denken musste. Aber ich habe das Gefühl, es geht Cuaron gar nicht um das Angeben mit tollen Kameramoves sondern um das Erleben in Echtzeit. Hat das bei dir nicht funktioniert?

Sebastian: Jein. Also ich hatte das Gefühl, dass gerade die Anfangssequenz schon sehr gewollt war. Die hätte auch mit Schnitt funktioniert. Ich hatte letztens ein interessantes Gespräch mit meinem Kameramann, der meinte, bei einem Film, den zum Beispiel Roger Deakins fotografiert, stellt sich dem Betrachter nie die Frage, ob die Kamera auch woanders hätte stehen können. Das fand ich extrem interessant. Es gibt, wenn man drüber nachdenkt, immer wieder Filme, da steht die Kamera perfekt. Gravitys Anfang gehört auf jeden Fall nicht dazu. Der hat mehr den Anschein von einem Videospiel in seiner Ungeschnittenheit. Wie CinemaScope auf Twitter schon meinte: “GRAVITY is like watching someone playing a video game who has mastered all of the levels.” Die Eliminierung des Zufalls ist das, was vielen Blockbustern durch ihre Effektorgien so viel an Sympathie raubt.

© Warner Bros.

Alex: Ich weiß aber nicht, ob es die rein formale Komponente ist, die den Film auch für mich irgendwie unemotional hat erscheinen lassen. Im Grunde besteht der Film ja aus der “Open the Pod Bay Doors, Hal”-Sequenz aus 2001, nur auf 90 Minuten gedehnt. Aber während Dave bei 2001 am Ende seiner Mission in die endlose, spirituelle Weite des Alls entführt wird, “Beyond the infinite”, will Ryan hier nur zur Erde zurück. Dieser ganze Sense of Wonder, von dem George Clooneys Charakter die ganze Zeit redet, kam für mich nicht so recht auf. Wie war das bei dir?

Sebastian: Überhaupt nicht. Dafür hat man aber auch viel zu wenig von der Erde und dem All gesehen. Ständig ist etwas explodiert oder ging schief. Man hat nie in die Tiefe schauen können, hat nie traurig werden können aufgrund der Einsamkeit, hat dadurch nie die Schönheit der Erde gesehen.

Alex: Naja, doch so ein bisschen. Die Momente der Ruhe gab es schon.

Sebastian: Aber die waren alle drinnen. Außer einmal, wenn er sie in Richtung ISS zieht und dann die Musik anschaltet.

Alex: Als Sandra Bullock zum ersten Mal aus dem Raumanzug klettert und da wie ein Fötus in der Luftschleuse hängt, das fand ich schon bewegend. Und auch diese schreckliche Isolation, der einzige Mensch weit und breit in einem riesigen Vakuum zu sein. Das konnte man auch spüren. Aber sonst wurde alles von einer ständigen Anspannung überdeckt. Mir fehlten diese großen Atmer, in denen die Ehrfurcht vor dem All spürbar wird.

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Sebastian: Das war mir ein bisschen zu viel 2001. Und dann mit dem Ende und dem Aufstehen als Mensch … Was bei Alien, 2001 und Solaris zum Beispiel anders ist, ist, dass sie das Ruhige nicht totquatschen. Da ist es bei Alien halt gruselig, bei 2001 strange und bei Solaris tieftraurig.

Alex: Und hier?

Sebastian: Der Moment, wo sie da lang fliegen am Anfang, wird über-redet mit dem, was man fühlen soll. Und innen, bei dieser Fötusnummer, sind die Bilder zu symbolisch. Man kann nicht durchatmen, was ja Teil des Konzeptes ist. Aber dann ist man halt auch mehr bei einem normalen Actionfilm, nur eben im Weltraum. Selbst die ruhigen Momente sind mega-aufgeladen. Was zum Beispiel supergut hätte werden können ist, wenn die Szene mit Clooney in der Kapsel länger gewesen wäre. Wenn sie sphärischer gewesen wäre. Das fand ich kurzzeitig richtig stark, aber dann war sie schon wieder wach und zurück in der Realitität. Wie geil wäre es gewesen, wenn am Ende ein Hinweise gegeben worden wäre, dass sie noch da oben ist.

Alex: Stimmt. Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Aber ich glaube das entspricht nicht Cuarons Weltbild, so etwas Gemeines.

Sebastian: Das wäre aber so richtig toll gewesen, dann ginge der Pathos auch auf.

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Alex: Wie bei jedem 3D-Film hätte ich mir übrigens mehr Close-ups gewünscht. Ich finde, dabei entsteht eine Intimität, die man so im Kino sonst nicht erlebt.

Sebastian: Ja, wobei Gravity ja auch von der Story her nicht wirklich nah dran an den Figuren war. Sie hatte halt ein totes Kind und kann ohne probleme kyrillische Anleitungen lesen. Aber ich weiß, was du meinst. Drinnen fehlte denen einfach die Weite des Raumes und im All gabs oft ja nur die unendlichen Weiten des Films.

Alex: Dieses übermäßige Aufladen der Figuren mit Klischees hat mich auch gestört. Sie ist ganz die emotionale Heldin mit totem Kind, und er ist ein so routinierter Astronaut, dass er sogar beim Sterben nur daran denkt, den Rekord von jemand anderem zu brechen. Ich frage mich, ob man solche Figuren braucht, wenn die Action oder das All die Hauptrolle spielen soll, oder ob man mit Charakteren, die etwas mehr wie echte Menschen gewirkt hätten, vielleicht mehr Emotionalität hätte erreichen können. Hier wirkte die Emotionalität auf mich nur so per Ansage erzeugt. “Sie hat ein totes Kind, fühlt gefälligst mit ihr”.

Sebastian: Ja, er hätte deutlich mehr Profil haben können, gerade wenn er stirbt. Wie wäre es gewesen, wenn sie gelogen hätte vor ihm. Wenn sie irgendwie an dem toten Kind Schuld gehabt hätte, es aber niemanden verraten hat. Aber dann, ganz alleine, erzählt sie es den Chinesen, dass sie es damals verzockt hat.

Alex: Ändert alles übrigens nicht daran, dass ich trotzdem finde, dass “Gravity” ein erstaunlicher Film ist. Bei allem, was ich jetzt hier bekrittelt habe, dieser Stilwille und dieser Mut zum extremen Experiment mitten innerhalb des Mainstreamkinos, davor muss man schon den Hut ziehen. Und langweilig war mir auch nicht im Kino.

Sebastian: Nee, langweilig war es nicht, aber auch nicht besonders doll. Passte in das Kinojahr und war einer der besseren Vertreter. Jetzt muss es Lars mit Nymphomaniac richten.

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Alex: Ich interessiere mich ja schon länger für Filme, die an der Grenze zwischen Animation und Realfilm liegen. Mein vorheriges Lieblingsbeispiel war immer 300. Insofern ist Gravity da auf jeden Fall auch ein interessanter neuer Eintrag in die Annalen der VFX-Geschichte. Ich hoffe, dass noch mehr Bildmaterial von den Dreharbeiten auftaucht und ich werde mir das auf der BluRay auf jeden Fall auch noch einmal sehr genau anschauen. Ich finde ja, dass Filme die auf sehr hohem Niveau manchmal in letzter Instanz scheitern (obwohl die Kritiker sich ja größtenteils doch vor Lob überschlagen) häufig historisch gesehen interessanter sein können, als filmische Triumphe, die dadurch entstehen, dass man die letzte Meile sicherheitshalber nicht geht. Für mich ist Gravity ersteres und damit insgesamt dennoch einer der besten Filme des Jahres. Ich überlege die ganze Zeit, ob es sich lohnen könnte, ihn ein zweites Mal zu sehen.

Sebastian: Bei Children of Men gibt es am Ende diese Einstellung wo Clive Owen durch die Straßen rennt, in das Hochhaus, um das Kind zu retten. Die konnten die Einstellung nur drei- oder viermal machen. Dann spritzt Blut an die Optik und Cuaron ruft “Schnitt!”, doch aufgrund einer Explosion hört ihn niemand und der Take läuft weiter. Die ganze Szenerie ist unfassbar real. So etwas fehlt mir bei Gravitiy. Der Film ist zu perfekt.

