Michael Bays Limit, oder: Warum Paul W.S. Anderson der bessere B-Movie-Regisseur ist!

© Paramount Pictures

Dies ist ein Gastbeitrag von Floris Asche als Antwort auf den Beitrag von Sebastian Mattukat, zum Start von Transformers 4.

Michael Bay ist zum Synonym des modernen Action-Science-Fiction-Spektakel-Films geworden. Auch Nicht-Filmkenner kennen ihn. Paul W.S. Anderson kennt kaum einer. Dabei macht Paul W.S. Anderson genau die gleichen Filme wie Michael Bay. Es sind B-Movies. Nicht billig, aber mit Explosionen, Monstern, Aliens oder Robotern. Die Filmtitel kennt man: Resident Evil, Alien vs. Predator, Event Horizon. Aber irgendwie werden sie nicht so hoch geschätzt, so groß vermarktet, wie Transformers oder Bad Boys. Ich wundere mich, woran das liegt.

Kaum einer weiß, dass das brutale Regiedebüt des Engländers Anderson, Shopping (mit dem damals noch unbekannten Jude Law), in seiner Heimat aus den Kinos verbannt wurde. Michael Bays Filme wurden noch nie verbannt. Warum auch? Sie zeigen Stereotype, simple Welten. Abziehwelten. Schöne Frauen, Autos, schwitzende Helden (weil es ja anstrengend sein muss, die Welt zu retten) und Explosionen. Alles schön gefilmt, weil Bay da ja herkommt: Aus der Werbung. Werbung ist auch Abziehwelt. Doch Film ist das nicht. Nicht mal B-Film und schon gar nicht Action oder Science-Fiction.

Menschlichkeit, Nähe und Fehler

Paul W.S. Anderson erlaubt seinen Figuren gebrochene Momente und Zweifel. Egal, ob er bekloppte Storys, wie in Death Race, oder bekloppte Szenarien, wie in Mortal Kombat darstellt. Seine Figuren haben Menschlichkeit, Nähe und Fehler. Und genau da wird er leise. Weil er weiß: Die Wucht der Bilder, die Explosionen, Monster und so weiter, kann uns nur weiterbringen, wenn sie im Kontext der stillen, kleinen Menschen steht. Explosionen sind in einem Film nur gerechtfertigt, wenn jemand davor wegläuft. Wir müssen wollen, dass er überlebt.

Ich mag Michael Bay-Filme. Wirklich. Ich hab alle gesehen. Oft mehrmals. Aber wenn ich mich zurück erinnere, weiß ich nicht, ob die Figuren mir gefielen. Ich erinnere mich nur an Schauspieler, an Stars. Nicht an ihre Rollen. Klar fand ich Ewan McGregor in The Island toll, auch Scarlett Johansson. Aber ihre Figuren waren absolut idiotisch. Auch Shia LaBeouf und Megan Fox in Transformers: Warum soll ich mich für sie interessieren? Ah. Weil er der lustige Shia, und sie die heiße Megan ist.

So gesehen hat Michael Bay den ultimativen Trick gefunden: Schöne (von mir aus) echte Explosionen, gepaart mit schönen Menschen, die wir aus den Medien kennen, für die wir uns also von Natur aus interessieren. Anders Paul W.S. Anderson: Mal ganz davon abgesehen, dass er etwas weniger Budget für seine Filme hat, und so seine Filme auch mal billiger aussehen. (Manchmal sehr viel billiger.)

Ab und an spielen zwar auch bei Anderson Stars mit, aber sie werden ganz anders behandelt: Milla Jovovich, zum Beispiel: Sie bekommt zu Beginn des ersten Resident Evil-Films eine lange Einführung. Mysteriös und erzählerisch wird ihre Figur vorgestellt. Oder Jason Statham in Death Race: Bestimmt nicht Andersons oder Stathams bester Film, aber in welches emotionale Loch, welche Tiefe der Hauptcharakter zu Beginn geworfen wird … Ähnliches passiert mit dem Charakter von Sam Neill in Event Horizon.

Sowieso: Event Horizon.

Ein stilprägender Sci-Fi-Horrorfilm, ohne Monster. Ohne direkte, einfache Gründe für das Grauen. Es gibt keine Bösen, das Böse sind wir. Weil wir die Grenzen der Wissenschaft nicht erkennen, oder gewillt sind sie zu überschreiten. Hybris heißt das Monster. Man hat Angst vor jeder Figur in Event Horizon. Die Effektmomente, die Animationen und Modelle im Weltraum sind hier quasi Entspannung, ruhige Inseln. Im Grunde befindet sich Paul W.S. Anderson mit Event Horizon und Resident Evil auf der Spur der großen B-Movies. Von Ulmers Detour, Francis Ford Coppolas Dementia 13, oder Romeros Night of the Living Dead.

Bei Michael Bay ist es niemals dunkel

Michael Bay macht keine Horrorfilme. Und er stellt sicher: Niemals ist es zu dunkel in den Sci-Fi-Filmen. Warum? Weil Dunkelheit Ungewissheit ist. Das passt nicht in die Abziehwelten. Abziehwelten sind klar, sauber – auch wenn Filmgrain drüber klebt. Ja – es sind schöne Bilder, manchmal wundervoll abfotografierte Szenen. Aber guckt man sich nochmal Event Horizons erste Space-Kamerafahrt an: Die steht den Effekten in Transformers in nichts nach, rechnet man die Entwicklung der Computeranimationen heraus und lässt außer Acht, dass sie ein Drittel des gesamten Budgets gekostet hat. Und genau das ist es: Bei Paul W.S. Anderson gibt es in einem Film eine Handvoll eindrucksvoller Effekte. Bei Michael Bay ist alles Effekt.

