Ann Powers: Werden Alben wie Filme?

Im Podcast von NPRs Musiksendung All Songs Considered entspann sich heute eine interessante Diskussion:

Robin Hilton: If you asked me, what was my favorite record this year, I’d say the Sufjan Stevens record by far and I feel like I listened to that record a million times. And I went to my iTunes and looked at the play count. 18 Times.

Ann Powers: Wow.

Robin: 18 Times I listened to that record.

Bob Boilen: I threw out a poll yesterday that asked people: favorite album, how many times did you listen to it? And 50 percent of the people listened to their very favorite album of the year less than 20 times. So that means they can go two weeks without hearing the record. That surprised me.

Robin: There’s no time for … I felt like, to dig deep into the record.

Bob: I wonder what that means to an artist as deep a Björk.

Ann: Well, I have an opinion about that. Maybe certain albums are becoming more like films. You don’t … I mean, people who love films are seeing them over and over again, but others see a film once or possibly twice. Maybe this is a good listening practice to consider: take a record like [Björk’s “Vulnicura”], when you’re listening to it, treat it like a film. Truly immerse. Don’t do the dishes. Don’t be on your phone, playing minecraft or whatever the kids play these days …

Robin: Mind Candy Crush Craft?

Stephen Thompson: Stop it with your Pacman and your Donkey Kong.

Ann: Just listen to the music, people.

Stephen: It think that is a really good point. Think about your favourite movie of all time. How many times have you seen it? I’m not even sure my favorite movie is the one I’ve seen the most. A movie like Eternal Sunshine of the Spotless Mind, I’ve only seen a few times, but it’s constantly spinning in my memory.

Ann: So true. Unlike Mean Girls, which I have seen 3.000 million times, because my 12-year-old is obsessed with it.

Seit es Playlists und mp3-Player gibt, höre ich meine Lieblingsalben definitiv nicht mehr so oft. Everything Everythings Album Get to Heaven, wahrscheinlich mein Lieblingsalbum des Jahres, hat auf meiner Last.fm-Seite gerade mal 97 Plays insgesamt, einzelne Songs habe ich nur vier mal gehört, “No Reptiles”, meinen Lieblingssong vom Album, 14 mal. Bewusst ganz gehört habe ich es wahrscheinlich dreimal. Meinen Lieblingsfilm aller Zeiten, 2001: A Space Odyssey, habe ich fünf Mal gesehen, ebenfalls so bewusst, dass ich mich an jedes einzelne Mal erinnern kann (auf VHS, im Kino, im Kino, auf DVD, auf BluRay).

Der Hauptgrund dafür ist sicher, dass einem so viel mehr Inhalte jederzeit zur Verfügung stehen. Aber ich glaube ja, dass man deswegen nicht trotzdem entspannt sein kann.

Blick in die Blogosphäre: Andrea David schreibt über Filmreisen

Bitte mal Handzeichen, wer im Urlaub schon einmal einen Umweg gemacht hat, um bei einem Filmdrehort vorbeizufahren? Oder sogar einen Urlaub nur gebucht hat, weil er den Ort im Film gesehen hat. Andrea David hat daraus ihren Beruf gemacht, sie nennt es “Setjetting”. Mit ihrem Blog Filmtourismus.de, in dem sie Drehorte und deren touristische Erschließung sammelt, hat sie eine echte Nische entdeckt und ist damit – irgendwo zwischen Geek-Journalismus und Reise-PR – recht erfolgreich. Diese völlig andere Herangehensweise ans “Filmbloggen” fand ich von Anfang an so faszinierend, dass ich Andrea unbedingt ein paar Fragen stellen wollte. Per E-Mail hat sie mir erzählt, wie sie zu dem Projekt kam, wie sie sich vorbereitet und wo sie noch hinmöchte.

Kannst du erzählen, wie du zum Bloggen gekommen bist und dann dazu, dich genau so zu spezialisieren, wie du es getan hast?

Als ich auf das Thema Filmtourismus kam, hatte ich mit Bloggen noch überhaupt nichts am Hut. Ich habe Tourismusmanagement studiert und war auf der Suche nach einem spannenden Thema für meine Diplomarbeit. Inspiriert wurde ich durch eine Reise nach Schottland, bei der ich eher zufällig auf bekannte Filmdrehorte aus Highlander, Braveheart und Ritter der Kokosnuss stieß. Zur gleichen Zeit warb auch Neuseeland für sich als “Mittelerde”. Mich faszinierte vor allem, wie die Filmbilder den Orten eine neue Story und damit auch Bedeutung gaben. In Deutschland gab es dazu fast keinen wissenschaftlichen Stoff und so entschied ich mich, in meiner Arbeit den Einfluss von Filmen und Serien auf unsere Reiseentscheidungen untersuchen, machte Umfragen im Kino usw.

Während ich meine Diplomarbeit schrieb und Beispiele dazu sammelte, kam ich schließlich selbst auf den Geschmack, hin und wieder gezielt Filmdrehorte zu besuchen. Im Laufe der Zeit haben sich durch mein neues Hobby sehr viele Infos angehäuft, die ich irgendwann online mit anderen Filmfans teilen wollte. So entstand bereits vor einigen Jahren unter filmtourismus.de eine kleine Datenbank mit Drehortinfos. Erst seit anderthalb Jahren berichte ich auf der Seite auch über meine Reisen.

Du bist ja eher Reisebloggerin mit Filmschwerpunkt als umgekehrt. Bedeutet das was? Wie sehr siehst du dich überhaupt als Filmgeek?

