Blick in die Blogosphäre (VII): Filmfest München, “Ein Film – viele Blogger”, Seeßlen

Ich bin ja sehr glücklich, und gebe mir sogar ein klitzekleines bisschen Credit dafür, dass es einige Blogger_innen-Kollegen gibt, die sich meinen Völkervereinigungs-Gedanken angeschlossen haben und völlig unabhängig von mir Aktionen ins Leben rufen, bei denen Blogs zusammenfinden können. (Ich selber muss mich ja eher dafür schämen, dass ich es nicht einmal geschafft habe, einen Film Blog Group Hug in der ersten Jahreshälfte zu organisieren.)

Besonders fruchtbar scheint dieses Jahr das Filmfest München gewesen zu sein. Jan Peschel von “CineCouch” hatte dort dieses Jahr, in der Tradition der Berlinale-Bloggertreffen, zum Meet the Bloggers eingeladen. Und wenn man dem Bild, das diesen Post ziert, sowie Jans Bericht Glauben schenken kann, hat es sich gelohnt:

Man unterhielt sich über das Festival, den allgemeinen Filmgeschmack, über eigene Projekte und auch immer wieder über die Blogosphäre, Ideen zu Kooperationen und die Frage, ob man finanziell nicht auch mehr mit Blogs erreichen könnte. Hoffentlich können einige Anstöße weitergetragen werden.

Gemeinschaftspodcasts

Ein erstes Gemeinschaftsprojekt, das in München entstanden ist, ist die Sonderausgabe des Podcasts “Die Abspanner”, in der sich “Cinema Forever”-Blogger Conrad Mildner mit “Filmosophie“-Frontfrau Sophie Rieger zusammengesetzt hat, um das Festival Revue passieren zu lassen. Eine ähnliche Konstellation also, wie beim Klassiker der Filmfestival-Podcasts – dem Videopodcast von “kino-zeit.de” mit Joachim Kurz und Beatrice Behn. Und da “Rocky Balbea” ja jetzt auch eine Filmfreundin ist kann man den also auch gleich unter den Blog-Kooperationen einordnen. “Schöner Denken” hatte übrigens schon im Juni Sano von “Eskalierende Träume” in einem Nippon-Connection-Podcast zu Gast.

Ein Film – Viele Blogger

Globaler und langfristiger angelegt ist das Projekt des Intergalactic Ape-Man, das auf den Namen “Ein Film – Viele Blogger” hört. Der Plan: bis zu einem gewissen Stichtag schreiben alle, die wollen, eine Rezension zu einem vorher festgelegten Film, die der Ape-Man anschließend sammelt. So soll Dialog und Austausch entstehen. Ich warte bereits gespannt auf das Ergebnis der ersten Runde zu The Elephant Man. Ich selbst habe leider nicht teilgenommen, mir fiel zu spät ein, was ich gerne geschrieben hätte (einen Abgleich zwischen Realität, Film und der Musical-Version in The Tall Guy) – aber vielleicht mache ich ja bei einer der nächsten Runden mit. Der Ape-Man hat die Übersicht.

Filmkritisches

Währenddessen läuft übrigens die “Hard Sensations” Interviewreihe mit Filmschreibern weiter. Und der Kritikerverband VdFk lädt, in Person von “Negativ”-Blogger Dennis Vetter schon zum zweiten Mal zum Kritiker-Stammtisch diesen Donnerstag in Frankfurt am Main.

In einer “Keynote” hat Filmkritik-Altmeister und Blogger Georg Seeßlen im Dezember 2013 Bilanz über das Kino als Gesamtgefüge gezogen und es zum stärkeren Nomadendasein aufgefordert. Das insgesamt lesenswerte Manifest wurde heute veröffentlicht und enthält folgende denkwürdigen Sätze:

Andrerseits erleben wir die Abwanderung der Kritik ins Netz, wo sie einerseits Konsumenten- und Millieukonform ist und sich perfekt für eine Mikrostruktur der Vermarktung durch Streuung und Manipulation von Nachrichten eignet, andrerseits aber […] extrem intelligente „Inseln“ des Diskurses bildet. Diesen Inseln gelingt indes nur sehr selten eine Verbindung zum Festland.

Die Inseln untereinander, scheint es mir, sind inzwischen schon streckenweise ganz gut durch Brücken verbunden. Auf geht’s, erobern wir das Festland!

Weitere Hinweise über filmblogosphärische Aktionen nehme ich gerne unter kontakt@alexandermatzkeit.de entgegen

Alles auf einmal. Sofort! [Update: Mit Reaktion auf die “Creative Europe”-Zahlen]

Jakob Lass hatte Love Steaks, seinen »Mitte des Studiums«-Film an der HFF Potsdam, nicht zuletzt deshalb ohne Fördergelder gedreht, weil ihn der Bewilligungsprozess zu viel Zeit gekostet hätte. Nach dem Filmfest München im Sommer 2013, wo Love Steaks vier Preise gewann, war der Regisseur damit in der einmaligen Position, einen potenziell erfolgreichen deutschen Film in der Tasche zu haben, der in der Distribution an keine gesetzlichen Vorgaben gebunden war. »Es haben sich einige große Verleiher für den Film interessiert«, sagt Lass, »aber wir haben gedacht: Wir nutzen die Gelegenheit und bringen den Film selbst raus.« Love Steaks startete im März 2014 deutschlandweit mit 33 (digitalen) Kopien im Kino. Ursprünglich wollte Jakob Lass aber viel weiter gehen. Sein Plan war es, den Film mit dem Kinostart im Internet abrufbar zu machen.

Weiterlesen auf epd-film.de

Update: In einem Eintrag auf Programmkino.de weist die Redaktion darauf hin, dass die Zahlen der “Creative Europe”-Studie, die sie “europe creative” nennt und die auch ich in meinem Artikel zitiere, mit Vorsicht zu genießen sind. Die Prozentzahlen aus der Pressemitteilung wirken nämlich nicht mehr so beeindruckend, wenn man die absoluten Zahlen dagegenhält. Speziell der zitierte Zugewinn von bis zu 181 Prozent bedeutet lediglich, dass ein Film 488 Kinobesucher hatte und 881 Downloads dazukamen. Als Zahl natürlich alles andere als repräsentativ. Ich gehe davon aus, dass folgendes Zitat aus der Meldung auch an mich gerichtet ist:

Diese außerordentlich positive Einschätzung aus Brüssel wird mittlerweile von zahlreichen Journalisten zitiert, verbunden mit Kritik an traditionellen Vertretern der Filmwirtschaft. Dabei machen sich diese Journalisten nicht einmal die Mühe, die Studie selbst zu lesen.