Durch budgetäre Beschränkungen waren B-Movies, Actionfilme und Sci-Fi eigentlich immer gezwungen sich den Figuren zu widmen. Michael Bay nutzt Personen wie Schaufensterpuppen. Das kennt er noch aus Musikvideozeiten: Da hatte er für ein paar Minuten auch viel zu viel Geld. Alles war nur “Eye Candy”. Michael Bay schert sich auch nicht um Kontinuität. Ein Schnitt, und schon sind wir woanders. Er darf sich auch nicht scheren, weil seine Geschichten nur Effekte wollen. Geschichte ist ihm vollkommen egal. Wenn also eine Handlung von Szene A, über B, zu C gehen sollte, schneidet Bay einfach das langweilige B heraus. Zuviel Entwicklung. Stattdessen spielt das der Star einfach in der nächsten Szene mit. Deswegen wirken die meisten Bay-Filme auch so stückhaft. Schnitt und weg.

In vielen Paul W.S. Anderson Filmen gibt es Übersichten und Lagepläne. Anderson will den Zuschauer in die Erzählwelt hinein holen. Er will ihn verstehen lassen. Vielleicht gibt es dafür bessere, filmische Mittel, bestimmt sogar. Aber der Anspruch von Verständnis ist da. Paul W.S. Anderson erzählt ganze Welten, Story-Kosmen. Wie ein kleines Kind, das sich vor dem Urlaub in Griechenland atemberaubendsten Geschichten im Geiste überlegt. Wenn das Kind dann da ist stehen nur noch 15 Säulen. Alles recht trocken. Aber die Geschichten in seinem Kopf, die Vorstellungen … Wahnsinn.

Eine Renaissance des B-Movies

Es wird viel über das Ende der großen Blockbusterfilme geschrieben und geredet. Ich glaube eher, es wird eine Renaissance der B-Movies geben. Der echten B-Movies. Keine B-Movies, die mit viel Geld zu A-Movies werden sollen. Sci-Fi, Action, Thriller, Horror gehören ins Kleinere. Dort wo man sich visuell etwas einfallen lassen muss, damit man flink beeindruckt, um dann wieder Geschichten zu erzählen. Mit visuellen Ideen, und nicht immer wieder den gleichen Hochglanzshots.

Noch eine Sache zum Abschluss. Nicht einer von Michael Bays Filmen hat eine weibliche Hauptfigur. Nicht einer. Dagegen dreht Paul W.S. Anderson am sechsten Resident Evil-Teil und hat mit Alien vs. Predator eine außergewöhnlich lebensnahe Heldin etabliert. Aber vielleicht sind Frauen für Michael Bay zu komplex. Lieber den Arsch filmen, als sie was sagen lassen. Und das ist dann dieser eine “Moment”. Für wen wohl?

Floris Asche ist Autor und Filmemacher in Berlin. Zusammen mit Sebastian Mattukat hat er letztes Jahr die Kurzfilm-B-Movie Hommage Spreeshark gedreht. Zur Zeit arbeitet er an der Langfilmfassung.

Blick in die Blogosphäre (VII): Filmfest München, “Ein Film – viele Blogger”, Seeßlen

Ich bin ja sehr glücklich, und gebe mir sogar ein klitzekleines bisschen Credit dafür, dass es einige Blogger_innen-Kollegen gibt, die sich meinen Völkervereinigungs-Gedanken angeschlossen haben und völlig unabhängig von mir Aktionen ins Leben rufen, bei denen Blogs zusammenfinden können. (Ich selber muss mich ja eher dafür schämen, dass ich es nicht einmal geschafft habe, einen Film Blog Group Hug in der ersten Jahreshälfte zu organisieren.)

Besonders fruchtbar scheint dieses Jahr das Filmfest München gewesen zu sein. Jan Peschel von “CineCouch” hatte dort dieses Jahr, in der Tradition der Berlinale-Bloggertreffen, zum Meet the Bloggers eingeladen. Und wenn man dem Bild, das diesen Post ziert, sowie Jans Bericht Glauben schenken kann, hat es sich gelohnt:

Man unterhielt sich über das Festival, den allgemeinen Filmgeschmack, über eigene Projekte und auch immer wieder über die Blogosphäre, Ideen zu Kooperationen und die Frage, ob man finanziell nicht auch mehr mit Blogs erreichen könnte. Hoffentlich können einige Anstöße weitergetragen werden.

Gemeinschaftspodcasts

Ein erstes Gemeinschaftsprojekt, das in München entstanden ist, ist die Sonderausgabe des Podcasts “Die Abspanner”, in der sich “Cinema Forever”-Blogger Conrad Mildner mit “Filmosophie“-Frontfrau Sophie Rieger zusammengesetzt hat, um das Festival Revue passieren zu lassen. Eine ähnliche Konstellation also, wie beim Klassiker der Filmfestival-Podcasts – dem Videopodcast von “kino-zeit.de” mit Joachim Kurz und Beatrice Behn. Und da “Rocky Balbea” ja jetzt auch eine Filmfreundin ist kann man den also auch gleich unter den Blog-Kooperationen einordnen. “Schöner Denken” hatte übrigens schon im Juni Sano von “Eskalierende Träume” in einem Nippon-Connection-Podcast zu Gast.

Ein Film – Viele Blogger

Globaler und langfristiger angelegt ist das Projekt des Intergalactic Ape-Man, das auf den Namen “Ein Film – Viele Blogger” hört. Der Plan: bis zu einem gewissen Stichtag schreiben alle, die wollen, eine Rezension zu einem vorher festgelegten Film, die der Ape-Man anschließend sammelt. So soll Dialog und Austausch entstehen. Ich warte bereits gespannt auf das Ergebnis der ersten Runde zu The Elephant Man. Ich selbst habe leider nicht teilgenommen, mir fiel zu spät ein, was ich gerne geschrieben hätte (einen Abgleich zwischen Realität, Film und der Musical-Version in The Tall Guy) – aber vielleicht mache ich ja bei einer der nächsten Runden mit. Der Ape-Man hat die Übersicht.

