Ich versuche ja, den Podcast-Markt als Ganzes im Blick zu behalten, was mir nicht mal im Ansatz gelingt. Aber immer mal wieder fallen mir doch Dinge auf. Dazu gehört, dass Podcasts, die ja vergleichsweise schnell und einfach zu produzieren sind, immer öfter auch als Annex- oder Bonusmaterial zu anderen Medien entstehen. Auch zu Büchern.
Da das hier nur ein Blog ist, habe ich mich zum Thema nicht auf eine Recherche-Reise begeben. Ich habe nur drei Beispiele aus den vergangenen Jahren zusammengetragen, die im Grunde Ähnliches machen, aber doch etwas anders vorgehen. Diese drei Beispiele will ich hier vorstellen.
Der Podcast als Audiokommentar: From a Certain Point of View
Ich lese sonst keine Star Wars Fiktion, aber diese jeweils zum 40. Jubiläum der ursprünglichen Filme erschienenen Bücher haben mir viel Spaß gemacht. In jedem Buch finden sich 40 Kurzgeschichten, die den Hintergrundcharakteren aus den Filme eigene Backstories geben. Diese Handlungsstränge berühren dann irgendwann die bekannte Haupthandlung und geben ihr neuen Kontext, was meine Vorliebe für Netzwerk-Narrative (aka Drumherumerzählen) und Worldbuilding bedient. Außerdem bekommt man jedes Mal einen guten Überblick darüber, welche Autor:innen gerade in der US-Phantastik-Szene aktiv sind.
Zum zweiten Buch, anlässlich des 40. Jubiläums von The Empire Strikes Back 2020, veröffentlichte der Verlag Del Rey auch einen Podcast mit dem Untertitel “Author Commentary”. Die Herausgeber des Buchs unterhalten sich darin in 40 Folgen jeweils 10-15 Minuten lang mit den Autor:innen der Kurzgeschichten. Sie lassen sie (in teilweise gruseliger Audioqualität) erzählen, wie sie ihre Geschichte ausgewählt und geschrieben haben und was ihnen dabei wichtig war. Das ist Bonusmaterial im klassischen Sinne und als Fan von Audiokommentaren fand ich es sehr bereichernd – unter anderem, weil man eben genau diese Auslese an Autor:innen dadurch auch besser kennenlernt.
Anscheinend war das Projekt (das ein wenig typische Pandemie-Podcast-Energie hatte) nicht erfolgreich genug, denn zum gerade erschienenen dritten Band der Reihe gibt es keinen “Author Commentary”. Aber gerade für Buchprojekte mit mehreren Autor:innen finde ich diese Art von Hintergrund-Podcast eine lohnenswerte Idee.
Das Buch im Podcast weiterdenken: Female Choice
Meike Stoverock kenne ich über Social Media. Ihr Buch Female Choice (2021), das eine Verbindung zwischen Biologie und Feminismus knüpft, habe ich nicht gelesen, aber ich habe den Podcast dazu wahrgenommen, weil ich auch hier die Idee gut fand, ein abgeschlossenes Werk durch ergänzendes Material zu öffnen.
Zu Female Choice gibt es sechs Podcast-Folgen, in denen die Autorin gemeinsam mit einer Moderatorin und jeweils einem Gast zentrale Ideen ihres Buchs in einem etwa 45-minütigen Gespräch weiterdenkt. Zu Gast sind etwa ein Evolutionsbiologe, eine Archäologin und die feminstische Theologin Antje Schrupp.
Ich finde die Idee hinter dem Podcast gut, dass das Thema größer ist als das Buch. Die Podcasts fungieren damit gleichzeitig als Content Marketing für das Buch und als Öffnung des abgeschlossenen Buchs in einen größeren Diskurs. Statt immer nur die Autor:innen in andere Podcasts und Talkshows einzuladen, könnten diesen Weg meiner Ansicht nach viel mehr Sachbücher gehen.
Der Podcast als Buzz-Generator: Going Infinite
Das dritte Beispiel ist sehr aktuell. Es war in den letzten Monaten im Podcastfeed von Michael Lewis’ Podcast Against The Rules zu hören und passt perfekt zu den fortschreitenden Bemühungen des Podcast Labels Pushin Industries, Podcasts und Sachbücher miteinander zu verschmelzen. Denn viele Pushkin-Podcasts könnten in Textform auch Sachbücher sein, nicht zuletzt Against the Rules selbst, in dem sich der versierte Sachbuchautor Lewis (Moneyball, The Big Short) erstmals am Podcast versuchte und anscheinend Gefallen fand.
Denn als Vorbereitung zu seinem neuen, Anfang Oktober erschienenen Buch Going Infinite: The Rise and Fall of a New Tycoon über den FTX-Chef Sam Bankman-Fried entschied sich Lewis, Hintergrundgespräche, die er für sein Buch (angeblich) ohnehin führen würde, einfach öffentlich im Podcast zu führen.
Wie Lewis es ausdrückt, dienen diese Gespräche Sachbuch-Autor:innen normalerweise dazu, sich allgemein in Themen einzuarbeiten. Sie tauchen dann nicht als Zitate im Buch auf, sondern vermitteln nur allgemeinen Kontext und geben vielleicht Hinweise darauf, in welche Aspekte sich der/die Autor:in noch einmal tiefer reinbuddeln könnte. Lewis macht also (erneut: angeblich, denn so ganz glaube ich nicht dran) einen Teil seines Rechercheprozesses öffentlich und “primed” damit gleichzeitig sein Publikum dafür, am Ende richtig dolle Lust auf das Buch zu haben. Für eine Crossmedia-Marketingkampagne immerhin eine gute Idee. (Hat bei mir zum Glück nicht verfangen, ich denke nicht, dass ich es lesen werde, aber die Interviews waren interessant.)
Auf jeden Fall eine gute Idee für Autor:innen, die eventuell schon anderswo eine gewisse Gefolgschaft, wie etwa einen Podcast-Feed mit mehreren Tausend Abonnenten, haben, Nicht nur auf das Buch hinweisen, sondern aktiv das Thema vorher schon interessant machen.
In diesem spezifischen Fall bildet das Buch übrigens das zentrale Element in einer Art Triptychon, denn es erschien auf den Punkt zum Beginn des Prozesses gegen Sam Bankman-Fried, der aktuell im Podcast-Feed mit mehreren Folgen pro Woche begleitet wird.
Ich finde, die drei Beispiele zeigen, dass Podcasts als Buch-Erweiterung auf ganz verschiedene Weise eine echte Option sein können, wenn man nicht nur einen Hang zum Schreiben, sondern auch zum Sprechen hat. Wenn euch noch mehr Beispiele einfallen, schreibt sie gerne in die Kommentare, ich finde das ganze Thema sehr spannend. Und wenn ihr ein Buch in der Pipeline habt und darüber nachdenkt, dass man ja einen Podcast dazu machen könnte (und ihr nicht wisst, wohin mit eurem üppigen Marketingbudget) – meldet euch.
Titelbild: “a podcast player sits on top of a book on a wooden table in a sun-drenched room”, Craiyon
(Dieser Text ist eine Minimaladaption des Skripts, das ich für die aktuelle Folge des Podcasts “LÄUFT” geschrieben habe, den ich für epd medien und Grimme-Institut produziere. Ihr könnt diese Kritik – mit den entsprechenden Ausschnitten – also auch hören.)
Hat euch schon mal jemand eine Serie empfohlen mit Worten wie “Durch die ersten Folgen musst du dich etwas durchbeißen, aber dann wird es doch noch ganz gut?” So fühle ich mich ein bisschen mit Hitze, dem neuen Podcast aus dem Hause TRZ Media, bekannt durch Boys Clubüber den Springer Verlag, und coproduziert mit dem RBB. Ich kämpfe noch damit.
Es geht in Hitze um die “Letzte Generation”, die umweltaktivistische Gruppierung, über die spätestens seit einem Jahr bundesweit heftig diskutiert wird. Bevor ich tiefer in die Kritik einsteige, so fängt der Trailer an:
Daphne Ivana Sagner: Die letzte Generation stört. Sie ist eine der umstrittensten Protestgruppen, die es momentan in Deutschland gibt. Mit ihrem Protest rückt die Gruppe in den Brennpunkt der Debatten über Verantwortung und Klimakrise. Darüber, was getan werden muss und was lieber gelassen werden sollte. Und wir begeben uns genau in diesen Brennpunkt.
O-Ton-Collage: “Hey Daphne, sorry für die späte Rückmeldung. Mir geht es gerade so mittelprächtig irgendwie.” – “Man opfert sich da tatsächlich auf.” – “Das war so unvorstellbar für mich, dass durch diesen politischen Protest jemand mein Leben bedroht.” – “Also bei der Vorstellung irgendwie wieder in so einer Zelle eingesperrt zu sein, schnürt sich bei mir der Magen zu.” – “Boah, das machen wir eigentlich? Säen wir gerade einfach Hass?”
Daphne Ivana Sagner: Ich bin Daphne-Ivana Sagner, Reporterin aus Hamburg. Für den neuen Podcast Hitze von TRZ Media und RBB habe ich gemeinsam mit der Klima-Journalistin Céline Weimar-Dittmar recherchiert und die letzte Generation für ein halbes Jahr begleitet. Wir schauen uns an, wie so ein Leben im Kampf ums Klima funktioniert und was es mit allen Beteiligten macht.
Ich gebe zu: Ich habe sie selbst schon gestellt, aber die Frage “Was macht das mit Ihnen?” oder “… mit uns?” gilt inzwischen als eine der nervigsten Fragen im Journalismus überhaupt. In Hitze wird sie immer wieder direkt oder indirekt gestellt, zusammen mit ihrer Kusine “Ist es das wert?” Das Problem für mich: Ich finde, die Frage wird kaum beantwortet. Sie wird wenig eingeordnet. Es scheint über die Fragen hinaus keine echte These zu geben, mit der die Autorinnen Daphne Ivana Sagner und Céline Weimar-Dittmar ihre Recherche vorstellen möchten.
Ein Thema in einzelnen Aspekten
Es gibt einen Trend in aktuellen Storytelling-Podcasts, Recherchen nicht mehr linear zu erzählen. Also von Anfang bis Ende, wenn auch natürlich mit einer Dramaturgie, die bestimmte Informationen erst an strategischen Punkten offenlegt, um bestimmte Wendungen in der Geschichte interessanter zu machen.