So hundertprozentig passt mein Blog wohl in keine Schublade. Aber das ist auch nicht so wichtig. Ich mache keine klassischen Filmbesprechungen, da die Leute sich auf der Seite vordergründig für die Drehorte interessieren. Auch unter den Reisebloggern habe ich meine eigene Nische, da ich einen Ort auf eine ganz andere Art und Weise erkunde und beschreibe. Da ich lange in der Tourismusbranche gearbeitet habe, setze ich diese Brille vermutlich einfach etwas öfter auf. Ich bin jedoch auch absoluter Filmgeek!

Wie läuft deine Arbeit typischerweise ab. Wirst du meistens eingeladen? Unternimmst du Reisen selbstständig? Machst du das nur in deiner Freizeit oder kannst du das auch manchmal refinanzieren?

Früher waren das alles private Reisen in meiner Freizeit. Seit ich selbständig arbeite, bin ich auch öfter mal auf Pressereisen oder gebe Workshops zum Thema Filmtourismus. Wo immer ich gerade unterwegs bin, strecke ich meine Fühler auch nach Filmschauplätzen aus.

Wie bereitest du dich auf deine Filmreisen vor? Ich sehe später immer die Fotos, wo du die Filmbilder in die Szenerie hältst. Ist das immer so einfach?

Im Idealfall sehe ich mir alle Filme, die am Reiseziel gedreht wurden, noch kurz vorher an, um die einzelnen Szenen leichter zuordnen zu können. Zur besseren Wiedererkennung mache ich mir dann ein paar Screenshots, die ich ausgedruckt mit auf Reisen nehme. Sie helfen auch dabei, vor Ort konkret danach fragen zu können. Gerade wenn es sonst keinerlei Hinweise auf den Drehort von Seiten des Filmverleihs und des Tourismusamtes gibt. Irgendwann kam ich auf die Idee die Fotos entsprechend in die Szenerie zu halten und davon wiederum Bilder zu machen. Es klappt aber nicht immer, da man manchmal den ursprünglichen Kamerawinkel nicht einnehmen kann. Aber es macht Spaß und man sorgt damit vor Ort öfter mal für Aufsehen. In Kambodscha hatte ich zum Beispiel plötzlich ein paar Touristen aus Korea um mich herum versammelt, die sich plötzlich alle für den “Tomb-Raider-Baum” in Angkor interessierten.

Interessieren dich Filme mit interessanten Drehorten mehr bzw. ist das die Hauptbrille geworden, durch die du Filme betrachtest?

Nein, das kann man so nicht sagen. Ich mag auch viele Filme, die bezüglich ihrer Drehorte weniger interessant sind. Und es gibt natürlich Filme mit großartigen Drehorten, die leider ziemlich schlecht sind, wie bspw. The Tourist … Allerdings ertappe ich mich vor Bildschirm und Leinwand hin und wieder dabei, wie ich mich frage, wo eine bestimmte Szene aufgenommen wurde. Vor allem, wenn sehr viel von der Landschaft zu sehen ist oder die Skyline einer Großstadt eingeblendet wird. Filme, deren Drehorte ich schon besucht habe, wirken später wie eine Art Reiseerinnerung auf mich.

Was geht in dir vor, wenn die Reiselocation vielleicht mal interessanter ist als der Film (oder warst du großer Fan von Hangover 2)?

Bei den Hangover-Locations hat mich insbesondere interessiert, wie die Filme, die ja super erfolgreich waren, wiederum die Schauplätze beeinflusst haben. Also insbesondere die Hotels und ob diese sich trauen, es für ihr Marketing zu nutzen oder eben nicht. Fast unabhängig vom Film, macht es jedoch immer wieder Spaß, die Drehorte aufzuspüren. Es hat so ein bisschen was von Geocaching.

Sammelst und liest du auch andere Beiträge zu Drehorten und Dreharbeiten, um informiert zu sein?

Ja, eigentlich laufend. Ich kann nicht immer und überall vor Ort recherchieren und von Jahr zu Jahr ändert sich auch recht viel. Mittlerweile helfen auch die Nutzer selbst mit, die Inhalte up to date zu halten und schicken mir hin und wieder sogar aktuelle Fotos zur Verwendung. Das hilft mir sehr, die Seite aktuell zu halten.

Wie sind die Reiseblogger so drauf, wie funktioniert deren Vernetzung untereinander? Trifft man sich dann ständig am anderen Ende der Welt?

Es gibt in der Reiseblogger-Szene eine sehr gute Vernetzung und ein reger Austausch an Gastbeiträgen, Round-Up-Posts, etc. Auf Reisen trifft man sich leider eher selten, dafür auf Netzwerk-Veranstaltungen, Seminaren und Messen.

Hast du auch das Gefühl, dass Filmtourismus so eine Sparte ist, die erst vor kurzem so richtig als Tourismusinstrument entdeckt wurde? Verstärken die entsprechenden Firmen da jetzt ihre Bemühungen?

Für den deutschen Markt trifft das auf jeden Fall zu. Da ich selbst mit Fachvorträgen und Workshops viel Lobbyarbeit für das Thema mache, freue ich mich natürlich über diese Entwicklung.

Was sind deine nächsten Ziele? Wo willst du unbedingt noch hin, wo du noch nicht warst?

Ich komme gerade aus Sölden zurück, wo der neue James-Bond-Film Spectre gedreht wurde. Meine nächsten Ziele in diesem Jahr sind die Warner Bros. Studio Tour in London (Harry Potter) sowie Malta (Game of Thrones, By the Sea und viele andere). Meine Sehnsuchtsziele in Sachen Filmschauplätze sind Island und Hawaii. Zumindest an eines der beiden werde ich es nächstes Jahr hoffentlich schaffen.