Ich muss mich in diesem Fall zu einem Bruch journalistischer Sorgfalt bekennen. Da die Studie erst sehr knapp vor Abgabe des Artikels erschien, habe ich sie tatsächlich nicht ganz gelesen und mich stattdessen auf die Zahlen der Pressemitteilung verlassen. Das war, wie ich jetzt einsehe, ein Fehler.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Zahlen natürlich auch für andere Auslegungen kaum repräsentativ sind, ändern sie meiner Ansicht aber nichts an den anderen Sachverhalten, die der Artikel schildert und in dem die “Creative Europe”-Zahlen nur ein Rausschmeißer am Schluss sind. Von den Ereignissen rund um Love Steaks mal abgesehen, bei denen ich wirklich außer Sturköpfigkeit keine andere Motivation dafür feststellen konnte, dass hier ein interessantes Experiment mit merkwürdigen Methoden verhindert wurde (zumindest ist das meine Meinung nach den Gesprächen, die ich geführt habe): Wenn programmkino.de am Ende schreibt,

Bei allen Filmstarts waren die VoD-Downloads also tatsächlich so gering, dass man sich fragt, was die am Modellversuch beteiligten Filmverleiher und VoD-Portale mit der finanziellen Unterstützung in Höhe von 2 Mio. EUR angestellt haben. Mit dem Betrag hätten in Europa 20 Kinos mit einer Anschubhilfe von je 100.000 EUR wiederbelebt oder neu gegründet werden können.

zeigt sich eben doch nur wieder, dass auf Seite mancher Kinobetreiber einfach kein Wille dafür vorhanden ist, irgendetwas zu ändern. Sich hinterher hinzustellen und zu sagen: Haben wir doch eh gesagt, das Geld hättet ihr auch uns geben können, ist die wohlfeilste Methode unter den billigen Kritiken. Ich habe mich im Artikel bemüht, darzustellen, dass “Day-and-date”-Releasing weit davon entfernt ist, ein Allheilmittel zu sein, dem wir alle in die Arme rennen müssen. Aber es existiert und einige Menschen haben gute Erfahrungen damit gemacht, also muss man sich doch als Branche damit auseinandersetzen, vor allem, wenn man gegen die mächtigen Medienkonzerne aus den USA sowieso kaum eine Lobby hat.

Davon abgesehen kaufe ich die reine “Kinos sind wichtig, ohne Kinos wird Film dahinsiechen”-Argumentation, die gebetsmühlenartig in diesen Kontexten wiederholt wird, niemandem mehr ab. Und keine Branche hat einen Anspruch darauf, unverändert durch alle Zeitenwenden hindurch bestehen zu dürfen. Wie so oft empfehle ich ergänzend Rajko Burchardt.

Game of Thrones entert die deutsche Zeitschriftenlandschaft

Mit “Ygritte” (die mir in den letzten Tagen mehrere tausend Hits auf dem Blog verschafft hat und bisher 130 mal bei Facebook geteilt wurde) fing alles an. Aber die Idee war zu gut (oder zu blöd), um sie nicht zu variieren. Hier ist die gesamte Galerie der mir bekannten Cover. [Ergänzung: Inzwischen gibt es eine zweite Folge.]

Hodor


Montage: Slow Pulse Boy

Eltern (Jaime und Cersei-Ausgabe)


Montage: Alex Matzkeit

Brienne


Montage: Marc Exner

Dany


Montage: Alex Matzkeit

Ygritte


Montage: Alex Matzkeit

Crowsmopolitan


Montage: Henrik Tersteegen

Nachhaltigkeit (II)

Das Internet mag ein ewiges Langzeitgedächtnis haben, doch sein Kurzzeitgedächtnis ist miserabel. Tweets und Blogposts, die man heute liest, hat man morgen wieder vergessen. Die Sau, die diese Woche durchs Dorf getrieben wird, mampft nächste Woche schon wieder unbehelligt in ihrem Stall. Das entspricht weder meiner Gesinnung als Journalist, noch als Geisteswissenschaftler. Unter dem Label “Nachhaltigkeit” gehe ich zurück zu meinen Blogeinträgen der letzten Monate und verweise auf interessante Entwicklungen in den angerissenen Themen.

Godzilla

Mit der Debatte, die Gareth Edwards’ Film Godzilla angestoßen hat, ließe sich ein eigenes Blog füllen. Das Absurdeste an der Kritikerlandschaft, die ich beobachten konnte, ist natürlich nicht, dass manche den Film mochten und andere nicht, sondern dass selbst diejenigen, die nach eigener Aussage Spaß im Kino hatten, sich in der Folge gerne daran beteiligen, die schwergängige Taktung, die logischen Löcher und die flachen Charaktere des Films auseinanderzunehmen. Beispiele: /filmcast und “Slate” Spoiler Special. Bei mir hat das den Eindruck hinterlassen, dass eigentlich doch niemand den Film als Ganzes so richtig mochte – auch Tim Slagman nicht, der eine direkte Replik auf meinen Blogpost “Erst durch Godzilla werdet ihr merken, was ihr an Pacific Rim hattet” schrieb.

Umso mehr eignet sich der Film als Grundlage für diverse Diskussionen: Ist Godzilla tatsächlich der erste Blockbuster, der keine Menschen braucht? Was sagt er über sogenannte Calling Card Movies wie Monsters aus, mit denen sich junge Regisseure in Hollywood bewerben (siehe auch “epd film“)? Forrest Wickman nahm auf “Slate” das Datenzepter in die Hand und bewies, dass eigentlich sogar die meisten Monsterfilme ihr Monster erst nach etwa einer Stunde ganz zeigen.