Nachhaltigkeit (I)

Das Internet mag ein ewiges Langzeitgedächtnis haben, doch sein Kurzzeitgedächtnis ist miserabel. Tweets und Blogposts, die man heute liest, hat man morgen wieder vergessen. Die Sau, die diese Woche durchs Dorf getrieben wird, mampft nächste Woche schon wieder unbehelligt in ihrem Stall. Das entspricht weder meiner Gesinnung als Journalist, noch als Geisteswissenschaftler. Unter dem Label “Nachhaltigkeit” gehe ich zurück zu meinen Blogeinträgen der letzten Monate und verweise auf interessante Entwicklungen in den angerissenen Themen.

Ich war definitiv nicht der einzige, der sich dieses Jahr mit der Gigantomanie Hollywoods beschäftigt hat. Spätestens mit dem Start von The Lone Ranger fielen die Branchenblätter über die Studios her, doch am Ende siegte der Tenor des “Es wird sich ja doch nichts ändern“. Den interessantesten Beitrag lieferte Damon Lindelof, der dieses Jahr für Star Trek into Darkness mitverantwortlich zeichnete. In einem tollen Artikel auf Vulture erklärte er, warum ein Drehbuchautor derzeit gar keine andere Wahl hat, als immer gleich die Welt untergehen zu lassen. Am Ende des Sommers ist interessanter Weise vor allem die Geschichte von World War Z übriggeblieben, der Erfolg hatte, obwohl er sich im dritten Akt entschied, kleiner statt größer zu werden. Mal sehen, was 2014 aus dieser Entwicklung wird.

In meinem Artikel über das Jahr der Science-Fiction-Originale hatte ich erwähnt, dass mich das Styling der Filme generell an das große Zeitalter der SF aus den 70er Jahren erinnert hat. Keith Phipps, auf der tollen neuen Filmseite “The Dissolve” nennt diese Zeit das “Laser Age” und hat im August eine hervorragende Artikelserie begonnen, die sich ausführlich mit den Filmen der Epoche auseinandersetzt. Unter den SF-Originalen des Sommers hat sich übrigens Pacific Rim als der einzige Quasi-Gewinner herausgestellt. Er steht als einziger nicht-animierter Originalstoff in der Top 10 der weltweiten Kassenhits, vor allem dank Einnahmen aus China.

Meine Anklage der mangelnden Repräsentation moderner Technologie im heutigen Kino ist in der aktuellen US-“Wired” indirekt von Clive Thompson aufgegriffen worden. Thompson berichtet, dass die TV-Kriminalserie The Good Wife in ihren Fällen begrüßenswert nah an der technischen Realität ist. Das allein wäre für mich ein Grund, in die Serie mal reinzuschauen.

Das interessantes Geschehen rund um mein Lob der Frauenrollen in The Wolverine war sicherlich, dass Sophe Rieger (unabhängig von mir) einen Tag später einen Artikel veröffentlichte der genau das Gegenteil behauptete. Wir konnten auf Twitter klären, dass sie die japanischsprachigen Passagen des Films ohne Untertitel sehen musste, so dass sie nicht sehen konnte, dass der Bechdel-Test zumindest rein formell erfüllt wurde, aber es ist dennoch interessant, dass man den dringend notwendigen Fortschritt für Frauenrollen im Superheldengenre so unterschiedlich wahrnehmen kann. Mittlerweile wird nach Kompromissen gesucht: Der Mako Mori Test soll Filmen einen Freibrief geben, die den Bechdel-Test nicht erfüllen, aber in denen immerhin eine Frau mitspielt, die eine komplexe Hintergrundgeschichte hat. Und Natalie Portman will gehört haben, dass ein weiblicher Superheldenfilm bei Marvel in der Mache ist. Vielleicht ist aber auch nur die TV Serie für Hayley Atwells Agent Carter gemeint.

“The Dissolve” hat sich außerdem wie ich einige Gedanken dazu gemacht, ob irgendjemand wirklich Lust hat, Filmfestivals von weitem zu verfolgen.

Was ich nicht verfolgt habe, ist Vin Diesels veränderte Haltung zum Genrekino. Hat jemand Interviews gelesen oder gesehen, die er zu Start von Riddick gegeben hat (den ich nicht gesehen habe, aber von dem man – je nach Tendenz – hört, er sei entweder eine tolle Rückkehr zu den Wurzeln des Charakters oder eine brachiale Kopie von Pitch Black? Doch wie hat Diesel sein Wiederbeleben des steckengebliebenen Epos als dreckiges B-Movie gerechtfertigt?

Weitere interessante Links und Entwicklungen nimmt gerne meine Kommentarspalte entgegen.
Bild: Flickr Commons

Das Ertragsgesetz der Cornetto-Trilogie

© Universal

Das “Ertragsgesetz”, erklärt die Wikipedia, ist ein wirtschaftliches Modell.

Insgesamt bietet dieses Modell ein besonders anschauliches (didaktisches) Konzept, Relationen von Einsatz (Input) und Ertrag (Output) zu beschreiben. Im Alltag wird schnell klar, eine Arbeit wird zunächst schneller verrichtet, wenn „einige zusammen anpacken“ (Arbeitsteilung), aber mit weiter steigender Anzahl von Beteiligten nimmt die Effizienz ab und es wird vielleicht sogar weniger erreicht („Viele Köche verderben den Brei“).

Die englische Version der Seite, wo das Ganze etwas klangvoller “Diminishing Returns” heißt, ergänzt: “The use of fertilizer improves crop production on farms and in gardens; but at some point, adding more and more fertilizer improves the yield less per unit of fertilizer, and excessive quantities can even reduce the yield”. Ich fasse zusammen: Mehr ist nicht gleich Mehr.

Helden der Nerdherzen

Die inhaltlich kaum zusammenhängenden Filme der “Cornetto-Trilogie” des “Spaced”-Teams um Edgar Wright (Regie, Drehbuch), Simon Pegg (Drehbuch, Hauptrolle), Nick Frost (1. Nebenrolle) und – gerne vergessen – Nira Park (Produktion) gehören zu den Angebetetsten Filmen, die die letzte Dekade hervorgebracht hat. Sie sind Genrefilme ohne in überflüssige Konventionen abzudriften, sie sind Komödien, deren Witz eine gewisse Intelligenz innewohnt, und sie haben eine gesunde Prise Gefühl – eine Kombination, die Nerdherzen weltweit erobert hat und sogar im Mainstream einigermaßen gut ankam. Mit The World’s End ist letzte Woche der dritte Teil der Reihe endlich in den deutschen Kinos gestartet. Ein grünes Cornetto (grün wie Aliens wie Science Fiction) hat einen Gastauftritt und (viele) Kritiker und Fans sind wieder einmal begeistert.

Ich kann mich dem nicht ganz anschließen. Mag sein, dass The World’s End reifer und vielschichtiger ist als seine Vorgänger, wie ich an verschiedenen Stellen gelesen habe. Doch denken wir auch mal an das Ertragsgesetz zurück. Und an Shaun of the Dead, den ersten Kinofilm der Truppe.

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Ein fast perfekter Film

Ich halte Shaun of the Dead in vielerlei Hinsicht für einen fast perfekten Film, mit Sicherheit aber für die beste Komödie der letzten zehn Jahre. Das liegt zum einen an der oben genannten Mischung aus Genre-Elementen (hier: Zombies), Humor, der nie in die reine Parodie abdriftet, und echtem Gefühl. Shaun wechselt von Laut-Loslachen-Witzig (“Don’t stop me now”) im Handumdrehen zu Im-Hals-Steckebleiben-ernst (die eigene Mutter erschießen) und wirkt dabei nie lächerlich. Das Wie oder Warum der Zombies wird nie erklärt, weil es darum nicht geht. Es geht darum, eine menschliche Geschichte zu erzählen, die sich vor dem Hintergrund einer katastrophalen Situation entfaltet.