Bonusfrage: Mir ist aufgefallen, dass in deiner „Andere Blogger erzählen ihre Lieblingsdrehorte“-Liste mehrfach The Beach auftauchte. Das hat mich doch etwas gewundert, denn The Beach handelt ja gerade davon, wie genau die ultimative Utopie vom Reisen sich in einen Alptraum verwandelt. Schräg, dass so viele „Traveler“ den Film so mögen, oder?

Ich denke, dass liegt einfach daran, dass der Strand durch The Beach, einer der wohl bekanntesten Backpacker-Filme, sehr berühmt wurde. Ob die Story negativ oder positiv ist, spielt dabei meist keine Rolle für den Filmtourismus. Ein Beispiel: Auch das Hotel aus The Shining ist immer noch Ziel vieler Filmtouristen, obwohl es im Film ein Ort des Alptraums wird. Der Strand ist übrigens, abgesehen von den Menschenmassen, wirklich paradiesisch.

Alle Bilder: © Andrea David. Der einfachste Weg, Andreas Projekte zu verfolgen ist über ihre Facebookseite oder ihren Instagram-Account. Dort gibt es auch noch mehr Screenshot-Fotos. Aber man wird auch sehr schnell neidisch.

Podgast (X) – Zu SPECTRE auf der “CineCouch”

Ich habe mich sehr gefreut, als mich Jan vom Podcast “CineCouch” gefragt hat, ob ich bei ihnen in einer Folge zu Gast sein möchte – denn immerhin speist sich das Team von “CineCouch” aus meiner Alma Mater, dem filmwissenschaftlichen Institut der Uni Mainz und ich wollte schon immer mal mit ihnen was machen. Gemeinsam reden Jan, Michi und ich eine gute Stunde über den neuen Bond-Film SPECTRE, von dem wir (Spoiler!) alle nicht besonders begeistert waren.

Zum “CineCouch”-Podcast

Wie SPECTRE die Totalüberwachung verharmlost

© MGM

Spoiler für SPECTRE und M:I – Rogue Nation.

Ich war nicht sonderlich begeistert von Sam Mendes’ SPECTRE. Über die Eröffnungssequenz hinaus fand ich ihn irgendwie langweilig, uninspiriert und fast schon reaktionär. Wie häufig wurde ich in den Worten von Matt Singer fündig, um zu beschreiben, was ich meinte. Singer nennt den Plot rund um Christoph Waltz – den zweifachen Oscar-Preisträger, der aber doch irgendwie immer die gleiche Figur spielt – einen “retcon of the highest, dopiest order”. Waltz’ Figur sei “precisely the sort of cliché that had gotten so tired by the early 2000s that it necessitated an entire franchise reboot”.

Ich finde aber, dass der Film noch eine viel größere Sünde begeht. Es ist verzeihbar, dass er, wie viele Blockbuster momentan, etwa Captain America: The Winter Soldier, das brennende Thema rund um Überwachung und staatliche Kontrolle als plot device nutzt, das den Film in Gang hält. Andrew Scott als C, ein Geheimdienst-Funktionär der neuen Generation, der sich deutlich an Scotts bisher bekannteste Rolle als Moriarty in Sherlock anlehnt, ist im Verlauf von Spectre dabei, ein Geheimdienst-Abkommen namens “Nine Eyes” abzuschließen. Ähnlich wie das reale “Five Eyes“-Abkommen soll es den Geheimdiensten von neuen Ländern erlauben, ihre Überwachungsdaten zu teilen.

Bond findet im Laufe des Films allerdings heraus, dass in Wahrheit Christoph Waltz’ Oberhauser hinter der Überwachungsmaschinerie steckt. C ist nur ein Strohmann, der in seinem Namen handelt. Oberhauser ist, wie oben erwähnt, ein Bond-Bösewicht der alten Schule. Er ist exzentrisch und psychisch gestört, lebt in einer versteckten Basis in einem Vulkankrater Meteoritenkrater und steht einer geheimen Organisation namens SPECTRE vor, die auf der Welt Kriege anzettelt und Märkte manipuliert. Ihm fehlt wirklich nur noch ein Mini-Me um ihn zu einer Parodie von Dr. Evil zu machen, der ja seinerseits eine Parodie der Blofelds aus den Siebzigern war. Was genau Oberhauser mit den Daten willl – außer private Rachefeldzüge gegen James Bond zu führen – wird nicht näher erklärt, aber das letzte Setpiece des Films dreht sich um eine lächerliche ticking clock – die den Start des “Nine Eyes”-Programms repräsentiert.

No Reptiles

Was will uns SPECTRE sagen? Hinter den ungeheuren Überwachungsapparaten, die Edward Snowden enthüllt hat, stehen nicht etwa Staaten, die jedes Maß für die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit verloren haben? Die in einem von Sicherheitsesoterik getriebenen Denken vorsichtshalber Jede und Jeden verdächtigen und alle Menschen ihrer Grundrechte berauben, in dem abwägigen Glauben, damit abstrakten Phänomenen wie Terror und Kriminalität Herr werden zu können? Sondern es sind nur einzelne verrückte böse Genies, die in Marokko in Vulkankratern Meteroritenkratern sitzen und in geheimen Konferenzen die Welt steuern. Und deswegen brauchen wir Männer wie James Bond, die gegen alle Regeln spielen und diese bösen Genies zu Fall bringen.