Wie ich arbeiteten sich einige Autoren am Vergleich mit Pacific Rim ab, unter anderem Annalee Newitz bei “io9” (“Why Godzilla kicked Pacific Rims Ass at the Box Office“) und Orlindo Frick beim “Moviepilot”-Aufreger der Woche. Die interessanteste Debatte ist aber meiner Ansicht nach die darüber, was Godzilla über die “Ernsthaftigkeit” des Blockbusterkinos aussagt. Darren Franich schrieb in “Entertainment Weekly” einen Call for an End of Serious Blockbusters, am härtesten schlägt aber wahrscheinlich Lee Weston Sabo bei “Bright Lights” zu. Für ihn ist Godzilla Teil der “Gentrifizierung von Pulp“, was ich für einen interessanten Gedanken halte. Enden wir auf einem Zitat aus Sabos Artikel:

Godzilla, the King of the Monsters, has been stripped of personality and dressed up in a taciturn action blockbuster just like any other, perfectly acceptable for a middle-class audience to enjoy without feeling low-brow. It even has Bryan Cranston fresh off the success of Breaking Bad, and middle-aged character actors David Strathairn, Sally Hawkins, Ken Watanabe, and Juliette Binoche show up in bland cameos to give it some arthouse credibility. It’s just like a “real” movie!

X-Men und Ant-Man

In meinem Gespräch mit Sascha über die Opfer, die konsistentes Worldbuilding verlangen kann kam unter anderem X-Men: Days of Future Past vor. Zwei tolle Interviews sind seitdem aufgetaucht, die einige der Aspekte beleuchten, über die wir im Podcast nur mutmaßen konnten. Bryan Singer beweist, dass er für jeden Continuity-“Fehler” zwischen The Last Stand und Days of Future Past eine Erklärung hat. Und Simon Kinberg erzählt im zweistündigen Interview mit Jeff Goldsmith einiges zu den Hintergründen für bestimmte Entscheidungen und bestätigt tatsächlich, dass eine der Motivationen für den Film war, The Last Stand ungeschehen zu machen. Nachdem außerdem bekannt wurde, dass der niemals besonders aufgefallene Peyton Reed Edgar Wrights Zügel bei Ant-Man übernehmen wird, hat Sidney Schering sehr ausgewogen zusammengefasst, wie die Gesamtsituation jetzt aussieht: Marvel und die Yes Men.

Thinkpieces

Während ich im Best Blog Award-Stöckchen versucht habe, zu umreißen, welche Art von Artikel ich am liebsten schreibe, hat Nick Pinkerton auf “Film Comment” bei einer generellen satirischen Abrechnung mit dem Internet-Filmjournalismus eine fiese, aber natürlich in Teilen auch treffende Definition des “Thinkpieces” formuliert:

The review was an unwieldy format that allowed for the cacophonous interplay of multiple ideas, some of which could seem to directly contradict one another. What a nightmare! This flawed and antique form, I am happy to announce, has been replaced by the thinkpiece, which puts forth a single, strong argument about contemporary culture, which gains force through bypassing historical context, eliminating niggling details which problematize the thesis or isolating them to a passing thought, and strawmanning fellow writers.

Ich hoffe doch, dass ich zumindest ab und zu auch einigen Fallen aus dem Weg gehe in meinen “Thinkpieces”, die ja durchaus auch als bewusste Zuspitzung und Provokation gedacht sind.

Und außerdem

Die beste Ergänzung zu meinem re:publica-Fazit hat Patricia Cammarata alias “Das Nuf” formuliert, die ebenfalls ein bisschen das Positive, Zusammenschweißende vermisste.

Der Magic: The Gathering-Film hat jetzt einen Drehbuchautor: Bryan Cogman, vor allem bekannt durch seine Arbeit an Game of Thrones. Klingt doch interessant …

Und dann war da noch The Wolf of Wall Street. Meine Kritik am Film wurde unter anderem direkt im “Kontroversum”-Podcast und von Sophie Charlotte Riger in ihrer “Biss zum Abspann”-Kolumne aufgegriffen. Die Debatte um das Thema zog sich jedoch durch sämtliche Medien, weil ich nicht der einzige war, der bemängelte, dass Scorsese versucht, gleichzeitig zu kritisieren und zu genießen. “Indiewire” fasst die Diskussion im englischsprachigen Raum zusammen, noch besser fand ich aber das Gespräch bei “Cargo”. Inzwischen bin ich fast überzeugt, dass der Film mehr ist, als er auf den ersten Blick scheint, aber ich müsste ihn wohl noch einmal sehen, um sicher zu sein.

Bild: Flickr Commons

Kostenlose Publicity (I)

Mit dem Erfolg meines Blogs ist auch die Menge an Anfragen gewachsen von Leuten, die möchten, dass ich in diesem Blog für ihre Projekte werbe. Zugegeben: Es sind immer noch recht wenige, und deswegen fällt es mir zurzeit noch sehr schwer, sie einfach rundheraus abzulehnen – vor allem, wenn sie mich nett und persönlich anschreiben. Stattdessen habe ich mich für diese neue Rubrik entschieden – und dafür, alles so transparent wie möglich zu machen.

1. W.

Aus einer E-mail von Film Blog Group Hugger Jens Prausnitz an mich:

heute trete ich dir (und vielen anderen) mit einem sehr persönlichen, und doch öffentlichen Anliegen nahe. Denn wenn Fernsehredakteure mehr als zwei Seiten über ein Projekt lesen, kann man als Autor schon froh sein. Dabei fängt hier hinter den Kulissen das an, was hinterher von Journalisten als Qualitätsfernsehen diskutiert wird. Wenn sich daran etwas ändern soll, dann muss die Debatte von Anfang an geführt werden, bei uns leider(?) sogar öffentlich, denn anders ist an den Seilschaften in den Sendern kein Vorbeikommen.

Was uns fehlt sind Journalisten, die mehr als diese zwei Seiten lesen.

Entweder wir maulen weiter über den Dreck der am Ende raus kommt, oder wir machen es besser – zum Beispiel mit einer crossmedial im Netz entwickelten Drama-Mystery-Serie, die einerseits deutscher nicht sein könnte, und andererseits seit mindestens 20 Jahren überfällig ist.

Ich habe leider einfach wirklich keine Zeit, mich tiefer mit dem Projekt zu befassen. Sollte bei der Serie mit dem Arbeitstitel “W.” (bezieht sich auf den fiktiven bayrischen Ort “Woipating”) mal etwas herauskommen, schaue ich es mir aber gerne an – aber ich fordere natürlich jeden anderen auch gerne auf, mitzuschreiben.

