Drei Anmerkungen zum Disney-Lucasfilm-Deal

Disney hat Lucasfilm für 4 Milliarden Dollar gekauft und die Welt steht Kopf. Okay, vielleicht nicht die Welt, aber zumindest meine Twitter- und Facebook-Timeline. Einige gute Witze und einige Entsetzensschreie waren dabei, die ausführlicheren Analysen werden sicher im Laufe des Tages eintrudeln – das Feld überlasse ich gerne den Experten. Doch für diejenigen, die ihre Kindheit nun endgültig im Müllschlucker verschwinden sehen, hier drei Dinge, die mir gestern abend im Kopf herumschwirrten:

1. Disney und Lucasfilm waren sich immer schon sehr nah

Dieser Kauf kommt nicht aus dem Nichts. Wer das glaubt, war zum Beispiel noch nie in einem Disney-Themenpark, wo die “Star Tours”-Attraktion schon seit Jahrzehnten zur festen Ausstattung gehört. Crossovers von Star-Wars-Charakteren mit Disney-Charakteren sind ein alter Hut. Aber auch inhaltlich standen sich die beiden Firmen immer schon nahe. Man sollte bei allem Fandom nicht vergessen, dass Star Wars im Grunde auch nur ein Märchen ist, dass George Lucas modernes Merchandising quasi erfunden hat und dass Disney doch wahrscheinlich nichts ruinieren kann, was die Prequels nicht schon längst in die Lavagruben von Mustafar geschüttet haben.

2. Disney ist mehr als Mickey Mouse

Es ist Unsinn, den Disney-Konzern auf niedliche Cartoons und eine zuckersüße Weltsicht zu reduzieren. Sicher, er hat im letzten Jahrzehnt solche Abscheulichkeiten wie High School Musical und Hannah Montana hervorgebracht und sein Kerngeschäft ist nach wie vor Familienunterhaltung, die nicht gerade für ihre Edginess berühmt ist. Aber Disney hat in den vergangenen Jahrzehnten auch Pixar groß gemacht und Filme wie Pirates of the Caribbean produziert. Und was sie Marvel ermöglichen konnten, seit sie den Verlag gekauft haben, kulminierend in den fantastischen Avengers, sucht Seinesgleichen. Natürlich sind sie ein gieriger Großkonzern, aber ihre kreative Seite ist nach wie vor bemerkenswert.

3. Sie haben die Chance, es diesmal richtig zu machen

Bis 2015 soll Star Wars: Episode VII entstehen, was vielen Leuten Angst einjagt. Doch: George Lucas wird nur noch als “Creative Consultant” mit an Bord sein, nachdem er gerade noch eine Steißgeburt wie Detours auf den Weg gebracht hat. Dieses Ergebnis sollte uns doch eher Hoffnung machen, dass jetzt alles gut wird. Lucas, visionäres Genie aber schrecklicher Drehbuchautor und Regisseur, wird endlich vom Thron gestoßen und überlässt denjenigen die Zügel, die Star Wars wirklich zu schätzen wissen. Ob mit Disney im Rücken oder nicht, es bietet sich nun die einmalige Chance, die Schmach der Episoden I-III auf der Kinoleinwand wiedergutzumachen. Und das sollte doch ein Grund zum Feiern sein.

Die Annehmlichkeiten des Mauerblümchendaseins

Bild: Capelight

Der Film The Perks of Being a Wallflower (dessen fragwürdiger deutscher Verleihtitel “Vielleicht lieber morgen” lautet, was Gespräche über den Film grundsätzlich kompliziert macht (“Was? Warum willst du nicht jetzt drüber reden?!”)) beginnt mit einer traumwandlerischen nächtlichen Fahrt durch einen orange-golden beleuchteten Stadttunnel vor den Toren von Pittsburgh. Dazu spielt Musik. Ich weiß nicht mehr, ob es die Filmmusik von Michael Brook ist oder der Song “Asleep” von den Smiths, aber ich wusste in diesem Moment dass mich dieser Film gefangen nehmen würde.

Die self-fulfilling prophecy wurde wahr und ich saß tagträumend im Kino und sah Charlie dabei zu, wie er sein Inneres Licht findet, weil er die richtigen Freunde bekommt, die ihn mitnehmen in eine Welt, die nur aus nächtlichen Tunnelfahrten zu bestehen scheint. In dieser Welt sind die schlechten Dinge des Lebens – Enttäuschungen, Schmerz, Hass – vor allem Inspiration für poetischen Ausdruck. So fügt sich alles zusammen und man kann sich, wie die Catchphrase des Films es ausdrückt, mal so richtig schön “unendlich” fühlen. Ach ja.

Während ich all das sah und fühlte, wusste ich gleichzeitig, dass The Perks of Being a Wallflower gar kein so furchtbar guter Film ist. Er bot keinerlei inszenatorische Besonderheiten und auch auf der Storyebene kann man ihm eine Menge vorwerfen, was Peter Bradshaw meiner Ansicht nach gut zusammengefasst hat: Etwa, dass die schwule Figur Patrick nur als Opferlamm für die Heterofigur Charlie existiert und dass das Thema Missbrauch im Film eine sehr oberflächliche, fast schon nervige Charaktermotivationsmaschine ist. (“All normal teenage loneliness is not good enough”, was mich auch hieran erinnerte.)

Ich mag die Smiths gar nicht

Meine eigene Schulzeit hat nichts mit der von Charlie gemeinsam. Natürlich musste ich als Klassenstreber, dem Schule tatsächlich Spaß gemacht hat, auch meine Dosis Hänselei ertragen, aber spätestens im Oberstufen (=High School)-Alter hatte ich mich irgendwie im Gesamtgefüge der Klasse eingenistet. Ich war weder introvertiert, noch mochte (oder mag) ich die Smiths, noch musste ich mir Manic Pixie Dream Friends suchen, die mich aus meiner Misere herausholten.

Und trotzdem brauchen sich Filme wie Perks gar nicht mal anzustrengen, um mich mit nur wenigen Würfen umzukegeln. Warum? Vielleicht, weil die Geschichte, die der Film erzählt, inzwischen etwas archetypisches hat. Sie lässt sich auf jeden Fall problemlos durch die Filmgeschichte zurückverfolgen (eine gerade Linie führt von The Perks of Being a Wallflower über Almost Famous und Dead Poets Society zu Harold and Maude und Rebel Without a Cause) und in der Literatur auch mindestens bis “The Catcher in the Rye”, aber sicher auch darüber hinaus: Diesen Geschichten zufolge steckt in jedem depressiven, einsamen (männlichen!) Teenager ein missverstandener Poet, der mal mehr (Perks), mal weniger erfolgreich (Catcher in the Rye) hervorgeholt werden kann. Was mich darüber nachdenken lässt, wie viele frustrierte, missverstandene Philosophen es wohl in der griechischen Antike gegeben haben muss, deren auf Papyrus gekritzelte Depri-Gedichte leider verschollen sind.

Regisseur Stephen Chbosky, der sein eigenes Buch verfilmt hat, muss sich dieses Archetyps bewusst sein, denn schließlich gibt Charlies Englischlehrer (im Film gespielt von Paul Rudd) seinem Schützling genau diese Bücher und Filme als Anschauungsmaterial, während Chbosky selbst zugegeben hat, dass seine Schulzeit eigentlich auch ganz anders war.