Das ist leider eine traurige Verharmlosung der aktuellen Situation. Einzelpersonen und Weltverschwörungen sind nicht das Problem. Das Problem ist, dass gerade erst wieder das deutsche Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, das dafür sorgt, dass unser Telefon- und Internetverhalten systematisch gespeichert wird. Demokratische Grundrechte und informationelle Selbstbestimmung werden mit Füßen getreten, um eine Überwachungsmaschine in Gang zu halten, die bis heute noch nie funktioniert hat, aber uns alle zu potenziellen Kriminellen deklariert. Dahinter steckt kein gut gekleideter Österreicher mit einer persönlichen Rachephantasie, sondern ein System, das im Zweifelsfall Kontrolle höher bewertet als Freiheit. No Reptiles. Just soft-boiled eggs in shirts and ties.

Mir ist klar, dass “das Sytem” oder “die Politik” keine besonders guten Gegner für James Bond darstellen. Aber der letzte Mission: Impossible hat es auch besser gemacht. Dort stellt sich am Ende raus, dass die Schattenorganisation, gegen die Tom Cruise als Ethan Hunt kämpft, eine aus dem Ruder gelaufene Unternehmung ist, die der britische Geheimdienst selbst gestartet hatte – eine Art V-Mann-Skandal mit mehr Explosionen. Man kann solche abstrakten Idee also drehbuchtauglich machen. Man muss es aber auch wollen.

Die neue Optimismuslobby und ihre Probleme

© 20th Century Fox

(Kann grobe, unspezifische Spoiler für The Martian und Tomorrowland enthalten)

Mark Watney hat es geschafft. Er hat sich (und Kartoffeln) mit seinen Botanik-Skills aus dem Dreck gezogen und so lange alleine auf dem Mars überlebt, dass er gerettet werden konnte. Heute ist er Ausbilder und er erklärt seinen jungen Zöglingen seine Philosophie:

At some point, everything’s gonna go south on you and you’re going to say, this is it. This is how I end. Now you can either accept that, or you can get to work. That’s all it is. You just begin. You do the math. You solve one problem and you solve the next one, and then the next. And If you solve enough problems, you get to come home.

Die Schlussworte aus Ridley Scotts Film The Martian stehen stellvertretend für einen amerikanischen Traum, der auch im Weltraum zu gelten scheint. Wir Menschen können unser eigenes Glück schmieden, wenn wir nur hart genug daran arbeiten und unsere Probleme eines nach dem anderen lösen. Aufgeben ist keine Option, das gilt auf dem Arbeitsmarkt genau wie auf dem Mars. Die Worte sind aber auch Teil einer neuen Stoßrichtung in der Science-Fiction, zu der The Martian (der Film genau wie Andy Weirs gleichnamiger Roman) zumindest am Rande gehört. Ziel ist es, Wissenschafts- und Ideenmenschen wieder mehr in den Fokus zu rücken, und den Zukunftsgeschichten wieder einen optimistischeren Drall zu geben.

Ganz explizit, wahrscheinlich sogar zu explizit, machte das im Frühjahr Brad Birds zweiter Realfilm Tomorrowland (“deutscher” Titel: A World Beyond). Ein idealistisches junges Mädchen namens Casey, deren Vater mal Raketen gebaut hat, wird von einer jungen Androidin in die Parallelwelt Tomorrowland geführt – eine Art Paradies für Erfinder, in der alles so aussieht, wie die Zukunftsvisionen der New Yorker Weltausstellung von 1964. Doch Tomorrowland hat seinen Glanz verloren, stattdessen warten dort alle darauf, dass die Welt untergeht, wie es ihnen eine gigantische Tachyonen-Kristallkugel vorhersagt. Casey stellt fest, dass die Vorhersagen einen Self-Fulfilling-Prophecy-Effekt haben – sie sind nur deswegen so negativ, weil unsere Phantasie so negativ geworden ist. Nach viel hin und her kann sie die Maschine zerstören und der Hoffnung eine neue Chance geben. (Diese Plotzusammenfassung wird der konfusen Erzählweise und damit der riesengroßen Schwäche des Films nicht gerecht, aber darum soll es hier ja auch nicht gehen.)

Innovation Starvation

Doch Tomorrowland schlägt nur in eine Kerbe, die bereits vorher existierte. Neal Stephenson beschwerte sich in seinem Essay “Innovation Starvation” darüber, dass der technische Optimismus aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, in dem ein besseres Leben durch Erfindungen und große menschliche Leistungen möglich schien, einer Stimmung gewichen ist, in der sich niemand mehr traut, groß zu träumen.

Most people who work in corporations or academia have witnessed something like the following: A number of engineers are sitting together in a room, bouncing ideas off each other. Out of the discussion emerges a new concept that seems promising. Then some laptop-wielding person in the corner, having performed a quick Google search, announces that this “new” idea is, in fact, an old one—or at least vaguely similar—and has already been tried. Either it failed, or it succeeded. If it failed, then no manager who wants to keep his or her job will approve spending money trying to revive it. If it succeeded, then it’s patented and entry to the market is presumed to be unattainable, since the first people who thought of it will have “first-mover advantage” and will have created “barriers to entry.” The number of seemingly promising ideas that have been crushed in this way must number in the millions.

Stephensons These: Es fehlt den Erfinderinnen und Erfindern an Inspiration, weil auch die Science Fiction sich nur noch in apokalyptischen und post-apokalyptischen Szenarien suhlt. (Meine Gedanken zu diesem Zeitgeist) Gute Science Fiction böte “Hieroglyphen”, “fully thought-out picture[s] of an alternate reality in which some sort of compelling innovation has taken place”. Ein neues Tomorrowland, quasi. Den Gedanken fand die Arizona State University so gut, dass sie daraus mit Stephenson gemeinsam das Project Hieroglyph aus der Taufe hob – eine Plattform für den Austausch zwischen fiktionalen Denkerinnen und Denkern und Menschen, die Ideen in der echten Welt umsetzen. Erstes Teilprojekt: Eine Kurzgeschichtensammlung voller “Visions of a better future”.