Der erste Akt des Films endet damit, dass Shaun – frisch von der Freundin verlassen und vom Mitbewohner unter Druck gesetzt – betrunken in der Küche zusammensackt und auf das dortige Whiteboard kritzelt: “GET LIZ BACK – GO ROUND MUM’S – SORT LIFE OUT”. Und um nichts anderes geht es in dem Film, an dem kein Gramm Fett zu viel ist. Das Markenzeichen von Regisseur Edgar Wright ist der dynamische Übergang, der ihn nahtlos von einer Szene in die nächste gleiten lässt, und auch wenn er seinen Stil bei Shaun of the Dead noch nicht so hervorkehrt, wie etwa später bei Scott Pilgrim vs The World, ist es dennoch bemerkenswert, wie flüssig Shaun wirkt. Es geht um die Reise einer Person, die versucht ihr Leben in den Griff zu bekommen. Alles was passiert dient diesem Zweck. Alle Charaktere unterstützen Shauns Reise vom duckmäuserischen Loser zum (wenn auch nicht erfolgreichen) Anführer, was man alleine daran sieht, dass Shaun die einzige Figur ist, die eine Entwicklung durchmacht. Der Film braucht dafür 99 Minuten und 4 Millionen Pfund. Ein Lehrstück in Ökonomie.

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Doppelt so teuer und 20 Minuten länger

Zum Vergleich: Der zweite Film des Teams, Hot Fuzz, kostete doppelt so viel Geld und ist zwanzig Minuten länger. Er beginnt mit einem Whodunnit-Plot im lauschigen Dörfchen Sandford, für den der frisch versetzte Polizeisergeant Nicholas Angel (gemeinsam mit dem Zuschauer) zunächst eine schrecklich komplizierte Lösung zusammenfabuliert, nur um dann eher durch Zufall über den wahren Grund für die untersuchte Mordserie zu stolpern. Doch damit nicht genug. Anschließend muss Hot Fuzz noch zwei separate Showdowns – einen Shootout und ein Mano-a-Mano-Grudge-Match – hinterherschieben und ein Haus in die Luftjagen, bevor er ein Ende findet.

Mit jeder Sichtung von Hot Fuzz entdecke ich neue, clevere kleine Einfälle, die mir beim letzten Mal noch nicht aufgefallen waren. Der Mystery-Plot der ersten anderthalb Stunden ist ein faszinierend komplexes Puzzle mit über zwanzig Sprechrollen (mit sprechenden Namen), dutzenden Locations und unzähligen Indizien. Außerdem geht es noch darum, wie Nicholas Angel und sein Buddy Danny Butterman als Team zusammenwachsen. Danny verbringt viel Zeit damit, Nicholas von den Vorzügen des amerikanischen Actionkinos im Vergleich zu britischer Nüchternheit zu überzeugen, und als er ihn endlich überzeugt hat, dreht der Film seinem komplexen Mysterium eine lange Nase und geht frech zur (vergleichsweise) gewaltigen Materialschlacht über.

Hot Fuzz hat also von allem mehr als Shaun. Mehr Schauwerte, mehr Cleverness, mehr versteckte Gags für wiederholte Sichtungen, mehr Schichten. Doch das Ertragsgesetz schlägt unbarmherzig zu, und obwohl Hot Fuzz ein sehr guter, bewundernswerter Film ist – den ökonomischen kairos von Shaun erreicht er nicht. Bei so viel Film fällt es nämlich manchmal schwer, sich auf die persönliche Reise der beiden Hauptfiguren zu konzentrieren.

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Das erste Ensemblestück

Und nun The World’s End. Zwölf Minuten kürzer zwar als Hot Fuzz, aber dafür erneut doppelt so teuer wie der direkte Vorgänger. Und obwohl Simon Peggs Gary eigentlich die Hauptfigur dieser Fabel über das Erwachsenwerden bei gleichzeitiger Selbsttreubleibung ist, haben Wright und Pegg auch zum ersten Mal ein Ensemblestück geschrieben. Jeder der Fünf Freunde im Zentrum der Geschichte bekommt seinen eigenen Story Arc und sein eigenes Geheimnis spendiert, das er bei geeigneter Gelegenheit auspacken kann. Zusätzlich gibt es sogar noch ein Liebesdreieck zwischen Gary, Paddy Considines Peter und Rosamund Pikes Sam.

Die persönliche Geschichte zwischen Pegg und Frost funktioniert diesmal wieder erstaunlich gut und hat echte emotionale Resonanz. Drumherum jedoch wird ein Feuerwerk aus Effekten, Musik und Action abgefackelt, dass einen diese Menschlichkeit manchmal vergessen lässt. Und The World’s End entwickelt streckenweise Eigenschaften, die Shaun of the Dead nie passiert wären: Redundanz, Egoismus und Inkonsistenz.

Spoiler-Sektion

Ein paar Beispiele (und wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte vielleicht den nächsten Absatz überspringen): Bei der ersten Begegnung mit den Blanks, die ihre Heimatstadt übernommen haben, liefern sich die fünf Jungs eine ziemlich spektakuläre Prügelei in der Herrentoilette, die mit Hilfe von langen Takes und genau durchdachten Kameramoves eine beachtliche Dynamik entfaltet. Warum also muss sich diese Szene ein paar Pubs weiter wiederholen, ohne nennenswerte Veränderung der Vorzeichen? Die Clubszene im “Mermaid” muss narrativ nur minimale Funktionen erfüllen – drei der Jungs müssen lange genug abgelenkt sein, damit Steven die Wahrheit erfahren kann – und die Blanks brauchen die DNA, um die Kopien herzustellen. Wofür dann die aufwändige, lange Tanz- und Fummelszene – außer für “Fanservice”? Ergibt der Plan der Aliens eigentlich wirklich einen Sinn? Sie wollen die Menschheit freundlich unterjochen und nur wer sich weigert wird ausgetauscht. Warum genau? Und ist die Starbuckisierung wirklich mit dieser Strategie vergleichbar, oder ist das nur eine wohlfeile Anti-Establishment-Metapher? Schließlich und endlich gratuliere ich dem Team zur Chuzpe, das “World’s End” tatsächlich eintreten zu lassen. Aber es wirkt schon ein wenig schlampig, dafür den Voiceover-Erzähler zu wechseln und weitgreifende Veränderungen in einem kurzen Monolog abzuhandeln, den die am Feuer Sitzenden eigentlich gar nicht brauchen, weil sie die Realität doch selbst kennen.

Scheitern auf hohem Niveau

The World’s End war ein faszinierender, ambitionierter Film voller guter Ideen, aber nach dem Ertragsgesetz berechnet ist er auf hohem Niveau gescheitert. Er ist einfach, genau wie Hot Fuzz, weit entfernt von der perfekt austarierten Input-Output-Kalkulation von Shaun of the Dead. Aus deutlich mehr Input kann der dritte Teil der Cornetto-Trilogie trotzdem weniger Output generieren, genau wie zuviele Helfer beim Lösen einer Aufgabe oder zu viel Dünger auf einem Feld.

Wirklich vorwerfen kann man Künstlern wohl nicht, dass sie mit gesteigerten Mitteln und wachsendem Alter den Erfindungsreichtum vergangener Tage nicht exakt replizieren können, vor allem, wenn sie sich nicht wiederholen wollen (Pixar kämpft derzeit mit dem gleichen Problem). Schade ist es trotzdem. Aber – sagen wir es mal so – The World’s End ist deswegen noch lange nicht das Ende der Welt.

Film Blog Group Hug: Die Filme des Sommers

Bild: Sascha (Danke!)

Ich habe die deutsche Filmblogosphäre beschimpft, jetzt will ich sie vereinen. Seit meinem ursprünglichen Artikel hatte ich das große Glück, mit vielen Internetfilmschreibern näher in Kontakt zu treten und seitdem haben sich auch einige meiner Ansichten sogar ein bisschen geändert (mehr dazu vielleicht bald hier). Nicht geändert hat sich mein Anliegen, die Vernetzung zwischen den Filmbloggern nach außen sichtbar zu gestalten. Daher habe ich den Film Blog Group Hug ins Leben gerufen, bei dem ich Filmbloggern eine Frage schicke und ihre Antworten dann gesammelt hier veröffentliche. Das Konzept habe ich schamlos geklaut vom Criticwire Survey.