Mit anderen Worten: Hier zeigt sich wieder einmal (und mir ist bewusst, dass diese Erkenntnis absolut nicht neu ist), was passiert, wenn man junge Autoren Bücher schreiben lässt: sie schreiben über junge Autoren. Nein, sie schreiben über die Tagträume von jungen Autoren. Und hunderttausende junger Autoren und junger Möchtegern-Autoren und nicht mehr junger Autoren, die aber gerne noch mal jung wären, auf dem ganzen Planeten stimmen ebenso träumerisch in den Chor der Mauerblümchen ein, die Figur auf den Seiten oder der Leinwand betrachtend – halb verständnisvoll, halb neidisch. Das ganze ist scheinbar so einfach und so manipulativ, dass man es eigentlich verabscheuen müsste. Aber es ist leider doch viel schöner, sich von der sentimentalen Woge einfach mittragen zu lassen. Ist es, glaubt mir.

Vielleicht Lieber Morgen startet am 1. November in den deutschen Kinos. Eine Art Kurzfassung dieses Artikels am Samstag in “Close up”.

Quotes of Quotes (IV)

Der perfekte spricht-mir-aus-der-Seele-Kommentar inmitten all der Retromania und des Untergangs des Zeitschriften-Abendlandes.

“Dieser andauernde Nostalgie-Scheiss mag ganz lustig sein, aber muss man den wirklich so breit treten? Ich weiß, das ich morgen 36 werde, daran muss mich kein Heft erinnern. Immer ist alles ‘kultig’ und ‘retro’ und auf dem Heft und dem Heftrücken steht in grellem Pink: ‘Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!'”
Nilz Bokelberg über die neue “Yps”

Da ich kaum mit “Yps” aufgewachsen bin, habe ich mir das Remake gespart. Aber zu “Donald”, das Nilz ebenfalls zu Recht kritisiert, habe ich damals gelästert geschrieben.

I like evangelisch – Angebote der Kirche im Bereich Social Media

Das Abschlusspanel des 2. Ev. Medienkongresses. (Quelle)

Beim 2. Evangelischen Medienkongress am 26. und 27. September in Mainz habe ich einen Einführungsvortrag zum Thema Kirche und Social Media gehalten, den ich auf mehrfachen Wunsch hier dokumentiere. Dies ist die leicht veränderte und mit Hyperlinks versehene Form meiner Vortragsnotizen, die Originalfolien verschicke ich bei Interesse gerne per Mail (meine E-Mail-Adresse steht im Impressum).

Der Grund, warum ich hier oben stehe, ist wohl, dass ich bis vor einem guten Jahr der Internetredakteur des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden war und dort auch die Social Media Präsenz aufgebaut habe, aber dazu kommen wir später noch. Ich hoffe, dass ich Ihnen für den Einstieg hier einen kleinen Überblick bieten kann, den Sie dann später in den angebotenen Workshops vertiefen können.

Ich habe mir gedacht, ich fange mit nackten Zahlen an und das heißt: Welche Angebote gibt es überhaupt? Also: Wo ist die evangelische Kirche in dem, was man Social Media nennt, überhaupt präsent? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat 20 Gliedkirchen und ich habe überprüft, ob die EKD selbst und jede der Gliedkirchen auf den großen sozialen Plattformen vertreten sind. Diese großen Plattformen, das sind Facebook, Twitter, YouTube und GooglePlus. Ich habe diese vier genommen, weil es nun mal die Platzhirsche sind und weil dort die Zahlen am ehesten vergleichbar sind.

Die Zahlen im Vergleich

Ich weiß auch, dass das nicht die einzigen Social-Media-Kanäle sind, die es gibt. Es tut mir auch wirklich leid, wenn ich durch diese Reduktion jetzt zum Beispiel übersehen habe, dass die Sachsen bei Instagram ganz groß sind oder die Bremer bei Foursquare. Aus den großen vier jedenfalls kann man folgende Tabelle bauen:

Sie sehen, da gibt es einige Zahlen, die meisten nicht sehr groß, aber auch viele Leerstellen. Das soll jetzt erstmal überhaupt nicht wertend sein, nur eine Übersicht geben: Manche Teile der evangelischen Kirche in Deutschland machen etwas im Social Web, andere nicht. Das hängt sicher zum Teil auch mit der Größe der Kirche zusammen und damit, ob sie sich die Mitarbeiter leisten möchte, die so etwas betreuen. Aber es hängt eben auch mit der grundsätzlichen Einstellung zum Thema zusammen. Das wird dann auch deutlich, wenn man sich die kirchlichen Werke anschaut.

Da gibt es nämlich überall ganz gute Zahlen, und soweit mir bekannt ist nutzt etwa “Brot für die Welt” das Social Web auch sehr aktiv. Allerdings ist “Brot für die Welt” auch eine national und international agierende Institution – damit ist das Publikum größer und es gibt vielleicht teilweise auch mehr Inhalte, die in diesen sozialen Netzwerken geteilt werden können oder die für mehr Menschen interessant sind – auch wenn sie nicht direkt mit der Amtskirche zu tun haben. Zum Beispiel Nachrichten aus Krisengebieten und Informationen über die Verwendung der Mitgliederspenden.

Und dann gibt es natürlich noch die Speerspitze der evangelischen sozial-medialen Institutionen, evangelisch.de, die ja auch mal der Ort sein sollte, an dem die evangelischen Christen Deutschlands im Netz zusammen kommen sollen. Hat entsprechend auch – im Vergleich – ganz gute Zahlen aufzuweisen, vor allem auf Twitter.

Es gibt natürlich noch einige mehr, die ich jetzt hier nicht aufgeführt habe. „Chrismon“, etwa, oder „Evangelische Häuser“, die zu dem evangelisch.de-Netzwerk gehören. Und es gibt einzelne Personen, z. B. der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die auch Facebookseiten haben und nutzen! Auf die Zahlen kommen wir später noch einmal zurück. Ich wollte mir jetzt aber erst einmal ein paar dieser gerade gesehenen Angebote – eine relativ willkürliche Stichprobe – genauer mit ihnen anschauen.

Diese Seite ist ein Platzhalter

Wir beginnen mit dem Social-Media-Angebot der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst, also der EKD. Die ist überall vertreten. Es gibt eine Facebookseite, einen Twitter-Account und einen YouTube-Channel und die Zahlen sind dort für deutsche Kirchenverhältnisse auch okay – bei Facebook fast 2000 Fans und über 2.500 Follower bei Twitter. Aber es fällt auf, dass es eigentlich keine Interaktion gibt. Also: Der wirklich „soziale“ Aspekt des Social Web wird nicht genutzt.

Die Seiten sind hauptsächlich automatisierte Kanäle, in die Pressemeldungen einlaufen. Der YouTube-Kanal wird auch nur für Videos von Pressekonferenzen und Synoden genutzt.
Aber das ist auch so gewollt, sagt Sven Waske, der Leiter der EKD-Online-Redaktion: “Diese Seiten sind Platzhalter, da die Rechtslage derzeit noch unklar ist. Sie werden künftig in einer Gesamtstrategie neu gefasst.” Man wollte diese Seiten erst einmal besetzen, damit sie kein anderer nutzt, aber es gibt eben noch keinen Konsens darüber, ob und wie man hier ins soziale Netz vorstoßen sollte – und daher gibt es eben erstmal nur diese einseitigen Präsenzen. Immerhin gar nicht verkehrt, dass man auch auf diesem Weg die Pressemitteilungen der EKD abonnieren kann.

Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur

Zum Vergleich: Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) hat ihren gesamten Social Media Auftritt diesen Sommer neu gelauncht. Hier wird redaktionell gearbeitet. Man bemüht sich, auch Verlinkungen auf außen stehende Angebote einzubauen, die die Follower interessieren könnten. Bilder einzubinden. Auf Twitter sieht man, dass auch Retweets und Hashtags benutzt werden. Einige andere Landeskirchen haben übrigens auch Seiten, die redaktionell betreut werden.

Hier kommt es auch zum Dialog. Natürlich wahrscheinlich nie so viel, wie man möchte und auch nicht immer mit den Leuten, mit denen man gerne reden möchte, aber das Medium wird genutzt. Und wenn dann kontroverse Themen behandelt werden, wie jüngst das Thema Beschneidung, kommt es eben auch zu kontroversen Diskussionen – auch mal mit im Netz bekannten Leuten, wie Mario Sixtus, mit dem sich dann aber auch immerhin ein Dialog entspann.

EKiR-Internetbeauftragter Ralf Peter Reimann sagt dazu: “Der Dialog auf Facebook muss auch solche Provokationen aushalten. Unser Ziel ist auch der Dialog mit der zunehmend atheistischen Netzkultur!” Es ist natürlich Spekulation, aber das könnte das sein, was andere vielleicht noch davon abhält, diesen Schritt ins soziale Netz zu machen. Denn all das halst man sich natürlich auch auf, wenn man Social Media macht, und ich habe selbst schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Leute wirkliche Probleme mit dieser gewissen Kontrollaufgabe im Kommunikationsprozess haben, die das soziale Netz mit sich bringt.

Ein Tweet-Gebet in der Essensschlange

Dann möchte ich noch kurz ein kleines Sonderprojekt vorstellen, weil es auch dieses Jahr den Webfish-Innovationspreis (Offenlegung: Dort saß ich in der Jury) gewonnen hat: das “Twittagsgebet”, das – wie man am Logo sieht – der Badischen Landeskirche entspringt. Dahinter stand die Frage, wie man ein spirituelles Angebot in einem Twitterkanal unterbringen kann. Entstanden ist ein Twitterkanal auf dem jeden Mittag um 12 Uhr ein Tweet-Gebet gesendet wird, das zum Innehalten einlädt und oft auch auf aktuelle Ereignisse bezug nimmt.

Das ist auch nicht unbedingt interaktiv – hier findet kein Dialog statt – aber das wissen die Macher auch und das ist auch ganz bewusst. “Wir wünschen uns den Nutzer, der mittags in der Essensschlange steht und seine Timeline checkt und sich dann über unseren Tweet freut”, sagt Oliver Weidermann, der Gründer und Koordinator des Twittagsgebets. Das soziale entsteht dann eher dadurch, dass ein Twittagsgebet retweeted werden kann und die Follower es so mit ihren Followern teilen.

Also auch wenn es keine direkte Interaktion gibt, hat man sich hier zumindest wirklich Gedanken darüber gemacht, wie man das Medium auf spezielle Weise einsetzen kann – indem man eben solche Tagesgedanken auf 140 Zeichen eindampft – und das funktioniert ja auch.

Mitten im Hype-Cycle

Der letzte Kandidat, evangelisch.de, hat diesen Herbst seinen dritten Geburtstag gefeiert. Ich habe damals selbst noch im GEP in Frankfurt gearbeitet als evangelisch.de an den Start ging und ich erinnere mich noch gut an die Aufbruchsstimmung die damals dort herrschte. Der Plan war, etwas auf die Beine zu stellen, was die evangelische Kirche endgültig im Internetzeitalter ankommen lässt. Eine Nachrichtenseite mit angeschlossener Community, die aber anders, persönlicher und spiritueller, funktioniert als die weltlichen Medien und damit alle evangelischen Christen in Deutschland anspricht.

Heute sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Die Community ist vor ein paar Monaten geschlossen worden. Die wenigen Nutzer die es dort gab, fanden das natürlich sehr schade. Aber im Rückblick konnte evangelisch.de als eigenes soziales Netzwerk einfach nicht bestehen. Die Dinge, die funktioniert haben, etwa eine universelle Anlaufstelle für geistliche Fragen, hat man behalten und sie werden jetzt unabhängig weitergeführt.

Es hat also alles nicht ganz so geklappt wie man sich das vorgestellt hat – und ich finde die Seite jetzt auch optisch nicht mehr so schön und ein bisschen labyrinthisch – aber die Konsequenz ist eben, dass die Redaktion jetzt mit etwas weniger Hype im Rücken weitermacht. Portalleiter Hanno Terbuyken: “evangelisch.de ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir sind ein Teil des Angebots, ein Knotenpunkt im Verbund christlicher Websites im Netz. Und wir haben einen klaren publizistischen Auftrag und daran hat sich nichts geändert.”

Ich mochte diesen Gedanken eigentlich: Dass man jetzt vernetzter denkt und auch auf der Leitungsebene nicht mehr so stark wie am Anfang der Meinung ist, man hätte jetzt den endgültigen Schlüssel dazu gefunden, wie evangelische Kirche im Netz funktioniert. Und Hanno Terbuyken hat mir dennoch glaubhaft versichert, dass er mit dem, was evangelisch.de im Moment produziert, sehr zufrieden ist.

Ich musste da ein bisschen an den “Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies” denken, ein Index, auf dem jedes Jahr aufgezeichnet wird, wo sich entstehende Technologien gerade auf ihrem Erwartungshorizont befinden – und der beginnt eben immer mit einem großen Hype voller zu großer Erwartungen, stürzt dann ab in ein Tal der Desillusionierung (das hatte evangelisch.de vielleicht letztes Jahr) und bewegt sich dann aber stetig auf ein produktives Plateau zu. Es bleibt zu hoffen, das evangelisch.de jetzt auf dem besten Weg dahin ist.

Wenn man jetzt die Zahlen vom Anfang alle mal addiert – ich nehme jetzt mal die Facebook-Zahlen aller Landeskirchen, der EKD und von evangelisch.de – dann kommt dabei eine Zahl knapp unter 8000 heraus. Das ist also die Zahl der Leute, die die offiziellen Facebookseiten der evangelischen Kirche erreicht. Die eigentliche Zahl ist natürlich niedriger, da davon auszugehen ist, dass viele Leute mehrere dieser Seiten geliket haben. Auch die Werke fehlen jetzt in dieser Summe, aber zu denen passt das Motto “I like evangelisch” auch nicht besonders gut, denn ich möchte wetten, das ein Großteil der Bevölkerung weder “Brot für die Welt” noch die “Diakonie” direkt mit der evangelischen Kirche in Verbindung setzt.

Auf Augenhöhe

Vergleichen wir dazu eine Seite namens „evangelisch im Facebook“. Die hat fast halb so viele Fans wie alle anderen zusammen, stammt aber nicht aus einem offiziellen Kanal. Andererseits hat sie die Kurz-URL facebook.com/evangelisch – dort passt also das Vortragsthema am besten. Und dort, soweit ich das beobachten kann, passiert, was auf den meisten anderen Seiten nicht passiert. Bis zu sechs mal am Tag wird ein Impuls gepostet, manchmal ernst, manchmal witzig, und dann wird das weitergegeben und diskutiert – natürlich auch nicht immer nur gut und auch hier treiben sich viele von den Menschen herum, die für die Kirche nach außen hin natürlich nicht gerade das beste Bild abgeben. Aber – hier ist ein echtes soziales Medium am Start. Hier findet so etwas ähnliches wie Gemeinde statt.