Irgendwie bewundernswert, dieser Wille, sich mitten in einer Zeit, in der wir vielleicht mehr denn je das Gefühl haben, alles ginge den Bach runter, und in der sogar Deutschlands führender Techno-Optimist Sascha Lobo seine Zuversicht verloren hat, gegen den Trend zu stellen. Self-Fulfilling-Prophecies und Erlernte Hilflosigkeit sind natürlich sehr reale Phänomene und eine positive Grundhaltung kann manchmal schon viel bewirken.

© Disney

Hurra Zukunft!

Die Frage ist, ob sich die Advokaten dieses Science-Fiction-Optimismus für ihre gute Sache immer unbedingt die richtigen Beispiele rausgepickt haben. Tasha Robinson hat bei “The Dissolve” mit wenigen Beispielen gezeigt, dass die fünfziger und sechziger Jahre, zumal im Kino, mitnichten eine dauerhafte Hurra-Zukunft-Stimmung verbreiteten, sondern eher schon mit der Glorifizierung der Vergangenheit begannen. Rachel E. Gross weist auf “Slate” darauf hin, dass Wissenschaft in der echten Welt nicht so heurekahaft funktioniert wie in The Martian. Und Damien Walter kritisiert Project Hieroglyph (das ich, full disclosure, nicht gelesen habe) für seine Hymnen auf kapitalistische (männliche!) Unternehmer und die Unterschlagung von deren Rolle in der überhaupt nicht utopischen Ausbeutung ihrer Mitmenschen: “These optimistic futures may well be better for those occupying the top floors of our unequal society, but they offer less hope for those stuck in the lower levels.”

Brad Bird wurden bereits ähnliche Vorwürfe gemacht, nicht erst seit Tomorrowland (die ganze Debatte findet man mit einer Google-Suche). Seine Visionen seien objektivistisch und betonten die Außerordentlichkeit Einzelner, die auf irgendeine Weise “besser” sind als die Masse, aber von dieser klein gehalten werden. Tatsächlich ist das titelgebende Land, das ja außerhalb der Fiktion ein Themenbereich im kalifornischen Disneyland ist, im Film von Menschen gegründet worden, die sich selbst “Plus Ultras” nennen, was doch sehr elitär und mit dem Gedanken an Aldous Huxley auch ein bisschen eugenisch klingt. Die jüngere Wissenschaft neigt ja eher dazu, zu glauben, dass Kooperation wertvoller ist als das einsame Brüten und Entscheiden von “Great Men”.

The Cyberpunk Moment

Viel wichtiger als diese Gegenargumente finde ich aber, dass Bird, Scott, und leider auch Stephenson allesamt am Ziel vorbeischießen. Sie sind selbst zu alten weißen Männern geworden, die sich (wie viele von uns irgendwann) eine naivere Zeit zurückwünschen. Ihre Plädoyers für Optimismus und Pioniergeist sind fast schon eher rückwärts als vorwärts gewandt und gehen im Ansatz vielleicht sogar von einem falschen Begriff von Science Fiction aus. Henry Jenkins hat vor kurzem einen hervorragenden Essay über den “Cyberpunkt-Moment” in den 80ern geschrieben, in dem er aufregend darlegt, wie verkehrt es sei, von der Science Fiction immer eine Vorhersage der Zukunft zu erwarten. Science Fiction, meint Jenkins, schafft Bezugssysteme für die Gegenwart, aus denen man eine Zukunft ableiten kann. Zum Geburtsmoment des Cyberpunk in den Achtzigern schreibt er: “The technological changes which were hitting American society were so transformative that we needed our best writers and thinkers to help us make sense of what was happening right then and now.”

Was Cyberpunk “punk” gemacht hätte, meint Jenkins, war sein Wille, das Genre aufzubrechen und neu zusammenzusetzen (unbedingt den ganzen Artikel lesen, den ich hier auf zwei kleine Aspekte reduziere). Insofern scheint es nur logisch, dass die beste Science Fiction, die heute entsteht, nicht die Great-Men-Ideen der Vergangenheit neu aufwärmt, sondern sich den Veränderungen in unserer Welt auf andere Weise entgegenstellt, zum Beispiel indem sie Diversität neuen Ausdruck verleiht. Ann Leckies Roman Ancillary Justice (um nur ein Beispiel zu nennen, das ich selbst gelesen habe) spielt gekonnt mit Vorstellungen von Gender und singulärer Identität – und die neue Autorengeneration ist so international und vielfältig, wie man sich das nur wünschen kann. Die wichtigsten Impulse für die Zukunft kommen eben nicht immer aus der Richtung, aus der man sie erwartet.

Brad Birds A World Beyond ist vor einem Monat im Heimkino erschienen. The Martian läuft vielleicht noch in einem Kino in eurer Nähe.

Nachhaltigkeit (IV) – Kurzedition


(Bildquelle)

Das Internet mag ein ewiges Langzeitgedächtnis haben, doch sein Kurzzeitgedächtnis ist miserabel. In der Rubrik “Nachhaltigkeit” gehe ich zurück zu meinen Blogeinträgen der letzten Monate und verweise auf interessante Entwicklungen in den angerissenen Themen.