Stattdessen wird das Thema in einzelne Aspekte zerlegt. Jede Folge blickt dann durch diese bestimmte Brille auf das Phänomen im Zentrum. Ich kann nicht sagen, ob das eine Verkaufs-Strategie ist, weil dadurch einzelne Podcastfolgen auch isoliert leichter zu hören und zu teilen sind. Ob die Recherche sich so besser strukturieren lässt. Oder ob es schlicht nicht immer eine lineare Geschichte gibt, die sich von Anfang bis Ende erzählen lässt. Manche Sachverhalte entziehen sich unserem Bedürfnis nach “Storytelling” ja auch einfach. Diese Strategie kann sehr gut funktionieren. Der viel gepriesene Podcast The Retrievals von Serial Productions aus diesem Sommer arbeitet zum Beispiel so. Und Hitze eben auch.
Die erste Folge, zum Beispiel, heißt “Zuhause”. Sie stellt zwei Menschen vor, die sich der “Letzten Generation” angeschlossen haben. Sie schildert, dass das nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch ihr Umfeld in Mitleidenschaft gezogen hat. Eine Hausdurchsuchung beim Vater eines Mitglieds. Eine Tochter, die Weihnachten im Gefängnis verbringen muss. Und am Ende der Folge, in Bezug auf die Aussage einer Aktivistin in einem Video – dies:
Da ist eine junge Frau – wahrscheinlich mein Alter – Und die setzt sich freiwillig dieser massiven Gewalt aus. Was bedeutet es, wenn man alles aufgibt für eine Sache, für die man so sehr brennt. Wenn man seine Gesundheit, Beziehungen zur Familie und zu Freund*innen aufs Spiel setzt – wenn man so viel Hass auslöst und abbekommt? Was muss man wirklich opfern, um die Zukunft zu sichern? Und ist es das wirklich wert?
Ja, was? Was muss man dafür opfern? Ist es das wert? Die Folge hat diese Fragen jedenfalls nicht beantwortet. Nach bisher vier veröffentlichten von sechs angekündigten Episoden ist es nach wie vor unklar, ob sie noch beantwortet werden. Aber: wenigstens den Versuch einer Antwort – durch die Recherche, durch die Auseinandersetzung mit dem Thema – wünsche ich mir als Hörer nach wie vor.
Doch ich habe ja schon gesagt: Es wird besser. Die Reportage-Elemente von Hitze, die gleichzeitig erklärend versuchen, die zentrale Strategie der “Letzten Generation” aufzudröseln, haben ihren Reiz. In Folge zwei, Titel: “In den Medien”, sind die Reporterinnen bei einer Aktion in Berlin direkt dabei und fangen erst die höfliche Interaktion mit der Polizei vor Ort ein, dann die etwas enttäuschte Reaktion der Aktivist:innen direkt im Anschluss, und schließlich das enorme mediale Echo in den Tagen darauf. Ein überraschender Kontrast.
Folge drei präsentiert das juristische Vorgehen der “Letzten Generation”. Wie sie immer wieder ganz gezielt versuchen, überforderte Richterinnen und Richter davon zu überzeugen, dass ihre Aktionen aufgrund der Bedrohung durch eine bevorstehende Klimakatastrophe gerechtfertigt sind. Folge vier beschreibt eindrücklich die an Sekten erinnernde Rekrutierungsstrategie der Bewegung, die sehr stark mit Emotionalisierung arbeitet, und mit einer gruseligen Direktive: Mitglieder sollen der aktvistischen Arbeit alle anderen Lebensprioritäten unterordnen.
Tiefe und Flachheit
Diese erklärenden Teile des Podcasts sind faszinierend und erhellend. Sie bieten tatsächlich einen Blick auf die “Letzte Generation”, der anders und näher dran ist als die übliche Berichterstattung.
Leider wechseln sich diese analytischen Reportage-Elemente immer wieder ab mit Sprecherinnentext, in denen jede Tiefe prompt wieder verloren geht. Der Tonfall erinnert mich an die jungen Reportage-Formate der ARD auf YouTube, die ja auch immer wieder in der Kritik stehen, weil sie sich so oft auf den Blickwinkel ihrer Reporter:innen-Hosts beschränken und größere Einordnungen vermissen lassen, die es häufig bereits gibt. Es reicht eben nicht, daneben zu stehen, und im Grunde zu sagen, dass das alles schon irgendwie ziemlich krass ist.
Hier ist ein Beispiel vom Ende der zweiten Folge, in der es wie erwähnt um die mediale Strategie und die Wirkung der “Letzten Generation” in der Öffentlichkeit geht:
Wie wir über sie reden, wie wir mit ihnen umgehen, das sagt vielleicht mehr über uns aus, als über sie. Und vielleicht können sie auch nur deshalb so eine extreme Ablehnung hervorrufen – eben weil sie einen wunden Punkt treffen. Ok, das klingt vielleicht erstmal nach einer gewagten These, aber ich finde da ist was dran: Natürlich nervt es, wenn du wegen einer Klebeaktion stundenlang im Stau stehst. Besonders, wenn du zu spät zu einem wichtigen Termin kommst. Aber es ist schon besonders, dass die Straßenblockaden so viel Wut auslösen. (Folge 2, S. 13)
Hier ist eine gewagte These von mir: Wenn man selbst dazu sagen muss, dass etwas eine “gewagte These” ist, ist die These vermutlich nicht so gewagt. Zu erkennen, dass die Aktionen der “Letzten Generation” deswegen so provozieren, weil sie unser eigenes schlechtes Gewissen berühren, sollte eigentlich der Beginn eines Denkprozesses sein, nicht bereits dessen Schlussfolgerung. Was folgt daraus? Das möchte ich wissen.
Mag sein, dass hier in den zwei verbleibenden Folgen noch mehr nachgeliefert wird. Einige O-Töne und vorausschauende Sätze, die zwischendurch schon zu hören waren, deuten das an. In der jüngsten Folge zeigen die Autorinnen erstmals eine klare Haltung. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn die Erkenntnis am Ende dennoch eher oberflächlich bleibt.
Zugegeben: Bisher war jede neue Folge besser als die vorhergehenden. Die Erfahrung lehrt aber: Serien, bei denen die ersten paar Folgen schon deutliche Schwächen haben, werden manchmal noch ganz okay. Plötzlich noch richtig gut werden sie aber selten.
Eine kleine Übersicht über vier Podcast-Entwicklungen, die mit mir zu tun haben.
Zu Gast bei Cuts
Den Podcast Cuts – Der kritische Filmpodcast verfolge ich, seit er noch Shots hieß und bei detektor.fm lief. Ich gehöre nicht zum tiefsten Patron-Kreis, der zwölftstündige Specials zum Gesamtwerk von Regisseur:innen hören möchte, aber ich applaudiere und empfehle bei jeder Gelegenheit Christian Eichlers Projekt, das sich von einem Filmpodcast mit kritischem Ansatz zu einer erfolgreichen Community gemausert hat, in der auch immer wieder verschiedene andere Podcaster zu Gast sind.
Nachdem in den letzten Jahren meine drei Kulturindustrie-Kolleg:innen Lucas, Sascha und Mihaela schon mehrfach bei Cuts zu Gast waren, habe ich es jetzt endlich auch geschafft. Zusammen mit Christian und Louis Derfert sprechen wir über die Meriten und Probleme von Across the Spiderverse.
Kulturindustrie im freieren Flow
Wir waren bei Kulturindustrie Anfang des Jahres alle ein bisschen gestresst. Uns jeden Monat auf drei Themen zu einigen, die wir besprechen wollen und sie dann auch noch alle vorzubereiten, wurde einigen von uns (unter anderem mir) langsam ein bisschen zu viel. Alle hatten wir aber weiterhin Lust zu podcasten, deswegen entschieden wir uns, ein neues Konzept auszuprobieren.
Seit der Februar-Ausgabe einigen wir uns fest nur noch auf ein Thema pro Folge, das wir länger besprechen. Anschließend schauen wir aber immer noch, was uns weiter so durch den Kopf geht, was vielleicht auch mehrere von uns gesehen haben. Wir stellen uns gegenseitig Fragen und unterhalten uns einfach ein bisschen. Etwas mehr Laberpodcast, aber dafür auch wieder etwas mehr Spaß für alle bei diesem seit sechs Jahren bestehenden reinen Freizeitprojekt. Ich bin mit der neuen Iteration sehr zufrieden. In der jüngsten Folge hat es dann auch wirklich nur für ein Thema (Beau is Afraid) gereicht, aber das war auch okay. Ende des Monats sprechen wir über Asteroid City, Across the Spider-Verse, Peter Fox’ Album Lovesongs, die neue Staffel Black Mirror und mehr.
LÄUFT häutet sich ein wenig
Das Magazin-Format, mit dem Läuft gestartet ist, war in den vergangenen Ausgaben ein wenig an seine Grenzen gestoßen. Für Hörer:innen bedeutet es ein großes Commitment, sich an einen Podcast zu binden, der nur das vage Versprechen machen kann, jede zweite Woche über ein latent aktuelles Thema und latent aktuelle Programme zu sprechen. Im Redaktionsteam hatten wir schon länger darüber diskutiert, das Grundkonzept etwas zu verschieben.
Mit der letzten Ausgabe hat es sich dann ein wenig von selbst ergeben. Die Kritik musste ausfallen, da das Interview kurzfristig nicht stattfinden konnte. So hatten wir am Ende doch nur ein Gespräch mit einem prominenten Programm-Kritiker (Georg Restle) und am Ende eine Kurzkritik von mir über die Sendung, die wir eigentlich im Dialog besprechen wollten. Nun hatte die Folge einen klareren Fokus und etwas mehr “Fleisch” am Interview – ein Ergebnis, bei dem wir feststellten, das es uns gefiel. Künftig bleiben wir bei dem Format. Ein fokussiertes Thema im Interview und ein kleines bisschen mehr Kritiker-Personality von mir. Ich freue mich drauf.
Lexpod mit Retro-Content (more to come)
Letztes Jahr habe ich den Feed meines pausierten Lexpod wiederentdeckt, um dort gelegentlich Content zu veröffentlichen, den ich lieber in Audio als schriftlich produzieren möchte. Nach dem Mitschnitt vom TXT-Panel letztes Jahr und dem Interview mit Max Ost habe ich dort erneut etwas veröffentlicht, das allerdings noch nischiger ist als meine sonstigen Aktivitäten.
In meinem Scanner-Artikel hatte ich erwähnt, dass ich schon 2010 einen journalistischen Podcast produziert, diesen aber nie außerhalb meines Blogs veröffentlicht habe, obwohl er sogar ein Interview mit dem Avatar Editor Stephen Rivkin enthält. Im Lexpod-Feed hat das ganze Ding, was ich zum eDIT Filmmaker’s Festival 2010 aufgenommen hatte, jetzt ein Zuhause, mit einem neuen, kurzen Intro von mir, in dem ich mich ein wenig über mein 28-jähriges Ich lustig mache.