Gemacht wird das ganze – das hat im StudiVZ (der ein oder andere erinnert sich noch) angefangen und ist dann auf Facebook umgezogen – von drei Mitgliedern der Evangelischen Studierendengemeinde Stuttgart, Stefan Hartelt, Contanze Borchert und Astrid Lowien. Die drei investieren ehrenamtlich jeder etwa 90 Minuten am Tag, um diese Seite zu pflegen und sich neue Impulse einfallen zu lassen. Und obwohl Stefan Hartelt auch in der Web 2.0-AG der Württembergischen Landeskirche sitzt, bekommen die drei nur ganz verhaltenen Rückhalt von offizieller Seite.

Ich habe sie gefragt, ob sie sich in Konkurrenz zu evangelisch.de sehen. Und als Antwort habe ich von Stefan Harrtest bekommen: “Wir fragen uns immer: wie können wir so professionell sein wie evangelisch.de?” Die drei sind also auch sehr bescheiden, sehen die Profis eher als Vorbild – obwohl sie als Amateure eigentlich viel erfolgreicher sind – und, wie sie erzählen, auch sehr wenig Probleme mit Pöblern haben, und noch nie jemanden sperren oder einen Beitrag löschen mussten, also weitgehend in Frieden gelassen werden.

Ich habe mich gefragt – das ist nur eine These – dass es vielleicht gerade dieses amateurhafte auf Augenhöhe ist, was die Leute zu dieser Seite zieht. Dass sie eben hier nicht Informationen von Profis durchgereicht bekommen. Vielleicht funktionieren Social Networks – zumindest in solchen so privaten und emotionalen Bereichen wie Kirche und Glauben – einfach so, oder zumindest: auch so.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag hat natürlich auch noch eine sehr erfolgreiche Facebookseite (und auch einen Twitterkanal mit 1200 Followern, da ist evangelisch.de erfolgreicher). Die betreue ich inzwischen natürlich nicht mehr, das macht jetzt meine Nachfolgerin Silke Roß. Wir hatten den Vorteil, dass dort scheinbar eine Meute von Leuten auf uns wartete, die nur noch abgeholt werden musste. Denn im Gegensatz zu den Kirchen, wo ja viele Leute Mitglied sind, aber nur wenige wirklich aktive Mitglieder, sind die Kirchentags-Teilnehmer ja fast alle sehr involvierte Menschen.

Das Nicht-Geheimnis des Kirchentages

Das interessante ist, dass ich seitdem, also seit diese Facebookseite und auch der Twitterkanal für evangelische Verhältnisse so erfolgreich ist, das heißt: seit Frühjahr 2011, schon mehrmals zu ähnlichen Veranstaltungen wie dieser hier eingeladen worden bin, um darüber zu reden, wie wir das gemacht haben. Und ich erzähle dann immer, was wir, dass wir versucht haben, uns auf die Vorfreude zu konzentrieren, damit wir die zwei Jahre zwischen den Kirchentagen überbrücken können. Dass wir einen lockeren, persönlichen, aber nicht flapsigen Ton gewählt haben. Und dass wir versucht haben, auf alles zu reagieren, was uns an Fragen und Kommentaren entgegen kam. Und irgendwie hat das geklappt.

Das heißt: die einzige Social-Media-Expertise, die da eigentlich reingegangen ist, ist meine private Erfahrung im Social Web vor diesem Job, die Berichterstattung darüber, die ich als Medienjournalist leisten durfte, und die Bereitschaft, das Medium und seine Nutzer ernst zu nehmen, nicht nur als Verbreitungskanal, sondern als Plattform. Und kurz nach dem 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden hatten wir dann plötzlich die 10.000er-Marke überschritten.

Ich habe auch Gespräche geführt mit Werbern und anderen Medienmenschen, denen das alles viel zu konservativ war: zu wenig Provokation, zu wenig viral, nicht spektakulär genug. Aber ich habe immer gedacht, dass die Internetweisheiten, die für Unternehmen gelten, in diesem speziellen Umfeld nicht immer das Richtige sind. Und ob das stimmt oder nicht, dafür sind Sie ja hier, um das zu diskutieren.

Was vom “BildBlog” übrig bleibt

Mein Artikel “‘Wired’ ist in Deutschland immer noch tired (und klaut)”, den ich in der Nacht des vergangenen Samstag in einem Anfall von Kragenplatzen in die Tastatur gehackt hatte, wurde am Dienstag in der Rubrik “6 vor 9” eines der ersten und – ich schätze nach wie vor größten – Blogs Deutschlands verlinkt, dem “BildBlog”. Es hat mich sehr gefreut, dass mein Thema anscheinend von Kurator Ronnie Grob als relevant genug eingestuft wurde. Auf Facebook habe ich gewitzelt, dass ich den Punkt “vom BildBlog verlinkt werden” jetzt auch von meiner Bucket List streichen kann, und natürlich ist ein bisschen Aufmerksamkeit auch immer gut für’s Ego.

Da mir eine solche Verlinkung zum ersten Mal passiert ist, dachte ich mir, ich schreibe mal kurz eine Zusammenfassung dessen auf, was das ganze auf meiner Seite des Links ausgelöst hat. Vorweg: An normalen Tagen hat mein Blog 20 bis 30 Pageviews pro Tag – eine gewisse Anzahl fast immer über Google Image Search, die nach Jennifer Connelly Naked oder Ähnlichem suchen.

Am Tag der Bildblog-Verlinkung kletterte diese Zahl auf

2.271 Pageviews.

Mein “busiest day” ever, laut WordPress. Insgesamt wurde der Artikel seit Veröffentlichung

2.646 Mal

angeklickt. Ich hoffe/vermute, dass er meistens auch gelesen wurde. Als ich die Verlinkung sah, stellte ich mich drauf ein, mich für meine Meinung gegen eine Flut von Trollen rechtfertigen zu müssen, aber das war nicht der Fall, denn insgesamt rief der Artikel dann doch nur

4 Kommentare

hervor (einen davon von einem Kollegen, den ich direkt nach seiner Meinung gefragt hatte). Ich weiß nicht, ob das daran lag, dass er nicht so furchtbar polemisch war (ich bin kein guter Polemiker, eher ein Analytiker, und wenn ich mal polemisch werde ende ich meistens damit, mich dafür auch ein bisschen zu entschuldigen), oder einfach an der üblichen 90/9/1-Kultur des Netzes.

Ein bisschen schade fand ich das schon, ich hatte mich auf den vielbeschworenen Austausch und Rückkanal des Netzes gefreut. Dass der bei 20 Hits pro Tag verhalten bleibt, hat mich nie gewundert. Aber bei 2.200 Hits dachte ich: Da passiert mal was.

Inwieweit mir die Verlinkung erweiterte Publicity gebracht hat, kann ich nicht genau sagen. Ich habe einen neuen Follower bei WordPress (aber nicht jeder benutzt WordPress), aber leider

keine neuen Follower

bei Twitter gewonnen (was ich eher erwartet hätte). Ob ich in den Feedreadern weiterer Leute gelandet bin wird sich wohl erst zeigen, wenn ich wieder neue Artikel poste. Grundsätzlich kann ich aber auch verstehen, dass diejenigen, die wegen eines Medienartikels hierher gekommen sind und dann sehen, dass ich hauptsächlich über Film blogge und twittere, sich gegen eine Verfolgung entscheiden.