Es ist eine Weile her, dass ich einen Nachhaltigkeitspost hatte – ziemlich genau ein Jahr. Trotzdem habe ich kaum etwas zu berichten.

Marvel und andere Cinematic Universes

Was vor einem Jahr gerade total virulent war, hat sich inzwischen beruhigt. Noch lassen die großen Marvel-Konkurrenten auf sich warten, 2016 wird es sicher rundgehen. Der Begriff wird immer wieder von Produzenten in den Mund genommen, aber Konsumenten und Kritiker warten erstmal ab – schließlich besteht immer die Gefahr, dass jemand ähnlich hart daneben haut wie Fox mit Fantastic Four.

Cinematic Universes interessieren mich ja vor allem wegen der Verquickung des filmemacherischen Geschäfts mit dem Aufbau eines komplexen narrativen Gebildes. Insofern hat das vergangene Jahr durchaus ein paar interessante Schlaglichter auf diese Verbindung geworfen.

  • Charaktere können die Universen wechseln, ähnlich wie Fußballspieler die Clubs. Sony hat die Rechte an Spider-Man an Marvel Studios vermietet, damit die Figur Spider-Man in den künftigen MCU-Filmen auftauchen bzw. einen eigenen Film bekommen kann, der innerhalb des MCU angesiedelt ist.
  • Joss Whedon ist sehr lautstark darin gewesen, darauf hinzuweisen, wie hart es für ihn war, gleichzeitig eine eigene Vision eines Films umzusetzen und alle Ecken und Enden der Supra-Storylines zu bedienen.
  • Die Zukunft des MCU ist mutabel. Marvel hat schon jetzt seinen “Slate” für die nächsten Jahre umgeworfen, um Platz für Spider-Man zu machen. Und während die Gesamtmarke nach der Freistrampelung der Filmtudios aus dem restlichen Marvelimperium weiter wächst, könnte es sein, dass das MCU auch partitionierter wird, zum Beispiel zwischen Fernsehen und Film. Die erste Netflix-Serie Daredevil hatte ja quasi keinerlei Tie-ins zum restlichen Universum und der Aufbau der Inhumans stand ja zumindest für ein paar Minuten mal in Frage. Einleichtend auf jeden Fall, dass sich hier erneut zeigt, dass die Langfristplanung mit viel Tamtam halt auch nicht mehr ist als eine Marketing-Veranstaltung.

Jacob Hall hat es auf “/film” am besten ausgedrückt:

In any case, the “Complete History of Marvel Studios” book that gets released in 2041 is going to be one crazy read.

Mehr zu Franchises gibt es hier im Blog zum Beispiel in meiner Franchise-Vorschau auf 2015 und der Frage nach dem Verhältnis von Fanfiction und modernen Franchises.

Einheitstheorien

Die Sehnsucht nach “Weltformeln” im Kino schlägt in den letzten Monaten in Form von “Fantheorien” neue Haken. Josh Spiegel, Jacob Hall und Rajko Burchardt haben vor kurzem dagegen angeschrieben. Ich werde mich bald in einem eigenen Post dem Thema widmen.

Und das war’s für’s erste. Keep watching the skies.

Schluss mit der Kinderarbeit

Ein tödliches Labyrinth haben sie bereits gemeistert, jetzt müssen sie auch noch durch eine Brandwüste. Die Helden der Filmreihe Maze Runner sind nur eine von mehreren Gruppen junger Menschen, die gerade im Kino die Welt retten. Nebenan kämpft Jennifer Lawrence im Hunger Games-Franchise gegen Machthaber, die zur Festigung ihres Regimes regelmäßig Kinder in Gladiatorenkämpfen antreten lassen. Und Shailene Woodley lehnte sich zuletzt in Insurgent gegen ein diktatorisches Kastenregime auf, das Menschen unveränderbar in Lebensentwurfschubladen stecken möchte.

Das Strickmuster dieser im Kielwasser von Potter und Twilight entstandenen Verfilmungen sogenannter Young-Adult-Romanserien ist immer gleich: In einer dystopischen Zukunft trägt ein Großteil der Menschen grobe Leinenkleidung und hat sich einer Big-Brother-mäßigen Diktatur unterworfen. Hoffnung gibt es bloß in Gestalt einiger, unter all dem Endzeitstaub immer noch verdammt gut aussehenden Teenager, die den Status quo nicht hinnehmen wollen.

Nun mag es solche Helden in Jugendbüchern und -filmen schon seit Jahrzehnten geben, sie taugen einfach als Identifikationsfiguren für junge KonsumentInnen. Aber wollen, können, dürfen wir wirklich die ganze Arbeit den Kindern überlassen? Ihre Unschuld und ihr Hang zum Out-of-the-Box-Denken mögen ja ganz niedlich sein – ein bisschen Lebenserfahrung wäre als Ergänzung jedoch nicht schlecht. Auf die »Erwachsenen« im Film kann man sich leider auch nicht mehr verlassen. Die meisten von denen sind emsig damit beschäftigt, ihr eigenes inneres Kind wiederzuentdecken und sich wie »Mitte zwanzig« zu fühlen. Der Rest, das sind diese kalkulierenden Fatalisten, die man in den Young-Adult-Filmen um Konferenztische sitzen sieht.