In Zukunft würde ich den Lexpod gerne öfter – also alle paar Monate – für längere Interviews wie mit Max nutzen. Eins habe ich schon recht fest, ein anderes eher lose verabredet. Abonnieren könnte sich also lohnen.
Titelbild: Mit zwei Kopfhörern hört es sich besser (Midjourney/Alexander Matzkeit)
Im #Podcapril habe ich (wie im letzten Jahr auch) einen Monat lang in neue Podcasts reingehört, die mir an verschiedenen Orten empfohlen wurden, um meinen Horizont zu erweitern und mir konzentriert einen unsortierten Überblick zu geben. Ein paar allgemeine Gedanken habe ich schon aufgeschrieben. Dies ist die Extrapolation meines Twitter-Threads aus Höreindrücken. Ich habe von jedem Podcast nur eine Folge gehört – diese kurzen Eindrücke als echte Rezensionen zu verstehen, wäre also unfair und würde zu kurz greifen.
1plus1 – Heinz Strunk und Cathy Hummels / Das Konzept ist genial und auch wirklich neu, aber wenn es beinhaltet, dass ich zwei Personen zuhören muss, die ich nicht sympathisch finde, steige ich auch aus und habe keine Lust, weiterzuhören.
1 auf die Ohren – Sido / Gleicher Fall. Eigentlich eine clevere Idee, bei Quizshows rate ich immer gerne mit, aber ich war froh diesen Menschen irgendwann nicht mehr zuhören zu müssen.
The Prince #1 / Erwartungsgemäß sehr gut. Würde ich sofort weiterhören. Aber auch: Die Kombi aus chinesischen und australischen Akzenten mit chinesischen Worteinsprengseln und Namen verlangt einem eine hohe Konzentration ab.
Außer Tresen nichts gewesen #1 / Ich bin überrascht. Von allen “Leute labern über alles und nichts”-Podcasts, in die ich reingehört habe, spricht mich dieser hier mehr an als gewohnt. Muss am Alter liegen. So wirklich Lust, weiterzuhören habe ich trotzdem nicht.
The Town – Video Games / Eigentlich sollte mich diese Art von Filmindustrie-Insidertalk total interessieren, aber obwohl ich den Inhalt tatsächlich ganz spannend fand, geht mir der ganze Swagger dieser Analysten-Typen tierisch auf den Keks.
My Mother Made Me – I can do anything / Personal-Essay-As-Podcast, immer gern gesehen, aber der Tonfall ist nicht meiner und für daa Thema bin gerade nicht empfänglich.
Too Many Tabs – Wachs-Hitler/Toilettengeist / Ja, das würde ich öfter hören, wenn die Zeit es erlaubt. Die Low-Key-Witzigkeit gepaart mit Trivia-Geschichten. Gutes Format, sympathische Menschen. Werde ich mal abonnieren.
Ehrenwort – Graf-Affäre / Variation des Formats, in dem ein Host dem anderen etwas erzählt und dieser darauf reagiert, dadurch lehrreich und unterhaltsam, aber halt auch nicht wirklich anders als „Geschichten aus der Geschichte“ mit Themenfokus. Zeigt aber auch, wie ergiebig die Formatidee ist.
Parlamentsrevue#18 / Wertvolles Format, echter Citizen Journalism, auch Einiges gelernt, wäre mir aber auf Dauer zu kleinteilig und zu ausführlich. Und ich merke: Bei solchen Themen höre ich – allerdings eher aus Effizienz-Gründen – immer noch lieber Expert:innen zu, als selbst-benannten Nicht-Expert:innen.
Edgar Wallace Seine Nachbarn / Ein Eintrag aus dem beliebten Genre “Sehr detailliert nacherzählen und dabei semi-qualifiziert abnerden” – deswegen aber wohl auch nur für Nerds und Kumpels interessant. Ich kenne die Filme ja nur aus “Otto – Die Serie“, Ältere erinnern sich.
Imaginary Advice – The True Crime of Your Frozen Death / Ein fantastisches Experiment mit internationalem Audio-Storytelling. So abgestimmt, dass man sie auch versteht, wenn man die Sprache nicht spricht. Sollte jeder mal hören! Chapeau!
Japan Podcast – Essen gehen / Service-Journalismus als Podcast. Lehrreich und sympathisch. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen.
Suchverlaufen – Flix / Ein fröhliches Interview mit einem sehr reflektierten Menschen. Leider kam mir der Aspekt „Recherche“ aus dem Podcast-Titel doch deutlich zu kurz.
Geld ganz einfach – Vier Töpfe / Gute, freundliche Ansprache und einleuchtend erklärt. Habe mir selbst auf die Schulter geklopft, weil ich meine Finanzen im Wesentlichen schon so manage. Vielleicht vom Sparkonto mal ein neues Mikro kaufen.
Whovians Assemble #4 – Eventuell mögen Dr.-Who-Fans mit ihrer ultralangen komplexen Serie es enzyklopädisch. Mir war es zu viel Auf- und Nacherzählung, zu wenig Interpretation oder Kommentar.
Futur II – Barbarella/Ice Pirates / Die zwei total netten Hosts retten dieses Format und machen es irgendwie unterhaltsam, obwohl es ebenfalls fast ausschließlich aus Nacherzählungen besteht. Ich hatte in diesem Fall beide Filme nicht gesehen, und habe sie so kennengelernt – kann also nicht sagen, ob ich es auch gut gefunden hätte, wenn ich die Filme gekannt hätte.
Niemand wird verurteilt #5 / Ich finde das Konzept nett und einleuchtend – im Grunde eine Call-In-Show gepaart mit Paargesprächen – aber mir sind die beiden Sprechenden dennoch nicht nah genug, als dass ich über den reinen Voyeurismus hinaus übermäßig Lust hätte, ihnen länger zuzuhören.
Der PodcastPodcast #1 / Hurra, freu mich , dass es dieses Format gibt und bin gespannt, was noch alles kommt.
Klenk und Reiter #12 / Ob ich dieses morbide Rumwitzeln so wirklich gut finde, weiß ich nicht, aber an sich treffen sich hier ein guter Moderator und ein guter Geschichtenerzähler – und ich weiß nicht, wie oft ich noch “lehrreich und unterhaltsam” schreiben kann.
Bosettis Woche #40 mit Jürgen Becker / Charmanter Wochenrückblicks-Podcast aus der Kategorie “öffentlich-rechtlich aber locker”, der mich deswegen in meiner zunehmenden Boomerisierung gut abholt. Könnte ich regelmäßig hören, wenn mein Wochenende nicht mit anderen Podcasts schon so voll wäre. Auf jeden Fall lohnenswert, würde ich auch weiterempfehlen.
Der Bobcast – Aztekenschwert / Hab gedacht, dass ich mich hier als Niemals-???-Hörer durchkämpfen muss, aber tatsächlich ist das spannende Hörspiel- und Synchronsprechgeschichte in Anekdotenform. Tolles Format!
Midlife – Dicker als Wasser / Thematisch interessanter, produktionsmäßig ambitionierter Versuch, lockeres Gespräch und gebauten Beitrag miteinander zu verbinden. Klappt mal so, mal so, Sound leider auch durchwachsen, aber insgesamt Respekt.
Serienpodcast – 3. März / Ich mochte Analysetiefe und Tempo in der Besprechung, vor allem der ersten zwei Serien, im Sweet Spot zwischen Servicejournalismus und eigener Rezeptionsspiegelung. Sehr gelungen.
Science S*heroes – Amrei Bahr / Obwohl ich Gästin und Thema interessant fand, bin ich ins Interview nicht gut reingekommen. Für meinen Geschmack zu viel Insider-Gespräche ohne Erklärung für unbedarfte Zuhörnde, zu viel Koreferat (beides bemerkt und korrigiert, aber trotzdem) und teilw. hackig geschnitten. Evtl. lag die Zugänglichkeitsbarriere am speziellen Thema der Folge.
Risk! – State of Emergency / Lustigerweise der erste Personal-Storytelling-Podcast, den ich jemals gehört habe und ich stelle fest, dass es in so großen Dosen nicht mein Ding ist. Danke fürs Schließen der Lücke,
3W6 – Ten Candles / Ich hab auf jeden Fall sehr viel Lust bekommen, das Spiel zu spielen, auch wenn es vor lauter Enthusiasmus der Hosts ein wenig durcheinander erklärt wurde. Für den Enthusiasmus gibt es aber auch einen Sympathiebonus.
Spreepolitik – 3. März / Ich habe mich sehr gefreut zu erfahren, dass es diesen Podcast überhaupt gibt. Wenn ich mal wieder eine Einordnung zu den Geschehnissen in meiner Stadt brauche, schalte ich sicher wieder ein. Danke für den Hinweis,
Wüste Texte – 0+1 / Hier fand ich die Idee dahinter deutlich interessanter als die letztendliche Ausführung, aber das mag an der Nähe zu einer bestimmten Szene in der Phantastik-Rezeption liegen, von der ich mich über die Zeit entfremdet habe. Außerdem waren die Hosts leider nicht auf dem neuesten Stand und sowas wurmt mich immer ein bisschen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Neil Gaiman schon länger von Amanda Palmer getrennt und sogar seit einem halben Jahr offiziell geschieden.
Scambit #1 / Scambit macht vieles richtig, allem voran die Mission, Nerdiges unterhaltsam aufzubereiten, selbst wenn es am Ende keine große Enthüllung gibt. Auch in Sachen Dramaturgie und persönlich motivierte, angenehme Abgedrehtheit ganz auf der Höhe und besser als vergleichbare Studio-Bummens-Produktionen.
Bolzer, Bomber, Ballartisten #41 / Quiz-Podcasts machen immer Spaß, und dieser ist keine Ausnahme. Auch wenn ich kaum was weiß, ist die Spannung und der Jubel spürbar. Nur der Sound ist leider stark verbesserungsfähig.
Wrestling Talk Radio #1143 / Hier habe ich nach 30 von 270 Minuten ausgemacht, weil die zwei Hosts auch genausogut Tagalog hätten reden können. Ich weiß, dass es ein liebendes Publikum für diese überlangen, verlaberten Spezial-Podcasts gibt. More Power to them, ich bin es nicht. Ich wäre es auch nicht zu einem Thema, in dem ich ebenfalls Nerd bin.
Hörfehler #163 / Interviewpodcast zu Fußballthemen, die eher ums Spiel herum stattfinden. Entspannt zu hören, freundlich und zugewandt. Etwaige Zwischentöne entgehen mir natürlich völlig.