Für Group Hug Numero eins habe ich zunächst jene Leute angemailt, mit denen ich im Laufe des letzten Dreivierteljahres Kontakt hatte, und die Frage relativ simpel und mainstreamig gehalten. Ich bedanke mich an dieser Stelle schon einmal für das positive Feedback und die vielen tollen Rückmeldungen. Wie es mit dem Konzept weitergehen könnte, steht am Ende des Posts.

Die erste Film-Blog-Group-Hug-Frage lautete:

Welcher Film hat euch diesen Blockbuster-Sommer am nachdrücklichsten beeindruckt, egal ob positiv oder negativ, und warum?

Der beste Blockbuster diesen Sommer war für mich ganz klar Pacific Rim. Guillermo del Toro lebt seine Kindheit aus und man könnte meinen, wir hätten beide die gleiche gehabt. Riesige Kaijus, aus den Godzilla-Filmen entlehnt, gegen riesige Mechas, aus dem Anime entlehnt. Da geht jedem Fan dieser beiden Genres das Herz auf. Aber del Toro versteht es außerdem eine sehr detailreiche und dichte Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer durch den Film trägt. Ich hab schon wieder Lust darauf.
– Patrick Thülig, Kontroversum
(Pacific Rim in den Kontroversum Shorts)

Aus familiären Gründen ist es mir in diesem Jahr erst ein einziges Mal gelungen, einen sogenannten Blockbuster zu schauen, und das war Star Trek Into Darkness. Ich habe es nicht unbedingt bereut, aber mir war das alles etwas zu viel und den guten, alten “Star Trek”-Geist habe ich auch vermisst. Aber trotzdem habe ich mich recht gut unterhalten gefühlt. Andere “Blockbuster” habe ich nicht gesehen, aber ich muss auch sagen, dass ich jetzt nicht das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben. Außer Pacific Rim, den ich wegen Del Toro gerne gesehen hätte. Ansonsten habe ich mich gefreut, dass ich immerhin Only God Forgives im Kino sehen konnte, den ich sehr mochte, auch wenn ich die kontroversen Meinungen gut verstehen kann.
– Marco Koch, Filmforum Bremen

© Paramount

In einer Saison der vergurkten Blockbuster (ich sage nur Man of Steel) war World War Z die positive Überraschung. Ein Zombiefilm, der auf Realismus setzt. Es sind die Details, die mich begeistert haben: Der UN-Ermittler Gerry Lane ist einer, der die Nerven behält, an Wasser und Medikamente denkt – keine Kampfmaschine, kein überlebensgroßer Held. Die Mischung von zurückhaltendem Spiel und schierem Charisma, mit der Brad Pitt diese Rolle spielt … Hut ab. Dazu Hochspannung über fast den ganzen Film.
– Thomas Laufersweiler, SchönerDenken
(World War Z bei “Schöner Denken”)

Für mich gab es in diesem Blockbuster-Sommer gleich ein paar Überraschungen. Die größte aber war mit Sicherheit Roland Emmerichs White House Down. Diesmal legt der Mann aus Sindelfingen zwar nur das Weiße Haus in Schutt und Asche, nimmt damit aber gekonnt das Herz der Vereinigten Staaten ins Visier. Das Ergebnis: sein bester Film überhaupt. White House Down ist spannend, explosiv, komisch – und hat eine gehörigen Portion Chuzpe.
– Björn Helbig, Yzordderrexxiii
(Björns Kritik bei “kino-zeit.de”)

Die (amerikanische) Sommersaison 2013 war vor allem ein hysterisches Debakel, und nur ein Film, bezeichnenderweise nicht aus der Mega-Tentpole-Ecke, konnte mich wirklich begeistern: The Conjuring – ein „haunted house“-Horrorfilm von James Wan, der zwar kaum etwas Neues erzählt, doch dafür eine inszenatorische Reife und Eleganz an den Tag legt, die absolute Kontrolle über den Stoff und das Genre beweist. Zwei klatschende Hände…und alle kleben an der Decke. Einfach meisterhaft!
– Martin Beck, Reihe Sieben
(Martins Kritik zu The Conjuring)

© Warner Bros.

Definitiv World War Z. Nachdem eigentlich alle US-Kritiker bereits im Vorfeld die Produktion für (un)tot erklärt hatten und auch hierzulande die üblichen Verdächtigen voller Wonne Verrisse schrieben, war ich vom Ergebnis angenehm überrascht. Der Film ist 1-A-Spannungskino und trotz fehlendem Gore-Faktor furchteinflößend. Und manchmal braucht Regisseur Marc Foster nicht einmal Zombies, um eine Atmosphäre der Angst zu schaffen, sondern nur einen Supermarkt in New Jersey.
– Denis Krick, Ex-Couchmonster

Ich bin Blockbuster-müde, in diesem Jahr mehr als je zuvor. Das liegt nicht zuletzt an 3D, das für mich kein Bonus, sondern ein teures Ärgernis ist. Gesehen habe ich nur Iron Man 3 und Star Trek Into Darkness. Beide haben mich, als ich im Kino saß, wirklich gut unterhalten, aber einen nachhaltigen Eindruck hat keiner hinterlassen. Jetzt hole ich noch Elysium nach und dann ist mein Blockbuster-Sommer schon vorbei. Möge es ein langer Filmwinter werden.
– Thomas, Abspannsitzenbleiber

Nach intensivem Studium meiner Filmliste habe ich festgestellt, dass ich in diesem Jahr erst einen Blockbuster gesehen habe: The Great Gatsby. Bei diesem Film hat mich am meisten beeindruckt, dass Leonardo DiCaprio und Carey Mulligan allen meinen Befürchtungen zum Trotz überzeugend als Jay Gatsby und Daisy waren. Und so schön sind Hemden noch nie in einem Film geflogen.
– Sonja Hartl, Zeilenkino
(Sonjas Anmerkungen zu The Great Gatsby)

Die meisten Blockbuster habe ich eh noch nicht sehen können – aber richtig weggeweht haben mich nur zwei kleinere Filme, beides zu meiner Überraschung Kinderfilme (von denen ich seit Anfang des Jahres viele sehe): Tom und Hacke, ein wunderbarer Kinderkrimi aus der bayerischen Nachkriegsprovinz, richtig, richtig gutes Genrekino für Zwerge: spannend, düster, realistisch und komplett in Mundart. Außerdem, anders genauso gut, der französische Animationsfilm Ernest et Célestine. Ein bezauberndes Stück Kinopoesie, märchenhaft und politisch zugleich, in einer komplexen, bizarren Welt beheimatet.
– Rochus Wolff, Kinderfilmblog

© Walt Disney Pictures

Der Blockbuster, der mich diesen Sommer am meisten begeisterte, ist Gore Verbinskis Lone Ranger. Entgegen der Meinung der US-Kritiker ist dieser Western eine smarte und energiegeladene Abrechnung mit dem gesamten Genre.
– Sidney Schering, Sir Donnerbolds Bagatellen
(Sidneys Kritik zu The Lone Ranger)

Nicht unbedingt nur aus dem Grund, dass ich es kaum ins Kino schaffe und die meisten Blockbuster noch gar nicht habe sichten können, hat mich Star Trek Into Darkness von vorn bis hinten und somit am meisten begeistert, weil das Darsteller-Ensemble sowie die temporeiche und epische Inszenierung nebst beeindruckenden Schauwerten mich wohlwollend über die vielen dramaturgischen Mängel haben hinwegsehen lassen.
– Wulf Bengsch, Medienjournal
(Wulfs Kritik zu Star Trek Into Darkness)