Weiterlesen auf “epd-film.de” oder in epd Film 10/2015

Quotes of Quotes (XXIX) – Paul Bettany über die Vorteile eines Marvel-Vertrags

Während ich Stückchen für Stückchen zusammenschreibe, wie das Marvel Cinematic Universe auf verschiedenen Ebenen funktioniert, habe ich ja schon öfter erwähnt, dass dazu unter anderem die langfristigen Verträge gehören, die Schauspieler abschließen müssen. Bisher hatte ich das ganze von Schauspielerseite immer eher als ein Korsett gesehen, aber Paul Bettany hat im neuesten Nerdist Podcast etwas Interessantes gesagt (bei 41:50):

It’s absolutely a blessing […] and it’s the first time in my career that I knew what I would be doing in a year’s time. That’s a fantastic piece of security in a life that doesn’t have much in that way.

Bettany und Hardwick sprechen viel darüber, wie es ist, als Schauspieler erfolgreich und dann auch mal weniger erfolgreich zu sein. Marvel-Verträge binden einen zwar für eine gewisse Zeit, aber dafür hat man eben auch Jobsicherheit, ähnlich wie in einer Fernsehserie, was ja praktisch ist, wenn man kein Superstar ist. Das ganze Interview lohnt sich.

Essentialismus ist die falsche Waffe gegen YouTube

Erinnert sich noch jemand an Fappygate? Ein völlig bescheuerter und unnötig eskalierter Netzstreit von vor einem Jahr, in dem Sascha Pallenberg und Yasmina Banaszczuk auf Twitter aneinander gerieten und der darin endete, dass Yasmina sich vollständig aus Twitter zurückzog?

Weil der ausufernde, ätzende Sexismus am Ende das wahre Problem war, kann sich wahrscheinlich kaum noch jemand erinnern, worüber die beiden gestritten hatten. Banaszczuk hatte vermutet, dass sich Andreas Rickmann in einem Blogpost an einer ihrer Thesen bedient hatte, ohne sie zu erwähnen. Die These: Bei YouTube passiert Personality-Zeugs, das wir als erste Netzgeneration gar nicht wirklich mitbekommen und das wir nicht ernst genug nehmen.

LeFloid ist ihr Sascha Lobo

Das war vor einem Jahr. Seitdem ist viel passiert. Eine größere Gruppe YouTuber hat sich von ihrem Management losgesagt. Der YouTuber LeFloid hat die Kanzlerin interviewt und bekommt eine eigene Fernsehsendung. YouTube fährt derzeit eine riesige Werbekampagne in Deutschland, in der zwei Gesichter im Vordergrund stehen und nicht das Medium. Kurz: Was Rickmann und Banaszczuk vor einem Jahr noch beklagt haben, dürfte im kollektiven Gedächtnis angekommen sein. YouTuber sind die neuen Blogger. LeFloid ist ihr Sascha Lobo.

Lucas Barwenczik hat auf kino-zeit.de gerade darüber geschrieben, wie YouTuber Filmkritik machen. So, wie sie alles andere auch machen. Sie setzen sich vor eine Kamera und reden drauflos. Und weil Filmkritik für die meisten Menschen nicht gerade Kulturpraxis ist, wie Lucas kurz zuvor in einem anderen Artikel beschrieben hat, besteht diese Kritik vor allem aus der heiligen Dreifaltigkeit Inhaltsangabe, Bewertung, Konsumempfehlung.

Lucas kritisiert, dass die Kritiker auf YouTube ihr Medium nicht besser nutzen. Da haben sie schon Video zur Verfügung, könnten den Film zeigen, statt ihn wie wir Textknechte nur zu beschreiben, und sie machen es nicht. Stattdessen filmen sie sich beim Labern, ergeben zusammen ein “visuelles Vuvuzela-Konzert” – Flachheit, wo Tiefe möglich wäre. (Ich spare den Punkt, dass es in Deutschland keine Fair use-Gesetzgebung gibt und daher das Arbeiten mit Ausschnitten, zum Beispiel für Essay-Kritiken, immer mit deutlich mehr Abmahn-Risiko verbunden ist als anderswo, hier mal bewusst aus.)

Ich kann doch auch nichts damit anfangen

Es ist nicht so, dass ich Lucas’ Sorgen nicht nachvollziehen könnte. Nicht nur, was die Qualität der Filmkritik angeht, obwohl er dort ja nur in einen Chor einstimmt, dem ich als Wiederholer des Mantras “Wenn ihr gute Filmkritik wollt, macht sie selber, aber erhebt keinen Anspruch darauf, dass euch jemand dafür bezahlt” nur bedingt zuhören möchte. Aber ich kann mit YouTube-Vlogging auch überhaupt nichts anfangen.

Und zwar ebenfalls, weil ich es für eine schrecklich inneffiziente Nutzung eines visuellen Mediums halte, sich selbst beim Reden zu filmen. Einen Blogpost kann ich auf dem Handy lesen, während ich im Bus sitze. Einen Podcast kann ich hören, während ich zur Bushaltestelle laufe. Aber um ein YouTube-Video zu sehen, brauche ich sowohl eine Internetverbindung als auch ungeteilte Aufmerksamkeit. Und wenn der Informationsgehalt dann der gleiche wie bei einem Audio- oder Textformat ist, frage auch ich mich: Lesen geht schneller, Hören erlaubt Multitasking. Wann und warum soll ich das gucken?

Beautiful Faces statt Beautiful Minds

Mal ganz abgesehen davon, dass ich alter Sack natürlich keinen Bezug zu den Personen habe, die da reden. Aber in mir glüht auch noch dieser Funke des Blogzeitalters, der mir sagt: Ja ja, damals, als Blogs noch die Revolution waren, da standen noch die Texte im Vordergrund und eben nicht die Persönlichkeiten. Ich lese Blogtexte von Leuten, zu denen ich auch keinen vorherigen Bezug habe oder die hinter einem Pseudonym verschwinden, und ich finde sie trotzdem interessant, weil mich die Argumentation oder der Schreibstil überzeugt. Auf YouTube muss man jetzt plötzlich doch wieder irgendwie attraktiv sein. Statt “beautiful minds” sind jetzt doch wieder oberflächliche “beautiful faces” ein Kriterium.