Viele Leben #1 / Zugang zu einem hochfaszinierenden Thema, das mehr Beachtung verdient hat. Vorschlag: Statt “Die Nullnummer” den ersten Podcast im Feed besser “Bitte vor dem Hören der anderen Folgen hören” nennen, denn darin wird alles erklärt, was mich in #1 irritiert hat. Grundsätzlich finde ich den Ansatz “Wir wollen nicht immer alles erklären, damit die Interviewpartner entspannt sprechen können” total verständlich, aber er ist auch ausschließend, wenn man den Hörenden nicht wenigstens ein paar Hilfsmittel an die Hand gibt – zum Beispiel einen Hinweis auf die Erklärungen und die Philosophie in den Shownotes jeder Ausgabe.
Bibi Blocksberg und das Erbe der Kassettenkinder #35 / Corporate-Sponsored, Fans-für-Fans Feelgood-Podcast, der sich in meiner Folge arg bemühen musste, 30 Minuten Interview aus einem 10 Minuten-Thema herauszupressen. Nicht meins. Ich bin aber eventuell auch vorbelastet.
Woher kennen wir uns? – Katia Kelm / Die Idee, seine Internetbekanntschaften zu interviewen, kam mir auch schon, deswegen mag ich das Konzept. Und Lukas ist ein guter Interviewer.
Trauer und Turnschuh #4 / Hab nicht 100 Prozent kapiert, was genau der Fokus des Podcasts ist und auch die Folge war etwas schlaglichthaft und vage. Obwohl das beides eher negative Punkte sind, wurde ich reingezogen, weil viele kluge Sachen gesagt wurden und ich Naika Foroutan immer zuhören kann
Mother Country Radicals #1 – Fällt voll in mein Schema von persönlicher Geschichte + Zeitgeschichte, aber hookt mich am Ende nicht genug. Das liegt aber an mir, würde ihn anderen durchaus empfehlen.
Basti & Christian & George & Lucas #1-4 – Kein neues, aber auch hier gut aufgehobenes Konzept, in Sprachnachrichten gemeinsam laut nachzudenken (Sprachnachrichtenpodcasts sowieso gut!). Ich persönlich brauche nur gerade nicht noch ein erneutes Durchkauen der Star-Wars-Filme.
Stand Der Dinge 2.0 / Es ist spannend, dem dpa/Podimo Projekt Stand der Dinge beim Iterieren zuzuhören. Zuerst das große Gepose eines Nachrichtenmagazins, dann das Auseinanderziehen der Themen zu zwei wöchentlichen Shows mit Laber-Intro, jetzt bewährtes Doppel-Host-Wochenupdate mit Einspieler. Erscheint mir aber wie die richtige Entscheidung.
1000 erste Dates #47 / Auf jeden Fall ein Podcast-Konzept, dass ich so noch nicht gehört hatte. Dafür sowieso schon mal ein Hurra. Und dann ist diese spezifische Geschichte auch noch wirklich spannend und gut erzählt.
Jetzt mal kurz OT – Antiasiatischer Rassismus / Wichtiges Thema, ohne Frage, aber mir hier zu laberig aufbereitet. Gerade den LARP-Bezug hätte ich mich deutlicher gewünscht.
Herstory – Hildegard von Bingen / Beeindruckend finde ich, dass man so flüssig erzählen kann ohne abzulesen – oder Skripte so schreiben kann, dass sie so wenig vorgelesen klingen.
GANZSCHÖNLAUT – Was ist schön? / Sehr angenehmes Interview mit Melodie Michelberger und vielen Meta-Tönen, auch die “Spiele” fand ich ein gutes Element, das Sound-Design dazu allerdings direkt aus der Frühstücksfernsehen-Hölle
Kinoshita #12 / Ich habe ein sehr großes Herz für diese supernischigen Projekte und finde es toll, dass es sie gibt. Kompakter und lehrreicher als Thomas Laufersweiler und seine Kompagnons kann man es nicht machen.
We Didn’t Start the Fire – Joe DiMaggio / Noch so ein Konzept, das so einfach wie genial ist und dann auch noch sehr clean umgesetzt. Würde ich sofort bingen, wenn ich die Zeit hätte.
Ostkinder 80/82 #35 / So aufrichtig und so angenehm sprechen Danny und Alex miteinander, da könnte ich ewig zuhören, obwohl ich null direkten Bezug zum Thema habe. Große Empfehlung!
Kino Korea #51 / Kundiges und freundliches Filmgespräch.
Poparazzi – Bela B. / Es gibt Leute, die können interviewen, und dann gibt es andere, die bekommen trotzdem einen Podcast, weil sie vorher schon bekannt waren. Und obwohl Bela B sich echt bemüht hat, war der Erkenntnisgewinn zur Entstehung des Songs über drei Anekdoten hinaus am Ende gleich Null. Hrishikesh Hirway würde das nicht zulassen.
Was Chefinnen wirklich denken #1 / Finde Idee und Konzept interessant, auch mit eingebauter Selbstreflexion. Dem ersten Gespräch hat es noch ein wenig an Ziel und Struktur gefehlt, aber das entwickelt sich sicher noch.
Putins Krieg im Netz #1 / Die Recherche kann noch so interessant und wichtig sein (wie hier), diese Pose von journalistischer Arbeit als Spy Thriller in Tonfall und Musikuntermalung ging und geht mir auf die Nerven, weil sie den Erkenntnisprozess fast schon behindert. Es tut mir leid, dass zu schreiben, weil an der Produktion mehrere Leute beteiligt sind, die ich kenne und schätze. Boys Club, zum Beispiel, obwohl ähnlich gestrickt, bekommt die Tonalität besser hin.
Taiwancast #7 / Auch diesen Podcast gibt es.
Tee mit Warum – Wie sprichst du? / Eigentlich ein ganz schöner Ansatz, aber meiner Ansicht nach zu voll gestopft für 35 Minuten mit zig Rubriken und Einspielern. Da bleibt wenig übrig. Aber ich tue mich mit Philosophie ja sowieso immer schwer.
That’s what He Said #117 / Ich glaube für jede:n Podcasthörer:in gibt es irgendwo eine persönliche Hölle. Das ist meine.
The Sad Millennials #1 / Mir gefällt die Kombi aus Kultur- und Gesellschaftsbetrachtung, die nicht völlig im luftleeren hermeneutischen Raum hängt – und Isabella Caldart mochte ich vorher schon. Schön kompakt auch.
Radio Loophole #84 / Redaktionelles Radio als Podcast bevor es die explizite Funktion dazu gab. Auf jeden Fall eine wilde Zusammenstellung, aber ich habe sogar ein bisschen was gelernt und einen Song mitgenommen. In Sachen Moderation war diese aber wohl nicht die typischste Folge, also insofern schwer zu sagen, wie repräsentativ sie ist.
(Bild: Midjourney & Me / ultrarealist macro photograph of ideas like ghosts emerging from a cellphone lying on a hardwood table –ar 3:2 –v 5.1)
Wie schon im letzten Jahr habe ich den April damit zugebracht, Podcasts zu hören, die ich noch nicht kannte. Viele wurden mir freundlicherweise von Followern auf Twitter empfohlen, diesmal habe ich mich aber auch an anderen Empfehlungen orientiert, etwa im “Mixdown” der Podstars – und wo immer ich sie finden konnte. Am Ende habe ich 53 neue Podcasts gehört, von denen ich kurze Höreindrücke in einem Thread gesammelt habe. Der Blogpost zum Thread folgt in den nächsten Tagen.
Über die Einzelmeinungen hinaus hatte ich aber natürlich auch wieder allgemeinere Gedanken, die nun folgen. Keine großen Gedanken, aber dennoch Gedanken. Der #Podcapril ist ein bisschen
1. “Irgendwie interessant” ist nicht mehr gut genug
Als ich vor rund 15 Jahren angefangen habe, Podcasts zu hören, habe ich so ziemlich alles gehört, was mir zwischen die Klickfinger kam und vage in mein Interessensgebiet passte. Aber inzwischen gibt es so viele Podcasts zu jedem Thema und in so vielen verschiedenen Variationen, dass ein Podcast wirklich besonders sein muss, um mich zu packen. Themenzuschnitt, Host, Machart, Struktur, Ansprache – es muss möglichst viel dabei sein, bei dem ich das Gefühl habe, es passt entweder genau auf meinen Geschmack oder es ist wirklich neu. Aber zum Beispiel ein Podcast mit einem cleveren Konzept aber einem Host, der mich eher anödet, wird direkt wieder rausgeworfen aus dem Podcatcher. Es gibt ja genug anderes.
2. Es gibt sie noch, die neuen guten Ideen
Manchmal habe ich, allen Beteuerungen von anderen zum Trotz, das Gefühl, dass Podcasts als Geschichte auserzählt sind. Es gibt eine Handvoll Formate und eine Handvoll Host-Typen, alles andere ist Inhalt oder Sympathie. Aber tatsächlich waren auch dieses Jahr wieder einige Formate dabei, die mich überrascht haben. 1plus1 macht Staffeln, die Reihen von Gesprächen zwischen den immer gleichen Menschen sind. Too Many Tabs kombiniert Lo-Fi-Comedy mit Unnützem Wissen. In 1000 Erste Dates lässt sich die Host eine gute Geschichte von einem Hörer oder einer Hörerin erzählen. We Didn’t Start the Fire hängt sein ganzes Konzept an einem Aufzähl-Song auf und macht zu jedem Item eine Folge. Die Innovationen sind klein, aber ich habe mich über jede von ihnen gefreut.
3. Ich kann nicht mehr “lehrreich und unterhaltsam” denken ohne mich vor mir selbst zu ekeln
Sind so viele Podcasts Edutainment oder streben Podcasts aufgrund ihrer persönlichen Ansprache natürlicherweise zu einer Edutainment-ähnlichen Form hin`? Egal was der Grund ist, mir sind dieses Jahr sehr viele Podcasts begegnet, bei denen ich diesen Gedanken hatte: Aha, ich lerne was und ich werde unterhalten. Zack, zwei Relevanzkriterien abgehakt. Aber erst wenn man es so merkwürdig ähnlich aus vielen verschiedenen Richtungen spürt, kommt es einem gruselig vor.
4. Es gibt einen Sweet Spot für Ansprache und Haltung
Ich lege immer wieder (vielleicht unfairerweise) eine bestimmte Haltung und Ansprache an Podcasts als Maßstab an, die ich selbst gut finde. Podcasts sollten zeigen und nicht behaupten, sie sollten sich selbst reflektieren, sich ernst, aber nicht zu ernst nehmen, sie sollten die Hörenden als Publikum mitdenken, dem man gezielt etwas bietet, aber sie nicht für dumm verkaufen. Oft verfehlen Podcasts diesen Anspruch auf die eine oder andere Weise, aber ich freue mich immer wieder, wenn ich auch solche finde, die meiner Ansicht nach genau den Sweet Spot treffen. Was beweist, dass er existiert und kein unlösbarer Anspruch ist.