Filmkritisches

Währenddessen läuft übrigens die “Hard Sensations” Interviewreihe mit Filmschreibern weiter. Und der Kritikerverband VdFk lädt, in Person von “Negativ”-Blogger Dennis Vetter schon zum zweiten Mal zum Kritiker-Stammtisch diesen Donnerstag in Frankfurt am Main.

In einer “Keynote” hat Filmkritik-Altmeister und Blogger Georg Seeßlen im Dezember 2013 Bilanz über das Kino als Gesamtgefüge gezogen und es zum stärkeren Nomadendasein aufgefordert. Das insgesamt lesenswerte Manifest wurde heute veröffentlicht und enthält folgende denkwürdigen Sätze:

Andrerseits erleben wir die Abwanderung der Kritik ins Netz, wo sie einerseits Konsumenten- und Millieukonform ist und sich perfekt für eine Mikrostruktur der Vermarktung durch Streuung und Manipulation von Nachrichten eignet, andrerseits aber […] extrem intelligente „Inseln“ des Diskurses bildet. Diesen Inseln gelingt indes nur sehr selten eine Verbindung zum Festland.

Die Inseln untereinander, scheint es mir, sind inzwischen schon streckenweise ganz gut durch Brücken verbunden. Auf geht’s, erobern wir das Festland!

Weitere Hinweise über filmblogosphärische Aktionen nehme ich gerne unter kontakt@alexandermatzkeit.de entgegen

From the Vault: Talking Heads – Das Making of zu einem Film, der nie existierte

Joachim Kurz hat vor einiger Zeit eine Kolumne geschrieben über Filme, die es gar nicht gibt. Björn Helbig hat zuletzt diesen Staffelstab aufgenommen und eine Rezension geschrieben über den Film The Mongolian Whore House, der ebenfalls nicht wirklich existiert.

Ich glaube nicht, dass ich Björn nachfolgen kann, aber ich fühlte mich erinnert an ein Drehbuchprojekt, das ich vor vielen Jahren (2006) mal angefangen, aber früh wieder aufgegeben hatte. Der Film Talking Heads sollte das “Making of” eines Films sein, den es nicht gibt. Parodiert werden sollten damit vor allem die üblichen Worthülsen, die an Filmen beteiligte Menschen in “Featurettes” und ähnlichen Promotion-Formaten gerne von sich geben. Die künstliche Erzähldramatik, die in solchen Filmchen gerne aufgebaut wird, sollte in Talking Heads ersetzt werden durch eine zunehmende Absurdität. Der Film, dessen Entstehung geschildert wird, dessen Titel nie genannt wird und der sich im Kopf des Zuschauers formt, sollte Stück für Stück immer bizarrer werden.

Wie gesagt: weit bin ich nicht gekommen, aber hier sind die ersten zwei Seiten, leicht umformatiert.

Fade from Black

BERNHARD SCHROTH (PRODUZENT): Dirk kam damals zu mir in mein Büro und meinte “Bernd, ich
möchte gerne diesen Film machen.” Da hab ich ihm lange ins Gesicht geguckt
und gesagt: “Dirk, du bist verrückt.” THOMAS F. BRINCKMANN (DREHBUCHAUTOR): Als ich erfahren habe, dass Dirk diesen Film machen
will und dass ich das Drehbuch dazu schreiben soll, hab ich Dirk erstmal
angerufen und gesagt: “Dirk, ich weiß du hörst es nicht gern, aber du bist verrückt.” CHRISTOPHER DALL (KAMERA): Dirk und mich verbindet eine lange Freundschaft, aber als er
mir erzählt hat, was er vorhat, hab ich gesagt: “Du bist verrückt” STEPHAN KRAUSE (”PIT"): Mein Agent rief mich an und sagte “Dirk Sorensen will dich für
seinen neuen Film. Er will dich für die Rolle des Pit.” Ich hab gesagt: Ich glaub er
ist verrückt. DIRK SÖRENSEN (REGIE) (ist noch am Lachen von etwas, was er vorher gesagt hat): Die
ursprüngliche Reaktion? Ich glaube die meisten Leute, denen ich es erzählt habe, haben
gemeint ich wäre verrückt. Schwarz. Einblendung des Titels: The Making of TALKING HEADS. DIRK SÖRENSEN (CONT'D): Die Geschichte dieses Films geht zurück auf ein Erlebnis, was ich
in meiner Kindheit hatte. Ich war mit meinen Eltern im Urlaub an der Nordsee, ich
war vielleicht so 5 oder 6 Jahre alt, noch ziemlich klein jedenfalls. Und...äh...
da haben wir einen Strandspaziergang gemacht, wie man das halt so macht an der Nordsee. Und da finde ich im Sand plötzlich so ein wunderschönes geschwungenes Schneckenhaus.
(er macht eine entsprechende Geste)
Und ich... ich wollte es aufheben, und als ich danach
greife, ruft mich mein Vater und ich drehe mich um, und ich sehe noch aus meinem
Augenwinkel wie ein kleiner Krebs aus dem Schneckenhaus hervorkriecht. HENRY DU POINT (AUTOR ROMANVORLAGE) (spricht Deutsch mit starkem, echtem französischen
Akzent und bedient sich zur Unterstützung seiner Aussagen sehr ausdrucksvoller Gesten):
Im Kern von mein Buch liegt die Gedanque, dass die Welt ist eine Kampf von was ist Schön
mit einer großen... (er überlegt wie das Wort heißt) Wüt. DIRK SÖRENSEN: Als ich das Buch von Henny, also von Henry Du Point gelesen habe, wusste
ich sofort, dass darin ein ganz großer Teil auch von mir steckt. Von mir und von
diesem Tag am Strand. Und da wusste ich, dass ich da auf jeden Fall einen Film
draus machen muss. BERNHARD SCHROTH: Jeder kennt dieses Buch von Henry Du Point. Die meisten Leute haben es
gelesen. Und es gibt eine bestimmte Vorstellung davon, was für ein Typ die Hauptfigur
sein sollte. THOMAS F. BRINCKMANN: Ich hatte Henrys Buch nicht gelesen und bin deswegen erstmal in
einen Buchladen gegangen, hab es gekauft und eigentlich in einem Rutsch durchgelesen.
Und schon beim lesen hatte ich eigentlich immer schon eine sehr genaue Vorstellung
davon, wie die Hauptfigur aussieht. DIRK SÖRENSEN: Ich kenne Stephan noch aus meiner Zeit am Bielefelder Staatstheater
und ich wusste einfach: Er ist der Mann für den Job. STEPHAN KRAUSE (”PIT”): Ich war gerade auf Mallorca, ich hab da eine kleine Finca für den
Winter und so als mein Handy klingelt und mein Agent ist dran. Er sagt: “Du wirst nicht
glauben wer mich gerade angerufen hat.” Ich sage: “Steven Spielberg?” Er sagt: “Nein,
Dirk Sörensen. Er will, dass du in seinem neuen Flm den Pit spielst.” BERNHARD SCHROTH: Stephan hat die Gabe, echte Gefühle zu transportieren, und das können
nur sehr sehr wenige Schauspieler, deswegen war mir klar, dass er unsere
Idealbesetzung sein sollte. STEPHAN KRAUSE: Ich sagte nur: Okay, wo muss ich unterschreiben.