Mein Film des Sommers ist ganz klar Pacifc Rim. Guillermo Del Toro’s Hommage an die japanischen Kaiju-Filme ist ein richtig unterhaltsames Actionspektakel. Kein anderen Blockbuster hat den oft schwierigen Spagat zwischen Action und Figurenentwicklung, inklusive einer wirklich bemerkenswerten Frauenrolle, so gut hinbekommen. Auch die liebevolle und farbenfrohe Gestaltung hat mich überzeugt. Großartig.
– Doreen Butze, waxmuth
(Doreens Kritik zu Pacific Rim bei “Kino – German Film”)

© Warner Bros

The Lone Ranger ist nicht mein liebster Film des Sommers. Inmitten der eintönigen Zerstörungsplörre vieler Konkurrenten ließ sich Gore Verbinskis in den Stummfilm verliebter Western trotzdem, einem Widerhaken gleich, nicht abschütteln. Gerade weil sein Ringen um die Vereinigung des Blockbusters mit dem Genre des Klassischen Hollywood-Kinos zum Scheitern verurteilt ist, bleibt das Millionengrab tausendmal spannender als die konventionellen Superheldenfilme der Saison.
– Jenny Jecke, The Gaffer
(Jennys Anmerkungen zum aktuellen Western bei “Moviepilot”)

Meine Wahl fällt auf Monsters University. Es ist nicht mein Favorit aller Blockbuster, aber er hat für mich persönlich eine spezielle Bedeutung. Ich habe mich intensiv mit diesem Film auseinandergesetzt und ihn mit jeder Sichtung mehr lieben gelernt. Die Details und Nuancen entdeckt. Und geschätzt. Die Message des Films, dass einem das Leben manchmal schlechte Karten gibt und dass das aber kein Weltuntergang ist, hat mich aufgrund ähnlicher persönlicher Erfahrungen ebenfalls berührt. Insofern schwingt auch sehr, sehr viel Subjektivität mit, aber on second thought – bei welcher Filmbewertung ist das nicht so?
– Owley, Owley.ch

Kick-Ass 2 war der einzige “Blockbuster”, der mich diesen Sommer ins Kino gezogen hat. Wegen mangelnder Nachfrage im kleinen Saal. Die alternative Story des ersten Teils wurde gewohnt comicnah weiter gesponnen. Hätte man sich ganz an Mark Millars Geschichte gehalten, wäre der Film nicht unbeschadet in die deutschen Kinos gekommen. Zum Glück ist Gewalt weniger die Triebfeder von Kick-Ass 2, als die Vorstellung vom John Doe, der sein Ego im Mummenschanz offenbart. Mit einem ganzen Schurkenkader, der sich einer Bürgerwehr aus überzeugten Helden stellt, wird die ursprüngliche Idee auf die Spitze getrieben.
– Intergalactic Ape-Man, Intergalaktische Filmreisen

© Warner Bros.

Mein Highlight des Blockbuster-Sommers 2013 ist ohne Frage Man of Steel. Superman fasziniert mich seit ich denken kann. Man of Steel hat mich jedoch enttäuscht. Die hektische Kameraarbeit, das sprunghafte und emotionsleere Drehbuch sowie die Zerstörungsorgie im dritten Akt ließen mich fassungslos im Sessel zurück. Trotz der starken Performance von Henry Cavill, dem Soundtrack und vielen cleveren Details muss ich weiterhin auf den „Dark Knight“-Moment für meinen Lieblingshelden warten.
– Christian Steiner, Second Unit
(Second Unit Superman Special)

Ehrlich gesagt habe ich erst vergangene Woche mit Jurassic Park 3D die wahre Blockbuster-Sensation des Sommers mit den Augen eines Zehnjährigen bewundern dürfen. Nichtsdestotrotz gab es 2013 ein weiteres Werk gigantischen Ausmaßes, dessen bewegte Bilder Ähnliches vollbracht haben: Pacific Rim. Wenn Guillermo del Toro im audiovisuellen Rausch Kaijus und Jaeger in den nächtlichen Straßen von Tokio kollidieren lässt, öffnet sich auf der großen Leinwand das Tor in eine fantastische Welt voller überwältigender Farbexplosionen und grenzenloser Abenteuerlust, die mich jedes Mal staunend wie ein Kind zurückgelassen haben.
– Matthias, Das Film Feuilleton
(Matthias’ Kritik zu Pacific Rim)

Dass der Film nach all meinen Befürchtungen und Vorbehalten, die ich als riesiger Fan des Buches frequentiert verbalisierte, nicht nur in sich selbst geglückt ist, sondern dass er stattdessen auch im Vergleich zu vielen anderen großen Blockbustern im dritten Akt nicht versuchte sich zu übertreffen, sondern gekonnt seine Mythologie vertiefte, macht World War Z zu meinem Sommerhit des Jahres. Dank dem großartigen Erfolg des Films kann man nun auch auf Sequels hoffen, die das Buch umsetzen.
– Sascha, PewPewPew

Am meisten bewegt hat mich Paolo Sorrentinos La grande bellezza – Die große Schönheit, weil er in wahrlich meisterlicher Manier den Stillstand, die Oberflächlichkeit und die Melancholie eines Lebens (UNSERES Lebens) in einen Rausch aus Bildern und Musik gießt, wie man das heute kaum mehr zu sehen bekommt.
– Joachim Kurz, kino-zeit.de
(Joachims Kritik zu La grande bellezza)

© DCM

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Warum The Congress auf allen Ebenen gleichzeitig versagt

© Pandora Film

Manchmal können selbst mittelmäßige romantische Komödien einem den Einstieg in einen Artikel erleichtern. In Marc Lawrences Film Music and Lyrics von 2007 spielt Hugh Grant einen alternden, vergessenen Popstar namens Alex Fletcher, der als Songwriter für eine junge, hippe Sängerin arbeiten soll. Zu diesem Zweck bekommt er einen Ausschnitt aus deren jüngster Single vorgespielt, eine Mischung aus überproduziertem Bubblegum-Pop und indischen Harmonien mit dem Titel “Buddha’s Delight”. Fletcher ist angewidert. Sein Kommentar lautet schlicht: “It simultaneously destroyed two musical cultures in under a minute.”

Ari Folmans Film The Congress gelingt auf eine ganz andere Weise, mit weniger Kalkül und dafür umso mehr Streben nach Bedeutsamkeit, im Endeffekt das Gleiche. Er zerstört seine Vorlage, indem er ihr eine zusätzliche Ebene hinzufügt. Doch weil diese Ebene selbst unabhängig von der Vorlage nicht funktionieren würde, zerstört er auch noch sie und alle positiven Effekte, die sie haben könnte.

Doch zunächst ein Disclaimer

(Ich gebe zu, dass diese Sichtweise eine sehr persönliche ist. Ich war von Folmans letztem Film Waltz with Bashir und dessen Einsatz von Animation zur Visualisierung des Unfilmbaren enorm begeistert und ich bin ein ebenso begeisterter Leser Stanislaw Lems, auf dessen Roman Der futurologische Kongress Folmans The Congress basiert. Das Zusammentreffen von beiden verhieß also doppelt Gutes. Und entsprehend war ich vom Ergebnis dann doppelt enttäuscht. So sehr, dass ich mich auf Facebook zu einem Wutausbruch hinreißen ließ, weil ich mich von dem Film so verraten fühlte. Dieser Artikel bemüht sich, die ruhige und gefasste Version dieses Wutausbruchs zu sein.)

Literatur-Adaptionen sind ein Thema, über das Kritiker bis ans Ende der Zeit Debatten führen können und werden. Ich persönlich bin alles andere als ein Verteidiger von “werkgetreuen” Adaptionen, die im Endeffekt nicht mehr sind, als eine Bebilderung des geschriebenen Textes. Eine gute Adaption, so scheint inzwischen der kritische Konsens zu herrschen, muss dem Originalwerk “im Geiste” treu sein. Es muss die Essenz zum Beispiel des Romans erkennen und in ein neues Medium mit eigenen Gesetzen transportieren. Einige der besten Filmadaptionen der Geschichte, von Rebecca bis Blade Runner, adaptieren ihre Vorlage sehr frei, doch wenn man das Buch nach Ansicht des Films liest, sieht man, welchen Kern die Filmemacher darin erkannt und umgesetzt haben.