5. Macht bitte auch weiterhin einfach Podcasts, die scheinbar keinen interessieren
Wie im vergangenen Jahr hatte ich auch diesmal ein buntes Menü aus Indie- und kommerziellen Produktionen. Es waren auch einige dabei, zu denen ich inhaltlich keinen Zugang gefunden habe, weil sie eine andere Nische bedienen als die, in der ich mich bewege, aber gerade für diese würde ich sofort in die Bresche springen. Ich hätte so gerne die Zeit und Ambition, einen Podcast zu machen, den ich in allererster Linie für mein privates Vergnügen mache. Deswegen feiere ich alle, die sich diesen Traum erfüllen.
6. Bitte, erzählt nicht so viel nach
Ich habe mehrere Indie-Podcasts zu Filmen und Serien gehört, die einen großen Teil ihrer Zeit darauf verwenden, Handlungen Stück für Stück nachzuerzählen und zu kommentieren. In einem Fall habe ich das ausgehalten, weil mir die Hosts sehr sympathisch waren, aber sonst fand ich es leider ziemlich hart zu ertragen.
7. Wo sind die Oral Histories?
Noch ein Podcast, der mich überrascht hat, war der Bobcast. Als jemand, der kein “Drei ???”-Fan ist, dachte ich, ich muss mich durch Fan-Diskussionen zu Hörspielen kämpfen, die ich nicht kenne (siehe 6., ich bekam das dann später mit Bibi Blocksberg und das Erbe der Kassettenkinder), aber stattdessen bekam ich Hörspiel-Geschichte in lockeren Anekdoten und nerdigen Nachforschungen von Bastian Pastewka. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich nur zum wiederholten Mal dazu auffordern kann, in Podcasts nicht nur investigative und dramatische Geschichten zu erzählen, sondern mit Hilfe von “Zeitzeugen” und Anekdoten auch popkulturelle Momente in Doku-Interviews wiederaufleben zu lassen. Origins ist ein Podcast, der das erfolgreich gemacht hat. Ich glaube, es könnte sich wirklich lohnen, auch in Sachen Hörerzahlen.
8. Ich bin tatsächlich älter geworden und muss damit klarkommen
Es ist immer schräg, wenn man merkt, dass man eine Zielgruppe ist. Aber ich fühlte mich dieses Jahr von manchen Podcasts mehr angesprochen, die sich eindeutig an Leute/Männer in meinem Alter richteten. Gleichzeitig spürte ich, wie mir einige Produktionen von und für Leute in ihren Zwanzigern ein wenig durch die Finger rannen. Nicht nur wegen der hart anglisierten Sprache (die benutze ich selbst noch genug), sondern auch wegen des eindeutig weniger erfahrenen Blicks, der mir manchmal etwas zu kurz erschien, aber den ich vor 20 Jahren vermutlich genau so gebraucht hätte.
9. Es gibt gute Podcasts, die trotzdem nicht für mich sind
Das schließt an Punkt 8 an. Ich habe ein paar Sachen gehört, die ich sofort und ohne Probleme weiterempfehlen würde, die für mich aber die Relevanzschwelle nicht überschreiten konnten. Das klingt wirklich banal und egozentriert, aber was ich damit meine ist: Das Feld hat sich soweit diversifiziert und es gibt tatsächlich so viel Qualität, dass für jeden etwas dabei ist.
(Bild: Midjourney und ich, Prompt: polaroid of a bald man in his 30s, short cropped beard, listening to podcasts, thoughtful, wistful, smiling to himself –ar 3:2 –v 5.1 // Es ist lustig zu sehen, welche Schauspieler Midjourney jeweils castet, um “mich” darzustellen. Ich weiß auch, dass ich offiziell nicht mehr “in my 30s” bin, aber ein bisschen Eitelkeit wird ja wohl erlaubt sein. Mehr zu Midjourney bald an dieser Stelle.)
Manchmal muss es einfach Audio sein. Zum Beispiel wenn man einen anderen Podcaster interviewt. Mit Max-Jacob Ost, dem Kopf hinter 11 Leben wollte ich schon ganz lange sprechen. Denn ich wollte schon lange wissen, wie es hinter den Kulissen eines Podcasts zugeht, den ich diverseMale über den grünen Klee gelobt habe – und den ich bis heute für einen der besten deutschen Podcasts der letzten Jahre halte.
In unserem einstündigen Gespräch erzählt Max nicht nur aus seiner Biografie und was er bei den einzelnen Stationen gelernt hat, sondern nimmt auch auseinander, wie 11 Leben genau entstand. Er zählt auf, welche Podcasts ihn inspiriert haben, was er sich abgeschaut hat und diskutiert mit mir darüber, wie gut es ist, dass er selbst so viel in 11 Leben vorkommt und wieviel Persönlichkeit ein journalistischer Podcast braucht. Außerdem enthüllt er am Ende exklusiv seine Karrierepläne, mit denen er endlich den Sprung von Audio ins Fernsehen schaffen will.
Und weil ich im Podcast-Intro total vergesse, es zu erwähnen. Max hat aus 11 Leben inzwischen auch ein Buch gemacht, das bestimmt auch gut ist. Es heißt Aus Liebe zum Spiel.
(Bild: “The 11 Lives of Uli Hoeneß” / Alexander Matzkeit & Midjourney)
Am 25. Februar bin ich 40 Jahre alt geworden. Um ehrlich zu sein beschäftigt mich diese Tatsache seit mindestens einem Jahr. Natürlich sind Alterszahlen relativ willkürliche Grenzen im Leben, aber irgendwas verändert sich ja doch, wenn nicht in einem selbst, dann zumindest in der Wahrnehmung durch andere. Mit 40 ist man auf jeden Fall nicht mehr „jung“. Auch nicht unbedingt alt (außer vielleicht in den Augen meines bald fünfjährigen Kindes), aber doch an einem Punkt angelangt, wo ein entscheidender Teil des Lebens meistens bereits abgeschlossen ist: Adoleszenz, Ausbildung, Berufswahl, Familiengründung.
Es ist logischerweise nicht zu spät, um sich neu zu orientieren. Darüber habe ich mit vielen, die mir ein paar Jahre voraus sind und von denen einige genau das getan haben, in den letzten zwölf Monaten gesprochen. Ich selbst habe das vor einem Jahr beruflich in Angriff genommen, mich nach vielen Jahren in der PR wieder stärker in Richtung Journalismus orientiert und ein wenig Freiberuflichkeit ausprobiert. Da meine größte Angst mehr oder weniger ist, in meinen 40ern irgendwie außerhalb meiner Familie irrelevant zu werden (eine sehr eitle Angst, ich weiß), fühlte sich das schon mal wie ein guter Schritt an. Ich hoffe, dass es gleichzeitig auch ergänzt wird von einer gewissen, auf Erfahrung beruhenden Gelassenheit, von der mir einige Ü40-Menschen erzählt haben. Wir werden sehen.
Ich bin nicht Kevin Kelly
Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Augenblick im Blog festhalten kann. Lange Zeit hatte ich die Idee, Ratschläge aus genau der eben erwähnten Erfahrung weiterzugeben, weil ich beispielsweise Kevin Kellys derartige Liste total toll fand. Aber ich fühle mich noch nicht bereit dafür. Also habe ich mich entschieden, zurück und nach innen zu schauen und zu überlegen, welche kulturellen Dinge (ich bin Schließlich im weitesten Sinn Kulturjournalist) mich als Person in den letzten 40 Jahren besonders geprägt haben.
Mein Maßstab dafür war weniger, was noch heute meine „Lieblings“-Bücher, Filme, Musik usw. sind und somit die Zeit überdauert haben, sondern woran ich immer noch öfter als formende Erfahrungen zurückdenke. Momente, in denen ich plötzlich einen neuen Blick auf die Welt wahrnahm, der mein Denken oder Fühlen verändert hat. Außerdem Erfahrungen von Kultur, die etwas in mir geweckt haben: ein Interesse, eine Leidenschaft, eine Gewohnheit, manchmal sogar einen Charakterzug, den ich heute noch in mir erkenne.
Zwischen 8 und 12
Beim Erstellen der Liste, die übrigens natürlich trotz aller Überlegung sehr willkürlich ist und in mindestens der Hälfte der Einträge auch anders aussehen könnte, ist mir aufgefallen, dass die entscheidendste kulturelle Phase meines Lebens etwa die Zeit zwischen 8 und 12 Jahren war. Keine große Erkenntnis aus entwicklungspsychologischer Sicht, ich weiß, aber es hat mich doch erstaunt, wie viele Grundsteine in dieser Zeit gelegt wurden, die ich heute als einen essenziellen Teil von mir betrachte, während vieles, was später kam, sich weniger entscheidend anfühlte – selbst viele Dinge, denen ich im Studium begegnet bin.
Je kürzer zurück die Erinnerungen reichen, desto spärlicher werden sie. Auch das ist logisch. Erstens kann man ihre Wirkkraft noch nicht so gut sehen wie bei älteren Erfahrungen. Zweitens waren für mich etwa die letzten zehn Jahre vermutlich mehr vom Erlernen von sozialen und beruflichen Fähigkeiten geprägt als von kulturellen Ideen. Ich glaube aber auch, dass es eine Rolle spielt, dass ich mein inneres Alter immer ungefähr auf 27 oder 28 beziffern würde. Zu dieser Zeit hatte ich mein Studium, meine ersten zwei Jobs und die ersten ernsthaften Beziehungen gemeistert, fühlte mich also etwas erfahren, aber gleichzeitig kaum festgelegt. Ich konnte überall auftauchen und als Mensch mit Potenzial wahrgenommen werden, und ich verhielt mich auch so. Jetzt, zwölf Jahre später fühle ich mich deutlich mehr „gesetzt“, sowohl innerlich als auch von außen betrachtet. Es wird in den nächsten Jahren wichtig sein, diese Gesetztheit aufzubrechen ohne im Prozess Fundamente zu verlieren, die mir wichtig sind.
Und jetzt endlich: die Liste. Ein größeres Mammutwerk, als ich gedacht hätte. Die Reihenfolge orientiert sich an der ungefähren Zeit, in der ich den Dingen begegnet bin.
1. Chris de Burgh: Spark to a Flame. Meine erste popkulturelle Erinnerung ist Mitsingen zu „Don’t Pay the Ferryman“. Der relativ softe Musikgeschmack meiner Eltern hat mich in jedem Fall geprägt. Noch heute sehe ich immer wieder, dass Popmusik, die eher im Folk als im Blues verwurzelt ist, mich stärker anspricht.