Beteiligen könnt ihr euch auf dem Blog zum Projekt oder bei “Moviepilot”.

2. Fonotune

Mir schreibt Tobias Fleischer

Mit ein paar Kumpels aus Berlin haben wir seit einiger Zeit schon an unserem Film FONOTUNE gearbeitet, einem Independent-Science-Fiction/Arthouse-Film, der stark von japanischem Kino, Grafikdesign, Comics und Musik beeinflusst ist. Dahinter steht als kreativer Kopf hauptsächlich Fabian Huebner, der mit seiner Webserie Avant*garde schon sehr erfolgreich war.

Inzwischen haben wir auch ein paar richtig tolle Leute an Bord, u.a. ganz neu die Legende Guitar Wolf (“Wild Zero”). Und einen Großteil des Film haben wir bereits (selbstfinanziert) in Tokio und Berlin gedreht, aber zur Fertigstellung haben wir uns jetzt (auch wegen unseren eigenen hohen Qualitätsansprüchen) für eine Kickstarter-Kampagne entschieden:

Wir sind zwar schon recht erfolgreich gestartet, aber wir hoffen natürlich weiterhin auf rege Beteiligung und Unterstützung.

FONOTUNE sieht heiß aus. Irgendwo zwischen Anime und Alphaville, mit Endzeit-Gefühl und guter Musik. Die “Avant*garde”-Webserie kannte ich noch nicht, werde ich aber mal ansehen.

Hier ist der Trailer

Fonotune 「Teaser」 from Jon Britt on Vimeo.

Die Zusammenfassung:

Fonotune is an electric fairytale set during a single strange day in an undefined future. It follows the street hooker Stereo, the lo-fi cowboy Analog and the wordless drifter Mono on their odyssey through a weird world, as they deliver a cassette tape to a mysterious person. They have all kinds of strange encounters, but as mankind has grown indifferent to what’s happening around them, one major thing seems to have gone unnoticed: It’s the last day on earth.

In the final hours of this day, the protagonists break through the city wall and step onto the vast white desert plains, where they finally meet Blitz, the guy who wants the tapes. He turns out to be quite a character! But why on earth did he want those tapes?

Ich finde die Kickstarter-Perks etwas überteuert, aber sonst ist das Projekt sicher unterstützenswert.


Die Rubrik “Kostenlose Publicity” ist ein Versuch, mit freundlichen E-mails umzugehen. Bitte betrachtet sie nicht als Aufforderung, mir eure Projekte zu schicken.

Leiden für die Kunst (I)

Kein Hollywood-Film ohne Pressetour. Mehrere Tage in abgedunkelten Hotelzimmern sitzen, kein Tageslicht sehen, keine eigenen Entscheidungen treffen und in einem Interview nach dem anderen die immer gleichen Fragen beantworten. (Hier eine schöne Beschreibung des Prozesses von einem Kritiker, der sein erstes Drehbuch geschrieben hat). Dabei immer freundlich zu lächeln und zu winken ist schon schwer genug, aber das kann man gut bezahlten Hollywood-Stars schon mal abverlangen. Sie wollen ja, dass ihr Film Geld macht.

Ob sie jedoch wirklich auch noch Erniedrigungen wie die oben gezeigte (713.000 Abonnenten!) über sich ergehen lassen müssen, die hart an die Erfahrungen von Bill Murray in Lost in Translation erinnern, ist fraglich. Dagegen ist Tom Hanks mit lustiger Mütze in “Wetten, dass …?” ein Zuckerschlecken. Und weil ich diese Seite des Geschäfts faszinierend finde, werde ich unter dem Titel “Leiden für die Kunst” an dieser Stelle in loser Folge ähnliche Beweise sammeln und freue mich auch über Hinweise auf neue Exemplare.

(mit Dank an Sascha)

Stöckchen: Best Blog Award

Ich stecke blogtechnisch manchmal in einer gewissen Zwickmühle. Einerseits möchte ich den Aufbau einer Blogosphäre und den Austausch von Bloggern untereinander fördern, andererseits aber verfolge ich in mit meinem Blog einem irgendwie vage journalistischen Anspruch und versuche daraus, eben keine Ego-Show zu machen, die nur nach dem Prinzip “Ich finde xy gut/schlecht” funktioniert. Es sollte euch eigentlich egal sein, was mein Lieblingsfilm (2001: A Space Odyssey) oder mein Favorit unter den neuen amerikanischen Serien (Mad Men) ist, solange ihr euch an meinen Thesen und Argumenten reiben könnt und euch von mir informiert fühlt.

Die typischen Vernetzungs-Mechanismen von Blogs wie Blogparaden und Stöckchen aber stellen genau diesen Ich-Aspekt in den Vordergrund – und fühlen sich nicht zuletzt deswegen manchmal an, wie ein Relikt aus einem anderen, dem Livejournal-Zeitalter, als Blogs eben wirklich noch Online-Tagebücher waren und nicht einfach nur eine Publikationsform unter vielen. Darum habe mich ihnen bisher fast immer verweigert (genauso wie dem “Media Monday”, obwohl ich ihn bei anderen gerne lese).

Ein paar Ausnahmen gibt es: Ich habe mal an der This is How I Work-Parade teilgenommen und mir vor zwei Jahren mal den Luxus gegönnt, meine Medienkonsum-Gewohnheiten aufzuschreiben. Weil es in diesem Stöckchen auch hauptsächlich um die Beschreibung der eigenen Arbeit geht und ich hoffe, dass irgendjemand daraus tatsächlich einen Mehrwert ziehen könnte, und weil mich der Intergalactic Ape-Man so nett gefragt hat und mir schmeichelhafter Weise einen “Best Blog Award” verliehen hat, mache ich eine weitere Ausnahme.

Warum sollte man deinen Blog deiner Meinung nach lesen und welchen charakteristischen Artikel auf deinem Blog sollte unbedingt jeder kennen?