Wenn ich das so lese, bekomme ich richtig Lust, mich noch einmal dran zu setzen.

Franchise-Nomenklatur: “Soft Reboot”

“I’m not sure there’s that much value in determining what these nonsense words
mean anyway. They’re mostly for bloggers and entertainment journalists
to bandy about as they attempt to draw clicks to their website.”
– Craig Mazin, Scriptnotes #150

In der wackren neuen Welt des Film-Franchising versuchen Macher und Beobachter noch immer, der verschiedenen Strategien habhaft zu werden – auch, indem sie ihnen Namen geben. Immer mal wieder stolpere ich dabei auf neue Ideen, die mir gefallen. Zum Beispiel wenn Blogger “Echo-07” in seinem (für Star Wars-Theoretiker wie mich) durchaus interessanten Spekulationsartikel auf “Star Wars Episode 7 News” folgendes zu den neuen Star Wars-Filmen schreibt:

For the short-game we are getting six movies along with the TV show Rebels. For the long-game Episode VII is a “soft reboot” as the Original Trilogy cast acts as “connective tissue,” passes on the torch, passes on their storied legacy to a new generation of heroes and villains to carry said torch as far as they can, until they pass it on. (Meine Hervorhebung)

Den Begriff “soft reboot” im Bezug auf Franchising lese ich hier zum ersten Mal, aber er ergibt für mich sofort Sinn. Kein Wunder: Der “Hollywood Repoerter” identifizierte den Soft Reboot bereits im Februar 2012 als “Hollywood’s newest trend”, unter anderem in Reaktion auf den Backlash gegen The Amazing Spider-Man.

Dahinter steckt der Wille der Filmemacher, die Marke zu erneuern ohne dabei alle Verbindungen zur Vergangenheit zu kappen, wie es Anfang des Jahrtausends so beliebt war. Statt also wie bei James Bond oder Batman zu sagen, “Dies ist nicht der Charakter, den eure Eltern noch kannten, er ist neu und ganz anders und hat nichts mit seiner alten Version zu tun” beschwört man ganz bewusst die Bezüge zum Ur-Text herauf, lässt sich sozusagen von diesem den Segen erteilen, jetzt neue Geschichten zu erzählen, ohne die Kontinuität zu brechen.

Star Wars ist nicht das einzige Franchise, das diesen Weg geht. Jurassic World sieht danach aus. Und sowohl in J. J. Abrams’ Star Trek als auch in Bryan Singers X-Men: Days of Future Past bedienen sich die alten Charaktere Zeitreise-Plots, um die Fackel sogar an jüngere Versionen ihrer selbst weiterzugeben. Transformers 4 scheint den Begriff aktiv im Marketing zu benutzen. Es wird interessant sein, zu sehen was James Cameron mit seiner neuen Avatar-Trilogie macht. Dass das Prinzip in komplexeren Konstrukten wie Comic-Universen nach hinten losgehen kann, darauf wiesen mich zwei meiner Follower auf Twitter hin.

Die Bezeichnung existiert übrigens auch im Computerbereich, wo ja “Reboot” überhaupt herstammt. Und sie passt perfekt: “A soft reboot, by definition, is anything that uses only software to reboot the controller.” Mit anderen Worten: Der Neustart wird aus sich selbst heraus motiviert, es braucht keine externe “Hand Gottes”, die ihn herbeiführt. Daraus folgt, “that a hard reboot will erase everything stored in RAM while a soft reboot will not”. Man ersetze “RAM” durch “Continuity”. (Geläufig scheinen auch die Begriffe “Cold Reboot” und “Warm Reboot” zu sein)

Alles auf einmal. Sofort! [Update: Mit Reaktion auf die “Creative Europe”-Zahlen]

Jakob Lass hatte Love Steaks, seinen »Mitte des Studiums«-Film an der HFF Potsdam, nicht zuletzt deshalb ohne Fördergelder gedreht, weil ihn der Bewilligungsprozess zu viel Zeit gekostet hätte. Nach dem Filmfest München im Sommer 2013, wo Love Steaks vier Preise gewann, war der Regisseur damit in der einmaligen Position, einen potenziell erfolgreichen deutschen Film in der Tasche zu haben, der in der Distribution an keine gesetzlichen Vorgaben gebunden war. »Es haben sich einige große Verleiher für den Film interessiert«, sagt Lass, »aber wir haben gedacht: Wir nutzen die Gelegenheit und bringen den Film selbst raus.« Love Steaks startete im März 2014 deutschlandweit mit 33 (digitalen) Kopien im Kino. Ursprünglich wollte Jakob Lass aber viel weiter gehen. Sein Plan war es, den Film mit dem Kinostart im Internet abrufbar zu machen.