Ein beliebtes Mittel der Adaption unter gleichzeitiger Modernisierung eines vergangenen Textes ist gerade unter Filmemachern das Verlegen der Erzählung des Urtextes in ein anderes Erzähltes, mit dem Ziel, den “Kern” so noch besser herausarbeiten zu können. Emma im Teenagermilieu ergibt Clueless. Romeo and Juliet in New York, als Musical, ergibt West Side Story. The Congress steckt irgendwo dazwischen. Es entfernt sich inhaltlich streckenweise sehr weit von der Handlung des Romans Der futurologische Kongress, nähert sich ihm dann aber immer wieder in spezifischen Einzelheiten an.

Eine aktuellere Allegorie

Folman beschreibt in einem Interview im Presseheft zum Film genau diesen Prozess: “Ich […] löste mich weitgehend vom Originaltext, kam aber immer wieder darauf zurück. […] Ich finde der Geist des Romans ist sehr präsent im fertigen Film […].” Das ist der Punkt, an dem ich Folman zum ersten Mal nicht zustimme. Der Regisseur sagt weiter:

Ich suchte nach einer neuen, aktuelleren Allegorie für die kommunistische Ära, die das Buch beschreibt. Dei Diktatur aus dem Roman verwandelte sich während des Schreibprozesses in eine Diktatur innerhalb der Unterhaltungsindustrie, insbesondere der Filmindustrie, die von den großen Studios kontrolliert wird.

Stanislaw Lem hat in seiner literarischen Laufbahn so ziemlich alles mit seiner beißenden Satire aufgeschlitzt, was ihm vor’s Messer kam. Der futurologische Kongress ist nicht nur eine Parabel auf den Selbstbetrug der Menschen im Kommunismus und auf das Auseinanderklaffen von Utopie und Realität. Am Anfang des Romans zerschmettert Lems Sprache sowohl die Kongresskultur als solche, als auch deren Hilflosigkeit gegenüber den wachsenden Problemen einer Welt auf dem Weg in den Kollaps. Eine kleine Leseprobe.

Über dem Podium prangte eine bekränzte Tafel mit der Tagesordnung. Den ersten Punkt bildete die urbanistische Weltkatastrophe, den zweiten die ökologische, den dritten die atmosphörische, den vierten die energetische […]. Um das Beratungstempo zu steigern, mußte jeder die Referate selbständig vor der Sitzung durchstudieren; der Vortragende sprach ausschließlich in Ziffern, die auf Kernstücke seiner Arbeit verwiesen. […] Stanley Hazelton aus den USA schockierte sofort das Auditorium, denn er wiederholte nachträglich: 4, 6, 11 und somit 22; 5, 9, ego 22; 3, 7, 2, 11 und demzufolge wiederum 22!!! […] Ich suchte im Text seines Referats den Codeschlüssel und entnahm ihm, daß die Zahl die endgültige Katastrophe bezeichnete. (Übersetzung von Irmtraud Zimmermann-Göllheim)

Das Hauptaugenmerk des Romans jedoch liegt auf der (im Kommunismus anscheinend verbreiteten) Fähigkeit und Bereitwilligkeit der Menschen, sich selbst zu täuschen, um den Realitäten des Lebens nicht ins Auge sehen zu müssen. Und tatsächlich ist dies auch der Aspekt des Buches, der zumindest im Geiste unverändert auch in Folmans Film auftaucht, wenn er schließlich eine Welt beschreibt und zeigt, in der sich Menschen mit Hilfe von Chemikalien einer farbenfrohen Simulation hingeben, obwohl ihre Realität trübselig und grausam ist.

Für Nichts zu schade

Alles andere jedoch, was Ijon Tichys Erlebnisse ausmacht, zerstört Folman rigoros, indem er wie oben beschrieben die diktatorischen Prozesse, die der Roman aufs Korn nimmt, durch die unendlich viel plattere “Diktatur” der Unterhaltungsindustrie ersetzt. Folman ist sich dabei für Nichts zu schade. Den Höhepunkt bildet eine Szene, in dem ein zombiehaftes Publikum der geifernden Brandrede eines Entertainment-Demagogen lauscht, dessen Name “Reeve Bobs” lautet. Die “Amusing ourselves to death”-Karte zu ziehen ist eine Sache – auch wenn sie seit Mitte der 90er ihr Verfallsdatum überschritten hat – aber eine so direkte Namensparodie auf eine reale Persönlichkeit, egal was man von ihr halten mag, sollte unter der Würde eines Regisseurs wie Folman sein.

Doch weil Folman von seinem Gedanken der Umwandlung von kommunistischem Todesterror in hollywoodschen Spaßterror besessen scheint, fügt er der Handlung des Futurologischen Kongress eine komplette zweite Ebene hinzu, in der eine fiktionale Version der Schauspielerin Robin Wright sich nach Jahren der Erfolglosigkeit entscheidet, das Spielen aufzugeben und stattdessen das Angebot ihres Studios Miramount anzunehmen, eine digitale Version ihrer Persönlichkeit erstellen zu lassen, die ewig jung all die Rollen spielt, die Wright über die Jahre abgelehnt hat – insbesondere eine Laserpistolen schwingende Science-Fiction-Superheldin.

Am Thema vorbei

© Pandora Film

Folman beschreibt seine Motivation im Presseheft: “Seit Avatar muss sich jeder Filmemacher bewusst sein, dass die Schauspieler aus Fleisch und Blut, die unsere Phantasie seit Kindesbeinen beflügelt haben, durch computergenerierte 3D Figuren ersetzt werden können.”

Selbst wenn man, wie ich, der Meinung ist, dass Folmans Umdeutung von Lems Analogie nicht ganz stimmig ist, hätte es ja trotzdem noch sein können, dass ihm mit dem Film eine glänzende Satire auf das moderne Hollywood gelungen wäre. (Etwa so wie The Social Network die Essenz von Facebook verkennt, aber dennoch einen faszinierenden Thriller über Ego und die moderne Geschäftswelt abliefert.) Leider ist auch das nicht der Fall, denn Folman argumentiert an der tatsächlichen Situation vorbei, wie schon lange kein europäischer Arthouse-Regisseur mehr.

In seinem Buch Performing Illusions: Cinema, Special Effects and the Virtual Actor von 2008 schreibt Dan North:

The sophistication of a digital face able to convey facial expressions based on instinctive, even subconscious emotional communication rather than broad mimicry is at present far beyond the scope of any animator and is likely to remain so for many years. This is not to say that it will never be possible […], but we have to factor in the possibility that it might never happen, because it might never be necessary or desirable. At present, though, the state in which the synthespian is made manifest is one of fearful but fascinated mythology, rather than an inevitable path towards a future of artificial entertainers.
(S. 153, Hervorhebungen von mir)

Ganz hinten auf der Liste

Die Tatsache, dass die Digitalisierung Hollywood übernimmt, bringt viele Probleme mit sich, aber – Avatar hin oder her – das Ersetzen von Schauspielern durch willenlose, computergenerierte Versionen ihrer selbst, ist ganz sicher eines, das ganz ganz weit hinten auf der Liste steht. Nicht nur, weil es zum jetzigen Zeitpunkt unendlich viel billiger ist, einfach einen neuen Schauspieler zum Star aufzubauen, statt einen alten mit hunderten Animatoren künstlich am Leben zu erhalten, sondern weil auch hinter den Performances von Avatar Schauspieler standen, ohne deren Persönlichkeit und Handwerk der Film niemals funktioniert hätte. Wenn sich seit den Tagen von S1mone und Final Fantasy: The Spirits Within vor nunmehr über zehn Jahren, als das Thema “digitale Schauspieler” virulent war, eine Sache herausgestellt hat, dann, dass die Zuschauer genau auf das echte, menschliche Element nicht verzichten können und wollen.