Ich habe mir die bewusste Aufgabe gestellt, mich von anderen Filmblogs zu unterscheiden, indem ich keine Kritiken schreibe. Das ist ganz praktisch, weil ich auch der Meinung bin, dass ich nicht gut darin bin, Kritiken zu schreiben. Stattdessen schreibe ich, wenn ich nicht gerade neue Formate ausprobiere, das, was im englischsprachigen Raum gerne “Thinkpieces” genannt wird, im Grunde kleine Essays, in denen ich eine These vertrete, die oft (fürchte ich) genauso viel über das Untersuchungsobjekt wie den Autoren aussagt. Das ist zum Teil auch etwas, was ich aus meiner Uni-Zeit behalten habe. Ich habe einfach sehr gerne Hausarbeiten geschrieben, mich auf einen Aspekt eines Werkes konzentriert und diesen in einen größeren Kontext gestellt. Und so gehe ich heute noch an Filme heran. Das Endergebnis kommt manchmal einer Kritik recht nahe, ist aber nie so konzipiert.

Man sollte mein Blog also lesen, wenn man bereit ist, meinen Blick auf die Filmwelt zu akzeptieren, das ist im Grunde der Blick eines Möchtegern-Medienwissenschaftlers. Der erste Artikel, in dem sich mein heute favorisiertes “Format” kristallisiert hatte, war meine Statt-Kritik zu The Perks of Being A Wallflower, “Die Annehmlichkeiten des Mauerblümchendaseins” im Oktober 2012. Ansonsten fällt mir immer wieder meine merkwürdige Rechtfertigung von Star Trek Into Darkness ein, in der sich viele meiner Obsessionen widerfinden. Der Artikel heißt “Star Trek Into Darkness ist eine faszinierende Studie des Butterfly Effects (und deswegen besser als ihr denkt)“.

Hast du deinen ersten veröffentlichten Artikel für deinen Blog geschrieben und wovon handelte er?

Mit Sicherheit nicht für mein Blog. Wahrscheinlich für eine Schülerzeitung, aber ich kann mich nicht genau dran erinnern. Mitte der 90er hatte ich bereits eine eigene Website und auch da habe ich schon Artikel und Kritiken geschrieben. Ich glaube meine erste war eine Krtik zu Lost in Space, dem gräßlichen Remake von 1998. Zum ersten Mal von einem “erwachsenen” Medium veröffentlicht wurde ich wohl 2003, als ich ein Praktikum beim “Wiesbadener Kurier” gemacht habe – in dem Artikel ging es um die Hitzewelle des Sommers.

Was motiviert dich, einen Blogpost zu schreiben und was hält dich davon ab?

Mich motiviert die Tatsache, dass ein einmal aufgeschriebener Artikel nicht mehr in meinem Kopf rumspukt und mich abends nicht einschlafen lässt. Und die Tatsache, dass ihn vielleicht jemand liest und sich dann damit auseinandersetzt. Abgehalten werde ich höchstens durch Alltagszwänge – ich habe ja schließlich auch ein Berufs- und ein Privatleben sowie ein paar andere Hobbies.

Was waren die letzten drei Themen, über die du einen Artikel schreiben wolltest, es aber nicht getan hast?

Noch nicht getan hast. Nach meiner Enttäuschung über Rush wollte ich etwas über Peter Morgan schreiben und warum ich seine Art, Realität zu dramatisieren (auch in The Queen und Frost/Nixon) unzureichend finde, aber die These hat sich in mir nicht genug verhärtet und dann war der Moment vorbei, wo der Artikel jemanden interessiert hätte. Ich hebe sie aber für seinen nächsten Film auf. Dann hatte ich irgendwann etwas über virtuelle Produktplatzierung gelesen und wollte der Absurdität dieses Begriffs nachgehen, habe es aber zeitlich nicht geschafft. Und ich hätte sehr gerne etwas über die Schrift im Bild von The Great Gatsby gemacht, die in der deutschen Fassung auch deutsch war. Mich hätte interessiert, wie die Firma, die das gemacht hat, gearbeitet hat – hat sie Fitzgeralds Sätze neu übersetzt oder eine existierende Übersetzung genommen? Wie sahen die unfertigen “Plates” aus, die sie von der VFX-Firma geliefert bekommen haben? Hat die deutsche Sprache ein anderes Arbeiten verlangt, oder ging es relativ einfach? Leider sind meine Recherchen, wer die Lokalisierung eigentlich vorgenommen hat, nach mehreren Kontakt-Versuchen immer irgendwo versandet.

Zu welcher Tageszeit und in welcher Stimmung schreibst du Blogposts und veröffentlichst du die dann auch gleich?

Ich schreibe dann, wenn ich nicht arbeiten muss. Das heißt unter der Woche abends und am Wochenende. Stimmungen können dafür unterschiedlich sein, aber wenn ich richtig schlecht drauf bin, lasse ich es eher. Meistens veröffentliche ich die Artikel sofort, außer es gibt irgendwelche dringenden Gründe (Presse-Embargos, zum Beispiel), die mich daran hindern. Ich bin schon recht eitel und möchte sofort sehen, welche Reaktionen kommen.

Was ist das Teuerste, worüber du gern schreiben würdest oder geschrieben hast?

Ich bin nicht so ganz sicher, wie das Wort “teuer” hier zu verstehen ist. “Teuer” im Sinne von “mir am Herzen liegend” wird es immer, wenn ich über Musik schreibe. Film liebe ich, aber mein Verhältnis dazu ist recht analytisch. Musik hingegen geht bei mir häufig direkt ins Herz, deswegen freue ich mich immer, wenn ich mal beides verbinden kann, wie bei meinem jüngsten Artikel über Moulin Rouge! oder über den “echten” Gesang im Film.

Wenn es um Geldwert geht, sind die Blockbuster, über die ich mit Vorliebe schreibe, sicher ganz vorne dabei. Etwas besonders teures, über das ich gerne mal schreiben würde, fällt mir spontan nicht ein.

Wenn du dir einen Interviewpartner aussuchen könntest, wer wäre es?

Lange Zeit wäre das Danny Boyle gewesen, über den ich mal promovieren wollte, aber Amy Raphael hat mir das mit ihrem tollen Interviewband dankenswerter Weise abgenommen. Heute würde ich mich natürlich am allerliebsten einmal ausführlich mit Kevin Feige, dem Präsidenten von Marvel Studios, unterhalten. Mich interessiert wirklich, wie er tickt und was ihn antreibt. Ich hoffe sehr, das sich die Gelegenheit zumindest für ein Kurzinterview eines Tages mal ergibt. Ganz abwegig ist das ja zum Glück nicht, wenn Marvel weiter Deutschlandpremieren veranstaltet.