2. Cats und Starlight Express. Ich habe beide Musicals als Kind gesehen und natürlich anschließend die Alben in Dauerrotation gehört. „Musical Theatre“ und besonders der Stil von Andrew Lloyd Webber hat sich in meine DNA eingeschrieben. Trotz allem anderen, was ich im Leben so gemacht habe, würde ich mich, müsste ich mich einem US-Highschool-Clan zuordnen, am ehesten als „Theatre Kid“ bezeichnen.
3. Knister. Späteren Leser*innen dürfte der Kinderbuchautor Knister vor allem als Erfinder der Hexe Lilli bekannt sein. In den 90ern hat er aber eine Reihe Bücher geschrieben, die ich sehr mochte („Teppichpiloten“ zum Beispiel), darunter eins namens „Mikromaus mit Mikrofon“, in dem es darum ging, wie man mit Mikro und Recorder Hörspiele und andere Klangexperimente machen kann. Von dort zum Podcasten war es quasi ein logischer Schritt.
4. Otto Waalkes. Meine Eltern hatten fast alle Otto-Platten aus den 1970er Jahren, und ich habe sie als Kind rauf- und runtergehört – sicherlich ohne sie in all ihren Nuancen zu verstehen. Rückblickend kann ich sagen, dass mein Humor davon stark geprägt wurde. Das gilt für Nonsens und Sprachwitz gleichermaßen wie für die große Musikalität, die Ottos Bühnenprogrammen innewohnt. Dass er ein fantastischer Musiker ist, habe ich erst mit erwachsenen Ohren zu schätzen gelernt.
5. Bart Simpson. Die Simpsons sind inzwischen zum kulturellen Teppich einer ganzen Generation geworden, aber am Anfang war für mich vor allem die Figur von Bart interessant, noch bevor ich die Serie überhaupt geschaut habe. Der Schlingel auf dem Skateboard war lange Zeit mein Idol (ich wollte sogar „Bart“ heißen), obwohl ich weder Skateboard fuhr noch besonders schlecht in der Schule war.
6. Die Sendung mit der Maus. Meine Eltern hatten lange eine sehr restriktive Fernseh-Police und „Die Sendung mit der Maus“ war in den ersten 8 Jahren meines Lebens oft das einzige, das ich überhaupt schauen durfte.
7. Queen: Bohemian Rhapsody. Wie für wahrscheinlich viel Menschen war dieser Song, der sich über seine Laufzeit so stark verändert aber sein Pathos-Level unverändert hochhält, für mich ein musikalisches Erweckungserlebnis. Ich halte ihn für unerreicht.
8. Eurodance. Zwischen 1992 und 1995 bestanden große Teile meiner musikalischen Welt aus, wie ich es damals nannte, „Techno“. „No Limit“ von 2 Unlimited war meine erste Single. Obwohl ich kein großer Hörer elektronischer Musik geworden bin, fasziniert mich Eurodance, dieser Clash aus dem Elektro-Underground und Maximalpop, noch immer. So sehr, dass ich am liebsten mal eine große journalistische Recherche zur damaligen Zeit und ihrer Dynamik, die außerhalb Europas kaum eine Rolle spielte, umsetzen würde.
Tourism (1993)
9. Roxette: Tourism. Meine erste CD war „Joyride“, aber „Tourism“ ist das besonderere Album, weil es ein so ungewöhnliches Konzept hat – eine Mischung aus Aufnahmen, die während einer Welttournee entstanden – manche im Studio, manche live, manche improvisiert. Die Musik von Per Gessle würde ich als eine weitere wichtige Säule meines Musikgeschmacks positionieren. Außerdem war ich damals schwer in Marie Fredriksson verknallt, die ich ebenfalls bis heute toll finde und deren früher Tod bis heute schmerzt.
10. M. C. Escher. Die mathematischen Muster und visuellen Verrenkungen im Werk von M. C. Escher haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Ich hatte lange das Bild „Tekenen“ als Druck an der Wand hängen. 2022 habe ich mir ein Penrose Dreieck, das Escher zu einigen seiner Werke inspiriert hat, als Tattoo stechen lassen.
11. 4D Sports Driving („Stunts“). Videospiele wurden ab ca. 1993 ein fester Teil meines Lebens und ich habe viele Klassiker ausführlich gespielt. Am meisten im Kopf geblieben ist mir aber „Stunts“, ein Rennspiel, in dem man mit seinem Fahrzeug durch Loopings fahren und über Brücken springen und – das wichtigste – selbst Strecken bauen konnte. Bis heute sind Sportspiele, von direkten Nachfolgern wie Trackmania bis zu Tony Hawk’s Pro Skater und Fifa eigentlich meine Lieblingsspiele.
12. X-Base.X-Base war eine leider kurzlebige Show im Nachmittagsprogramm des ZDF, die versuchte, das neu aufkommende Computerzeitalter für ein junges Publikum aufzubereiten. Es gab Videospiel-Wettkämpfe, Reportagen, einen digitalen Moderator namens Eddie Highscore und Auftritte von Elektro-Popgruppen. Ich fand X-Base von vorne bis hinten großartig, sie enthielt alles, was ich zu diesem Zeitpunkt toll fand. Leider wurde die Show nach einem halben Jahr eingestellt, aber sie hat in mir definitiv ein größeres Interesse für digitale Kultur geweckt.
13. Terminator II: Judgment Day. Dieser Film, den ich verbotenerweise viel früher schaute, als seine FSK-Einschätzung vorgab, hat sehr wahrscheinlich meine lebenslange Faszination mit Visual Effects und Computeranimation auf dem Gewissen.
Meine erste Lektüre fand nicht mit dieser Ausgabe statt, aber meine zweite.
14. J. R. R. Tolkien: The Lord of the Rings. Mit Tolkiens Buch, das ich las während ich eine Woche krank zu Hause war, hat sich für mich alles verändert. In seiner Folge gab es für mich über viele Jahre kaum etwas anderes als Fantasy und Science-Fiction zu lesen und bis heute sind Tolkiens Werke für mich literarische Texte, die ich – durch die zahllosen Veröffentlichungen zum Thema – weiter studiere.
15. Shadowrun. Das in Deutschland von Fantasy Productions veröffentlichte Spiel, das uns ein Klassenkamerad auf dem Rückweg einer Klassenfahrt im Bus erklärte, war mein erster Kontakt mit Tabletop-Rollenspielen. Nicht nur spiele ich diese bis heute (wenn auch selten), aber ich bin auch nach wie vor absolut fasziniert von der Cyberpunk-Vision, die Shadowrun dazu noch mit Fantasy-Tropes kombiniert.
16. Magic: The Gathering. Magic besiegelte meine Fantasy-Gaming-Obsession 1995 endgültig. Diesem Spiel gehörte fast jede freie Minute. Ich konnte alle Karten auswendig, bis die Faszination rund um mein Abitur 2001 irgendwann nachließ aber nie ganz einschlief. 2017 fing ich schließlich wieder an zu spielen und mich aufs Neue zu faszinieren. 2021 habe ich mir die fünf Mana-Symbole als Tattoo stechen lassen.
InQuest
17. InQuest. Diese amerikanische Zeitschrift begriff sich als Begleitmagazin zu Magic und den anderen damals aufkommenden Collectible Card Games. Später erweiterte sie ihr Spektrum auf Rollenspiele und andere Phantastik-Hobbies. InQuest hat nicht nur meinen Blick auf die Welt der Phantastik nachhaltig geprägt (die darin von Zeit zu Zeit aufgestellten Kanons bester Filme oder Romane lassen sich bis heute schwer abschütteln), sondern auch den damals verbreiteten, sehr männlichen Nerd-Humor in mich eingeschrieben. Es hat einige Jahre gedauert, mich von dieser Prägung zu emanzipieren, die in einigen Ecken des Internets immer noch sehr stark ist.
18. Dream Theater: A Change of Seasons. Der Song, der meinen gesamten Musikgeschmack veränderte. Tendenzen waren eventuell durch Queen schon da, aber in den kommenden zehn Jahren würde sich für mich alles mehr und mehr um Progressive Rock drehen. Dream Theater war auch die Band, bei der ich zum ersten Mal Fandom im Internet erlebte, mit Mailinglisten und Online-Foren.
A Change of Seasons (1995)
19. Blind Guardian: Nightfall in Middle Earth. Was mit Dream Theater begann, setzte sich mit Blind Guardian und anderen Bands, die hymnischen Metal zu Fantasy-Themen präsentierten, fort. Aus heutiger Sicht kann ich es klar der Pubertät anlasten, dass ich ausgerechnet diesem Wahre-Männer-Kämpfen-Metal damals so verfallen war. Schlich sich zum Glück zum Studium hin dann aus.
20. Robert Jordan: The Wheel of Time. In gewisser Weise beendete The Wheel of Time, die endlose und endlos derivative Fantasy-Saga rund um eine Gruppe Jugendliche und eine alte Prophezeiung, was Der Herr der Ringe begonnen hatte. Im Rückblick steht die Buchreihe, die ich nie beendet habe, für mich für die Abkehr von der großen Erzählung der Fantasy, der ich mich eine gute Dekade hingegeben hatte, und ein neues Erwachsenheitsgefühl.
21. DVD Extras. Schon bevor die DVD das dominante audiovisuelle Medium wurde, hatte ich mich dafür interessiert, wie Filme gemacht werden. Aber DVDs, mit ihren Featurettes und Audiokommentaren – und manchmal auch mit ernstzunehmenden Einblicken ins Filmemachen – haben meinen Blick auf die Filmwelt enorm geprägt. Ich habe sie alle geschaut und gehört, selbst dort, wo ich die Filme nicht besonders gut fand. Die Kombination aus Streaming und Zeitmangel durch Elternschaft hat dem leider weitgehend ein Ende gesetzt.
Die DVD-Extras von The Fellowship of the Ring waren ein Erlebnis
22. The Fellowship of the Ring. Was war das für ein Glück, dass ich in einer Zeit lebte, in der das 50 Jahre alte Buch, in das ich mich gerade verliebt hatte, dann auch noch grandios verfilmt wurde. An Fellowship brachen sich alle Dinge Bahn, die mich interessierten: Computer-Effekte, Internet-Hype-Kampagnen, Fantasy, eine fantastische Nutzung des DVD-Formats. Der Film meines 18-jährigen Lebens.
23. Futurama. Wo die Simpsons den Boden bestellt hatten, konnte Futurama ernten. Die nerdigere Variante von Matt Groenings und David Cohen Humor war eine große Faszination für mich. So sehr, dass ich alle fünf Staffeln vor der ersten Absetzung als DVD-Boxen besaß.