Weiterlesen auf epd-film.de

Update: In einem Eintrag auf Programmkino.de weist die Redaktion darauf hin, dass die Zahlen der “Creative Europe”-Studie, die sie “europe creative” nennt und die auch ich in meinem Artikel zitiere, mit Vorsicht zu genießen sind. Die Prozentzahlen aus der Pressemitteilung wirken nämlich nicht mehr so beeindruckend, wenn man die absoluten Zahlen dagegenhält. Speziell der zitierte Zugewinn von bis zu 181 Prozent bedeutet lediglich, dass ein Film 488 Kinobesucher hatte und 881 Downloads dazukamen. Als Zahl natürlich alles andere als repräsentativ. Ich gehe davon aus, dass folgendes Zitat aus der Meldung auch an mich gerichtet ist:

Diese außerordentlich positive Einschätzung aus Brüssel wird mittlerweile von zahlreichen Journalisten zitiert, verbunden mit Kritik an traditionellen Vertretern der Filmwirtschaft. Dabei machen sich diese Journalisten nicht einmal die Mühe, die Studie selbst zu lesen.

Ich muss mich in diesem Fall zu einem Bruch journalistischer Sorgfalt bekennen. Da die Studie erst sehr knapp vor Abgabe des Artikels erschien, habe ich sie tatsächlich nicht ganz gelesen und mich stattdessen auf die Zahlen der Pressemitteilung verlassen. Das war, wie ich jetzt einsehe, ein Fehler.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Zahlen natürlich auch für andere Auslegungen kaum repräsentativ sind, ändern sie meiner Ansicht aber nichts an den anderen Sachverhalten, die der Artikel schildert und in dem die “Creative Europe”-Zahlen nur ein Rausschmeißer am Schluss sind. Von den Ereignissen rund um Love Steaks mal abgesehen, bei denen ich wirklich außer Sturköpfigkeit keine andere Motivation dafür feststellen konnte, dass hier ein interessantes Experiment mit merkwürdigen Methoden verhindert wurde (zumindest ist das meine Meinung nach den Gesprächen, die ich geführt habe): Wenn programmkino.de am Ende schreibt,

Bei allen Filmstarts waren die VoD-Downloads also tatsächlich so gering, dass man sich fragt, was die am Modellversuch beteiligten Filmverleiher und VoD-Portale mit der finanziellen Unterstützung in Höhe von 2 Mio. EUR angestellt haben. Mit dem Betrag hätten in Europa 20 Kinos mit einer Anschubhilfe von je 100.000 EUR wiederbelebt oder neu gegründet werden können.

zeigt sich eben doch nur wieder, dass auf Seite mancher Kinobetreiber einfach kein Wille dafür vorhanden ist, irgendetwas zu ändern. Sich hinterher hinzustellen und zu sagen: Haben wir doch eh gesagt, das Geld hättet ihr auch uns geben können, ist die wohlfeilste Methode unter den billigen Kritiken. Ich habe mich im Artikel bemüht, darzustellen, dass “Day-and-date”-Releasing weit davon entfernt ist, ein Allheilmittel zu sein, dem wir alle in die Arme rennen müssen. Aber es existiert und einige Menschen haben gute Erfahrungen damit gemacht, also muss man sich doch als Branche damit auseinandersetzen, vor allem, wenn man gegen die mächtigen Medienkonzerne aus den USA sowieso kaum eine Lobby hat.

Davon abgesehen kaufe ich die reine “Kinos sind wichtig, ohne Kinos wird Film dahinsiechen”-Argumentation, die gebetsmühlenartig in diesen Kontexten wiederholt wird, niemandem mehr ab. Und keine Branche hat einen Anspruch darauf, unverändert durch alle Zeitenwenden hindurch bestehen zu dürfen. Wie so oft empfehle ich ergänzend Rajko Burchardt.

Nachhaltigkeit (II)

Das Internet mag ein ewiges Langzeitgedächtnis haben, doch sein Kurzzeitgedächtnis ist miserabel. Tweets und Blogposts, die man heute liest, hat man morgen wieder vergessen. Die Sau, die diese Woche durchs Dorf getrieben wird, mampft nächste Woche schon wieder unbehelligt in ihrem Stall. Das entspricht weder meiner Gesinnung als Journalist, noch als Geisteswissenschaftler. Unter dem Label “Nachhaltigkeit” gehe ich zurück zu meinen Blogeinträgen der letzten Monate und verweise auf interessante Entwicklungen in den angerissenen Themen.

Godzilla

Mit der Debatte, die Gareth Edwards’ Film Godzilla angestoßen hat, ließe sich ein eigenes Blog füllen. Das Absurdeste an der Kritikerlandschaft, die ich beobachten konnte, ist natürlich nicht, dass manche den Film mochten und andere nicht, sondern dass selbst diejenigen, die nach eigener Aussage Spaß im Kino hatten, sich in der Folge gerne daran beteiligen, die schwergängige Taktung, die logischen Löcher und die flachen Charaktere des Films auseinanderzunehmen. Beispiele: /filmcast und “Slate” Spoiler Special. Bei mir hat das den Eindruck hinterlassen, dass eigentlich doch niemand den Film als Ganzes so richtig mochte – auch Tim Slagman nicht, der eine direkte Replik auf meinen Blogpost “Erst durch Godzilla werdet ihr merken, was ihr an Pacific Rim hattet” schrieb.

Umso mehr eignet sich der Film als Grundlage für diverse Diskussionen: Ist Godzilla tatsächlich der erste Blockbuster, der keine Menschen braucht? Was sagt er über sogenannte Calling Card Movies wie Monsters aus, mit denen sich junge Regisseure in Hollywood bewerben (siehe auch “epd film“)? Forrest Wickman nahm auf “Slate” das Datenzepter in die Hand und bewies, dass eigentlich sogar die meisten Monsterfilme ihr Monster erst nach etwa einer Stunde ganz zeigen.