Wie denkst du über Promoagenturen, Rezensionsexemplare und Sponsored Posts?

Da ich hauptberuflich PR-Arbeit mache, sehe ich das Ganze als ein Ökosystem, in dem sich einfach unterschiedliche Interessen professionalisiert haben. Im Idealfall funktioniert dieses Ökosystem zum Vorteil für alle. Obwohl es einen als Journalist oft stört, wenn man statt mit seinem eigentlichen Untersuchungsobjekt mit einer Agentur zu tun hat, kann man sich genauso häufig genau darüber glücklich schätzen, denn so wird man wenigstens professionell betreut und viele Dinge werden erst möglich gemacht.

Ich habe mich für mein Blog bisher noch entschieden, auf Promo-Aktionen und Sponsored Posts zu verzichten, weil ich mich nicht davon abhängig machen möchte. Ich denke immer wieder darüber nach, aber es ist mir im Moment noch wichtiger, für mein Schreiben wahrgenommen zu werden, als mit dem Blog Geld zu verdienen. Rezensionsexemplare nehme ich, aber nur wenn ich auch wirklich drüber schreiben will. Wie gesagt: ich will nicht, dass Abhängigkeiten entstehen, solange das hier nur Hobby, Spaß und Selbstverwirklichung und nicht Teil meines Jobs ist. Bei anderen stören mich all diese Dinge nicht, solange sie sich im Rahmen halten. Ich weiß ja in der Regel, was dahinter steckt.

Viele Blogs überleben die ersten zwei Jahre nicht, ein Großteil schläft nach ein paar Jahren ein. Wo siehst du deinen Blog bzw. deine Schreibtätigkeit in fünf, in zehn und in zwanzig Jahren?

Mein Blog ist in den fünf Jahren, die es jetzt existiert, stetig gewachsen und hat eigentlich vor anderthalb Jahren erst so richtig Fahrt aufgenommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das noch eine Weile so weitergeht – allerdings gibt es auch Dinge die dazwischen kommen könnten, etwa das Kind, das ich vielleicht irgendwann haben werde. Ich werde mit Sicherheit immer schreiben, vielleicht auch mal über andere Dinge als Film und Medien, und ich denke immer wieder darüber nach, auch mal wieder zu versuchen, es zu meinem Hauptberuf zu machen, aber derzeit ist mir das Risiko dafür zu hoch. Im Moment geht es mir mit “Real Virtuality” wirklich gut, aber es könnte auch nur eine Phase in meiner generellen Entwicklung als Autor sein. In zwanzig Jahren bin ich 51. Ob es dann noch Blogs gibt, wir uns längst alle Gedanken gegenseitig direkt in die Köpfe beamen oder in einer post-apokalyptischen Wüste Jagd auf mutierte Kaninchen machen, wer kann das schon sagen?

Wieviel Zeit verbringst du im Internet und würdest du dich als abhängig bezeichnen?

Ich bin, seit ich ein Smartphone besitze, eigentlich immer online. Mein Beruf hat mit Internet zu tun, also verbringe ich sicher gute acht bis zehn Stunden täglich aktiv im Netz. Abhängig fühle mich nicht. Mir fehlt nichts, wenn ich kein Internet habe, solange ich Ersatz habe für die Informationen und die Kommunikation, die dort stattfindet – also zum Beispiel Freunde und Bücher oder Filme. Aber ich bin sicherlich insofern abhängig als dass ich für viele Alltagsaufgaben aufs Netz angewiesen bin und sie neu konstruieren müsste, wenn es wegfiele.

Was bewegt dich derzeit am meisten und warum?

Es gibt viele verschiedene Wege auf diese Frage zu antworten, aber ich will nicht zu privat werden. Also bleibe ich mal dabei, dass mich interessenstechnisch nach wie vor die verschiedenen Aspekte meines geplanten Buchprojekts “Continuity” umtreiben. So sehr, dass mich bestimmte Filme inzwischen fast mehr aufgrund des Drumherums interessieren, als wegen ihres Inhalts (so geschehen bei The Amazing Spider-Man 2). Ich finde das besorgniserregend und hoffe, dass ich den Dämon bald bannen kann, indem ich tatsächlich mal mit dem Schreiben anfange. Außerdem: Die Gefühle von Zugehörigkeit und Gemeinschaft, über die ich gerade mit Blick auf die re:publica geschrieben habe beschäftigen mich weiterhin, vielleicht weil ich mich selbst zurzeit auch ein bisschen neu verorte und sich in einem guten Jahr sowieso wieder viele Achsen in meinem Leben neu ausrichten werden.

Zu Blog-Stöckchen gehört es eigentlich, das man sie weiterwirft und neue Mitmacher nominiert. Hier sollen es elf sein, die man für unterrepräsentiert hält, und elf neue Fragen. Mir fällt aber niemand ein, den ich nominieren könnte, der/die nicht a) schon nominiert wurde und von dem ich b) glaube, dass er/sie mitmachen würde. Daher belasse ich es mal dabei, es haben ja auch schon fast alle teilgenommen.

Foto: Flickr Commons

Dabei sein und Dazugehören – Ein Fazit zur re:publica 2014

Was mir tierisch auf den Sack geht: Der Ausdruck “Netzgemeinde”
– Joachim Kurz, @Mietgeist, via Twitter

Ich gebe es bereitwillig zu: Einer der Gründe, warum ich auf die re:publica gefahren bin, war, dass ich gerne “offiziell” dazugehören wollte, zur Netzgemeinde. Ich wollte Leute treffen, die ich selten sehe oder noch nie persönlich gtroffen habe. Ich wollte Vorträge zu Themen hören, die mich interessieren. Und ich wollte das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein, beim jährlichen Klassentreffen meiner Netzgemeinde.

Die Netzgemeinde, das sind in meinen Augen Menschen, in deren Leben das Internet eine wichtige Rolle spielt. Für die es mehr ist als nur reines Werkzeug, nämlich Lebensraum und Philosophie. So entsteht ein Zirkelschluss. Menschen, die freiwillig zur re:publica fahren, sind Netzgemeinde. Und wer zur Netzgemeinde gehört, fährt zur re:publica. Natürlich nicht verpflichtend. Aber es bietet sich an.