24. 65daysofstatic: Retreat! Retreat!. Mit dem Beginn meines Studiums begann für mich auch eine neue Ära der Musikentdeckung, besonders durch meinen Freund Carsten. Ich weiß nicht, wie sich mein musikalisches Leben ohne 65daysofstatic entwickelt hätte. Die Band hat so viele interessante Sachen in den letzten 20 Jahren gemacht, ihre Livekonzerte gehören zu meinen liebsten Dingen überhaupt. Und dieser erste Song, den ich von ihnen gehört habe, gehört immer noch zu den besten Songs aller Zeiten.
25. Neal Morse: One. Andererseits: Noch war meine Prog-Begeisterung lange nicht gebrochen. Als Spock’s Beard-Frontmann Neal Morse Anfang der 2000er sein Coming Out als Born-Again-Christ hatte und künftig nur noch christliche Prog-Alben machte, hat das, gemeinsam mit einigen anderen Faktoren, etwas in mir bewegt. Ohne Neal wäre ich wahrscheinlich nicht in der evangelischen Kirche und beim Kirchentag gelandet.
26. Pink Floyd: The Wall. Konzeptalben waren ein großes Ding für mich in der ersten Hälfte der 2000er und The Wall, zu dem es ja auch einen werden aber coolen Film gibt, war mein liebstes. Ich habe mich sehr ausführlich damit beschäftigt und meine Vorstellungen von gelungen transmedialen Erfahrungen, wie ich sie zehn Jahre später erforschen würde, wurden sehr davon geprägt. Aber nur damit das klar ist: Roger Waters kann hingehen, wo der Pfeffer wächst!
White Teeth (2000)
27. Zadie Smith: White Teeth. „Black British Fiction by Women“ hieß das Seminar, das ich im Anglistik-Studium eher aus Verlegenheit besuchte, und das mich in vielerlei Hinsicht erstmals dazu zwang, mich erstmals mit Marginalisierung, Feminismus und Postkolonialismus zu beschäftigen. Zadie Smiths Debütroman, der den Fächer der damit verbundenen Erfahrungen und Erzählungen weit aufmacht, war für mich der Schlüssel dazu. Zadie Smith hat mein Denken geprägt und bis heute gehört sie zu den wenigen Autor*innen, von denen ich kein Buch verpasse.
28. Cinematical. Ich habe auch eine Weile Ain’t It Cool News gelesen, aber Cinematical (RIP) war mein Einstieg in die US-Filmblog-Kultur, über die ich mein Film-Nerdtun lange Zeit gepflegt habe.
29. The Guardian Film Weekly. Mein allererster Podcast. Dass er mich geprägt hat, sieht man daran, dass ich heute selbst ein Format mit zwei Interviews pro Folge moderiere.
30. Rudolf Arnheim: Film als Kunst. Etwas hat „Klick“ bei mir gemacht, als ich von diesem 90 Jahre alten Buch das erste Mal hörte. Arnheim ist ein sehr konservativer Denker, aber er sein Verständnis davon, wie die Materialität des Mediums sein Output beeinflusst, entspricht einfach sehr gut meinem eigenen Kunst-Empfinden. Arnheims Text bildete dann einen Teil des Rückgrats meiner Magister-Arbeit, die leider aus anderen Gründen nicht das ruhmreichste Ende nahm.
Film als Kunst (1932)
31. Stefan Niggemeiers Blog. Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier war der erste deutsche Blogger, den ich bewusst wahrgenommen habe, erst über das Bildblog, dann über sein eigenes medienjournalistisches Blog. Ich muss einfach sagen, dass er auch ein großes Vorbild für mich war (und wahrscheinlich noch immer ist). Vielleicht nicht das beste, da ich immer wieder feststelle, dass ich von meiner Arbeitsweise ganz anders ticke, aber zumindest stilistisch glaube ich, dass er mich sehr beeinflusst hat. Fun fact: Zum ersten Mal persönlich miteinander gesprochen haben wir 2022.
32. Wired. Obwohl ich von Wired immer schon viel gehört hatte, hatte ich erst 2008 (nach einem USA-Urlaub) das erste Mal eine Ausgabe in der Hand und war sofort schockverliebt. Diese Art von Technikoptimismus passte exakt in diesen Moment meines Lebens zum Ende meines Studiums und zu beginn meines Berufslebens, das sich sehr bald stark in Richtung Online-Kommunikation drehen würde. Ich habe Wired kurz danach abonniert und ziemlich religiös gelesen. Erst als Chris Anderson als Chefredakteur ging, verlor ich das Interesse.
33. Slate’s Culture Gabfest. Dieser Podcast, den ich immer noch höre und zu dessen Hosts ich eine starke paarsoziale Beziehung habe, hat mich an das Podcastformat „stark moderierte Roundtable-Kulturdiskussion“ herangeführt, das ich viele Jahre später für meinen eigenen Podcast Kulturindustrie versucht habe, zu kopieren.
34. The Avengers. Als das Marvel Cinematic Universe noch keine Punchline war, sondern eine ganz neue Entwicklung – der Versuch, Erzählmechaniken aus seriellen Comics auf das Blockbuster-Kino zu übertragen – war ich völlig besessen davon. Ich fand die Idee einfach so revolutionär gut und neu. The Avengers halte ich für den Höhepunkt dieser Idee und bis heute für einen erstaunlichen Film.
35. This American Life. Die Art von Ira Glass und seinen Kolleg*innen, Radio zu machen, hat eine ganze Generation von Radioleuten und Podcastern beeinflusst. Auch mich hat sie von Anfang an gefangen genommen und sehr beeindruckt. Ich höre TAL immer noch jede Woche und lerne nach wie vor davon. Wenn es um den wahrhaft ausgelutschten Begriff „Storytelling“ im Journalismus geht, denke ich immer noch als erstes an TAL.
36. Simon Reynolds: Retromania. Auf der Suche nach dem Zeitgeist stieß ich 2011 auf dieses Buch, das in den kommenden Jahren als eine Art Prisma für meinen Blick auf große Teile der Kulturwelt diente (und das ich entsprechend oft zitiert habe). Interessanterweise denke ich, dass der Lebenszyklus des Buchs in den letzten zwei bis drei Jahren ein Ende gefunden hat, da sich der Eindruck einer „Hyper-Stasis“ (alles wird schneller, aber nichts verändert sich) vielerorts durch die am Horizont drohende Klimakatastrophe verändert hat.
37. re:publica. Lange bevor ich das erste Mal selbst auf die re:publica fahren konnte (2014) war sie ein Sehnsuchtsort. Der Raum, in dem sich alle Menschen trafen, die ich im Internet toll fand. Das beste: Bei meinem ersten Besuch (und auch meinem zweiten, wo ich zum ersten Mal selbst Speaker war) stellten sich viele Projektionen sogar als wahr heraus und ich hatte jedes Mal eine krasse Zeit. In den letzten Jahren hat, zugegeben, ein gewisser Gewöhnungseffekt eingesetzt.
38. Mark Rosewaters Kolumnen & Podcasts. Ich denke, der Head Designer von Magic: The Gathering ist einer der einflussreichsten Menschen in meinen Gedanken der letzten fünf Jahre. Erst im letzten halben Jahr habe ich den Eindruck, dass der Hype bei mir ein bisschen nachgelassen hat. Rosewater steht mit seiner Kolumne Making Magic und seinem Drive to Work Podcast für einen sehr transparenten Umgang mit Game Design und erklärt sehr regelmäßig genau, warum welche Entscheidungen für die Weiterentwicklung des komplexen Spiels getroffen wurden. Gleichzeitig ist er ein sehr sympathischer Typ, der seine Design-Lektionen auch gerne in Lebensweisheiten umwandelt.
39. Game Knights. Das YouTube-Format, in dem Menschen miteinander die Magic-Variante „Commander“ spielen, hat mir nicht nur das Format selbst nähergebracht, es hat mich (der sonst kaum YouTube-Formate schaut) auch viel darüber gelehrt, wie Spiele und Hobbys im Internet präsentiert werden können. Ich habe großen Respekt vor dem ganzen Team der „Command Zone“, die aus einem Zwei-Personen-Podcast ein kleines Nischen-Medienimperium mit einem dutzend Angestellten aufgebaut haben.
40. Terra Ignota. Ada Palmers vierbändiger Science-Fiction-Zyklus hat mich sehr beeindruckt und stark beeinflusst, wie ich derzeit über Science-Fiction, Worldbuilding und die Zukunft der Menschheit nachdenke.
Im Oktober 2022 habe ich angefangen, wieder regelmäßig für epd medien als Redakteur vom Dienst und Kritiker zu arbeiten. Im März 2023 fragte mich meine Chefin Diemut Roether, ob ich auch Lust hätte, mal ein Podcast-Konzept zu entwickeln. Ich habe natürlich sofort Ja gesagt. Auf so eine Gelegenheit hatte ich seit Jahren gewartet.
Das Konzept gefiel dem Team und um die Suche nach einem Partner zu erleichtern produzierte ich im Frühsommer eine Dummy-Folge, aus der man ungefähr raushören konnte, wie das Endresultat klingen könnte. Trotzdem hat nur ein kleiner Teil von mir tatsächlich damit gerechnet, dass aus dem Konzept irgendwann Realität wird. Aber mit dem Grimme-Institut hat der epd in Rekordgeschwindigkeit einen super Partner gefunden.
Im Herbst haben wir die redaktionellen Abläufe mit einer Generalproben-Folge geprobt und letzte Scharten ausgewetzt. Und seit heute kann man den Podcast “LÄUFT – Die Programmschau von epd medien und Grimme-Institut” überall hören, wo es Podcasts gibt.
In der ersten Folge spreche ich mit Peter Luley über die ARD Mediathek & Das Erste Produktion “Bonn – Alte Freunde, neue Feinde” und mit Jenni Zylka über Kriegsberichterstattung. Eine neue Episode gibt es ab sofort alle zwei Wochen.
Besonders schön an der Erfahrung ist, dass ich die Sendung zwar als One-Man-Show produziere, aber eine tolle Redaktion im Hintergrund habe, die mir nicht nur sehr viel Hintergrund-Arbeit bei der Auswahl der Gäste und Themen abnimmt, sondern auch einfach allgemein für das Gefühl sorgt, nicht alleine auf weiter Flur zu stehen. In jeder Folge stecken übrigens ungefähr zwei volle Produktionstage.
Bitte reinhören und Rückmeldung geben. Als Kommentar, an mich direkt oder offiziell an medien@epd.de. (Auch positives Feedback wird gerne genommen – ich habe mich schon lange nicht mehr so wie ein Hochstapler gefühlt wie mit diesem Projekt. Leute bezahlen mich für’s Podcast machen? Haben die einen Knall?!)
Ich schreibe regelmäßig Texte, die an unterschiedlichen Stellen erscheinen. Häufig derzeit im Fachmagazin epd medien, wo sie nicht oder nur kurz online zu lesen sind. Deswegen möchte ich hier einen kleinen Überblick geben.