Wie ich arbeiteten sich einige Autoren am Vergleich mit Pacific Rim ab, unter anderem Annalee Newitz bei “io9” (“Why Godzilla kicked Pacific Rims Ass at the Box Office“) und Orlindo Frick beim “Moviepilot”-Aufreger der Woche. Die interessanteste Debatte ist aber meiner Ansicht nach die darüber, was Godzilla über die “Ernsthaftigkeit” des Blockbusterkinos aussagt. Darren Franich schrieb in “Entertainment Weekly” einen Call for an End of Serious Blockbusters, am härtesten schlägt aber wahrscheinlich Lee Weston Sabo bei “Bright Lights” zu. Für ihn ist Godzilla Teil der “Gentrifizierung von Pulp“, was ich für einen interessanten Gedanken halte. Enden wir auf einem Zitat aus Sabos Artikel:

Godzilla, the King of the Monsters, has been stripped of personality and dressed up in a taciturn action blockbuster just like any other, perfectly acceptable for a middle-class audience to enjoy without feeling low-brow. It even has Bryan Cranston fresh off the success of Breaking Bad, and middle-aged character actors David Strathairn, Sally Hawkins, Ken Watanabe, and Juliette Binoche show up in bland cameos to give it some arthouse credibility. It’s just like a “real” movie!

X-Men und Ant-Man

In meinem Gespräch mit Sascha über die Opfer, die konsistentes Worldbuilding verlangen kann kam unter anderem X-Men: Days of Future Past vor. Zwei tolle Interviews sind seitdem aufgetaucht, die einige der Aspekte beleuchten, über die wir im Podcast nur mutmaßen konnten. Bryan Singer beweist, dass er für jeden Continuity-“Fehler” zwischen The Last Stand und Days of Future Past eine Erklärung hat. Und Simon Kinberg erzählt im zweistündigen Interview mit Jeff Goldsmith einiges zu den Hintergründen für bestimmte Entscheidungen und bestätigt tatsächlich, dass eine der Motivationen für den Film war, The Last Stand ungeschehen zu machen. Nachdem außerdem bekannt wurde, dass der niemals besonders aufgefallene Peyton Reed Edgar Wrights Zügel bei Ant-Man übernehmen wird, hat Sidney Schering sehr ausgewogen zusammengefasst, wie die Gesamtsituation jetzt aussieht: Marvel und die Yes Men.

Thinkpieces

Während ich im Best Blog Award-Stöckchen versucht habe, zu umreißen, welche Art von Artikel ich am liebsten schreibe, hat Nick Pinkerton auf “Film Comment” bei einer generellen satirischen Abrechnung mit dem Internet-Filmjournalismus eine fiese, aber natürlich in Teilen auch treffende Definition des “Thinkpieces” formuliert:

The review was an unwieldy format that allowed for the cacophonous interplay of multiple ideas, some of which could seem to directly contradict one another. What a nightmare! This flawed and antique form, I am happy to announce, has been replaced by the thinkpiece, which puts forth a single, strong argument about contemporary culture, which gains force through bypassing historical context, eliminating niggling details which problematize the thesis or isolating them to a passing thought, and strawmanning fellow writers.

Ich hoffe doch, dass ich zumindest ab und zu auch einigen Fallen aus dem Weg gehe in meinen “Thinkpieces”, die ja durchaus auch als bewusste Zuspitzung und Provokation gedacht sind.

Und außerdem

Die beste Ergänzung zu meinem re:publica-Fazit hat Patricia Cammarata alias “Das Nuf” formuliert, die ebenfalls ein bisschen das Positive, Zusammenschweißende vermisste.

Der Magic: The Gathering-Film hat jetzt einen Drehbuchautor: Bryan Cogman, vor allem bekannt durch seine Arbeit an Game of Thrones. Klingt doch interessant …

Und dann war da noch The Wolf of Wall Street. Meine Kritik am Film wurde unter anderem direkt im “Kontroversum”-Podcast und von Sophie Charlotte Riger in ihrer “Biss zum Abspann”-Kolumne aufgegriffen. Die Debatte um das Thema zog sich jedoch durch sämtliche Medien, weil ich nicht der einzige war, der bemängelte, dass Scorsese versucht, gleichzeitig zu kritisieren und zu genießen. “Indiewire” fasst die Diskussion im englischsprachigen Raum zusammen, noch besser fand ich aber das Gespräch bei “Cargo”. Inzwischen bin ich fast überzeugt, dass der Film mehr ist, als er auf den ersten Blick scheint, aber ich müsste ihn wohl noch einmal sehen, um sicher zu sein.

Bild: Flickr Commons

J. J. Abrams und die Gefahr des Simulacrums

Irgendwie ist, seit “TMZ” Bilder vom Set von Star Wars: Episode VII geleakt hat, die Geek-Welt ein bisschen hoffnungsvoller geworden. Da steht ein Millennium Falcon rum (was eigentlich gar nicht verwunderlich ist) und überhaupt dominiert der Eindruck, dass J. J. Abrams und sein Team sich sehr bemühen, den Geist der Originaltrilogie einzufangen. Nicht zuletzt, weil sie viel auf praktische Effekte setzen, wie man auch in dem Charity-Video sehen konnte, das Abrams offiziell vom Set geschickt hat.

Findige Spezialisten haben festgestellt, dass einige der Setbauten auf den geleakten Fotos verdächtig nach alten Design-Entwürfen des 2012 gestorbenen Production Artists Ralph McQuarrie aussehen. Okay, könnte man meinen, Abrams gibt sich also wirklich Mühe, den Geist von 1977 (oder 1980) herbeizurufen. Das passt zu vorausgehenden Entscheidungen: Das Ersetzen von Drehbuchautor Michael Arndt durch Lawrence Kasdan (der Empire und Jedi mitgeschrieben hat) und das gerüchteweise herumgerissene Drehbuch, in dem Luke, Leia und Han nunmehr nicht nur einen Gastauftritt haben sollen, sondern eine tragende Rolle. Mit anderen Worten: Star Wars VII wird so “Original”, das glaubt ihr gar nicht.