Gemeinde taugt

Gemeinde. Wer wie ich beruflich auch was mit Kirche macht, für den hat dieses Wort natürlich eine bestimmte Bedeutung. Aber ich habe es immer so wahrgenommen, dass selbst Menschen, die viele andere Dinge an Kirche ablehnen, Gemeinde gut finden. Nicht umsonst werden Gemeinden inzwischen sogar von säkulären Humanisten gepflegt.

Aber anscheinend hatte ich mir für meinen re:publica-Besuch gerade das Jahr ausgesucht, in dem es plötzlich gar nicht mehr so gut war, zur Netzgemeinde zu gehören. Zumindest nicht, wenn man nicht von Sascha Lobo beschimpft werden wollte, weil man nicht genug in die eigenen Lobbygruppen investiert. Weil man zusieht, wie unser Recht auf Freiheit vom eigenen Staat mit Füßen getreten wird. (Und irgendwas mit Vogelschutz, was ich dem Vogel gegenüber irgendwie unfair fand.)

Getting real

Auch anderswo wurde die Netzgemeinde abgestraft. “Get real”, meinte Yasmina Banaszczuk alias Frau Dingens und kritisierte in ihrem Vortrag: Als Netzgemeinde wahrgenommen würden nur weiße, bildungsbürgerliche, privilegierte Männer zwischen dreißig und vierzig, mit einer ganz bestimmten Agenda. Dabei gebe es sowohl eine digitale Spaltung in Richtung ältere Generation, als auch in andere Bildungsmilieus. Außerdem macht die jüngere Generation längst alles ganz anders; und Fashionblogger und Let’sPlayer verdienen im Netz gutes Geld, obwohl die Netzgemeinde sie ignoriere. Wir Netzgemeinder müssten uns ändern, meinte Yasmina. Weniger Ego, mehr Inklusion. Shame on us. Shame on you, Netzgemeinde!

Aber steckt darin nicht irgendwie ein Widerspruch? Kann man auf der einen Seite beklagen, dass sich bestimmte Menschen anmaßen, für eine wie auch immer geartete Netzgemeinde zu sprechen – und dann selbst für diese sprechen? Und sei es nur, um sie zu kritisieren und zu mehr Inklusion aufzufordern? Darf man an die Stelle eines falschen “Wir” einfach ein anderes axiomatisches “Wir” setzen, das aber auch nur ein verkapptes “Ich und meine Filterbubble” ist?

Not all Men

Als ich nach dem Vortrag anmerke, dass ich mich zwar als Teil der Netzgemeinde sehe, aber in meinem Umfeld durchaus nicht über Fashionblogger und schon gar nicht über Gamer gelacht wird, und dass parallel zu Yasminas Vortrag übrigens ein Panel mit Lifestylebloggern auf der re:publica abläuft, schreibt “kleinerdrei”-Bloggerin Lucie Höhler auf Twitter, ich würde ein “Not all Netzgemeinde”-Argument anbringen, analog zum “Not all Men”-Argument in feministischen Debatten.

“Not all Men” ist längst zu einem Meme geworden. Es geht dabei um den Einwand, es seien ja “nicht alle Männer so”, wenn strukturelle patriarchale Diskriminierungen in der Gesellschaft kritisiert werden – von glass ceiling bis rape culture. Meistens will sich der Widersprechende damit vor allem selbst aus der Schuld nehmen, bringt die Debatte aber damit nicht weiter – denn es geht ja sowieso nicht um die Männer, die nicht so sind.

Der Unterschied ist aber, dass ich mir nicht aussuchen kann, ein Mann zu sein. Mein “Mann sein” ist eine biologische und soziale Gegebenheit und es liegt an mir, daraus das Beste zu machen und die Fehler meiner Geschlechtsgenossen nicht fortzuführen. Teil der “Netzgemeinde” zu sein, ist aber etwas, was ich frei wählen kann. Ich sehe mich als Teil der Netzgemeinde, weil ich mit ihr bestimmte Lebenseinstellungen und strukturelle Ziele teile – siehe oben – und denoch spricht für diese Gemeinde weder Sascha Lobo (er hat das übrigens selbst letztes Jahr thematisiert) noch Yasmina Banaszczuk. Auf der re:publica waren dieses Jahr knapp 7000 Menschen. Sie alle sind Netzgemeinde. Und ihre Handlungen sind es, die zählen.

Drachenväter und Reverse Engineering

Ich will mich nicht dafür rechtfertigen müssen, zur den Menschen zu gehören, die das Internet toll finden. Genauso wie ich mich übrigens nicht dafür rechtfertigen möchte, ein Nerd zu sein und als solcher unter anderem Rollenspiele (die Fantasy-Art, nicht die soziologische oder sexuelle) toll zu finden. Das Buchprojekt “Drachenväter”, das auch mit einem Vortrag auf der re:publica vertreten war, schrammt meiner Ansicht nach haarscharf daran vorbei.

“Drachenväter”, ein Buch über die Geschichte des Rollenspiels, an dessen Crowdfunding ich mich beteiligt habe, argumentiert in einer Art Reverse Engineering, heutige Virtuelle Welten, ob in Videospielen, Social Networks oder Second Life, wären ohne klassische Tischrollenspiele wie “Dungeons & Dragons” nicht denkbar. Das mag stimmen, aber steckt hinter dieser Argumentation nicht auch der Wunsch des Außenseiters, sein Außenseiter-Hobby rückwirkend zu rechtfertigen? Es aufzuwerten, weil es Einfluss hatte auf etwas, das heute auch im Mainstream akzeptiert ist? Sich also im Endeffekt eine andere Zugehörigkeit zu geben? Als wäre Rollenspiel nicht an und für sich feierns- und untersuchungswert, weil es ein geiles, fantasievolles Hobby ist. Auch wenn Charakterbögen und Facebookprofile einander nicht gleichen würden. (Tom Hillenbrand hat auf diese Frage zähneknirschend gesagt, dass ich ein bisschen Recht haben könnte. Konrad Lischka war weniger nachgiebig.)