Doch zum Glück hat das Altesacktum auch Vorteile. Zum Beispiel, dass es einen hoffentlich vor bestimmten Fallstricken bewahrt, über die man zuvor schon mal gestolpert ist. Und es sind diese Fallstricke, die in meinem Denken über YouTube plötzlich in meiner Erinnerung wieder laute Signaltöne abgeben und mich bitten, sie zu beachten.

Kids these Days

Da wäre einmal das “Kids these days”-Phänomen. Jede Generation beschwert sich über diejenige, die ihr nachfolgt. Jede ist der Meinung, dass sie alles selbst besser konnte und dass das, was nachkommt eine verwässerte/pervertierte Version dessen ist, wofür sie noch kämpfen musste/das hart Erarbeitete wieder zunichte macht/die Dinge, die bei uns ja noch einen Sinn hatten, jetzt ins Absurde weiterentwickelt. Manchmal reichen schon zehn Jahre Altersunterschied, um sich so zu fühlen – wie ich immer wieder feststelle, wenn ich Menschen Anfang 20 gegenüberstehe (Als Jahrgang 1983 gehöre ich zu denen, die als letzte in Deutschland noch einen Magister-Abschluss machen konnten, zum Beispiel).

Aber eben weil es ausnahmslos jeder Generation so geht, ist es Quatsch zu denken, dass es genau dieses Mal anders ist (obwohl es immer wieder auch gute Argumente genau dafür gibt). Wer bin ich, dass ich heutigen Jugendlichen vorwerfen darf, dass sie ihr ureigenstens Medium nicht so nutzen, wie ich das gerne hätte? Was unterscheidet mich von den Leuten, die zehn, zwanzig Jahre älter sind als ich und behaupten, Filmkritik in Blogs wäre keine echte Filmkritik? Leuten, die ich gerne zum Ice Bucket Challenge zwangsnachverpflichten würde.

Der zweite Fallstrick ist die Gefahr des Essentialismus. Ich habe eine Magisterarbeit darüber geschrieben, dass manche Filme, die im Computer erschaffene und bearbeitete Bilder nutzen, irgendwie interessanter sind als andere, weil sie die Möglichkeiten der Technologie stärker ausnutzen. Ich persönlich finde diese Filme auch heute noch interessanter, weil ich mich an den Beziehungen zwischen Kunst, Welt und Technik totfaszinieren könnte, aber ich würde nie wieder behaupten, dass sie anderen Filmen überlegen sind. Wenn man einmal damit anfängt, zu glauben, dass man weiß, welche essenziellem Eigenschaften ein Medium, eine Technik, ein Mensch, eine Nation hat, ist man ganz schnell am Rand von sehr tiefen normativen Abgründen, manche von ihnen durchaus gefährlich.

Eigenschaften, die wir gar nicht sehen

Könnte es nicht zum Beispiel sein, dass die Abgefilmter-Rant-Filmkritiken auf YouTube eine Eigenschaft aufweisen, die andere Medien nicht haben? Nämlich dass ich demjeningen, der mir da etwas erzählt, dabei in die Augen sehen kann? “Authentisch” ist das schlimme Wort, das jeder benutzt, wenn er über diese neue Generation von Nischenstars spricht oder schreibt, aber es muss irgendwas dran sein.

In einer wahnsinnig tollen Kritik eines Helene-Fischer-Konzertes tauchte mir mal dieser Gedanke auf, dass die Art von neuartiger Authentizität dazu führt, dass wir als Kulturkritiker diese Gebilde nicht mehr dekonstruieren können. Sie sind so echt und so roh, dass sie sich eigentlich jeder Kritik entziehen. Jede Kritik der Inszenierung wäre eine unfaire Ad-Hominem-Kritik. Und vielleicht ist genau das, was uns so unruhig macht, was uns sagen lässt “Was tun die da eigentlich und warum finden wir keine Maßstäbe dafür?” genau jenes, was ihre Fans mögen. Wir sind nicht diese Fans. Das müssen wir aber auch nicht sein.

Bild via Wikimedia Commons

Podgast (IX) – “Star Wars: Identities”

Letzte Woche habe ich es geschafft, die Star Wars-Ausstellung “Identities” zu besuchen. Ich fand es toll, so viele Requisiten aus dem Film mal im Original zu sehen, aber die Ausstellung hatte darüber hinaus noch einiges mehr zu bieten. Sie ist Teil einer neuen amerikanischen Event-Museumskultur, die nahe an der Grenze zum Theme Park Ride ist – ähnlich wie Harry Potter: The Exhibition, über deren Mischung aus Fakt und Fiktion ich hier im Blog auch schon geschrieben habe (und die in Deutschland ebenfalls im Odysseum gastiert hat).

Bei “Identities” gab es eine hohe technische Komponente, die ich für das “Techniktagebuch” dokumentiert habe.

Zufälligerweise war mein Blogbro und Star Wars-Überfan Sascha von “Pew Pew Pew” eine Woche nach mir in der Ausstellung – also haben wir uns auf Skype getroffen, um über unsere Erfahrungen zu reden und haben das Ganze in einem Podcast festgehalten.


Der Podcast bei “Pew Pew Pew”.

“Star Wars: Identities” ist noch bis 17. November im Odysseum in Köln zu sehen