Zwei Vergleichsfilme

Das ist insofern interessant, als das man zwei vorhergehende Filme Abrams’ als Vergleich heranziehen kann. In Star Trek sah sich der Bad-Robot-Chef einer ähnlichen Situation wie jetzt gegenüber: Er sollte eine schlummernde Filmmarke wieder zum Leben erwecken. Abrams entschied sich für einen genialen Taschenspielertrick: Er rebootete die bekannte Erzählung, ohne die Kontinuität der alten dadurch aufzuheben. Dazu brauchte er Wurmlöcher, Leonard Nimoy und eine Menge zugedrückter Augen, aber es klappte. Am Ende hatte er mit Star Trek einen Film erschaffen, der sich frisch und neu anfühlte, ohne die Original-Filme und -Serien zu verwässern. (Als Negativ-Gegenbeispiel vergleiche man die Wucht der Star Wars Prequels).

Der zweite Vergleichsfilm ist Super 8 – Abrams’ Hommage an die Filme von Steven Spielbergs Firma Amblin in den 80ern, wie E.T. und The Goonies. Wie Abrams in Interviews immer wieder betonte war Super 8 als eine Art direkte Emulation des Amblin-Geistes zu verstehen und deswegen hatte er auch alle Zutaten: Er spielte in den 80ern, mit Schulkindern, die BMX-Fahrräder fahren und auf ein Monster treffen, dass sich als gar nicht so monströs entpuppt. Dazu natürlich Lens Flares und jede Menge “Spielberg Faces”.

Viele Kritiker waren sich nach Super 8 einig: Der Film ist nicht schlecht, aber er probiert ein bisschen zu sehr, ein Amblin-Film zu sein – und wirkt dadurch irgendwie hohl, wie ein perfekter Golem ohne Innenleben. Es reicht eben nicht, alles genauso zu machen, wie das große Vorbild. Wirklich großen Filmen liegt ein Funke inne, der sie einzigartig macht – die besondere Seele des Regisseurs und die daraus erwachsene Vision. Star Trek – man kann von ihm halten, was man will – hatte das.

Running the Asylum

J. J. Abrams befindet sich in der Situation vieler heutiger Filmemacher, die das Wiki “TV Tropes” “Running the Asylum” nennt. Die Fans übernehmen bei ihrem ehemaligen Fandom plötzlich selbst die Leitung, als würden die Irren anfangen, das Irrenhaus zu leiten. “Any sufficiently advanced franchise is indistinguishable from fan fiction”, lautet der zusammenfassende Satz. Daraus folgt aber, dass hier plötzlich eine Fan Fiction entsteht, die auf keinen zu verehrenden Text mehr verweist, sondern selbst Text ist. Jean Baudrillard nannte ein solches “Zeichen ohne Bezeichnetes” ein Simulacrum. Und diese Gefahr sehe ich auch bei Star Wars.

Abrams hat oft darüber gesprochen, wo seine Allianzen liegen. Dass er Star Wars liebt und Star Trek nur respektiert. Dass er vor allem deswegen Interesse an Star Trek hatte, weil es halt das “next best thing” nach dem tot geglaubten Star Wars war. Dass er Star Trek “ein bisschen mehr wie Star Wars” wirken lassen wollte. Jetzt hat er seinen Wunsch bekommen – er darf endlich Star Wars machen. Als die Entscheidung damals fiel, kommentierte Trek-Fan Jordan Hoffman pointiert: “I feel like J.J. Abrams took me out to the prom but left with the hotter girl.

Ganz sicher

Und jetzt scheint es so, als wolle J. J. Abrams dem heißen Mädel auch ganz doll beweisen, dass er seiner würdig ist, damit es mit ihm schläft. Dass er genau wie George Lucas sein kann, nur ohne die infantilen und sonstigen problematischen Neigungen, die seit Jedi die Serie geplagt haben. Er will ganz sicher gehen, dass er alles richtig macht – ein bisschen wie Bill Murray in Groundhog Day, als er versucht den perfekten Tag zu konstruieren. Wir wissen: darin liegt nicht die Lösung – am nächsten Morgen singt Cher immer noch “I got you, Babe.”

Wahrscheinlich unterschätze ich Abrams. Er wird um die Gefahren der Total-Emulation bis zum Simulacrum wissen. Ein Freund wies mich auf Facebook darauf hin, dass etwa McQuarries Entwürfe in der Vergangenheit auch in anderen Ecken des Star Wars-Universums wertvolle Stützen für tolle Geschichten waren. Vielleicht wird Episode VII ein Lieblingssessel, nicht originell, aber angenehm durch seine Vertrautheit. Aber Vorsicht ist geboten. Bryan Singer kann nach Superman Returns ein Lied davon singen, was die Folge ist, wenn man sich zu sehr bemüht, an Vergangenes anzuknüpfen. In X-Men: Days of Future Past hat er bewiesen, dass er aus der Erfahrung gelernt hat und dass es wichtiger ist, sich “gefühlt” mit dem Vorhergegangenen in einer Linie zu bewegen. Vielleicht hat Abrams auch aus Super 8 gelernt. Wollen wir es hoffen.

Bild: Joi, CC-BY 2.5

Podgast (V): PewCast über die Probleme des Wordbuilding

Ich hätte eigentlich einen Artikel drüber schreiben wollen, aber die Zeit hat nicht gereicht. Dankenswerter Weise hat mich Sascha stattdessen zum PewCast eingeladen, um über Edgar Wrights Rausschmiss bei Marvel zu sprechen. Ich nehme in der Sache (natürlich) ein bisschen die Rolle des Advocatus Marveli ein, doch die generelle Frage “Wie viel muss man als Zuschauer und als Filmemacher auf dem Opfer der erzählerischen Konsistenz opfern?” stellen wir auch The Amazing Spider-Man 2, X-Men: Days of Future Past, Star Trek und den anstehenden DC Filmen.