Auch Netzgemeinden brauchen Utopien

Dabei sein und dazugehören. Das Thema zog sich irgendwie durch viele Veranstaltungen, die ich auf der re:publica besuchen durfte. Teresa Bücker sprach in ihrem Vortrag “Burnout & Broken Comment Culture” am Mittwoch morgen davon, wie leicht es durch digitale Werkzeuge geworden ist, sich einer Sache anzuschließen und sich einer Bewegung zugehörig zu fühlen. Und wie schwierig es gleichzeitig ist, dabei zu bleiben, wenn man von den vorher dagewesenen sofort und ständig dafür kritisiert wird, dass man alles falsch macht. Quod Erat Demonstrandum. Inklusion bedeutet eben nicht nur, für die Entrechteten zu kämpfen. “Do you only care about the bleeding crowd? How about a needing friend?” hieß es schon 1969.

Ich bleibe dabei: Zugehörigkeitsgefühl zu Gruppen, Gemeinde, das ist etwas Gutes. Es stiftet gemeinsame Identität. Gemeinsame Identität kann etwas erreichen. Das ist meine Ansicht in meiner fortlaufenden, wenn auch kuscheliger gewordenen Filmblogosphären-Kampagne. Und es steckt zum Beispiel hinter der Tatsache, dass ich mich als Europäer begreife – um mal ein ganz anderes Beispiel zu bemühen. Manchmal mehr, als als Deutscher. Was uns eint, sollte immer stärker sein, als was uns trennt. Nur so lassen sich gemeinsame Utopien entwickeln. Wir brauchen Utopien. Auch die Netzgemeinde. Gerade jetzt, wo unsere heile Welt durch den Überwachungsskandal starke Risse bekommen hat.

Clanwirtschaft

Am Dienstagnachmittag der re:publica sprach Susanne Mierau über die gesellschaftliche Bedeutung von Elternblogs. Der Online-Elternclan, meinte sie, sei auch Ersatz für das nicht mehr vorhandene Clan- und Gemeinschaftsleben der vorindustriellen Menschen. Dort haben sich immer mehrere Frauen und Männer gemeinsam um Kinder und auch um Eltern gekümmert. Zur Zeit des Vortrags war ich noch voll auf dem High, endlich bei meiner Netzgemeinde angekommen zu sein. Aber den Gedanken eines Online-Clans finde ich auch jetzt noch sehr sympathisch.

Die letzte Veranstaltung, die ich auf der re:publica besucht habe, war übrigens noch einmal ein Vortrag von Yasmina am Donnerstagmorgen. Es ging um Fandoms und ihre Schlussfolgerung war im Grunde, dass man sich heute nicht mehr dafür schämen muss, Fan zu sein. Na also, dann. Ich bin Fan der Netzgemeinde. Auf geht’s!

P. S.: Wenn ich mir noch eine Sache rauspicken müsste, die ich grundsätzlich an der re:publica kritisieren möchte, dann­, dass mir viele Vorträge zu sehr an der Oberfläche blieben (vielleicht wegen des Sponsors Microsoft Surface? Ja ja), sobald es um kulturelle Themen ging, die nicht mehr nur mit Computern und Social Media zu tun hatten. Vielleicht saß ich auch nur in den falschen Veranstaltungen, aber ich finde man darf doch ein gewisses Niveau bei Publikum und Rednern voraussetzen, oder? Man darf doch ruhig auch mal Wissenschaft bemühen. Also auch Geisteswissenschaft. Zu Fandom etwa gibt es seit vielen Jahren eine blühende Forschungslandschaft. Das kann man dann in einem Vortrag zum Thema ruhig mal erwähnen. Gehört für mich auch zu Recherche dazu, dass man das wahrnimmt. Und dass man Fritz Langs urdeutschen Film Metropolis nicht “Mietwoppolis” ausspricht auch. Zumindest wenn man als Deutscher in Deutschland auf einem Podium über Science-Fiction spricht. Oder ist letzterer Gedanke zu tümelnd?

In eigener Sache: Bitte um Feedback zur ITFS-Berichterstattung

Falls es irgendjemand nicht mitbekommen hat, weil er oder sie jetzt erst dazugestoßen ist: Ich habe in der vergangenen Woche vom Internationalen Trickfilmfestival Stuttgart einen täglichen Podcast hier im Blog und einen täglichen Bericht auf kino-zeit.de veröffentlicht.

Das Ganze war für mich auch eine Herausforderung an mich selbst. Ich habe noch nie richtige Festivalberichterstattung gemacht und wollte es mal ausprobieren. Ich hatte streckenweise Spaß dabei, habe aber auch manchmal ziemlich mit Termindruck, Schlafmangel und sonstigen Widrigkeiten, die wahrscheinlich dazu gehören, zu kämpfen.

Die große Frage, die sich für mich nun stellt, ist: Soll ich das jemals wieder machen? Größere Projekte dieser Natur lohnen sich für mich persönlich im Endeffekt (und im Unterschied zu einfachen Blogposts) nach dem ersten Mal nur, wenn sie ein Publikum finden. Daher würde ich mich sehr über ein kurzes Feedback freuen – in den Kommentaren, per Mail oder über das soziale Netzwerk eurer Wahl.

Ich erhoffe mir vor allem Antworten auf folgende Fragen: War das Angebot zu viel, zu wenig oder genau richtig? Habt ihr die Podcasts überhaupt gehört? Fandet ihr sie interessant und würdet ihr sie wieder hören? Wenn nein, warum nicht? Ergibt diese Art von nicht-regelmäßigem Podcast überhaupt einen Sinn? Was würdet ihr eventuell lieber sehen?

Wenn ihr euch die Zeit nehmt, bin ich euch sehr dankbar.

Gesucht: Gesprächspartner für das ITFS

Ich habe mich für das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart akkreditiert und plane, von Dienstag an täglich hier im Blog von dort zu berichten. Unter anderem möchte ich einen täglichen etwa halbstündigen Podcast produzieren, der zur Hälfte aus Interviews mit Filmemachern und zur Hälfte aus Besprechungen des Programms besteht.

Für diese Besprechungen suche ich andere beim ITFS akkreditierte Blogger_innen und Journalist_innen, die Lust haben, sich jeweils an einem Tag des Festivals eine halbe Stunde Zeit zu nehmen, um mit mir den Tag zu rekapitulieren. Denn im Gespräch lässt sich besser reflektieren als allein.

Dass ich auf eure Blogs, Profile oder sonstige Arbeit verlinke und hinweise versteht sich von selbst.

Wenn ihr Interesse habt, schickt mir eine Mail an

kontakt@alexandermatzkeit.de

und wir klären alles weitere.