Last but not least fand ich die Durchklick-Rate interessant. Von den über 2.000 Menschen, die am Dienstag den Artikel angeklickt haben, in dem ich jemandem im Grunde Plagiarismus vorgeworfen habe, haben sich gerade mal

24 den Originalartikel angesehen.

Vielleicht kannten ihn manche auch schon, immerhin lief er Ende Februar durchs Netz, aber die Zahl fand ich dann doch erschreckend klein. Etwas interessanter (36 Klicks) schien einigen Christian Jakubetz’ Blogeintrag, den ich hinter “ordentlichen Arbeitsbedingungen” verlinkt hatte. Und jeweils unter 20 Menschen klickten sich zu den Podcasts durch, die ich als Belege für die “Wired”-Strategie verlinkt hatte.

Von wem ich mir natürlich eine Reaktion erhofft hatte ohne wirklich damit zu rechnen – der Redaktion der dritten deutschen “Wired” – kam erwartungsgemäß nichts. Immerhin: Chefredakteur Alexander von Streit folgt mir jetzt auf Twitter. Der Autor des von mir angegriffenen Artikels, Michael Moorstedt, ist im öffentlichen Social Web nicht sehr stark unterwegs (gut, muss man jetzt auch nicht, so als “Wired”-Redakteur), deswegen konnte ich ihn schlecht direkt ansprechen. Wäre ich er weiß ich aber auch nicht, ob ich auf einen Anpinkler wie mich reagiert hätte.

Ich will mich nicht beschweren, aber der insgesamte Mangel an Feedback trotz so vieler Klicks hat mich dann doch gewundert. Andererseits: Ich weiß, wie viel ich im Netz lese ohne zu kommentieren. Also bin ich wahrscheinlich selbst daran (mit) Schuld.

“Wired” ist in Deutschland immer noch tired (und klaut)

Als im vergangenen Jahr eine deutsche “Wired” angekündigt wurde, stand ich innnerlich Kopf. Endlich! Und mit Thomas Knüwer war auch noch ein Chefredakteur am Ruder, mit dem man nicht immer einer Meinung sein muss, der aber zumindest gut provozieren kann und die neue Medienwelt verstanden hat – sagt er zumindest. Das Ergebnis wirkte dafür dann aber erstaunlich zahnlos, wie ich damals in epd medien schrieb.

Über Ausgabe 2 habe ich damals kein Wort verloren (ich fand sie so la la, der Comic war gut, die Titelstory unausgegoren), und jetzt liegt seit ein paar Tagen Ausgabe 3 an den Kiosks, zum zweiten Mal unter der Regie von Alexander von Streit. Ich gebe ehrlich zu, dass ich aus Zeitmangel noch nicht dazu gekommen bin, sie ganz durchzulesen. Nach der Lektüre der vorderen Teile und der Titelstory ist mein Eindruck jedoch: Sie haben es immer noch nicht verstanden.

“Wired” Nummer 3 hat einen Leserbrief von mir abgedruckt, den ich auf dem Redaktionsblog hinterlassen hatte. Dort hatte ich geschrieben:

Ich wünsche mir für die nächste WIRED mehr überraschende Geschichten und Entdeckungen, die ich noch nicht vorher in verschiedenen Blogs gelesen habe. Und einen etwas respektloseren Ton, der die WIRED-Philosophie von Optimismus und Begeisterung für Technik vermittelt.

Die amerikanische “Wired”, die ich seit drei Jahren im Abo lese, ist jeden Monat wieder eine Entdeckung. Redakteur Adam Rogers hat die “Wired”-Methode in einem Podcast sehr gut beschrieben. Jedes Thema, erklärt er, kann durch die “Wired”-Brille betrachtet werden – man muss nur herausfinden, was daran neu und aufregend ist. “Wired” ist mehr als eine Zeitschrift oder eine Website, es ist eine Weltanschauung. Und um diese Weltanschauung Monat für Monat neu mit Leben zu erfüllen, hat “Wired” hohe journalistische Standards (vgl. Factchecking) und eine starke narrative Komponente. “Wired”-Features sind Geschichten. Mir ist klar, dass ich hier zu einem gewissen Grad die PR des Magazins wiederkaue, aber ich empfinde das auch jeden Monat beim Lesen so. “Wired” überrascht mich jeden Monat mit spannenden, erkenntnisreichen Geschichten, über Dinge, von denen ich noch nie etwas gehört habe oder in meinen eigenen Fachgebieten zumindest mit bemerkenswerten Denkansätzen, und das obwohl sie gedruckt ist. Und in allem, was die “Wired”-Leute um ihre Features drumherum stricken, bringen sie mich zumindest zum Lachen.

Das meinte ich mit meinem Leserbrief, denn in der deutschen “Wired” vermisse ich genau das. Die erste Hälfte der dritten Ausgabe hat einige gute Ansätze (mir gefiel die Story über Luke Jerram und die Datensammlung über Schönheits-OPs), aber auch jede Menge WTF-Momente. Warum zum Beispiel steht auf dem Cover nirgendwo, wer dort zu sehen ist? Und warum hat diese Person, ein Musiker der Gruppe Gomma, wie sich später herausstellt, null Bezug zu der Story, die er bebildert? Und warum – und das ist das, was mich am meisten ärgert, ist das Titelthema der “Wired” eine Kopie eines Artikels, den ich vor sieben Monaten im Netz gelesen habe?

Mein Misstrauen fing schon beim Thema an. “Tracking”, dachte ich mir, “das kommt dir doch irgendwie bekannt vor, hast du da nicht letztens was gelesen?” Als ich anfing zu lesen, steigerte sich dieses Misstrauen, und in Absatz vier war es dann um mich geschehen. Ich warf mein Archiv an und fand den Artikel “I’m being Followed” aus dem “Atlantic” wieder, auf den ich im März dieses Jahres – über Rivva oder einen anderen Aggregator – gestoßen war.

Ich rudere etwas zurück. Der “Wired”-Artikel “Unter Beschuss” ist keine Kopie von “I’m being followed”. Der Autor Michael Moorstedt hat sich nur in seinem ersten Drittel, in dem erklärt wird, was Tracking ist, freigiebig bei Alexis C. Madrigal bedient. Etwa, indem er einen ähnlichen Einstieg wählt (Morgens den Rechner hochfahren, und schon werde ich verfolgt), indem er das Add-on Collusion benutzt, um die Tracking Cookies sichtbar zu machen, indem er nach seiner Einleitung einen Hintergrund-Absatz einschiebt, in dem erklärt wird, wie Werbung im Internet funktioniert (das hätte wohl jeder andere Journalist auch gemacht) und indem er danach die Firma Adnetik als Beispiel hernimmt. Ach ja, und er klaut einen Witz von Madrigal. Bei dem heißt es nämlich:

Allow me to introduce the list of companies that tracked my movements on the Internet in one recent 36-hour period of standard web surfing: Acerno. Adara Media. Adblade. Adbrite. ADC Onion. Adchemy. ADiFY. AdMeld. Adtech. Aggregate Knowledge. AlmondNet. Aperture. AppNexus. Atlas. Audience Science.

And that’s just the As.

Zum Vergleich, Moorstedt:

Manche der Ziele sind bekannt, Facebook, natürlich, oder die Google-Tochter doubleclick. Zum größten Teil finden sich jedoch Namen, von denen ich noch nie gehört habe: Acerna. Adblade. AdBrite. Adchemy. AddThis. Adify. Admeld. Adnetik. Adrolays. Adsfac. AdSpirit. Adtech. Audience Science. Und das sind nur die Firmen, deren Namen mit A beginnen.