Über den ARD Audiothek Original-Podcast “Lost in Neulich” (Kritik in epd medien 25/2022)
“Alle Stränge aber, die sich eher um persönliche Gefühle und Identitätsfindung drehen, sind mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen für die Charaktere komponiert, die schnell mit ihren Sprecherinnen und Sprechern verwachsen. Auch hier ähnelt die Serie vielen anderen Soaps: ‘Lost in Neulich’ scheint fest entschlossen, alle aktuell zeitgeistigen Themen mitzunehmen, um sie an den Figuren zu verhandeln: Neben Genderidentität sind das Klimaschutz, Rassismus, Stadt-Land-Spaltung, Cannabis-Legalisierung und Generationenkonflikte. Die Themen werden aber von Tielcke, die im Fernsehen bereits an diversen Scripted-Reality- und Soap-Formaten mitgewirkt hat, gleichermaßen ernst genommen.”
Über Bettie I. Alfreds Hörspiel “Aus dem Hohlraum” (Kritik in epd medien 31/2022)
“Sind viele Menschen wirklich so, fragen wir uns. Leben sie ihre kleinen grauen Leben in kleinen grauen Kammern, voller unerfüllter Wünsche und vergrämter Gefühle? Stimmt es, dass jene Menschen, die stattdessen empathisch sind, einfach nur sehr tief in ihren eigenen Abgrund geblickt haben, wie es die Frau behauptet. Bleibt den verlorenen Menschen, wie sie Bettie I. Alfreds Hohlraum bewohnen, am Ende wirklich nur das Ende, das die Autorin für sie vorgesehen hat? Ist das Leben am Ende auch nur eine Kammer und kein Zimmer?”
Über die Position von Netflix und anderen Streaminganbietern in Deutschland (Leitartikel in epd medien 35/2022)
“Im Rückblick wird die Netflix-Story gerne als unglaubliche Erfolgsgeschichte in drei Akten erzählt. Zunächst disruptiert Netflix mit seinem abogestützten DVD-by-Mail-Modell den Heimvideomarkt und zerstört damit unter anderem die US-Videothekenkette Blockbuster. Dann, ab 2007 – also zwei Jahre nach dem Start von YouTube – bietet das Unternehmen seinen Kunden an, Filme auch einfach direkt über das Internet auf seiner Website abzurufen und lizenziert anschließend die Libraries mehrerer US-Mediengiganten, so dass das Gefühl entsteht, die Menschheit könne zukünftig an einem einzigen Ort Sofort-Zugriff auf die gesamte Film- und Fernsehgeschichte besitzen. Schließlich, beginnend spätestens mit House of Cards im Jahr 2013, wird Netflix selbst zum Produzenten der angesagtesten Serien auf dem Markt. Damit stürzt das Unternehmen auch das lineare Fernsehen in eine tiefe Krise, von der es sich wohl nie wieder wirklich erholen wird.
Die wirkliche Geschichte ist natürlich, wie immer, deutlich komplizierter.”
Über den Podcast “Generation Alpha” der KIKA-Unternehmenskommunikation (Glosse in epd medien 36/2022)
“‘Generation Alpha’, der Podcast, den sich der Kika selbst zum 25. Geburtstag geschenkt hat, ist nicht durchgängig Vorstandscontent. Aber, sagen wir mal so: Das Genre ist ihm nicht fremd. Auch wenn in den seit Januar alle zwei Wochen erscheinenden Episoden mit Inka Kiwit, Ann-Kathrin Canjé und Daniel Fiene drei journalistisch ausgebildete Menschen als Hosts auftreten, ist dem Format zumindest deutlich anzumerken, dass dahinter keine Redaktion, sondern die Unternehmenskommunikation des Kika steht. Für wen es produziert wird, welche Erkenntnis es bieten soll, ist nicht so ganz ersichtlich. Aber Chefs und Förderern des Kika gefällt es bestimmt.”
“Wenn wir uns also tatsächlich fragen, wie wir mit unseren Fiktionen interagieren wollen, machen die interaktiven Hörspiele der ARD verschiedene Angebote. Wir können die eigenschaftslosen Schatten im Zentrum einer Handlung sein, durch die wir uns tasten müssen, bis wir aus dem Labyrinth herausgefunden haben (das erfolgreiche Konzept, das auch Escape Games prägt). Oder wir können die Protagonist*innen durch unsere Entscheidungen überhaupt erst mit Eigenschaften ausstatten und sehen, wie sich die Handlung im Spiegel dieser Eigenschaften entfaltet. (Oder beides.)
Obwohl wir im ersten Fall deutlich stärker an den Kontrollen stehen sollten, schließlich sind es unsere Entscheidungen, die den Fortgang der Erzählung steuern, befinden wir uns aufgrund der begrenzten Handlungsmöglichkeiten eigentlich sehr in der Hand der Autor*innen und ihrer Absichten. Im zweiten Fall haben wir weniger Freiheit, das Ruder unseres Handlungsschiffes wild herumzureißen, doch unsere Entscheidungen fühlen sich wichtiger dafür an, wie wir das Erzählte wahrnehmen. Die Ergodizität ist geringer aber signifikanter. Der Plot, das Syuzhet, bleibt von Nutzer*in zu Nutzer*in ähnlich, die Story, die Fabula aber, ist formbar, ist interaktiv.”
Über das Hörspiel “Cryptos” von Janine Lüttmann nach Ursula Poznanskis Roman (Kritik in epd medien 38/2022)
“Ein großer Teil des Genusses von Lüttmanns Hörspiel dürfte davon abhängen, wie gut man mit dem dauerhaften Ich-Monolog von Elisa Schlotts Jana zurechtkommt. Der dreht sich allerdings auch wenig tatsächlich um das Innenleben der Figur, sondern ist davon bestimmt, dass einfache Handlungen beschrieben werden, nach dem Motto ‘Ich setze mich hin und stütze meinen Kopf in die Hände’. Diese Entscheidung bewahrt Cryptos einerseits vor der manchmal bleiernen Szenenhaftigkeit anderer Hörspiele und erlaubt Lüttmann überhaupt erst, sich schnell durch ihre Handlung zu bewegen. Sie führt aber auch gelegentlich zu einem Gefühl der Redundanz und mangelnden Lebendigkeit.”
Über den Podcast “Memes und Millionen” von Ruben Schaar, Katharina Koerth et al. (Kritik in epd medien 41/2022)
“Es ist nicht einfach, für Außenstehende zu beschreiben, wie es sich anfühlt, als Insider in einem solchen Forum (oder in anderen Ecken des Netzes, etwa auf Twitter) zu agieren, dessen Codes zu verstehen und aktiv zu nutzen. Das ‘Memes und Millionen’-Team fährt ein aufwändiges Sound-Design auf und versucht sogar einmal, das akustische Äquivalent eines Memes zu erschaffen, um seinen Hörenden zumindest einen Eindruck vom Leben im Reddit-Schützengraben zu verschaffen. Das funktioniert meistens ganz gut, vor allem, weil sich der Podcast nicht alleine darauf verlässt. Zu den drei mittendrin agierenden Protagonisten und den hörbar gemachten Netz-Prozessen ziehen die Hosts immer wieder auch externe Experten dazu und fahren den Rausch auf ein sachliches journalistisches Niveau zurück.”
Über die deutsche Produktion des Hörspiels “Erdsee” von Judith Adams nach Ursula K. LeGuin (Kritik in epd medien 42-43/2022)
“Dabei greift Adams auf eins der einfachsten und noch immer effektivsten Mittel des Hörspiels zurück: Sie lässt die Hauptcharaktere ihre eigenen Geschichten einander in der Rückschau erzählen, was zugleich eine emotionale Nähe zur erzählenden Figur und Rückfragen und Reflektion durch ihr Gegenüber zulässt. Auf diese Art kann viel szenisches ‘Tischdecken’ gespart werden, und die Handlung kann sich in wirkungsvollen, atmosphärischen Dialogen entfalten. Gibt man dann noch ein gelungenes Sound Design (das beworbene 3D-Audio fällt allerdings nicht nennenswert auf), gute Intro-Texte am Anfang jeder Folge (wunderbar gesprochen von Marit Beyer) und die erneut großartige Musik von Verena Guido hinzu, die ja auch bereits die Volker-Kutscher-Adaptionen des WDR zu Erlebnissen machte, ist man schnell in die fantastische Welt von Erdsee transportiert und will sie auch so bald nicht wieder verlassen.”
Über Moritz Hürtgens Roman “Der Boulevard des Schreckens” (Glosse in epd medien 42-43/2022)
“Wenn Hürtgens geistige Eltern David Lynch und Helmut Dietl sein sollten, hat Lynch sich in der Erziehung eindeutig durchgesetzt. Von den starken Bildern am Rande des Übersinnlichen, bis zur Rolle, die Wörter am Ende spielen, könnte Altkirching auch das bayerische Twin Peaks sein. Er wollte eine Geschichte schreiben, die “fesselnd und unterhaltsam” ist, hat Hürtgen in einem Tweet geschrieben. Das ist ihm in jedem Fall gelungen.”
Jannis Schakarian, ich, Christoph Rieth. Bild: Bernd Zywietz
Am 11. Juni konnte ich auf der TXT, der offiziellen Strand-After-Hour der re:publica 2022, ein Panel zum Thema “Gibt es ein Revival der interaktiven Fiktion?” moderieren. Mit mir auf der Bühne saßen Jannis Schakarian, Autor der “Hastig”-Textabenteuer, und Christoph Rieth, der Leiter der MDR Digitalkoordination, die das interaktive Hörspiel “Schloss Einstein: Mission to Mars” produziert hat. So lautete die Session-Beschreibung:
“Choose Your Own Adventure!” und “You are the hero!”. Mit Sätzen wie diesen begann in den 70ern ein Genre von interaktiven Texten, das erst 20 Jahre später durch die endgültige Dominanz von grafischen Computerspielen aus dem Mainstream verdrängt wurde. Von einer kleinen Nische an Aficionados als “Interactive Fiction” am Leben erhalten, studiert und weiterentwickelt, erlebt es zurzeit durch Voice Technologie und Retrogaming-Trends ein Comeback.
Im Gespräch finden wir heraus, ob es tatsächlich ein Revival der interaktiven Fiktion gibt. Die beiden Schöpfer sprechen darüber, welche Herausforderungen und Chancen darin liegen, den Nutzer ins Zentrum der Geschichte zu stellen und welche Möglichkeiten neue Technologie für die Zukunft der Gattung eröffnet.
Ich konnte das knapp 45-minütige Gespräch mitschneiden und habe es im Feed des LEXPOD veröffentlicht.