Zum Pewcast “The Dark Side of Worldbuilding

Blick in die Blogosphäre (VI): Reden über Schreiben über Film(e)

Das Blog “Hard Sensations” gehört nicht zu meiner regulären Mediendiät, weil deren Filminteressen sich, zumindest auf den ersten Blick, nicht so mit meinen decken. Derzeit aber surfe ich öfter auf der Seite vorbei, oder zumindest immer dann wenn mich das Filmforum Bremen mit seinem “Bloggen der Anderen” drauf hinweist. Denn bei “Hard Sensations” gibt es zurzeit jede Woche ein neues Interview mit einem deutschsprachigen Filmjournalisten – und bisher war jedes davon absolut lesenswert. Oliver Nöding kannte ich bisher nur dem Namen nach, zum Beispiel, seine Reflektionen übers Filmschreiben konnte ich aber trotzdem interessiert verfolgen. Ich weiß nicht, wie lange “Hard Sensations” bzw. deren Autor Marco Siedelmann die Reihe noch fortführen will und ob sie irgendwann außer Rajko Burchardt noch weitere Kollegen aus meiner Interessensecke interviewen werden, aber auch so empfehle ich “Reden über Schreiben über Film(e)” erbarmungslos weiter (trotz des eingeklammerten Einzelbuchstabens, eine vermeintlich clevere Schreibweise, die ich aus meinem tiefsten Inneren verabscheue).

Bisher sind Interviews erschienen mit:
Oliver Nöding
Jan Künemund
Rajko Burchardt
“Deadline”-Redaktion
Thilo Gosejohann

Kostenlose Publicity (I)

Mit dem Erfolg meines Blogs ist auch die Menge an Anfragen gewachsen von Leuten, die möchten, dass ich in diesem Blog für ihre Projekte werbe. Zugegeben: Es sind immer noch recht wenige, und deswegen fällt es mir zurzeit noch sehr schwer, sie einfach rundheraus abzulehnen – vor allem, wenn sie mich nett und persönlich anschreiben. Stattdessen habe ich mich für diese neue Rubrik entschieden – und dafür, alles so transparent wie möglich zu machen.

1. W.

Aus einer E-mail von Film Blog Group Hugger Jens Prausnitz an mich:

heute trete ich dir (und vielen anderen) mit einem sehr persönlichen, und doch öffentlichen Anliegen nahe. Denn wenn Fernsehredakteure mehr als zwei Seiten über ein Projekt lesen, kann man als Autor schon froh sein. Dabei fängt hier hinter den Kulissen das an, was hinterher von Journalisten als Qualitätsfernsehen diskutiert wird. Wenn sich daran etwas ändern soll, dann muss die Debatte von Anfang an geführt werden, bei uns leider(?) sogar öffentlich, denn anders ist an den Seilschaften in den Sendern kein Vorbeikommen.

Was uns fehlt sind Journalisten, die mehr als diese zwei Seiten lesen.

Entweder wir maulen weiter über den Dreck der am Ende raus kommt, oder wir machen es besser – zum Beispiel mit einer crossmedial im Netz entwickelten Drama-Mystery-Serie, die einerseits deutscher nicht sein könnte, und andererseits seit mindestens 20 Jahren überfällig ist.

Ich habe leider einfach wirklich keine Zeit, mich tiefer mit dem Projekt zu befassen. Sollte bei der Serie mit dem Arbeitstitel “W.” (bezieht sich auf den fiktiven bayrischen Ort “Woipating”) mal etwas herauskommen, schaue ich es mir aber gerne an – aber ich fordere natürlich jeden anderen auch gerne auf, mitzuschreiben.

Beteiligen könnt ihr euch auf dem Blog zum Projekt oder bei “Moviepilot”.

2. Fonotune

Mir schreibt Tobias Fleischer

Mit ein paar Kumpels aus Berlin haben wir seit einiger Zeit schon an unserem Film FONOTUNE gearbeitet, einem Independent-Science-Fiction/Arthouse-Film, der stark von japanischem Kino, Grafikdesign, Comics und Musik beeinflusst ist. Dahinter steht als kreativer Kopf hauptsächlich Fabian Huebner, der mit seiner Webserie Avant*garde schon sehr erfolgreich war.

Inzwischen haben wir auch ein paar richtig tolle Leute an Bord, u.a. ganz neu die Legende Guitar Wolf (“Wild Zero”). Und einen Großteil des Film haben wir bereits (selbstfinanziert) in Tokio und Berlin gedreht, aber zur Fertigstellung haben wir uns jetzt (auch wegen unseren eigenen hohen Qualitätsansprüchen) für eine Kickstarter-Kampagne entschieden:

Wir sind zwar schon recht erfolgreich gestartet, aber wir hoffen natürlich weiterhin auf rege Beteiligung und Unterstützung.

FONOTUNE sieht heiß aus. Irgendwo zwischen Anime und Alphaville, mit Endzeit-Gefühl und guter Musik. Die “Avant*garde”-Webserie kannte ich noch nicht, werde ich aber mal ansehen.

Hier ist der Trailer

Fonotune 「Teaser」 from Jon Britt on Vimeo.

Die Zusammenfassung:

Fonotune is an electric fairytale set during a single strange day in an undefined future. It follows the street hooker Stereo, the lo-fi cowboy Analog and the wordless drifter Mono on their odyssey through a weird world, as they deliver a cassette tape to a mysterious person. They have all kinds of strange encounters, but as mankind has grown indifferent to what’s happening around them, one major thing seems to have gone unnoticed: It’s the last day on earth.

In the final hours of this day, the protagonists break through the city wall and step onto the vast white desert plains, where they finally meet Blitz, the guy who wants the tapes. He turns out to be quite a character! But why on earth did he want those tapes?

Ich finde die Kickstarter-Perks etwas überteuert, aber sonst ist das Projekt sicher unterstützenswert.


Die Rubrik “Kostenlose Publicity” ist ein Versuch, mit freundlichen E-mails umzugehen. Bitte betrachtet sie nicht als Aufforderung, mir eure Projekte zu schicken.