Geschenkt. Wahrscheinlich hat jeder arbeitende Journalist sich schon einmal von einem fremden Artikel für seinen eigenen inspirieren lassen. Und in der zweiten Hälfte von “Unter Beschuss” besucht Moorstedt dann auch einen deutschen Tracker, bereitet die aktuelle Rechtslage auf und unkt am Ende noch einmal über ein mögliches bevorstehendes Ende des Prozesses (im Gegensatz zu Madrigal, der eher versucht, der ethischen Unangreifbarkeit des Prozesses habhaft zu werden und unter anderm versucht zu entdecken, warum wir dieses Verfolgt-werden “creepy” finden, obwohl uns eigentlich nichts passiert).

Was ich Besorgnis erregend finde ist nicht einmal das Bedienen aus einem anderen, noch immer frei zugänglichen Artikel aus einem großen US-Magazin, und das in Zeiten, in denen jeder Plagiator im deutschsprachigen Internet sofort aufgeknüpft wird. Ich finde es sehr traurig, dass dies in der Titelstory von “Wired” geschieht. Der Zeitschrift, die es sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, das Neue ausfindig zu machen; Geschichten zu erzählen, die zuvor noch niemand erzählt hat; und die dafür anscheinend ihren Autoren auch ordentliche Arbeitsbedingungen bietet. Das stimmt mich sehr nachdenklich.

Klar, “Wired” ist, in erster Linie, eine Marke. Diese Marke kann man natürlich in verschiedenen Ländern unterschiedlich besetzen und vielleicht hat der Verlag Condé Nast für Deutschland etwas anderes geplant als das amerikanische Mutterblatt. Sollte das jedoch nicht so sein und falls die deutsche “Wired” tatsächlich irgendwann so gut sein möchte, wie ihr Vorbild, hat sie noch einen langen Weg vor sich.

Quotes of Quotes (III)

I did not have time to comment on the most recent “Sight and Sound” poll, but I loved this quote on Vertigo:

“Vertigo has always struck me as the Hitchcock film for those who don’t really like Hitchcock all that much (it’s long, hasn’t got much in the way of jokes and the plot doesn’t work, when he is known for his economy, wit and storytelling), or at the least wish very much that he had been French.”
Tom Shone (via)

My favourite Hitchcock film, by the way, is The Birds.

Essay: Die Sehnsucht des Kinos nach dem Untergang

Take Shelter – Bild: Sony Pictures Classics

(Warnung: Dies ist ein langer, mäandernder Text, der einen Batzen Gedanken enthält, die einfach mal raus mussten, ohne Garantie auf Zugewinn an Lebensqualität nach seiner Lektüre. Er enthält, je nach Blickwinkel, höchstwahrscheinlich Spoiler für The Dark Knight Rises, Take Shelter, L’Ultimo Terrestre, 4:44 – Last Day on Earth und Melancholia)

Ich konnte ihn irgendwie verstehen, Bane. Viel besser als den Joker. Denn der Joker wollte nur Chaos stiften, Menschen gegeneinander ausspielen, Grenzen austesten. Bane wollte mehr, er wollte die endgültige Zerstörung von Gotham City.

“Gothams Abrechnung” nennt er sich selbst. Denn obwohl Frieden eingekehrt ist in Gotham, glaubt bane noch immer an die Überzeugung seines Mentors Ra’as al Ghul, dass Gotham so weit in seinem eigenen moralischen Sumpf versunken ist, dass es jenseits jeder Erlösung steht. Da gibt’s nur eins: Komplette Zerstörung, Tabula Rasa, im Grunde: das Ende der Welt.

Wer hat nicht schon einmal auf die Welt geschaut, die uns dieser Tage umgibt, mit all ihren unlösbar scheinenden Problemen, und sich danach gesehnt, auch hier einfach mal Tabula Rasa machen zu können. Vielleicht nicht unbedingt, indem man eine Atombombe zündet wie Bane. Aber irgendwie die Chance bekommen, neu anzufangen – mit allem bisher Erreichten, aber ohne alles dadurch Verursachte. Und wenn nicht für die ganze Welt, dann vielleicht wenigstens für das eigene Leben? Auch diese Art von Neuanfangs-Sehnsucht findet sich in The Dark Knight Rises, in Gestalt von Selina Kyle.

Jeder, der in diesem und dem letzten Jahr öfter im Kino war, dürfte die Menge an Filmen aufgefallen sein, die sich genau mit diesem Thema auseinandersetzen: der Anfang einer neuen Zeit und – häufig dem vorausgehend – ein Untergang der alten. Die einfache Erklärung für diese thematische Häufung ist das bevorstehende Ende des Maya-Kalenders und die Weltungergangsspekulationen, die deswegen seit einiger Zeit in den Medien breitgetreten werden. Ich glaube aber, dass die eigentlichen Gründe tiefer liegen, dass die Sehnsucht nach einem Untergang und dem damit verbundenen Reboot, die sich derzeit im Kino zeigt, uns im Jahre 2012 zeitgeistlich umgibt.

Vor fast einem Jahr habe ich schon einmal über dieses Thema geschrieben und an meiner These hat sich wenig geändert. Es sind nur seit Oktober 2011 so viele neue Filme erschienen, die den Topos umkreisen – Blockbuster wie The Dark Knight Rises eingeschlossen – dass es sich meiner Ansicht nach lohnt, noch einmal genauer hinzuschauen.

In der Hyper-Stasis

The Dark Knight Rises – Bild: Warner Bros.

Ich möchte betonen, dass ich nicht tatsächlich der Meinung bin, dass wir in einer Endzeit leben. Das Gefühl einer Endzeit liegt aber, zumindest kulturell, in der Luft. Ich bin sicher, dass kundigere Menschen dies auch im politischen Klima festmachen könnten – etwa dadurch, dass sich der Kampf gegen die Wirtschaftskrise mehr und mehr anfühlt, als würde man – in einem Boot sitzend – verzweifelt versuchen, ein Leck zu stopfen, das immer größer wird; oder auf einem Laufband laufen, dessen Geschwindigkeit sich ständig erhöht. Nicht umsonst ist auch schon vorgeschlagen worden, den Euro einfach wieder abzuschaffen, die EU abzuschaffen, auch in der europäischen Einigung wieder Tabula Rasa zu machen.

Im kulturellen Bereich fällt mir die Diagnose wesentlich leichter, nicht zuletzt weil ich Simon Reynolds’ kongeniales Buch Retromania gelesen habe. Retromania wurde bei Erscheinen des Buchs vor allem in Musikjournalismus-Kreisen diskutiert, da es darin hauptsächlich um Musik geht. Doch Reynolds’ Argumentation lässt sich problemlos auf andere kulturelle Bereiche, etwa das Kino, übertragen und tatsächlich spannt Reynolds in seinem letzten Kapitel “The Future” den Bogen auch eigentlich über die gesamte westliche Kulturlandschaft.

Diese Argumentation lautet, in einer Nussschale, dass die Kultur langsam aber sicher aufgehört hat, Neues zu erfinden und sich nur noch auf Altes beruft, das sie immer wieder neu durch den Entsafter presst. Damit eng verbunden ist das Gefühl, dass uns die Zukunft eingeholt hat; dass wir nun, im Jahr 2000+ eigentlich in jener Zukunft leben, die uns vor etwa 50 Jahren versprochen wurde und die damals ziemlich spektakulär aussah. Nur leider hat sich das Spektakel anders entwickelt als gedacht – statt Raumschiffen und Jetpacks haben wir das Internet. Eine unsichtbare Technologie, die zwar erstaunliches leistet, aber nicht besonders futuristisch wirkt.