Folman bestätigt, dass ihn genau das, was North “fearful mythology” nennt, angetrieben hat, wenn er schreibt, sein Film sei ein “Schrei nach Hilfe und eine tief empfeundene Sehnsucht nach dem Vergangenen, nach dem altmodischen Kino, wie wir es kennen und lieben.” Und das in einem Film, in dem er seine Hauptdarstellerin über weite Strecken durch eine animierte Figur ersetzt, um die “unglaubliche Freiheit, die [die Animation] der filmischen Interpretation lässt” ausnutzen zu können.

Ironisches Versagen

Genau darin liegt das ultimative und wohl auch zutiefst ironische Versagen von The Congress. Ein fähiger, wahrscheinlich hochintelligenter Filmemacher, bindet über Jahre hinweg die Fördergelder und kreativen Arbeitskräfte mehrerer Nationen (der zwischen fünf und sechs Millionen Euro teure Film ist eine Sechs-Länder-Produktion, allein in Deutschland hat er Gelder von Film und Medienstiftung NRW, DFFF, Medienboard Berlin-Brandenburg, Filmförderung HSH, FFA und ARD Degeto erhalten), um einen hochambitionierten, besserwisserischen Film über ein Problemthema zu machen, das keins ist.

Aber wie so oft in bestimmten Spielarten des kulturpessimistischen Kunstkinos, ist es ja auch viel einfacher, sich ein Problem herbeizufantasieren, das der eigenen Weltwahrnehmung entspricht, statt sich mit den tatsächlichen Problemen einmal wirklich zu beschäftigen. Und wenn das Ganze dann nicht einmal eine besondere poetische Qualität entwickeln kann, ist der Ofen einfach aus. Und Poesie entsteht in The Congress (ganz im Gegensatz zu Waltz with Bashir) aufgrund seiner Plattheit und Sentimentalität (einen Nebenhandlungsstrang über Robin Wrights wahrnehmungskranken Sohn habe ich hier ausgespart) leider nur sehr punktuell – etwa in der spektakulären Animationssequenz nach Wrights Erwachen in der Zukunft. Und so verfehlt das mäandernde Machwerk eines Mannes, dem zu viele Freiheiten gelassen wurden, nicht nur das Thema seiner Vorlage, sondern auch das Thema, dass es sich selbst als Ergänzung gewählt hat.


The Congress startet am 12. September in den deutschen Kinos.

Quotes of Quotes (XVI) – Jeffrey Katzenberg on Blockbusters in 1991

It seems that, like lemmings, we are all racing faster and faster into the sea, each of us trying to outrun and outspend and out-earn the other in a mad sprint toward the mirage of making the next blockbuster.
– Jeffrey Katzenberg, Some Thoughts on Our Business, 1991

I have started reading James B. Stewart’s book Disney War about the twenty years of Disney under Michael Eisner and I’m only 200 pages in, when Disney was at the height of its power with the success of The Beauty and the Beast still fresh and the Eisner-Wells-Katzenberg team still together.

The book does not dwell on the industry’s changing mechanisms during the late 80s, when the advent of home video and globalisation started turning the mechanisms of the business on its head. But it does quote extensively from Jeffrey Katzenberg’s infamous 1991 memo, which is now fully available online.

It’s hard not to see a direct line from Katzenberg’s words in 1991 – in which he goes on to say that “[i]f every major studio release must aspire to repeat the 1989 success of ‘Batman,’ then we will undoubtedly soon see the 1990’s equivalent of ‘Cleopatra,’ a film that was made in the hope of repeating the 1959 success of ‘Ben Hur.'” – to this summer’s speeches by Spielberg/Lucas and Soderbergh about ballooning marketing costs and a possible “implosion” of the business (which, despite a summer of flops, is unlikely to happen).

You can derive two possible conclusions from this: 1. Things “broke” in Hollywood long before the Noughties and what we’re experiencing at the moment are just the last ripples of a child that fell into a well long ago (to use a German expression that denotes a lost cause). 2. The “problem” of today is not really a problem, it’s just the way Hollywood works and there has always been some version of the same problem around.

Your choice.

Die Meriten der Pixar-Theorie und die Sehnsucht nach einem Gemeinsamen Universum

© Disney

Jon Negronis “Pixar Theory” sorgte vor gut anderthalb Monaten für einigen Aufruhr unter den Menschen, die im Internet über Film schreiben. Wer den ursprünglichen Post – oder eine seiner Visualisierungen – nicht gelesen hat, sollte das gerne jetzt tun (es lohnt sich). Die Kurzform ist, dass Negroni die Gesetzmäßigkeiten – etwa den Grad der Anthropomorphisierung – in den individuellen Pixar-Filmen mit den Easter Egg-Querverweisen kombiniert, welche die kreativen Köpfe von Pixar in jeden Film verstecken, um daraus eine völlig hanebüchene, aber in ihrer Schlüssigkeit bestechend logische Theorie abzuleiten. Diese besagt, dass alle Pixar-Filme im gleichen Universum, auf unterschiedlichen Punkten eines Zeitstrahls spielen, in dessen Verlauf diverse Mutationen die Welt verändert haben.

Kein Aufruhr ohne Gegenwehr. Die von mir sehr geschätzten Kollegen von “ANIch” und ihr Landsmann Owley schlugen in einem Posting deutlich genervte Töne anlässlich des Hypes um Negroni an. Real Virtuality ist außerdem mindestens ein weiterer deutschsprachiger Blogger namentlich bekannt, der bereits beim Erwähnen der Pixar Theory wütend wird.

Ein Hauch von Third-Person-Effekt

Ich will mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, doch in solchen Momenten weht ein Hauch von Third-Person-Effekt durch die Blogosphäre – die Angst, dass Andere, weniger Eingeweihte, das sorgfältig konstruierte Verschwörungskartenhaus für bare Münze nehmen könnten, und dass man folglich bis ans Ende seiner Tage auf Parties darauf angesprochen wird, sobald herauskommt, dass man was mit Film macht. Eine kurze Twittersuche zeigt, dass – wie bei einem guten Zaubertrick – das Gros des Pöbels sich jedoch eher vor der Konstruktion verneigt, sich höchstens wünscht, dass es stimme und von Anfang an geplant wurde.

Auch Nachahmer hat die Pixar Theory gefunden. Josh Butler veröffentlichte am vergangenen Sonntag die Disney-Theorie nach dem gleichen Prinzip, ging dabei aber schon weit weniger ernsthaft zur Sache (“[E]ither Bambi’s mother can travel through time or deer just have a similar look in the Disneyverse”).

Die Freude der Verschwörungstheorie

Hinter der Pixar Theory steckt (außer der Freude am Konstruieren einer absurden Verschwörungstheorie – die wie alle Verschwörungstheorien nur funktioniert, indem man riesige Gegen-Hinweise ignoriert und kleinste Details zu großen Beweisen hochjazzt) aber auch der Wunsch vieler Fans, egal wie fanatisch sie wirklich sind, ihre konsumierten Geschichten in einem großen Ganzen zu vereinen. Sei es, um ihren Seherfahrungen eine Gesamtkohärenz zu geben, oder um zumindest die winzige Möglichkeit offen zu lassen, dass ihre Lieblingscharaktere sich einmal im gleichen Universum begegnen könnten.

Eine grandiose, epische Parodie auf diesen Vereinigungswunsch bot vor kurzem eine “Parks and Recreation”-Folge in der Patton Oswalt seinen Plot für Star Wars Episode VII vorstellte, in dem unter anderem die Crew der Enterprise, die X-Men und der Infinity Gauntlet aus dem Marvel-Universum Platz finden. Und auf der diesjährigen ComicCon sah sich Grumpy Old Man Harrison Ford, gekommen um Ender’s Game zu promoten, zum x-ten Mal mit dem gleichen Phänomen konfrontiert, als ihn ein Fan am offenen Mikrofon fragte, was sich wohl Han Solo und Indiana Jones zu sagen hätten, würden sie sich treffen. Ford antwortete wortlos und irgendwo zwischen echter und gespielter Entnervtheit.