Das kulturelle Ergebnis dieser Entwicklung, ganz grob gefasst, ist, dass wir zwar das Gefühl haben, dass sich das Leben ständig beschleunigt, dass sich dies aber nicht in einem Gefühl des Vorankommens widerspiegelt. Reynolds nennt diesen Zustand “Hyper-Stasis”.

In the analogue era, everyday life moved slowly (you had to wait for the news, and for new releases) but the culture as a whole felt like it was surging forwad. In the digital present, everyday life consists of hyper-acceleration and near-instantaneity (downloading, webb pages constantly being refreshed, the impatient skimming of text on screens), but on the macro-cultural level things feel static and stalled. We have this paradoxical combination of speed and standstill.
(Simon Reynolds, Retromania, Kindle-Edition, S. 427)

Reynolds verbringt große Teile seines Buches damit, dieses Phänomen durch die Musikgeschichte zurückzuverfolgen und die Zeiten auszumachen, in denen die Popkultur nach vorne ritt (die 60er, die 90er), um sich anschließend eine Weile im Kreis zu drehen. Meiner Ansicht nach sind diese Vorwärts-Schübe eng gekoppelt an das Gefühl einer neuen Freiheit, sei es nach dem Ende der Kriegs-Nachwehen Ende der 50er oder nach dem Ende des kalten Krieges Anfang der 90er.

There is a Storm Coming

4:44 – Last Day on Earth – Bild: IFC Films

Nun aber, im Jahr 2012, befinden wir uns tatsächlich wieder in einer Zeit, in der zwar viel Freiheit vorhanden ist, das Gefühl aber nicht ausbleibt, dass wir auf einem Vulkan tanzen, uns unserer eigenen, globalen Dekadenz nicht oder unzureichend bewusst. Es wird etwas Großes benötigt, um all dem ein Ende zu setzen und neu anfangen zu können, so sehr, dass man es sich fast herbeiwünscht: ein Krieg, eine Apokalypse, einen Paradigmenwechsel, einen Untergang.

In unseren popkulturellen Produkten können wir diesen Untergang selbst herbeiführen. Tatsächlich machen etwa die Hollywood-Studios ja seit zehn Jahren kaum etwas anderes. Wie bei der digitalen Technik, mit der sie mittlerweile geschöpft wird, hat sich in Hollywood inzwischen der Modus durchgesetzt, ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus einfach in einer neuen Version auf den Markt zu bringen. Meistens nennt sich das Reboot und es hat seine eigene Faszination, aber es ist nichts anderes als das Herbeiführen eines Untergangs, um dann mit den gewonnenen Erfahrungen neu beginnen zu können. Die “Trauerperioden” für dieses Vorgehen werden immer kürzer, wie sich dieses Jahr mit The Amazing Spiderman gezeigt hat.

Für unsere nicht selbst geschaffene Welt funktioniert dieser Prozess nicht, daher muss man ihn sich in seinen Filmen herbeiwünschen. Abel Ferrara ist in seinem Film 4:44 – Last Day on Earth am direktesten – er gibt Umweltsündern die Schuld am Weltuntergang. Anders als etwa in Melancholia, mit dem 4:44 das Ende gemeinsam hat, ist der Untergang also nichts, was unverschuldet von außen kommt, sondern etwas selbst Herbeigeführtes. Zentrale Frage des Films ist: Wenn die Welt morgen untergeht, was machen wir mit der verbleibenden Zeit? Der von Willem Dafoe gespielte Hauptcharakter oszilliert zwischen Rage und Gelassenheit. Wütend brüllt seinen aufgestauten Frust auf dem Dach seines Appartments in die Nacht hinaus, doch nachdem er die Gelegenheit hatte, sich von seiner Tochter zu verabschieden, kann er sogar der Versuchung wiederstehen, sich nach 20 cleanen Jahren wieder einen Schuss Heroin zu setzen. Am Ende geht die Welt unter, während er und seine Geliebte aneinandergekuschelt auf dem Boden liegen. Ferraras Botschaft scheint zu sein: Auch wenn keine Umkehr der Geschehnisse mehr möglich ist, sollte man dennoch drauf achten, dass man mit sich im Reinen ist, wenn die Welt untergeht. Denn man weiß ja nie, ob das Ende nicht doch ein neuer Anfang ist.

Take Shelter – Bild: Sony Pictures Classics

Das wahrscheinlich beste Bild für einen bevorstehenden Untergang ist das heraufziehende Gewitter. Nicht nur, weil ein Gewitter in unserem anthropomorphisierten Weltbild wie die manifeste Entladung von aufgestauten Bedürfnissen erscheint, sondern auch weil es nach all seiner Zerstörung häufig etwas zurücklässt, dass unschuldig und schön wirkt (siehe auch: “reinigendes Gewitter”). In Take Shelter verbringt Curtis des Films etwa anderthalb Stunden damit, seine Liebsten vor der heraufziehenden Katastrophe zu schützen, die ihn in Träumen und Halluzinationen verfolgt, während er den Rest der Welt, der ihn auslacht, am Liebsten zur Hölle schicken würde. Dann muss er frustriert und erniedrigt feststellen, dass der vermeintliche Sturm nur ein Produkt der Schizophrenie ist, die er von seiner Mutter geerbt hat. In den letzten Minuten dreht der Film seine fast enttäuschende “Auflösung” noch einmal, als plötzlich tatsächlich ein Sturm aufzuziehen scheint, der die Symptome aus Curtis’ Traum aufweist. Regisseur Jeff Nichols lässt unklar, ob dieser Sturm echt ist. Wichtig ist, dass sich Curtis und seine Frau in den letzten Momenten des Films – anders als zuvor – verstehen und an einem Strang ziehen. Auch sie sind pünktlich zum bevorstehenden Untergang miteinander im Reinen.

(Das gleiche Prinzip durchzieht natürlich auch Seeking a Friend for the End of te World, den ich leider noch nicht gesehen habe. Nur dass dort ein Hund mitspielt.)

Untergang ohne Untergang

Filme wie die bis jetzt beschriebenen, in denen die Welt tatsächlich untergeht oder untergehen könnte, fokussieren sich auf die (sinnlosen oder sinnvollen, je nach Haltung der Macher) Versuche ihrer Protagonisten, sich für das Ende – eigentlich aber für den neuen Anfang – zu wappnen. Genau so anschaulich kann es natürlich sein, wenn die Hoffnung auf einen Neuanfang plötzlich auftaucht ohne dass zuvor die Welt untergeht und alle Menschen sterben. Dafür ist nur ein ähnlich einschneidendes Ereignis vonnöten, dass alles auf den Kopf stellt, was wir zu wissen glauben.

L’Ultimo Terrestre – Bild: Fandango

Ein solches Szenario bietet sich in Another Earth und auch in L’Ultimo Terrestre. In Gianni Pacinottis absurdem Untergangsgemälde steht eine Alien-Invasion mit unklarer Absicht unmittelbar bevor und die meisten Erdlinge sind damit beschäftigt, vor lauter Unsicherheit in Panik auszubrechen. Für den stoisch-linkischen Luca jedoch scheint – ähnlich wie für Kirsten Dunsts Figur in Melancholia – eher die Hoffnung auf das Unausweichliche zu winken. Bis er feststellt, dass die Invasion längst begonnen hat und eine Alien-Frau schon bei seinem Vater eingezogen ist. Und während der Rest der Welt mit seiner Angst ringt, können Vater und Sohn mit diesem fast im wahrsten Wortsinne aus dem Nichts aufgetauchten Hilfsmittel ihre gemeinsamen Neurose verarbeiten. Als die richtige Invasion losbricht ist Luca entspannt. Die Zukunft kann ihm jetzt nichts mehr anhaben.