Lang erwartete Gipfeltreffen

Dabei sind wir wahrscheinlich so nah dran, diese Frage zu beantworten, wie noch nie. Denn die Medienlandschaft hat begonnen, sich von einfachen TV-Crossovers aus den Zeiten von “General Hospital” zu verabschieden, und komplexere Standoffs zu inszenieren. Das Marvel Cinematic Universe und dort insbesondere der erste Gipfeltreffen-Film The Avengers bot genau das, worauf Fans seit Jahren warten, und zum Teil auch genau deswegen. “Wir wollen doch alle wissen, was passiert, wenn Thors Hammer auf Captain Americas Schild trifft“, lautete das Diktum. Also wurde eine Szene in den Film eingeflochten, in der genau das passiert. Nicht zur Zufriedenheit aller, natürlich.

DC bemüht sich nun, sein eigenes Verse endlich auf die große Leinwand zu bringen und lässt 2015 direkt ihre beiden Titanen, Batman und Superman, in einem Film aufeinandertreffen – wahrscheinlich der größte Geek-Gipfel seit Star Trek: Generations. Schon gehen die Spekulationen los, ob die DC-Serie “The Arrow” sich eventuell in das Man of Steel-Universum integrieren lässt. Und Bryan Singer orchestriert für Fox den größten Retcon der Kinogeschichte, wenn er in X-Men: Days of Future Past die jungen und alten Versionen der X-Men durch die Zeit reisen lässt, mit dem erklärten Ziel, Bret Ratners X-Men: The Last Stand ungeschehen zu machen.

Disney spielt uns in die Hände

Wenn man ehrlich ist, ist die Walt Disney Company gar nicht so weit davon entfernt, den Pixar- und Disney-Theorien indirekt in die Hände zu spielen. In den Disney-Parks bewohnen die Figuren längst ein für sie konstruiertes Universum (der geplante “Magic Kingdom”-Film scheint derzeit wieder im Schrank verschwunden zu sein) und Konzepte wie das jüngste Videospiel-Unternehmen Disney Infinity laden ebenfalls dazu ein, die Schöpfungen von hunderten unterschiedlichen Individuen, die jedoch seit 90 Jahren unter einem Markennamen veröffentlicht werden, als Bewohner eines gemeinsamen Weltanschauungs-Universums zu begreifen.

Wir sehnen uns also einerseits nach Einheitlichkeit, Ordnung, klaren Regeln und Autorität (schließlich könnten wir uns das Aufeinandertreffen unserer Helden ja auch einfach in einer Fanfic selber überlegen und wissen über die zu bedenkenden Faktoren wahrscheinlich deutlich mehr als der Schauspieler, der sie vor dreißig Jahren gespielt hat), andererseits nach der Möglichkeit zur endlosen Spekulation und Ausgestaltung. Moderne Story- und Markenuniversen, die in ihrer Konzeption inzwischen manchmal vor dem ersten Drehbuch stehen geben uns genau das. Ist es da nachvollziehbar, dass in dem ein oder anderen der Wunsch erwacht, die gleiche Perfektion auch älteren Entitäten überzustülpen? Dahinter steckt schließlich nur der Drang, die Fiktion genauso kohärent zu gestalten wie die Realität.


Ich würde gerne mal verschiedene Spielberg-Filme ineinanderfalten und einen greisen Indiana Jones in den Jurassic Park schicken, oder nach seinen Erfahrungen in Crystal Skull als Experte in Close Encounters auftauchen sehen. Was denkt ihr, welche Filmografien eignen sich noch dazu, in einem gemeinsamen Universum vereinigt zu werden?

Blogosphären-Hinweis (III): Die “B-Roll” von kino-zeit.de

Ich hatte auf dem Filmbloggertreffen in Berlin das Vergnügen, Joachim Kurz von kino-zeit.de kennenzulernen. Was mich irgendwie am meisten gefreut hat, ist, dass er von der kleinen aber feinen Seite, die er betreibt, leben kann. Da soll noch mal einer sagen, mit Journalismus im Internet sei kein Geld zu verdienen.

Zu großen Teilen bietet kino-zeit.de das, was ein Filmportal nunmal bieten muss: Kritiken zu Kinostarts und Heimvideo-Releases, die wichtigsten News und Serviceangebote zum Kinobesuch. All diese Angebote nutze ich – aus unterschiedlichen Gründen – nicht und kann sie deswegen auch nicht beurteilen. Allerdings hat kino-zeit.de auch ein paar Schmankerl zu bieten, und seit kurzem hat die Seite all diese Schmankerl auf einem Feed konsolidiert.

Unter dem Titel “B-Roll” sammelt die Redaktion alles, “was uns bei unserer tagtäglichen Arbeit so begegnet, was wir bemerkenswert und spannend finden, manchmal auch einfach nur unterhaltsam oder witzig” – mit anderen Worten: Genau das, was ich gerne lese.

Das Sahnehäubchen der “B-Roll” aber sind die Kolumnen (die vorher noch in den “News” versteckt waren). Immer Donnerstags gibt es einen längeren Nachdenktext von einem von vier AutorInnen zu einem Thema, das ihn oder sie gerade umtreibt. Joachim schreibt in “Bewegliche Ziele” über das Kritikerdasein, Beatrice Behn entdeckt in “Unknown Treasures” Abseitiges, Rochus Wolffs “Sitzplatzerhöhung” widmet sich dem Kinderfilm und Nilz Bokelberg teilt seine “Couchgedanken”. Der Ton reicht von unterhaltsam bis nachdenklich, lesens- und teilenswert ist das Ergebnis aber immer. Und Blogosphären-übergreifend ist es auch noch. Besser geht’s nicht.

Hier geht’s zur B-Roll von kino-zeit.de

“Mexiko Real” – Bernal, Reygadas, Escalante und mehr im Interview

ZDF/Thilo Stock

“Mexiko Real” heißt unsere kurze aber feine Filmreihe bei 3sat diese Woche. Neben dem rohen Mittendrin-Dokumentarfilm Mitote von Eugenio Polgovsky, der das Treiben auf dem Zócalo vor dem Eröffnungsspiel der WM 2010 einfängt, zeigen wir die Filme La Misma Luna und La Zona, die sich jeweils mit Immigration und sozialer Ungerechtigkeit beschäftigen, sowie – als deutsche TV-Premiere – das Thrillerdrama El Traspatio (unter seinem etwas reißerischen deutschen DVD-Titel Das Paradies der Mörder).

Mein persönlicher Höhepunkt ist aber der Eröffnungstanz der Reihe, eine “Kennwort Kino”-Doku, die so heißt wie die Reihe und für die mein Kollege Maik Platzen (der ja dieses Jahr auch schon David Cronenberg treffen durfte, wie ich natürlich völlig ohne Neid bemerke *gnarf*) eine Woche in Mexiko unterwegs war, um dort mit vielen interessanten aktuellen Akteuren des mexikanischen Kinos zu sprechen.

Und weil von einem so langen Dreh am Ende immer nur ein kleiner Fetzen tatsächlich im Fernsehen landen kann, haben wir auch diesmal wieder keine Kosten und Mühen gescheut und insgesamt fünf vollständige Interviews online gestellt. Gael Garcia Bernal spricht über seine Karriere und das “Ambulante”-Dokfilmfestival, das er mitbegründet hat. Carlos Reygadas, der selten Interviews gibt, erzählt unter anderem von seinem jüngsten Kunstwerk Post Tenebras Lux. Amat Escalante, der mit Heli dieses Jahr nicht nur in Cannes Preise gewonnen hat, kommt ebenso zu Wort wie Laura Santullo, Drehbuchautorin von La Zona. Ergänzend gibt es ein Interview, das in der Doku gar nicht auftaucht, mit Paula Astorga, der Direktorin der “Cineteca Nacional”.

“Mexiko Real” startet am Dienstag, 20. August, mit der gleichnamigen “Kennwort Kino”-Sendung, die anschließend auch in der Mediathek abrufbar sein wird, ebenso wie der Auftaktfilm Mitote. Die Interviews sind bereits jetzt online.