Expansion/Contraction

Es ist davon auszugehen, dass am 22. Dezember 2012 nicht die Welt untergeht (auch wenn ich schon für die Afterparty zugesagt habe). Und eigentlich bleibt auch zu hoffen, dass die Welt auch keinen anderweitigen Reboot erfahren muss. Wie immer ist es stattdessen viel sinnvoller und fruchtbarer, wenn wir unsere Ängste und Sehnsüchte in der populären Kunst ausleben – das ist anregender und weniger gefährlich.

Another Earth – Bild: Fox Searchlight

Ein letzter Exkurs sei erlaubt: In seinem Buch The Windup Girl, das 2011 mit den wichtigsten Science-Fiction-Preisen ausgezeichnet wurde, benutzt Paolo Bacigalupi fast schon nebenbei die Terminologie “Expansion” und “Contraction” um die Zeitalter der Menschen zu benennen, in denen die Welt (gefühlt) größer und kleiner wird. Nach der Windup-Girl-Rechnung befinden wir uns derzeit am Endpunkt einer Expansion – die ganze große Welt scheint uns zu Füßen zu legen. Dass irgendwie eine Form von Contraction folgen muss, in der man sich wieder auf Näher liegendes besinnt, scheint unausweichlich. Die Frage ist nur, ob dies gemächlich geschieht, wie eine sich hinabschwingende Sinuskurve, oder radikal.

The Dark Knight Rises endet auf gewisse Weise auch mit einem Untergang, auch wenn Banes Plan misslingt. Denn Batman stirbt und beendet vorerst seine Geschichte. Bruce Wayne hingegen lebt weiter und kann gemeinsam mit Selina Kyle ein rebootetes Leben genießen. Dann jedoch scheint sich auch für Batman am Ende ein Neuanfang abzuzeichnen, als Blake die Batcave entdeckt. So kann es also auch gehen: Untergang und Neustart, ganz ohne Weltzerstörung und Tod. Werden wir auch hinkriegen, was Batman gelungen ist?

Ergänzung: Ich bin nach wie vor dabei, mir dieses Thema, über das natürlich schon viele andere Leute nachgedacht haben, zu erschließen. Ich mag Bruce Sterlings Beschreibung des 2010er-Lebensgefühl als “Dark Euphoria”. Passt gut.

Es ist Kunst! – Die Pixar-Schau in Bonn

Nachdem sie mit Toy Story 1995 ihr Langfilmdebüt gaben, galten die Burbanker Pixar-Studios als ein merkwüdiger Sonderfall in Hollywood. Sie produzierten Filme, die, unter dem Deckmäntelchen der Animation, nicht nur für klingelnde Kassen sorgten, sondern auch noch bei Kritikern regelmäßig Bestnoten absahnten. Die letzten beiden Outputs des mittlerweile gänzlich zum Disney-Konzern gehörenden Studios, Cars 2 und Merida, konnten die Kritiker zwar nicht mehr ganz so hinreißen wie etwa Oben, der 2009 die Filmfestspiele von Cannes eröffnete. Die ausgefeilten Welten, die Pixar immer noch regelmäßig erschafft, begeistern aber nach wie vor.

Um diese Welten, und vor allem: um ihre analoge Ursprünge, dreht sich alles in der seit Juli in der Bonner Bundeskunsthalle gastierenden Ausstellung “Pixar: 25 Years of Animation”. Das Grußwort von Pixar-Boss John Lasseter erklärt gleich zu Anfang: Hier sollen die handgemachten künstlerischen Arbeiten und Prozesse sichtbar gemacht werden, die den vom Computer gerenderten Schauspielen vorausgehen, für die Pixar so berühmt ist.

Weiterlesn in epd Film 9/2012

In semi-eigener Sache: “Close up”

Screenshot: ZDF

Seit nun ziemlich genau einem Jahr bin ich, neben meiner Superhelden-Identität als Blogger, im bürgerlichen Leben Mitglied der Filmredaktion ZDFkultur/3sat. Dort gehöre ich unter anderem auch zu dem Team, dass das monatliche Kinomagazin “Close up” produziert – für das ich nun, da die Sendung ein gutes halbes Jahr existiert, an dieser Stelle einmal Werbung machen möchte.

“Close up” läuft einmal monatlich auf ZDFkultur, samstags (zum Beispiel morgen) um 22:15 Uhr, und mit gleichem Inhalt aber anderem Layout danach dienstags auf 3sat – und steht anschließend zum Abruf in der Mediathek. Die Sendung hat drei Teile – zwei aktuelle Filmkritiken und eine “Gastkritik”, in der deutsche Filmemacher von ihren Lieblingsfilmen erzählen dürfen.

Dass vielleicht der ein oder andere meinen könnte, die Filmkritiken seien eben der Standard, den man aus EPK-Schnipseln und Interviews im Fernsehen ständig zu sehen bekommt; dass vielleicht manche meinen möchten, andere hätten das sogar schon besser/zeitgemäßer gemacht – geschenkt. Wir geben unser Bestes und versuchen uns stetig weiterzuentwickeln!

Das allerbeste an “Close up” aber, sind wahrscheinlich die Gastkritiken. Hier lassen wir Regisseure, Schauspieler und andere Filmschaffende Filme vorstellen, die ihnen persönlich am Herzen liegen. Und das geht, so finde ich zumindest, oft genug ziemlich unter die Haut und ich kann jedem nur empfehlen, sich diese Fünf-Minuten-Segmente einmal genauer anzugucken, denn so viel Raum wird “alten” Filmen im Fernsehen heute nur noch sehr selten gegeben.

Da erzählt zum Beispiel der Schauspieler Lars Eidiniger, wie für ihn Lars von Triers Antichrist mit der Geburt seines Sohnes zusammenhängt. Christian Petzold referiert beeindruckend über die Verfolgungsjagd in French Connection. Der Doku-Kameramann Thomas Plenert schwärmt über die Plansequenzen in den Filmen von Sergej Urussewski. Und Anna Brüggemann gibt zu, wie neidisch sie ist, wenn sie Sandra Hüller in Über uns das All spielen sieht.

Zusätzlich zu den Segmenten in der Sendung gibt es als Bonus online immer noch ein “7 Fragen an …” Video-Interview mit den Filmemachern, das sich immer ebenfalls lohnt. Und wann immer wir können: zusätzlichen Content, wie Interviews, die wir nicht in der Sendung unterbringen konnten oder sogar eine zusätzliche Gastkritik. Ich hoffe, wir werden noch lange die Gelegenheit dazu bekommen, dieses Prinzip immer weiter zu verbessern.

In der August-Sendung sagen wir unsere Meinung zu Magic Mike (mein erster eigener Beitrag, ich hatte mich bisher auf die Online-Aufbereitung konzentriert) und This Ain’t California. Und der Regisseur Matthias Luthardt spricht über Sidney Lumets Dog Day Afternoon. Schaut doch mal rein – und gebt mir ruhig auch Feedback hier im Blog.